- Luxemburgische Eisenbahnen
Luxemburgische Eisenbahnen.
1. Eisenbahnpolitik.
In Luxemburg herrscht das reine Privatbahnsystem. Die Regierung hat die Konzessionen auf 99 und 95 Jahre erteilt, nach deren Ablauf die Bahnen ohne jede Entschädigung in das Eigentum des Staates übergehen. Beihilfen sind in Geld nur einmal an die Wilhelm-Luxemburg-Gesellschaft in Höhe von 8 Mill. Fr., die noch dazu bis Ende 1918 wiedererstattet werden, im übrigen in Form von Erzkonzessionen bewilligt, die zwar für die Gesellschaften von erheblichem Wert sind, aber die Staatskasse nicht unmittelbar belasten. Der Staat wird also ohne merkliche Aufwendungen von Mitteln nach Ablauf der Konzessionen in den Besitz der Eisenbahnen des Landes gelangen Erst gegen Ende des vorigen Jahrhundert mußte die Regierung, da sich keine Unternehmer fanden, sich entschließen, den weiteren Ausbau des Schmalspurnetzes selbst in die Hand zu nehmen. Den Betrieb dieser Bahnen aber hat sie verpachtet.
2. Die Wilhelm-Luxemburg-Bahn.
Die ersten Pläne für den Bau von Eisenbahnen im Großherzogtum reichen bis in das Jahr 1845 zurück. Es währte aber 10 Jahre, bis die erste Konzession vom 9. November 1855 durch Ges. vom 25. November 1855 erteilt werden konnte. Diese ging von den Erwerbern, Bankier Favier und Ingenieur Jouve in Nancy, im Jahre 1857 auf die Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahngesellschaft über, die anfangs 1859 die ersten Strecken eröffnen konnte. Diese Konzession enthielt die für das Land weitaus wichtigsten Durchgangslinien, nämlich von Süd nach Nord die Verbindung Lothringens von Diedenhofen mit Belgien in der Richtung auf Lüttich und mit den Rheinlanden in der Richtung auf Aachen, sowie von Ost nach West die Verbindung des Rheinlandes von Trier nach Belgien in der Richtung auf Brüssel. Das Netz der Wilhelm-Luxemburg-Bahn innerhalb der Grenzen des Großherzogtums umfaßt 191∙6 km (s. Elsaß-Lothringische Eisenbahnen, Bd. IV, S. 294 ff).
3. Die Prinz-Heinrich-Bahn.
Durch die der Wilhelm-Luxemburg-Gesellschaft erteilte Konzession war das wesentlichste Bedürfnis des Landes nach Eisenbahnen gedeckt. Es dauerte denn auch mehr als 13 Jahre, bis eine zweite Konzession in die Wege geleitet wurde. Neben einer von Esch in großem Bogen nach Norden über Klein-Bettingen und Echternach nach Wasserbillig führenden Linie waren noch verschiedene weitere Verbindungslinien mit dem Auslande, insbesondere von Bettemburg über Remich mit der preußischen Linie Saarbrücken-Trier geplant. Diese Pläne gingen aber weit über das Bedürfnis des Landes hinaus und sind, wie die Linie über Remich nach Preußen, überhaupt nicht oder in der bescheideneren Form von Schmalspurbahnen zur Ausführung gelangt. Die erste für die als Netz der Prinz-Heinrich-Bahn bezeichneten Linien durch Ges. vom 19. März 1869 erteilte Konzession erlitt mehrfache Abänderungen, so insbesondere durch Ges. vom 25. Oktober 1873 und nachdem die Konzessionärin in Verzug und finanzielle Schwierigkeiten geraten war, durch Ges. vom 24. August 1877. Die Unterstützung, die die Regierung dem Unternehmen zuteil werden ließ, bestand in der Überweisung von Erzkonzessionen. Die Bedeutung der Erzkonzessionen für die Gesellschaft war so erheblich, daß sie auch in der Gesellschaftsfirma: »Luxemburgische anonyme Prinz-Heinrich-Eisenbahn- und Erzgrubengesellschaft« zum Ausdrucke kam. Der Umfang der Erzkonzession beträgt 417∙66 ha, die, von der Regierung selbst auf 17.500 Fr. f. d. ha geschätzt, einen Wert von 7∙3 Mill. darstellen, ihrem Erträgnis nach sich aber weit höher stellen.
Die normalspurigen Strecken der Prinz-Heinrich-Bahn wurden 1873–1891 eröffnet. Später trat noch auf Grund der Konzession vom 16. November 1894, genehmigt durch Ges. vom 23. Dezember 1894, die Strecke Luxemburg-Petingen (eröffnet 1900) hinzu. Neben diesen normalspurigen Bahnen besitzt die Prinz-Heinrich-Bahn noch 2 schmalspurige Industriebahnen von Differdingen nach den Erzgruben mit 2∙3 km, eröffnet 1901 und von Grundhof nach Befort (Steinbrüche) mit 8∙5 km, eröffnet 1904.
Die Prinz-Heinrich-Bahn trennt für die Rechnungslegung ihr Eisenbahnnetz in 5 Linien: 1. Erzgruben-Linie Esch-Athus mit den Stichbahnen Esch-Hochl, Petingen-Lamadeleine-Französische Grenze und Abzweigung Rodingen-Französische Grenze gegen Mont-St. Martin. Länge 33∙4 km. 2. Luxemburger Linie Luxemburg-Petingen. Länge 20 km. 3. Attert-Linie Petingen-Ettelbrück. Länge 52∙9 km. 4. Sauer-Linie Diekirch-Echternach-Wasserbillig-Grevenmacher. Länge 54∙9 km 5. Wiltzer Linie Kautenbach-Wiltz-Schimpach-Belgische Grenze. Länge 19∙6 km. Bis auf 21 km von der Erzgrubenlinie sind alle Strecken eingleisig.
Der Schwerpunkt der Prinz-Heinrich-Bahn liegt in der Erzgrubenlinie, die weit über die Hälfte der Gesamteinnahmen wie der Überschüsse liefert. Auch die Luxemburger Linie ist sehr ertragsreich. Sie liefert verhältnismäßig die besten Überschüsse.
Dagegen ist der Verkehr auf den übrigen Linien nur schwach. Die Attert-Linie bringt nur geringe Überschüsse, während die Sauer-Linie und die Wiltzer Linie in der Regel nicht einmal die Betriebskosten aufbringen. Der Güterverkehr überwiegt den Personenverkehr um das Vielfache, wie aus der folgenden Zusammenstellung hervorgeht.
Der Betriebskoeffizient, der für das Unternehmen als Ganzes sich sehr niedrig stellt, weist für die einzelnen Linien in den Jahren 1907–1912 folgende Prozentziffern auf:
Der Grund für diese Erscheinung liegt darin, daß die Erzgruben- und die Petinger-Linie ein erzreiches, von mehreren großen Hüttenwerken besiedeltes Gebiet aufschließen, während die übrigen Linien dünnbevölkerte und trotz einer Anzahl von Steinbrüchen industriearme Gegenden durchziehen.
Anschlüsse hat die Prinz-Heinrich-Bahn in Luxemburg, Esch, Bettingen, Ettelbrück, Diekirch, Wasserbillig und Kautenbach an die Wilhelm-Luxemburg-Bahn; in Athus und Schimpach (Benonchamps) an die belgische Staatsbahn; in Rodingen (Mont St. Martin) an die französische Ostbahn. In Diekirch und Nördingen schließen die luxemburgischen Kantonalbahnen an ihr Netz an.
Der Wert des Gesellschaftsbesitzes stand Ende 1912 mit 68∙5 Mill. zu Buch, dem 37∙5 Mill. Aktien, und 22∙1 Mill. Obligationen gegenüberstehen. Die Betriebsmittel umfassen 57 Lokomotiven, 95 Personenwagen, 46 Gepäckwagen und 2379 Güterwagen.
4. Die Schmalspurbahnen.
War die luxemburgische Regierung in der Ausstattung des Landes mit vollspurigen Bahnen bereits offenbar ziemlich weit gegangen, so ergab sich für den Wunsch, noch weitere Verkehrsgelegenheiten zu schaffen, die Notwendigkeit, die billigere Herstellungs- und Betriebsform der schmalspurigen Bahn (1 m-Spur) zu wählen, wobei auch zur tunlichsten Herabminderung der Kosten die Mitbenutzung der öffentlichen Wege zugestanden wurde. Zunächst fanden sich 2 Gesellschaften, die gegen Beihilfe durch Erzkonzessionen die Stichbahnen Luxemburg-Remich, Cruchten-Fels, Diekirch-Vianden und Nördingen-Martelingen bauten und betrieben. Später aber mußte die Regierung das Schmalspurnetz selbst weiter ausbauen, dessen Betrieb sie dann an eine der bestehenden Gesellschaften verpachtete. So entstanden die Vizinalbahnen genannten Linien Luxemburg-Echternach und Bettemburg-Aspelt. Auf diesem Wege beabsichtigt die Regierung weiterzuschreiten, indem sie sich durch Gesetz vom 28. Juni 1911 die Ermächtigung hat erteilen lassen, noch 5 weitere Schmalspurbahnen zu erbauen, nämlich von Redingen (Station der Kantonalbahn Nördingen-Martelingen) nach Ettelbrück 23∙1 km; von Mersch über Eischen (Station der Linie Petingen-Ettelbrück) bis zur belgischen Grenze 27∙2 km; von Luxemburg nach Nördingen 35∙7 km; von Junglinster (Station der Vizinalbahn Luxemburg-Echternach) nach Fels 12∙3 km mit Abzweigung nach den Steinbrüchen von Ernzen 1∙6 km; von Esch nach Differdingen, Düdelingen und Rümelingen ca. 25 km. Um die Herstellungskosten dieser Linien für den Staat herabzumindern, sollen die von ihnen berührten Gemeinden 50 Jahre lang eine Annuität von 11/2% der in dem Gemeindebann aufgewendeten Grunderwerbskosten zahlen.
a) Luxemburgische Sekundärbahnen.
Die Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg wurde durch Ges. vom 29. August 1880 auf 95 Jahre konzessioniert für die Linien Luxemburg-Remich 27∙2 km und Cruchten-Fels 12∙1 km (beide eröffnet am 20. Februar 1882) gegen eine Beihilfe von 3∙5 ha Erzboden für jedes km Bahnlänge. Im ganzen umfaßte die Beihilfe 142 ha. Das Anlagekapital betrug 2 Mill. Fr., ferner 985.000 Fr. Obligationen, die aber bereits 1895 aus den Erträgnissen der Erzkonzessionen abgetragen waren.
Mit Eröffnung am 20. April 1904 übernahm die Sekundärbahngesellschaft auch den Betrieb der 46 km langen, auf eigenem Bahnkörper vom Staat für 6∙65 Mill. Fr. selbst erbauten Vizinalbahn Luxemburg-Echternach gegen eine Entschädigung von 2855 Fr. f. d. km und 50% der diesen Betrag übersteigenden Einnahme. Diese Bedingungen erwiesen sich als für die Gesellschaft stark verlustbringend. Durch Vertrag vom 1. Februar 1911 wurden sie mit Rückwirkung vom 1. Januar 1910 dahin geändert, daß die Gesellschaft 4000 Fr. f. d. km und 75% der Mehreinnahme erhält. Durch diesen Vertrag übernahm die Gesellschaft zugleich vom 1. Mai 1911 ab zu denselben Bedingungen die ebenfalls vom Staat für 800.000 Fr. erbaute, am 1. September 1899 eröffnete, 10∙2 km lange und bisher sehr unbefriedigend von der Gesellschaft der belgischen Regionalbahnen pachtweise betriebene Vizinalbahn Bettemburg-Aspelt. Die Gesellschaft arbeitet nunmehr auf den Pachtlinien mit einem geringfügigen Nutzen (1911 Betriebskoeffizient 99%). Das vom Staat angelegte Kapital ist aber fast zinslos.
Der Betriebskoeffizient der eigenen Linien ist zwar günstiger (75–82%), der Reinertrag aber würde nicht einmal für Rücklagen und Tilgung reichen; die erheblichen Einkünfte aus den Erzkonzessionen gestatten indessen darüber hinaus noch Verteilung einer Dividende von durchschnittlich 5%.
Der Güterverkehr besteht zum großen Teil aus Steintransporten. Er wird aber, abgesehen von der Linie Cruchten-Fels, vom Personenverkehr um das Mehrfache übertroffen, wie aus nachstehender Zusammenstellung für das Jahr 1912, die gleichzeitig ein vergleichendes Bild des Erträgnisses der 4 Linien gibt, erhellt.
Gegenüber dem Betriebsüberschuß von 47.200 Fr. stellte sich das Erträgnis aus den Erzkonzessionen auf 127.000 Fr.
b) Luxemburgische Kantonalbahnen.
In ähnlicher Weise wie der Sekundärbahngesellschaft wurde durch Ges. vom 28. April 1886 die Konzession für 2 Schmalspurbahnen von Nördingen nach Martelingen und von Diekirch nach Vianden auf 95 Jahre erteilt. Die Konzessionäre übertrugen ihre Rechte auf die von ihnen gegründete anonyme Gesellschaft der Luxemburgischen Kantonalbahnen, Sitz Diekirch. Der Umfang der als Beihilfe gewährten Erzkonzessionen für die zusammen 43∙7 km langen Linien stellt sich auf 145∙34 ha, das Baukapital betrug rd. 1∙7 Mill. Fr. Diekirch-Vianden, 14∙18 km lang, wurde eröffnet am 9. April 1889, Nördingen-Martelingen, 29∙53 km lang, am 18. November 1890. Auf der Strecke Diekirch-Vianden übertrifft der Personenverkehr den Güterverkehr um das Mehrfache, auf der Strecke Nördingen-Martelingen liegt das Verhältnis umgekehrt. Der Güterverkehr wird hier hauptsächlich durch die Erzeugnisse der Schieferbrüche bei Martelingen bedingt. Die Einnahmen, die anfänglich etwa 1800 Fr. f. d. km oder 80.000 Fr. im ganzen betrugen, sind allmählich auf etwa 4500 f. d. km oder 200.000 Fr. im ganzen gestiegen.
5. Länge des Bahnnetzes.
Am 1. April 1913 betrug die Länge der Eisenbahnen im Großherzogtum Luxemburg 521∙6 km; davon waren 372∙2 km vollspurig, 149∙4 km schmalspurig. Damit weist das kleine (etwa 2600 km2) dünnbevölkerte (rd. 246.000 Einwohner) Land die ungewöhnlich hohe Ausstattungsziffer von 20∙1 km auf 100 km2 und 20∙8 km auf 10.000 Einwohner auf. In Deutschland stellen sich beispielsweise die Ziffern auf 11∙4 und 9∙5 km, in Frankreich auf 9∙3 und 12∙8 km.
Leese.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.