- Stückgutbahnhöfe
Stückgutbahnhöfe (parcels or packet stations; gares à marchandises; stazioni merci) sind Bahnhofsanlagen, innerhalb deren solche Güter abgefertigt werden (s. Güterabfertigung), die stückweise der Eisenbahn zur Beförderung übergeben werden. Meist sind diese Anlagen mit denen für die Abfertigung der Wagenladungen (Rohgutbahnhöfe, s.d., auch Wagenladungsbahnhöfe oder Freiladebahnhöfe genannt) zu Gesamtanlagen für den Güterverkehr (Güterbahnhöfe, Ortsgüterbahnhöfe) verbunden. Da die Grundsätze für die Anordnung von Gesamtanlagen und von Teilanlagen für Stückgüter oder für Wagenladungen im wesentlichen übereinstimmen, so erfolgt hier die Behandlung ungetrennt.
Die Güterverkehrsanlagen sind auf kleinen und mittleren Bahnhöfen mit den Personenverkehrsanlagen in der Regel zu einem Ganzen verbunden (s. Bahnhöfe), so daß von einem besonderen Güterbahnhof nicht gesprochen werden kann. Auch auf großen Bahnhöfen findet sich solche Anordnung bisweilen. Meist bilden aber auf einem großen Bahnhof die Anlagen für den Ortsgüterverkehr, auch wenn sie unmittelbar neben den Personenverkehrsanlagen oder in deren Nähe liegen, eine für sich geschlossene Einheit, die mit dem meist weiter außerhalb gelegenen Verschiebebahnhof in besonderer, d.h. von den Personengleisen unabhängiger Gleisverbindung steht.
Außer solchen Güterbahnhöfen, die jedesmal ein Glied einer gruppierten Gesamtbahnhofsanlage bilden, gibt es auch selbständige Güterbahnhöfe, die an einen Verschiebebahnhof unmittelbar angeschlossen oder mit ihm durch eine kürzere oder längere Anschlußbahn verbunden sind oder als Zwischenstationen an einer Güterbahn oder an einer dem Personen- und Güterverkehr dienenden Bahn liegen.
Der Güterbahnhof enthält einmal die zur Annahme und Verladung, Entladung und Auslieferung, soweit erforderlich auch zur Zwischenlagerung dienenden Anlagen, als Güterschuppen (s.d.) nebst anschließenden Ladebühnen, Freiladegleise (s.d.), Laderampen (s.d.), Ladebühnen, Krane, Umladeschuppen u.s.w. nebst den zugehörigen Abfertigungsräumen (bei den Güterschuppen meist mit diesen baulich verbunden), ferner aber einerseits die Zufahrtstraßen und Ladestraßen, anderseits die Zuführungsgleise und Ladegleise sowie Aufstellgleise und Verschiebeanlagen. Letztere nehmen einen um so größeren Umfang an, je weiter der Güterbahnhof von dem ihn versorgenden Verschiebebahnhof entfernt ist. Während sich bei den großen Personenbahnhöfen gewisse Regelformen herausgebildet haben (s. Bahnhöfe), ist dies für die Gesamtanordnung der Güterbahnhöfe nicht in gleichem Maß der Fall, einmal weil die für die einzelnen Zwecke des Güterverkehrs bestimmten Anlagen, je nach dem Verkehrsbedürfnis, gegenseitig einen sehr verschiedenen Umfang haben, bisweilen auch Anlagen mancher Art ganz fehlen, oder auch die ganze Anlage nur einem Zweck (S., Wagenladungsbahnhof) dient, dann aber auch, weil es in vielen Fällen notwendig und auch unbedenklich ist, sich mit der Gruppierung und Entwicklung der den verschiedenen Verkehrszwecken dienenden Bestandteile nach der Form des verfügbaren Geländes zu richten.
Gleichwohl kann man für die Ausbildung der Güterbahnhöfe gewisse Haupterfordernisse aufstellen:
1. Gute Straßenverbindung zur Stadt, die möglichst so geführt ist, daß die Straßenverbindung zum Personenbahnhof von den Güterfuhrwerken nicht belastet wird. Ausreichend breite Ladestraßen und Wendeplätze.
2. Selbständige zweigleisige Verbindung zum Verschiebebahnhof, außerdem nach Bedarf Gleisverbindungen zum Personenbahnhof oder Abstellbahnhof.
3. Gruppierung der einzelnen Ladeanlagen und ihrer Zustellungsgleise derart, daß die Zu- und Fortführung der Güterwagen zu den Teilanlagen einander nicht behindern, aber doch unter derartiger gegenseitiger Gleisverbindung, daß die Güterwagen von der einen zur andern Teilanlage auf möglichst kurzem Wege und möglichst ohne Behinderung anderer Bewegungen überführt werden können.
Dies kommt namentlich für das Überführen von auf einer Teilanlage entladenen Wagen nach einer andern Teilanlage zur Wiederbeladung oder zum Überführen teilweise beladener Wagen zur Fertigbeladung in Betracht.
4. Anordnung ausreichender Wechselgleise, Aufstellgleise für leere, für unerledigte oder erledigte beladene Wagen und Ordnungsgleise bei den einzelnen Teilanlagen (s. Freiladegleise, Güterschuppen), um jedesmal mit einer Verschiebefahrt vom und zum Verschiebebahnhof und ohne unnötigen Zeitverlust Güterwagen auswechseln zu können.
5. Erforderlichenfalls Anordnung von Güterzugein- und -ausfahrgleisen nebst einer Verschiebeanlage, auf der die mit den Güterzügen angekommenen Wagen nach den Hauptteilen des Güterbahnhofs oder auch nach den einzelnen Ladeanlagen geordnet werden können.
Dies ist namentlich dann erforderlich, wenn der Güterbahnhof selbständig an einer Güterbahn oder an einer dem Personen- und Güterverkehr dienenden Bahn liegt, aber auch wenn der Verschiebebahnhof, an den der Ortsgüterbahnhof angeschlossen ist, nicht darauf eingerichtet ist, diese Ordnungsarbeit vorzunehmen. An solche Verschiebeanlagen für den ganzen Ortsgüterbahnhof sollen die Zuführungsgleise zu den Teilanlagen unmittelbar und möglichst unabhängig voneinander (s.o.) anschließen.
Zweckmäßig werden alle Gleisverbindungen auf Güterbahnhöfen durch Weichen vermittelt. Im Ausland, namentlich in England und Frankreich, finden sich statt dessen vielfach Drehscheibenverbindungen (oder auch Schiebebühnenverbindungen), in England namentlich oft bei mehrgeschossigen Anlagen im Zusammenhang mit Aufzügen, die die Güterwagen aus dem einen in das andere Geschoß befördern. Solche Verbindungen zwingen dazu, jeden Wagen einzeln zu bewegen, und haben den ferneren Nachteil, daß sie den Radstand der Wagen nach dem einmal festgelegten Drehscheibendurchmesser (bzw. der Länge der Schiebebühne) beschränken.
Ist das verfügbare Gelände langgestreckt und schmal, so muß man die Teilanlagen hintereinander anordnen, was die Gesamtanlage weniger übersichtlich macht und weite Verschiebefahrten veranlaßt. Übersichtlicher und bequemer ist die Nebeneinanderanordnung der Teilanlagen auf breitem Gelände, jedoch unter der Voraussetzung, daß das Gelände nicht zu kurz ist, um die Wechselgleise oder die Einfahr- und Verschiebeanlage davor anordnen und die Gleisverbindungen nach allen Teilanlagen mit ausreichenden Krümmungshalbmessern entwickeln zu können.
Unabhängig davon, ob der Personenbahnhof, neben dem ein Güterbahnhof angelegt ist, Kopfform oder Durchgangsform besitzt, ergibt sich für einen größeren Güterbahnhof in der Regel die Kopfform, indem seine Gleisanlagen sich aus den vom Verschiebebahnhof kommenden Zuführungsgleisen, deren Richtung fortsetzend, in die Breite entwickeln. Wo der Personenbahnhof wegen schienenfreien Bahnsteigzugangs über oder unter Geländehöhe angeordnet ist, bietet eine hiervon abweichende Anordnung des Güterbahnhofs in Geländehöhe den doppelten Vorteil der Ersparnis an Erdarbeiten und der bequemeren Heranführung der Zufahrtstraßen.
Zur weiteren Verdeutlichung des Gesagten kann – außer dem Hinweis auf die Art. Freiladegleis, Güterschuppen – im allgemeinen auf die beim Art. Bahnhöfe in Taf. V–VII (Bd. I) gegebenen Beispiele Bezug genommen werden. Die Bahnhöfe Entwurf Stuttgart (Taf. VI, Abb. 1) und Pilsen (Taf. VII, Abb. 3, 4) zeigen Nebeneinanderanordnung, die Bahnhöfe Triest der Staatsbahnen (Taf. VII, Abb. 5) und Berlin, Stettiner Bahnhof (Taf. VI, Abb. 9) Hintereinanderanordnung der Teilanlagen. Nur der letztgenannte ist lediglich S. (zugleich für Eilgut dienend), die anderen zugleich Wagenladungsbahnhöfe. Alle besitzen Kopfform, auch Pilsen, wo der Personenbahnhof Durchgangsform hat. Ein ähnliches Beispiel bildet der in Taf. VIII wiedergegebene Güterbahnhof Darmstadt, der an die beiden neben dem Personenbahnhof durchgeführten Hauptgütergleise angeschlossen ist.
Ein Beispiel eines englischen Güterbahnhofs zeigt Abb. 387, S. 453 (Bd. V) beim Art. Güterschuppen. Das durch die eingezeichneten 3 Aufzüge zugängliche (nicht dargestellte) Untergeschoß hat in der Hauptsache Drehscheibenverbindungen der Ladegleise. Ein ferneres Beispiel eines englischen Güterbahnhofs, bemerkenswert durch die weitgetriebene Ausnutzung eines langgestreckten, in der Breite beschränkten Geländes, zeigt Abb. 249 (nach Frahm, s. Literatur, Abb. 168 auf S. 128).
Literatur: Oder, Hb. d. Ing. W. V, 4, 1, Leipzig 1907, worin zahlreiche weitere Literaturangaben. – Frahm, Das englische Eisenbahnwesen. Berlin 1911.
Cauer.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.