Liverpools Schnellbahnen

Liverpools Schnellbahnen

Liverpools Schnellbahnen. Der Schnellverkehrsgedanke mußte in einer Großstadt von der Bedeutung Liverpools, der zweitgrößten Stadt Großbritanniens mit einer Bevölkerung von 747.000 Köpfen, gleichzeitig der bedeutendste Seehafen des Landes früh Wurzel fassen. In erster Linie handelte es sich darum, Liverpool mit der durch den 1200 m breiten Meeresarm des Mersey von ihm getrennten, zurzeit 136.000 Bewohner zählenden Hafenstadt Birkenhead in Ergänzung der Fährverbindungen durch eine Tunnelbahn schnellbahnmäßig zusammenzufassen. In zweiter Linie wurden die auf etwa 10 km Länge am Mersey aufgereihten Liverpooler Dockbecken1 durch eine Hochbahn miteinander verbunden. Neuerdings ist beabsichtigt, Liverpool selbst mit einem Schnellbahnnetz zu überziehen. Die gemeinsame Anfangsstrecke der von Liverpool ausgehenden elektrischen Städtebahnen nach Southport und Ormskirk erfüllt in beschränktem Maße die Aufgaben einer Stadtschnellbahn.

Zum besseren Verständnis ist unter Hinweis auf den Lageplan Abb. 165 vorauszuschicken, daß der landseitige Verkehr Liverpools durch die Nordwestbahn, die Cheshirelinien (Gemeinschaftslinien der Nord-, Mittelland- und Zentralbahn) sowie die Lancashire- und Yorkshirebahn, der Verkehr von Birkenhead durch die Gemeinschaftslinien der Nordwest- und Westbahn sowie durch die Zentralbahn bedient wird; dazu tritt auf der Birkenheadseite als Bindeglied von örtlicher Bedeutung die Wirralbahn. Die Liverpooler Endpersonenbahnhöfe Lime Street der Nordwestbahn, Central der Cheshirelinien und Exchange der Lancashire- und Yorkshirebahn liegen nahe beieinander im Herzen der Stadt. Die Dockreihe ist mit Güterbahnhöfen dicht besetzt, von denen die vom Verschubbahnhof Edgehill mittels langgestreckter Tunnelbahnen erreichten Güterstationen Waterloo und Wapping der Nordwestbahn die bekanntesten sind. In Birkenhead dringen die Personenzüge der Nordwest- und Westbahnen bis Woodside, über die Wirralbahn bis zum Park vor; die Zentralbahn erreicht den Endbahnhof Seacombe über die Wirralbahn. Von den im folgenden näher besprochenen elektrischen Bahnen sind die Merseytunnelbahn sowie die Linien nach Southport und Ormskirk elektrisierte Dampfbahnen; die Hochbahn wurde von vornherein für den elektrischen Betrieb gebaut. Alle Schnellbahnen sind vollspurig.


1. Die Merseytunnelbahn.


Sie führt vom Zentralbahnhof der Cheshirelinien nach Jamesstreet und unter dem Mersey hindurch nach Hamiltonstreet; hier gabelt sie sich nach Rock Ferry an der Nordwest- und Westbahn und nach dem Birkenheadpark, wo auf die Wirralbahn umgestiegen werden kann. Die Länge der Hauptlinie Central-Rock Ferry beträgt 6∙04 km, der Seitenlinie Hamiltonstreet-Park 1∙93 km, die Gesamtlänge also rd. 8 km, die Gleislänge 19∙7 km. Die Neigungsverhältnisse sind ungünstig (zu vgl. Abb. 166); die lichten Abmessungen des Tunnels – 7∙93 m Weite bei 5∙8 m lichter Höhe über den Schienen sind für den elektrischen Betrieb reichlich. Die Stationen Jamesstreet und Hamiltonstreet befinden sich 23∙4 und 26∙7 m unter dem Straßenboden; jede ist mit 3 Druckwasseraufzügen ausgerüstet, die einzeln auf 6∙1 × 5∙2 m2 Fahrstuhlfläche 100 Fahrgäste zu fassen vermögen. Ihre Umlaufzeit ist auf den Zugabstand der Stammstrecke eingestellt, der während der ganzen Betriebsdauer 3 Min. (auf den Zweigen 6 Min.) beträgt. Da die Aufzüge in Intervallen von je 1 Min. abgelassen werden, so können jedem Zug bis zu 300 Fahrgäste zugeführt werden. Die übrigen Stationen werden über Quergänge mittels Treppen erreicht. Zur Ebbezeit des Verkehrs führen die Züge 3, in den beiden Flutzeiten des Tages 4 und 5 Wagen mit Triebwagen an den Enden; etwa der siebente Teil der Züge hat Anschluß an die Dampfbahnzüge in Park und Rock Ferry.

Abb. 167 zeigt die Abmessungen und die Grundrißanordnung der Triebwagen. Ihre Länge beträgt 17∙97 m, die Breite 2∙62 m. Sie sind mit 4 Westinghouse-Motoren von je 100 PS. ausgerüstet, die elektropneumatisch gesteuert werden. Sitzplatzzahl im Triebwagen 46, im Beiwagen 64.

Die Bahn wird mit Gleichstrom von 500 Volt betrieben, der durch eine außerhalb des Gleises geführte dritte Schiene zugeleitet, durch eine mitten im Gleis befindliche vierte Schiene abgeleitet wird (zu vgl. Abb. 168). Die Fahrschienen sind stromlos.

Die unterirdische Dampfbahn wurde durch Parlamentsakte von 1866 genehmigt. Die Eröffnung fand aber erst am 20. Juni 1886 statt. Die Nachteile des Dampfbetriebs gaben Anlaß zur Einführung der elektrischen Betriebsweise, die im Jahre 1900 beschlossen und am 3. Mai 1903 eröffnet wurde; die elektrische Ausrüstung wurde von der Britischen Westinghouse-Gesellschaft durchgeführt. Die Elektrisierung brachte sofort eine starke Verdichtung des Zugumlaufs, gleichzeitig auch eine erhebliche Beschleunigung der Geschwindigkeit der Aufzüge (um 60%). Die Lüftungseinrichtungen, die früher stündlich 20.000 m3 Luft in den Tunnel preßten, konnten infolge Fortfalls des Lokomotivrauchs auf den zehnten Teil ihrer Leistung eingeschränkt werden. Die seither aus 66 t schweren Lokomotiven mit 7 zweiachsigen Wagen zusammengesetzten Züge schrumpften im elektrischen Betrieb zu Zwei-, Drei- und Fünfwagenzügen, der frühere Betriebsmittelpark, 18 Lokomotiven und 96 Wagen im Gesamtgewicht von 2207 t umfassend, auf die Zahl von 24 Trieb- und 33 Beiwagen im Gewicht von 1559 t zusammen; die Zahl der Sitzplätze ging von 4280 auf 3156 zurück.


Die Erfolge des elektrischen Betriebs lassen sich bei der Merseytunnelbahn besonders deutlich zeigen. Über die Veränderungen im Zugumlauf geben die nachstehenden Betriebszahlen – Jahresdurchschnitte des Dampfbetriebs von 1899–1901 und des elektrischen vom 1. Juli 1904 bis 30. Juni 1907 – Aufschluß.


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Gemäß Abb. 169 hat die Betriebsumwandlung eine sofortige und andauernde Hebung des Verkehrs zur Folge gehabt, der sich in der letzten Zeit des Dampfbetriebs in ständigem Rückgange befand, namentlich seit in Birkenhead im zweiten Halbjahr 1901 der Wettbewerb der zum elektrischen Betriebe übergegangenen Gemeindestraßenbahnen einsetzte, die als unmittelbare Zubringer zu der – ebenfalls im Besitz der Gemeinde befindlichen – Hauptfähre über den Mersey angelegt worden waren. Die folgende Zusammenstellung gibt auf der Grundlage von Halbjahrsnachweisungen Aufschluß über die Änderungen, die sich im Verkehr und in den Einnahmen beim Übergang vom Dampfbetrieb – vor und nach Einführung des Straßenbahnwettbewerbs – zum elektrischen vollzogen haben.


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Der Einfluß des elektrischen Betriebs auf die Ausgaben ist einer Gegenüberstellung der Jahresdurchschnitte von 1899 bis 1901 und von Mitte 1904 bis Mitte 1907 zu entnehmen.


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Die Entwicklung des Überschusses ist in Abb. 169 veranschaulicht. Über der Nullinie ist der Betriebsüberschuß, unterhalb derselben der Fehlbetrag nach Deckung der festen Renten und der Zinsen der ersten Schuldverschreibungen (s. Tabelle) einschließlich des Elektrisierungskapitals dargestellt, dessen Zinsen bis zur Eröffnung des elektrischen Betriebs in der Abbildung durch eine schraffierte Fläche angegeben sind.

Der Fehlbetrag ist Ende 1908 verschwunden; von da ab konnte auch auf die weiteren Schuldkapitalien ein Zinsanteil gezahlt werden, während allerdings, das Aktienkapital auch heute noch leer ausgeht. Über den inneren Wert der Kapitalgattungen gibt folgende Tabelle Aufschluß.


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Im ganzen bietet die wirtschaftliche Seite des Unternehmens immer noch ein trostloses Bild.


Die Entwicklung des Verkehrs, der Verkehrseinnahmen und der Betriebsausgaben während der letzten 5 Jahre zeigt nachstehende Zusammenstellung.


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2. Die Hochbahn.


Die Hochbahngesellschaft wurde 1888 zur Durchführung der dem Mersey-Dock- und Hafenamt verliehenen Genehmigung zur Einrichtung einer Hochbahn entlang den Docks in einer Ausdehnung von 11∙37 km begründet, von der jetzt 10∙96 km im Betriebe sind. 1901 wurde die Genehmigung zur Verbindung der Hochbahn mit der Lancashire- und Yorkshirebahn bei Seaforth erteilt. Die Stammlinie der Hochbahn wurde 1903, die Anschlußlinie zur Lancashire- und Yorkshirebahn am 2. Juli 1906 in Betrieb genommen. Die Gesellschaft besitzt ferner eine 4 km lange elektrische Straßenbahn von Seaforth nach Waterloo und betreibt die Straßenbahnen des Bezirksrats von Great Crosby. Im Übergang auf die Straßenbahnen der Stadt Liverpool werden durchgehende Fahrscheine ausgegeben.

Die Hochbahn, ganz in Eisen ausgeführt, besitzt, abgesehen von zwei kurzen Rampen in 1 : 40, günstige Neigungsverhältnisse; der kleinste Halbmesser beträgt 140 m. Im Zuge der Bahn befinden sich 1 Drehbrücke von 25 m Spannweite – am Stanley Dock – und 3 Klappbrücken von je 15 m Länge. Zum Bahnbetriebe wird Gleichstrom von 500 Volt verwendet, der durch eine außerhalb des Gleises angeordnete dritte Schiene zugeführt, durch die Fahrschienen und eine zwischen diesen liegende vierte (Entlastungs-) Schiene zurückgeleitet wird. Der Verkehr wird mit 7 Drei- und 15 Zweiwagenzügen von je 148 und 128 Sitzplätzen durchgeführt. Die Gesellschaft verfügt über 7 Wagen I. Klasse, 14 Wagen III. Klasse und 30 gemischtklassige Wagen (zu vgl. Abb. 170), sämtlich mit Quersitzen. Die Wagen haben 13∙7 m Länge und 2∙6 m Breite. Größte zugelassene Fahrgeschwindigkeit 65 km. Die elektrische Ausrüstung wurde von der Firma Dick, Kerr & Co. durchgeführt; die Signale arbeiten nach dem System von Timmis selbsttätig.

Die Entwicklung des Verkehrs, der Einnahmen und Betriebsausgaben für die letzten 5 Jahre ergibt sich aus folgender Zusammenstellung.


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Das Kapital setzt sich zusammen aus 4% Schuldverschreibungen im Nennbetrage von 3,311.600 M. 5% Vorzugsaktien im Nennbetrage von 3,172.400 M. und gewöhnlichen Aktien im Betrage von 10 Mill. M. Nach Deckung der Schuldenzinsen konnten von 1900–1913 auf die Aktien 31/4, 11/2, 11/8, 13/8, 11/4, 0, 1/4, 0, 3/4, 11/2 21/4 und 3% Dividende ausgeschüttet werden.


3. Die Lancashire- und Yorkshirebahn.


Die Bahngesellschaft hat auf den zweigleisigen Strecken von der Exchangestation über Sandhills entlang der Küste bis Southport und Crossens mit Abzweigung nach Meols Cop, sodann bis Ormskirk, zusammen 134 Gleiskilometer, den elektrischen Betrieb eingerichtet. Die Strecken, deren technische Verhältnisse einfacher Natur sind, werden mit Gleichstrom von 600–650 Volt betrieben, der an Unterstationen durch Motorgeneratoren aus Drehstrom von 7500 Volt Spannung abgeleitet wird. Die Zuführung des Stromes erfolgt durch eine dritte Schiene außerhalb des Gleises, die Rückführung durch die Bahnschienen, unterstützt von einer inmitten des Gleises verlaufenden (unisolierten) Entlastungsschiene. Die 3 bis 5 Wagen starken Züge haben an jedem Ende einen Triebwagen; im ganzen sind 58 Triebwagen mit je 69 Sitzplätzen und 83 Beiwagen mit je 66 Sitzplätzen vorhanden. Länge der Triebwagen 18∙0 m, der Beiwagen 18∙3 m, Wagenbreite 3∙0 m (zu vgl. Abb. 171). Die Triebwagen haben 4 Motoren von je 150 PS.

Der elektrische Betrieb wurde am 1. April 1904 bis Southport (30 km) eröffnet, am 3. Dezember 1906 bis Aintree und nach und nach weiter ausgedehnt. Der Fahrplan des Dampfbetriebs wies 36 durchlaufende Züge und ebensoviele zwischen diese eingelegte Liverpooler Ortszüge in jeder Richtung auf; die Zahlen wurden im elektrischen Betrieb sofort verdoppelt, so daß von der Exchangestation die Züge nach Southport alle 20 Min., außerdem bis Hall Road noch je ein Zwischenzug abgelassen werden; dazu kommt stündlich ein Schnellzug in jeder Richtung. Die Züge nach Ormskirk sind in diesen Fahrplan eingeordnet. Bis Southport brauchen die Lokalzüge 37 Min. Fahrzeit gegen 54 Min. im Dampfbetriebe; bis Hall Road wurde die Fahrzeit von 25 auf 17 Min. abgekürzt.

Die Bahn dient im wesentlichen dem Personenverkehr, befördert jedoch auch Gepäck, gewisse Güter, Gemüse, Fische u. dgl., z. T. mittels einzeln laufender Gepäckwagen.

Über die Seaforthverbindung wird eine Anzahl von Zügen auf die Hochbahn übergeleitet, die jedoch mit Rücksicht auf deren Standfestigkeit leichter sein müssen, als die der Southportlinie; aus diesem Grunde sind sie mit Vielfachsteuerung ausgerüstet.

Der Verkehr der elektrischen Linien hat infolge des dichteren Zugbetriebs stark zugenommen. Die Wirtschaftlichkeit ist in der Jahresrechnung der Lancashire- und Yorkshirebahn indessen nicht besonders ausgewiesen.


4. Städtisches Schnellbahnnetz.


Die Verwaltung der Liverpooler städtischen Straßenbahnen hat einen Entwurf für ein umfassendes Netz von Untergrundbahnen zur Entlastung der Straßenbahnen aufgestellt. Außer einer Ringlinie, die mit der bereits bestehenden Hochbahn in Verbindung gebracht werden soll, sieht der Entwurf eine Anzahl strahlenförmiger Strecken vor, die in das Innere der Stadt eindringen, anderseits die Verbindung mit den Vororten herstellen sollen. Die Kosten der Durchführung dieses Planes werden auf 100 bis 260 Mill. M. geschätzt. Besonders bemerkenswert ist, daß die Stadtverwaltung das Schnellbahnnetz auf eigene Kosten durchführen will, während die Engländer sonst derartige Unternehmungen Privatgesellschaften zu überlassen pflegen.

Kemmann.

Abb. 165. Lageplan der Liverpooler Schnellbahnen.
Abb. 165. Lageplan der Liverpooler Schnellbahnen.
Abb. 166. Längenprofil der Merseytunnelbahn.
Abb. 166. Längenprofil der Merseytunnelbahn.
Abb. 167. Grundriß eines Wagens der Merseytunnelbahn.
Abb. 167. Grundriß eines Wagens der Merseytunnelbahn.
Abb. 168. Anordnung der Stromschienen auf der Merseytunnelbahn.
Abb. 168. Anordnung der Stromschienen auf der Merseytunnelbahn.
Abb. 169. Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Merseytunnelbahn durch Einführung des elektrischen Betriebs.
Abb. 169. Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Merseytunnelbahn durch Einführung des elektrischen Betriebs.
Abb. 170. Grundriß eines Triebwagens der Liverpooler Hochbahn.
Abb. 170. Grundriß eines Triebwagens der Liverpooler Hochbahn.
Abb. 171. Wagengrundrisse der Liverpool-Southport-Linie.
Abb. 171. Wagengrundrisse der Liverpool-Southport-Linie.
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Liverpool hat im ganzen 60 Docks und Becken mit 155 ha Gesamtwasserfläche und 42 km Kailänge; die Wasserfläche der Birkenheaddocks beträgt 68 ha.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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