- Kamerun
Kamerun, seit Juli 1884 deutsches Schutzgebiet, mit etwa 495.600 km2 ungefähr der Größe des Deutschen Reiches ohne die Provinz Schlesien gleichkommend und rund 2∙3 Mill. Einwohnern, erhielt durch das Abkommen mit Frankreich vom 4. November 1911 einen Gebietszuwuchs um rund 294.400 km2, so daß seine Fläche jetzt rund 790.000 km2 beträgt; der Bevölkerungszuwachs beläuft sich auf rund 103.000 Seelen.
K. (s. Karte Abb. 181) ist in seiner Eisenbahnentwicklung gegen die andern deutschafrikanischen Schutzgebiete erheblich zurückgeblieben. Die Geländeverhältnisse mit einem Urwaldgürtel in wechselnder Breite von 200–300 km, mit vielen Sümpfen und mit zahlreichen bedeutenden Wasserläufen bieten die denkbar größten Schwierigkeiten für den Bahnbau, die klimatischen Verhältnisse, die beständige Hitze und Feuchtigkeit, die lang andauernde Regenzeit mit äußerst heftigen Niederschlägen beeinflussen die Tätigkeit der Weißen wie der Eingeborenen außerordentlich ungünstig und die Verpflegung der erforderlichen eingeborenen Arbeiter, die sich zu den Bahnbauarbeiten schlecht eignen und wenig darin leisten, war dauernd mit den größten Schwierigkeiten verbunden.
Der Ausgangspunkt für die Erschließungsbahnen K. ist der vorzügliche Hafen Duala im Innern der geräumigen Bucht gelegen, die der Kamerunfluß oder Wuri durchströmt; nach Durchbaggerung der sog. Innenbarre werden künftig große Seeschiffe bis nach Duala heraufgehen und an der daselbst geplanten Kaimauer anlegen können. Da die dem französischen Äquatorialafrika zugekehrte östliche Binnengrenze von Bonga bis zum Tschadsee mindestens 4mal so lang ist als die Küstenausdehnung von K., so wird die Erschließung des ausgedehnten Hinterlandes nur durch eine Mehrzahl von Duala aus strahlenförmig nach Südost, Ost und Nordost bis an die Binnengrenze vordringender Bahnlinien zu erzielen sein.
1. Die Viktoria-Pflanzungsbahn.
Die im Jahre 1910 begonnene, in 60 cm-Spur erbaute Pflanzungsbahn der Westafrikanischen Pflanzungsbahngesellschaft »Viktoria« von dem Hafenplatz Viktoria – westlich Dualas – nach Soppo (Zwingenberger Hof), etwa 66 km lang, ist im Wesen eine Kleinbahn zur Beförderung der Pflanzungserzeugnisse nach der Küste; daneben dient sie in beschränkter Weise dem Personenverkehr. Sie wird mit Dampflokomotiven betrieben. Größte Steigung 1 : 20, kleinster Bogenhalbmesser 25 m; zulässiger Raddruck 750 kg. Der Oberbau wird zurzeit verstärkt.
2. Manenguba- oder Kameruner Nordbahn.
Diese ist, von Kleinbahnen abgesehen, heute die einzige noch bestehende Privatbahn in den deutschen Schutzgebieten Afrikas. Bau und Betrieb wurde der Kamerun-Eisenbahngesellschaft durch Gesetz vom 4. Mai 1906 auf 90 Jahre konzessioniert. Das Anlagekapital beträgt 16∙64 Mill. M.; das Reich hat auf 11 Mill. M. Stammanteile eine Zinsbürgschaft mit 3%, sowie die Rückzahlung der ausgelosten Anteile mit 120% übernommen und der Gesellschaft wichtige Land- und Bergwerksgerechtsame verliehen. Die Bauausführung in der 1 m-Spur wurde der deutschen Kolonial-Eisenbahnbau- und Betriebsgesellschaft in Berlin übertragen. Diese Unternehmung begann im Jahre 1906 mit den Arbeiten. Die Bahn geht von der Duala gegenüber auf dem rechten Ufer des Kamerunflusses liegenden Halbinsel Bonaberi aus, durchschneidet den Urwaldgürtel in nördlicher und nordöstlicher Richtung und endigt auf dem Sattel zwischen den Manengubabergen und dem Nlonakogebirge an der Station Nkongsamba auf 880 m Höhe ü. M. Die größte Steigung beträgt 1 : 60, der Halbmesser der schärfsten Bogen geht bis auf 120 m herab.
Von größeren Bauwerken ist zu nennen die Brücke über den Bomono mit zwei eisernen Überbauten von je 40 m Stützweite, bemerkenswert wegen ihrer schwierigen Gründung.
Die erste Teilstrecke wurde am 1. August 1909, die ganze Bahn, 160 km, am 1. April 1911 dem Verkehr übergeben. Der Betrieb wird von der Baugesellschaft geführt. Der Verkehr der Bahn hat sich inzwischen so günstig entwickelt, daß für das Jahr 1912 bereits ein 3% iger Gewinn auf die 5∙64 Mill. M. Vorzugsanteile erteilt werden konnte. Über eine Verlängerung der Bahn in nordöstlicher Richtung über Bare und Dschang nach Kuti und Fumban (Bamum) ist noch keinerlei Entscheidung getroffen.
Die nachstehende Tabelle gibt die Betriebsergebnisse der beiden Kalenderjahre 1912 und 1913.
3. Die Kameruner Mittellandbahn Duala-Edea-Njong.
Diese Staatsbahn, die mit 1 m-Spur gebaut wurde, ist als die Anfangs- und Stammstrecke des künftigen, nach dem Innern des Schutzgebiets gerichteten Hauptbahnnetzes gedacht. Für den Bau waren seinerzeit politische und militärische Erwägungen in erster Linie maßgebend; vor allem soll sie die Beseitigung des Karawanenhandels herbeiführen, der als ein schwerer Mißstand auf dem Lande lastet; sie soll die Ausfuhr der wertvollen Erzeugnisse des Bakokolandes, Palmöl und Palmkerne, ermöglichen; zwischen dem Sanaga- und dem Njongflusse erstrecken sich große Waldbestände von Ölpalmen, die bisher ungenutzt blieben. Als künftige Bahnfrachten kommen ferner Mais, Erdnüsse, Tabak, Kakao, sowie zahlreiche Edel- und Bauhölzer in Betracht; im Jaundebezirk werden der Bahn Frachten an Pferden, Rind- und Kleinvieh aus den Zuchtgebieten von Adamaua und der Tschadseegegend zufallen; die dichtbevölkerten Basoko- und Babimbibezirke werden lebhaften Personenverkehr bringen.
Das Anlagekapital einschließlich der Bauzinsen war ursprünglich auf 44 Mill. M. bemessen und soll durch Schutzgebietsanleihe aufgebracht werden. Infolge der Aufwendungen für die alsbald in größerem Umfange herzustellende Hafenanlage in Duala und für die Durchbaggerung der dortigen Innenbarre im Kamerunfluß hat sich das Anlagekapital auf 57,140.000 M. – darunter 48,350.000 M. für den eigentlichen Bahnbau – erhöht. Kilometrische Kosten für die Strecke Bidjoka-Njong 194.000 M. (25∙95 Mill. M. für 133 km). Die stärksten Steigungen der Bahn sollen landwärts 1 : 60, seewärts 1 : 100 nicht übersteigen; die schärfsten Bahnkrümmungen sollen 200 m, im Notfalle 150 m Halbmesser erhalten.
Die Bahn beginnt in Duala auf dem linken Ufer des Wuriflusses, wo eine 450 m lange Kaianlage für das gleichzeitige Anlegen von 3 Seedampfern Raum bieten soll; ausgedehnte Schuppen sollen für den Umschlag zwischen Bahn- und Seeverkehr hergestellt werden. Die Bahn zieht sich im Bogen nach Südosten und überschreitet östlich der Station Japoma den Dibambafluß auf einer 322 m langen eisernen Brücke (2 Öffnungen zu je 70 m Weite mit untenliegender Fahrbahn und 3 zu 60 m Weite mit obenliegender Fahrbahn). Weiterhin wird der Sanaga in zwei getrennten Armen überschritten: der Nordarm auf einer eisernen Trägerbrücke von 4 Öffnungen zu je 57∙6 m Stützweite, der Südarm auf einer 160 m weiten Stahlbogenbrücke (Abb. 183), die heute die weitestgespannte Brücke in Afrika ist; sie übertrifft an Spannweite die große Bogenbrücke über den Sambesi an den Viktoriafällen um rund 8 m, wie die Abb. 182 zeigt. Der Bau der Südarmbrücke war wegen der großen Wassertiefe des Sanaga, bei Hochwasser 26 m, mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die eine Bogenhälfte wurde vom Lande aus auf festem Gerüst vorgebaut, die andere auf schwimmenden Prähmen errichtet und in bemerkenswerter Weise unter Benutzung der Strömung des Flusses in die richtige Lage eingeschwommen. Auf dem linken Ufer des Sanaga erreicht die Bahn die Station Edea, km 81, wird von hier in östlicher Richtung fortgeführt und gelangt hinter Bidjoka, km 150, in ein außerordentlich schwieriges, sehr zerrissenes Gelände, zum sog. Malume-Aufstieg; die nun folgende etwa 30 km lange Steilstrecke erfordert künstliche Linienentwicklungen und zahlreiche Kunstbauten. Der Endpunkt wird bei Mbalmajo am rechten Ufer des Njong, bei 283 km Gesamtlänge erreicht.
Die Ausführung der Bahn ist der deutschen Kolonial-Eisenbahnbau- und Betriebsgesellschaft übertragen. Die Baufortschritte waren bisher recht beschränkt; am 11. April 1912 konnte der vorläufige Betrieb für den öffentlichen Verkehr bis Edea, am 1. Dezember 1913 bis Bidjoka, km 150, aufgenommen werden. Zur Beschleunigung der Arbeiten sind 30 km 60 cm-spuriges Feldbahngleis mit den zugehörigen Fahrzeugen und eine Anzahl mechanisch zu betreibender Trockenbagger – Dampfschaufeln – von je 1 m3 Inhalt hinausgesandt worden. Die Reststrecke soll bis zum 24. Juli 1916 vollendet sein.
4. Weitere Bahnentwürfe.
Zur Erschließung des Südostens wird vom Njong (Mbalmajo) eine Bahn über Sangmelima, Akoafim und Molundu in der Richtung auf Wesso zu bauen sein; die vom Njong in östlicher Richtung auf Bertua zu führende Stammbahn wird sich etwa hier gabeln und mit einem südöstlichen Zweig Nola erreichen müssen, um später eine Fortsetzung bis Singa (Botanga) am Ubangi zu finden. Der nordöstliche Zweig der Stammbahn wird von Bertua über Betare nach Kunde, Meiganga, Reibuba, Bibene, Marua gehen und sich nördlich von da gabeln müssen nach den Richtungen Kusseri und Dikoa. Von dieser Stammbahn werden Zweigbahnen einerseits in westlicher Richtung zu bauen sein über Dendeng auf Tibati und auf Ngaundere, anderseits in östlicher Richtung auf Gore mit dem Plane der künftigen Weiterführung in Richtung auf Fort Archambault am Scharifluß nach Französisch-Äquatorialafrika; endlich im Norden, in westlicher Richtung von Bibene nach Garua. Abweichungen im einzelnen von diesem Programm werden nicht ausbleiben; auch steht noch nicht fest, in welcher Reihenfolge die einzelnen Strecken zur Ausführung kommen sollen.
Baltzer.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.