- Lokomotivprüfstände
Lokomotivprüfstände (testing plants; plate formes pour l'epreuve des locomotives; ponte di collaudo per locomotive), ortsfeste maschinelle Anlagen, auf denen die bezüglich ihrer Leistung zu untersuchenden Lokomotiven gestellt, ihre Leistung ohne Ortsveränderung unter Dampf abgeben; diese maschinellen Anlagen sind mit allen Meßapparaten versehen, die in verläßlicher Weise die von der zu untersuchenden Lokomotive erzielten Leistungen verzeichnen.
Diesem Zwecke entsprechend, besteht ein L. aus einer der Zahl der gekuppelten Achsen der Lokomotive entsprechenden Zahl von Rollenräderpaaren, auf die die Lokomotive mit den gekuppelten Räderpaaren gestellt wird; ferner einer Bremse (meist hydraulisch) an jedem dieser Rollenräderpaare, um den Widerstand für die Erzielung der Lokomotivleistung zu geben (Bremsung als Ersatz für den Zugwiderstand); schließlich aus einem die Zugkraft anzeigenden Dynamometer (s.d.), mit dem die zu untersuchende Lokomotive fest verbunden und dadurch am Fortlaufe (Ortsveränderung) verhindert ist.
Außer zur Ermittlung der Leistung (Zugkraft in Verbindung mit Geschwindigkeit) dienen die L. auch zur Untersuchung aller sonstigen mit der Leistung in Zusammenhang stehenden Vorgänge wie: Untersuchung des Wirkungsgrades des Kessels, Untersuchung der auf die Dampfentwicklung maßgebenden Abmessungen von Blasrohr und Rauchfang, Untersuchung der Steuerungsverhältnisse, der Rauchverzehrer u.s.w.
Die Grundform des L. findet sich schon vor mehr als 50 Jahren in einigen Lokomotivfabriken, wenn auch nicht zum selben Zwecke wie die heutigen L., sondern nur dazu, um bei räumlich beschränkten Fabrikanlagen, die ein Probefahren mit neu gebauten Lokomotiven nicht zulassen, doch die Gewähr für anstandsloses Funktionieren aller Teile unter Dampf zu haben. So wurden u.a. bei Hartmann in Chemnitz alle neuen Lokomotiven auf Rollen gestellt, an den Enden mit Ketten gegen Fortlauf versichert und so einer »ortsfesten« Probefahrt unterzogen.
Eine ähnliche Einrichtung war bis vor wenigen Jahren in der großen Lokomotivwerkstätte Swindon der Great Western-Bahn im Gebrauch, weniger aus Mangel an Gleisen, als vielmehr darum, um die mit Zügen dicht besetzte Strecke nicht mit Probefahrten noch mehr zu belasten. Diese Anlage wurde in den Neunzigerjahren dahin ausgestaltet, daß die von den Treibrädern der zu erprobenden Lokomotive in Drehung gesetzten Rollenräder zur Erzeugung des für die Werkstätte nötigen elektrischen Stroms benutzt wurden.
Der erste L., auf dem wissenschaftliche Untersuchungen angestellt wurden, war wohl die vom Maschinenchef der Grazi-Tzaritsin-Bahn, Thomas Urquhart, gebaute Anlage. Besonders wertvoll waren die Ergebnisse über die Bestimmung der Verluste durch Wärmeausstrahlung der Kessel, über die Mittel, diese Verluste zu mildern und über den wirtschaftlichen Wert der Dampfmäntel an den Dampfzylindern.
Der erste für die Untersuchung aller die Leistung einer Lokomotive beeinflussenden Faktoren geeignete L. wurde von Professor Goß, Purdue University U.-St. A. errichtet. Zahllos sind die von ihm an diesem L. durchgeführten Untersuchungen.
Der modernste L. ist die von der Pennsylvania-Bahn in der Weltausstellung zu St. Louis 1904 vorgeführte, vom Chefingenieur A. Vogt entworfene Anlage, auf der eine größere Anzahl der auf diese Ausstellung geschickten Lokomotiven einer eingehenden, vergleichsweisen Untersuchung und Prüfung unterzogen wurde.
In Abb. 222 ist dieser L. dargestellt C, C sind die mit hydraulischer Bremsung versehenen Tragrollen. G ist der Dynamometer, mit dem die zu untersuchende Lokomotive verbunden ist. Die ganze Anlage ist in einem fest fundierten Gebäude untergebracht, in dem sich neben allen zur Untersuchung nötigen Instrumenten auch ein Laufkran E zum Heben schwerer Teile, wie der Rauchfänge u.s.w. befindet.
Der Wert der L. liegt darin, daß auf ihnen »unter gleichen Verhältnissen«, also unter Vermeidung aller die Ergebnisse von Streckenprobefahrten beeinflussenden Nebenumstände, wie Witterung, verschiedene Anlage der Bahn u.s.w., ein fehlerfreier Vergleich der verschiedenen Lokomotivbauarten und ein fehlerfreier Vergleich der verschiedenen Konstruktionsteile erzielt werden kann.
Den ersten Schritt zu einem L. zwecks wissenschaftlicher Untersuchung dürfte wohl Haswell in Wien im Jahre 1861 gemacht haben, als es sich darum handelte, den Nachweis zu liefern, daß die von ihm zuerst ausgeführte Anordnung von 4 Dampfzylindern mit gegenläufigem Triebwerk (Lokomotive Duplex) geeignet sei, die schädlichen Schlinger- und Zuckbewegungen vollständig zu beheben. Dieser einfache L. bestand darin, daß die zu untersuchenden Lokomotiven bei den vorderen Rädern unterkeilt und am hinteren Rahmenende mit einem Krane gehoben wurden, so daß die Treibräder, durch Dampf in Bewegung gesetzt, sich frei in der Luft drehten. Die Größe der Ausschläge, die die Krankette längs und quer zur Gleisachse machte, gab einen guten Vergleich über die Wirksamkeit der verschiedenen Arten des Massenausgleichs an den Rädern (4 Zylinder mit gegenläufigem Triebwerk und 2 Zylinder mit Gegengewichten in den Rädern).
Literatur: The Pennsylvania Railroad System at the Louisiana Purchase Exposition, Philadelphia 1905.
Gölsdorf.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.