Ausgleichfonds

Ausgleichfonds

Ausgleichfonds. Die Aufgabe eines A. besteht im allgemeinen darin, Überschüsse guter Jahre anzusammeln, um in schlechten Jahren Mindererträgnisse zu ergänzen oder Fehlbeträge aus den angesammelten Beständen des Fonds decken zu können. Ein A. hat demnach den Vorteil, der Finanzgebarung größere Gleichmäßigkeit zu sichern. Diese Sicherheit ist jedoch nur dann gewährleistet, wenn Entnahmen aus dem Fonds nur in jenen Notfällen stattfinden, die sich aus Schwankungen der wirtschaftlichen Lage ergeben, und wenn der durch Entnahmen geschwächte Fonds möglichst rasch wieder aufgefüllt wird.

Die A. von Staatseisenbahnen haben noch einen besonderen Zweck. Wo solche Fonds nicht vorhanden sind, können die schwankenden Erträgnisse der Staatseisenbahnen große Störungen im allgemeinen Staatshaushalt verursachen. Die Schwankungen in den Eisenbahnerträgnissen lassen sich nicht beseitigen; sie sind eine natürliche Folge des engen Zusammenhanges, der zwischen den Eisenbahnerträgnissen und den sich immer wiederholenden Schwankungen des Wirtschaftslebens besteht. Die Störungen des allgemeinen Staatshaushaltes können also nur dadurch vermieden werden, daß zwischen Staats- und Eisenbahnfinanzen ein A. eingeschaltet wird, der in guten Jahren die Erübrigungen der Staatseisenbahnen aufnimmt, um in schlechten Jahren an Stelle des allgemeinen Staatshaushaltes für die Deckung etwaiger Fehlbeträge der Staatsbahnen eintreten zu können.

Ein A. bietet aber nicht nur rein finanzwirtschaftliche, sondern auch sozialpolitische und ökonomische Vorteile.

Sozialpolitische Vorteile dadurch, daß er die Eisenbahnverwaltung in ihren Leistungen unabhängiger von den Schwankungen des Wirtschaftslebens macht, daß er dadurch eine gleichmäßigere Vergebung von Arbeiten und Lieferungen gestattet, daß infolgedessen die Industrie gleichmäßiger beschäftigt werden kann und in Zeiten wirtschaftlichen Niederganges nicht in dem Maße zu Arbeiterentlassungen genötigt, in Zeiten wirtschaftlicher Hochkonjunktur nicht derart mit Aufträgen überhäuft wird, wie es sonst der Fall ist. Ähnliche Wirkungen ergeben sich für die Bauarbeiten, die die Staatsbahnverwaltung selbst ausführt.

Ökonomische Vorteile bietet ein A. dadurch, daß die Eisenbahnverwaltung, wenn sie unabhängiger von den Schwankungen der Finanzlage ist, ihre Anschaffungen nicht auf die Zeiten der Hochkonjunktur, also auf die Zeiten hoher Preise zusammendrängen muß, sondern sie auch in Zeiten wirtschaftlicher Depression, d.h. in Zeiten niedriger Preise vornehmen kann.

A. bestehen in Württemberg, Preußen, Hessen und Bayern.

Württemberg hat durch das Gesetz vom 29. Juli 1899, betr. die Einrichtung eines Reservefonds der Staatseisenbahnen, einen Fonds geschaffen, der die Aufgabe eines A. zu erfüllen hat.


»Zum Zweck der Bildung eines in der Verwaltung der Staatshauptkasse stehenden Reservefonds der Staatseisenbahnen wird bestimmt:

1. Der nach den Voranschlägen im Spezialetat der Staatseisenbahnen zu erwartende Reinertrag wird in den Hauptfinanzetat nur bis zu der Höhe eingestellt, die in runder Summe dem Durchschnitt der Ablieferungen der Eisenbahnhauptkasse während der letzten zehn, zur Zeit der Einbringung des Hauptfinanzetats rechnungsmäßig abgeschlossenen Etatsjahre entspricht.

2. Die Ablieferungen der Eisenbahnhauptkasse vom wirklichen Reinertrag eines Etatsjahres sind von der Staatshauptkasse bis zur Höhe des in Ziffer 1 genannten Durchschnittes für die laufende Verwaltung, der Mehrbetrag für den Reservefonds der Staatseisenbahnen zu verrechnen. Bleiben aber die Ablieferungen hinter dem nach Ziffer 1 in den Hauptfinanzetat eingestellten Etatssatz zurück, so hat der Reservefonds das Fehlende, soweit seine jeweiligen Mittel reichen, zur laufenden Verwaltung abzugeben.

Die jeweiligen Bestände des Reservefonds sollen zur Leistung von Vorschüssen auf noch nicht vollzogene, für Eisenbahnzwecke bewilligte Anlehenskredite verwendet werden. Die Berechnung von Zinsen aus den Beständen findet nicht statt.

Übersteigt der Reservefonds den Betrag von 5 Mill. M., so unterliegt die Verwendung des überschießenden Betrags der jeweiligen Verabschiedung mit den Ständen.«

Da dieses Gesetz nur bis zum 31. März 1909 galt, hat die württembergische Regierung den Ständen im Jahre 1909 einen neuen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Grundgedanken des Gesetzes von 1899 beibehielt (Beilage 328 der 2. Kammer vom 31. März 1909).

Der Fonds war im Jahre 1908 auf 680.000 M. zusammengeschmolzen, erhielt aber aus dem Jahre 1908 einen Zugang von rund 1,300.000 M. Sein Bestand wurde im Jahre 1910 auf rund 2,000.000 M. angegeben.

Nach der Beschlußfassung der 2. Kammer vom 2. April 1910 unterscheidet er sich von dem früheren Gesetz in folgenden Punkten: Der eiserne Bestand des Fonds soll von 5 Mill. M. auf 10 Mill. M erhöht werden; hat der Fonds die Höhe von 5 Mill. M. erreicht, so soll ihm nur mehr die Hälfte von den Betriebsüberschüssen der Eisenbahnverwaltung zufließen, die andere Hälfte dieser Überschüsse soll der laufenden Verwaltung zugewiesen werden. Hat der Fonds den Bestand von 10 Mill. M. erreicht, so erhält die laufende Verwaltung die gesamten Betriebsüberschüsse. Das Gesetz soll wieder auf 10 Jahre befristet werden.


Für Preußen wurde durch das Gesetz vom 3. Mai 1903, betr. die Bildung eines Ausgleichsfonds für die Eisenbahnverwaltung, in der Hauptsache folgendes angeordnet:


1. § 3 des Gesetzes vom 8. März 1897 wird, aufgehoben. Dieser Paragraph hatte bestimmt, daß Überschüsse des Staatshaushaltes, die sich nach Durchführung der gesetzlichen Zwangstilgung der Staatsschuld (ab 1898/09 jährlich wenigstens 3/5% der Schuld) ergeben, im vollen Betrage zur weiteren Tilgung von Staatsschulden, bzw. Verrechnung auf bewilligte Anlehen zu verwenden sind.

2. Solche Überschüsse sind nunmehr zunächst zur Bildung oder Ergänzung eines Ausgleichsfonds bis zur Höhe von 200,000.000 M. zu verwenden, erst der darüber hinausgehende Betrag des Überschusses wird zur weiteren Tilgung von Staatsschulden, bzw. Verrechnung auf bewilligte Anlehen verwendet.

3. Der A. ist in nachstehender Reihenfolge zu verwenden:

zur Bildung oder Ergänzung eines Dispositionsfonds der Eisenbahnverwaltung bis zur Höhe von 30,000.000 M. zur Vermehrung der Betriebsmittel, Erweiterung und Ergänzung der Bahnanlagen sowie zu Grunderwerbungen behufs Vorbereitung derartiger Erweiterungen im Falle eines nicht vorherzusehenden Bedürfnisses der Staatsbahnen bei zu erwartender Verkehrssteigerung;

zur Ausgleichung eines rechnungsmäßigen Minderüberschusses der Eisenbahnverwaltung, insoweit derselbe nicht durch einen etwaigen Überschuß im gesamten übrigen Staatshaushalte gedeckt wird;

zur Verstärkung der Deckungsmittel im Staatshaushaltsetat behufs angemessener Ausgestaltung des Extraordinariums der Eisenbahnverwaltung nach näherer Bestimmung des jeweiligen Staatshaushaltsetats.

4. Für den Dispositionsfonds werden einmal 30,000.000 M. bereitgestellt, die durch Ausgabe von Staatsschuldverschreibungen beschafft werden.


Das Abgeordnetenhaus ersuchte, da die Wirkungen des Gesetzes von 1903 nicht ganz befriedigten durch Beschluß vom 19. März 1909 die Staatsregierung, behufs wirksamerer Ausgestaltung des A. dafür Sorge zu tragen, daß dem Fonds nicht nur der rechnungsmäßige Überschuß des Staatshaushaltes, sondern schon durch den Staatshaushaltsetat jener Betrag des Reinüberschusses der Eisenbahnverwaltung zugeführt werde, der einen bestimmten Prozentsatz des jeweiligen statistischen Anlagekapitals der preußischen Staatsbahnen übersteigt.

Über die Ergebnisse der Beratung hierüber s. Anleihen. Abschnitt VI. Tilgung der A.; Preußen.

Für Hessen wurde durch das Gesetz vom 26. März 1904, die Bildung eines A. betr. im wesentlichen folgendes angeordnet:


Aus den Anteilen des Großherzogstums am Überschuß der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaftsverwaltung und der hessisch-thüringischen Staatslotterie ist ein A. mit dem Zwecke zu bilden, den Staatshaushalt von den Schwankungen der Überschüsse aus der Eisenbahn- und der Lotterieverwaltung, sowie der Leistungen an das Reich möglichst unabhängig zu machen (Art. 1).

Art. 2 verfügt die Bildung des Fonds in der Weise, daß von den Überschußanteilen nach Art. 1 abgezogen werden:

I. Die auf der Eisenbahneinnahme ruhenden Lasten;

II. Die durch Überweisungen nicht gedeckten Leistungen an das Reich;

III. Ein Betrag von 2 Mill. für Bedürfnisse der allgemeinen Staatsverwaltung.

Art. 3 zählt die auf der Eisenbahneinnahme ruhenden Lasten – in der Hauptsache Verzinsung und Tilgung – auf.

Art. 4 und 5 regeln die rechnerische Behandlung.

Art. 6 trifft Vorsorge für den Fall, daß die Überschußanteile (Art. 1) nicht ausreichen, um der allgemeinen Staatsverwaltung den Betrag von 2 Mill. (Art. 2, III) zu liefern. Der fehlende Betrag ist, soweit die Bestände des Ausgleichsfonds ausreichen, durch Entnahme aus dem Fonds zu decken.

Nach Art. 7 sind die Beträge, welche dem Fonds über die Summe von 6 Mill. M. hinaus zufließen, zur Deckung außerordentlicher, andernfalls durch Anleihe zu deckender Ausgaben der Eisenbahnverwaltung zu verwenden.

Das Gesetz vom 28. März 1907, die Abänderung des Gesetzes über die Bildung eines A. vom 26. März 1904 betreffend, fügte den bisherigen Einnahmequellen des Fonds noch die dem Großherzogtum verbleibende Reineinnahme an Erbschaftssteuer hinzu und erhöhte die Ablieferung an die allgemeine Staatsverwaltung von 2 Mill. M. auf 3∙5 Mill. M.

Dem hessischen Ausgleichsfonds sind 1903–1906 5,919.487∙49 M. zugeflossen, 1907/08 2,953.768∙72 M. entnommen worden.


Bayern hat durch das Gesetz vom 13. August 1910, betr. die Bildung eines Tilgungs- u. A. der Staatseisenbahnverwaltung einen Fonds geschaffen, der zwei Zwecken dient, dem Ausgleiche und der Schuldentilgung.


»Nach Art. 3 des Gesetzes sind aus dem Fonds zunächst zu bestreiten:

1. Die vertragsmäßige Tilgung.

2. Fehlbeträge der Staatseisenbahnen, die sich nach Leistung der in dem Art. 2, Abs. 1, Ziffer 3 bezeichneten Ausgaben bei der Etataufstellung oder nach den Rechnungen einer Finanzperiode ergeben sollten.

Überschreiten die nach Abschluß einer Finanzperiode verfügbaren Bestände des Fonds den Betrag von 20 Mill. M., so ist der Mehrbetrag gleichfalls für die Tilgung der Staatseisenbahnschuld zu verwenden.«

Aus der Doppelnatur des Fonds als A. und Tilgungsfonds und aus der Notwendigkeit, den A. für Bayern nicht unter 20 Mill. M. zu bemessen, ergeben sich ohneweiters die zwei Folgerungen

1. daß der Fonds, solange er den Betrag von 20 Mill. nicht übersteigt, vor allem A. ist, für eine verstärkte Schuldentilgung also nicht in Anspruch genommen werden kann;

2. daß die Mittel des Fonds, soweit sie den Bestand von 20 Mill. übersteigen, zur verstärkten Schuldentilgung verwendet werden müssen.


Daß die bayrische Staatsbahnverwaltung die Schwierigkeiten und Gefahren nicht verkannt hat, die sich aus der Doppelnatur des Fonds ergeben, geht aus folgendem Abschnitt der Begründung zum Gesetzentwurf hervor:


Verhältnis zwischen Ausgleich und Tilgung.

Die gleichzeitige Einführung der planmäßigen Schuldentilgung sowie des Ausgleiches zwischen den Erträgnissen guter und schlechter Jahre erschwert die Erreichung des soeben bezeichneten Zieles und bringt dadurch manche Mißlichkeit mit sich, die andere Staaten dadurch vermeiden konnten, daß sie diese Maßnahmen nacheinander durchgeführt haben. Die gleichzeitige Durchführung der beiden Maßnahmen macht es insbesondere notwendig, auf eine möglichst vollkommene Lösung jeder der beiden Aufgaben zu verzichten.

Es lag daher nahe, zunächst zu prüfen, ob nicht von der gleichzeitigen Durchführung überhaupt abgesehen werden könne. Das starke Interesse der allgemeinen Finanzverwaltung an dem A. ließ dies jedoch untunlich erscheinen.

Sodann war zu untersuchen, ob ein gemeinsamer A. und Tilgungsfonds oder zur schärferen Scheidung der Zwecke und Mittel ein besonderer A. und ein besonderer Tilgungsfonds zu bilden sei. Auch die Frage wurde geprüft, ob nicht zunächst zur Erleichterung des Überganges ein gemeinsamer Fonds gebildet werden könnte, der in zwei besondere Fonds zu teilen wäre, sobald hinreichende Mittel angesammelt sind.

Es hat sich schließlich gezeigt, daß nur der Vorschlag des Entwurfs zurzeit durchführbar ist. Dabei ergibt sich allerdings die Notwendigkeit, daß nach einem Sinken des Fonds unter den Betrag von 20 Mill. M. vor allem die Wiederauffüllung auf den Bestand von 20 Mill. zu erfolgen und daß für die Dauer dieser Wiederauffüllung die verstärkte Schuldentilgung zurückzutreten hat. Dies dürfte indessen ohne Bedenken sein, wenn der A. nicht als Reserve für alle möglichen Bedürfnisse, sondern nur als äußerstes Hilfsmittel betrachtet wird, das möglichst wenig angewendet werden darf und nur in solchen Fällen unabweisbaren Bedürfnisses, die sich aus den Schwankungen des Wirtschaftslebens ergeben. Andere Verwendungen der Fondsbestände würden der Bestimmung und Natur eines A. zuwiderlaufen.


Literatur: Die angeführten Gesetze u. Gesetzesbegründungen.

Heubach.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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