- Hochtonnige Spezialgüterwagen
Hochtonnige Spezialgüterwagen sind Güterwagen mit sechs oder mehr Achsen und entsprechend hoher Tragfähigkeit für die Beförderung von schweren Gußstücken, Maschinenteilen, Brückenteilen, Geschützen u. dgl.
Man unterscheidet folgende Ausführungsformen:
1. Plattformwagen mit zwei Drehgestellen; die Zug- und Stoßvorrichtung ist am Plattformgestelle angebracht (vgl. Abb. 114).
2. Gelenk- (Zwillings-) Wagen, bestehend aus zwei Einzelwagen, die durch eine gelenkige Kurzkupplung miteinander verbunden sind; bei jedem Einzelwagen sind die Achsen in einem gemeinschaftlichen Rahmen gelagert (vgl. Abb. 116).
3. Wagen mit zwei bis vier Drehgestellen, auf denen eine Ladebrücke gelagert ist; bei Wagen mit mehr als zwei Drehgestellen sind je zwei Drehgestelle durch Zwischenträger, auf denen die Ladebrücke ruht, verbunden; die Zug- und Stoßvorrichtung ist an den Drehgestellen (Unterwagen) oder den Zwischenträgern angebracht (vgl. Abb. 117 u. 118).
Die H. werden wegen ihres hohen Gewichtes fast durchwegs mit Bremsen, die zumindest auf einen Teil der Achsen wirken, ausgerüstet.
Das auf einen Meter Wagenlänge entfallende Gesamtgewicht (Eigengewicht mehr Gewicht der Ladung) ist bei diesen Wagen sehr groß. Dieser Umstand bewirkt im Vereine mit der Aufeinanderfolge einzelner Achsen in kurzen Abständen eine wesentlich ungünstigere Beanspruchung der Eisenbahnbrücken als dies bei dem gewöhnlichen Güterwagen der Fall ist. Mit Rücksicht hierauf ist der Verkehr der H. auf manchen Strecken überhaupt nicht, auf anderen wieder nur bei bestimmter, bei den einzelnen Bahnen durch besondere Vorschriften geregelter Einreihung in die Züge zulässig (Trennung des H. von der Lokomotive oder im Zuge mitlaufenden anderen schweren Wagen durch eine Anzahl von Wagen mit geringem Gewicht für das Meter Wagenlänge).
Diese Beschränkung der Freizügigkeit der H. macht es erforderlich, daß bei Überleitung eines solchen Wagens auf fremde Bahnen mit diesen eine vorherige Verständigung stattfindet.
Im Bereich des VDEV. kann nach dem VWÜ. diese Verständigung nur dann unterbleiben, wenn die Beförderung lediglich auf Hauptbahnen stattfindet und zugleich das Gewicht für das Meter Wagenlänge nicht mehr als 3∙6 t beträgt.
Vorschriften vereinsfremder Verwaltungen für den Übergang der H. sind im Radstandsverzeichnis des VDEV. enthalten.
Da Umladungen bei H. schwer durchführbar sind, muß in weit höherem Maße wie bei gewöhnlichen Güterwagen darauf geachtet werden, daß Schäden an den Wagen, die dessen Außerbetriebsetzung zur Folge haben könnten, während der Beförderung vermieden werden; es ist daher der Instandhaltung und Beaufsichtigung des Laufwerkes der Achslager (Vermeidung von Heißlaufen), der Reibscheiben u.s.w. eine besondere Sorgfalt zuzuwenden; Verschiebungen sollen nur mit der Lokomotive durchgeführt werden; Abstoßen und Rollenlassen der Wagen ist gänzlich zu vermeiden.
In Österreich dürfen H. mit großem Gesamtradstand, die nicht mit besonderen Einrichtungen für das leichte Befahren von Bahnkrümmungen versehen sind, in Krümmungen von 350 m und darunter nur mit 15 km/Std. befördert werden.
Die hohen Kosten, die den Bahnverwaltungen mit Rücksicht auf das Vorangeführte aus der Beförderung der H. erwachsen, haben vielfach dazu geführt, für Sendungen auf solchen Wagen erhöhte Frachtsätze aufzustellen.
Über Tiefgang- (Tieflade-) Wagen und Geschützwagen vgl. die betreffenden Artikel.
Beschreibung einzelner Wagen:
Abb. 114. Sechsachsiger Plattformwagen der preußischen Staatsbahnen. Der Wagen besitzt zwei dreiachsige Drehgestelle, auf denen eine mit Seitenrungen versehene Plattform ruht, die mit der normalen Zug- und Stoßvorrichtung ausgerüstet ist. Zur Erzielung eines gleichen Raddruckes der Achsen eines Drehgestelles sind die Federgehänge durch Ausgleichhebel verbunden.
Drehzapfenabstand: 12 m; Radstand der Drehgestelle: 2∙6 m; Länge des Wagens über die Puffer: 17∙9 m; Eigengewicht: rd. 45 t; Tragfähigkeit: 60 t.
Abb. 115. Achtachsiger Plattform wagen der Allis Chalmers-Werke in Milwaukee. Der Wagen besitzt vier Diamond-Drehgestelle; je zwei sind durch einen Zwischenträger verbunden; die Plattform, an der die amerikanische Mittelkupplung angebracht ist, ruht auf den Zwischenträgern.
Drehzapfenabstand: 6∙72 m, Eigengewicht: 33 t, Tragfähigkeit: 100 t.
Abb. 116. Gelenk- (Zwillings-) Wagen der Great Central Railway Comp. Der Wagen besteht aus zwei dreiachsigen Einzelgestellen, die an der äußeren Stirnseite mit der normalen Zug- und Stoß Vorrichtung, an den inneren Stirnseiten mit einer Gelenkkupplung und hölzernen Stoßplatten ausgerüstet sind.
Jedes Einzelgestell ist mit einer auf zwei Achsen wirkenden Hebelbremse versehen. Eigengewicht des ganzen Wagens = 17∙5 t, Tragfähigkeit = 40 t.
Abb. 117. Achtachsiger Spezialgüterwagen der österr. Staatsbahnen. Der Wagen besteht aus zwei vierachsigen Unterwagen, die mit einer Ladebrücke verbunden sind. Diese ist, der jeweiligen Ladung entsprechend, vom Verfrachter beizustellen. Eigengewicht eines Unterwagens = 14 t; Ladegewicht des gesamten Wagens einschließlich Gewichtes der Ladebrücke = 80 t; Tragfähigkeit = 84 t. Der Drehzapfenabstand wechselt nach der Länge der beizustellenden Ladebrücke. Bei voller Ausnutzung der Tragfähigkeit darf er nicht weniger als 15 m betragen. Wird unter der Tragfähigkeit geladen, so kann der Drehzapfenabstand derart bemessen werden, daß das Gewicht für 1 m Wagenlänge 5∙077 t nicht übersteigt.
Jeder Unterwagen ist beiderseits mit der normalen Zug- und Stoßvorrichtung ausgerüstet, so daß die Unterwagen auch einzeln für Transporte verwendet werden können. Die Federgehänge sind durch Ausgleichhebel verbunden. Die Unterwagen sind zwecks Überganges von der normalen Spur auf die russische Breitspur mit Umsetzvorrichtung (Bauart Breidsprecher) eingerichtet. Jeder Unterwagen ist mit einer Handbremse, die auf sämtliche Achsen wirkt und von einer geschlossenen Bremshütte betätigt wird, versehen. Die Bremshütten können, wenn die Ladung dies erfordert, abgenommen werden.
Abb. 118. Achtachsiger Spezialgüterwagen der österr. Witkowitzer Eisenwerke. Der Wagen besitzt vier zweiachsige Diamonddrehgestelle; je zwei Drehgestelle sind durch einen Zwischenträger verbunden, der beiderseits die normale Zug- und Stoßvorrichtung und außen eine abnehmbare Bremshütte trägt, so daß jedes Drehgestellepaar nach Abnahme der Ladebrücke für sich allein zum Transport verwendet werden kann; auf den Zwischenträgern ruht die Ladebrücke.
Eigengewicht (einschl. Ladebrücke) = 32∙3 t, Ladegewicht (ausschl. Ladebrücke) = 76∙2 t, Tragfähigkeit = 80 t.
Cimonetti.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.