- Tunnelvermessung
Tunnelvermessung. Für den Tunnelbau ist die Angabe der Mundlöcher und der Richtungen der Achsenlinie und das Ansteigen erforderlich, damit der Gegenortsbetrieb eingerichtet werden kann. Manchmal sind auch noch Betriebsschächte anzugeben, die von der Erdoberfläche aus abgeteuft und als neue Ausgangspunkte für den Tunnelstollen angesetzt werden sollen, oder Luftschächte, die sowohl abgeteuft als aufgebrochen werden. Beim Vortreiben der Stollen ist die Achsenrichtung jeweils vor Ort anzugeben und von Zeit zu Zeit sind Prüfungen über den Verlauf der ganzen aufgefahrenen Strecke vorzunehmen. Nach erfolgtem Durchschlag ist die Achse zweckmäßig auszugleichen. Bei Verdrückungen sind auch Querprofilmessungen auszuführen.
Die Hauptmessungsarbeiten über Tag bestehen in den Angaben der Achsenrichtung an den Tunnelenden und des Höhenunterschieds beider Eingänge. Der Höhenunterschied wird meist vorläufig weniger genau durch trigonometrische Höhenmessung, darauf genauer durch ein geschlossenes Nivellement ermittelt. Die Achsenrichtung wird nur in einzelnen Fällen durch unmittelbare Angabe über Tage möglich sein. Manchmal ist die Messung eines stark gestreckten Polygonzugs möglich, bei dem die Seitenlängen auf optische Art bestimmt werden können; die Achsenrichtung ist dann durch seitliche Versetzung der Polygonpunkte nach einfacher Rechnung zu erhalten. Zur optischen Längenmessung ist das Tichysche Verfahren mit wagrechter Latte, deren Ablesung an vertikalen Distanzfäden den Logarithmus der schiefen Länge angibt, auch der Streckenmeßtheodolit nach Werkmeister oder nach Pulfrich bei wagrechter oder der Hohennersche Präzisionsdistanzmesser bei lotrechter Latte eingerichtet. Die Zentrierfehler quer zur Achsenrichtung sind möglichst klein zu halten; bei kurzen Zugseiten verwendet man Zwangszentrierung oder Kollimatorenstellung oder, wo angängig, einen entfernteren bekannten Zielpunkt. Ist ein der Achsenrichtung angepaßter Streckenzug nicht durchführbar, so legt man den Zug so, daß man gut meßbare, möglichst lange Seiten erhält, die mit abgeglichenen 5-m-Holzlatten mit Schneidenenden bei Verwendung des Gradbogens schief gemessen werden. Dieser Streckenzug wird dann in einem beliebig gewählten Koordinatensystem berechnet. Aus den Koordinaten der Endpunkte in der Tunnelachse ergibt sich die Länge ihrer Verbindungslinie und ihre Richtung in dem Koordinatensystem. Die Unterschiede dieser Schlußrichtung gegen die Richtungen der Anschlußseiten sind die Abgabewinkel für die Achsenrichtung.
Wird der Tunnelstollen auch von Zwischenpunkten in Angriff genommen, so sind über Tage die Ansetzpunkte für die Betriebsschächte anzugeben; nach Abteufen und der Abseigerung bis auf die Tunnelsohle ist durch diese Schächte die Stollenrichtung durch Schachtlotung einzubringen.
Der Absteckung langer, durch mächtige Gebirgsstöcke gehender Tunnel muß eine Dreiecksmessung zu grunde gelegt werden (vgl. Triangulation). Da diese Tunnel in der Hauptsache meist geradlinig geführt werden, wird man die Dreiecksmessung dieser Richtung anpassen, indessen die Dreieckspunkte der Landesvermessung nach Möglichkeit miteinbeziehen. Soll der Bau bald folgen, so genügt für die ersten Baumonate schon eine flüchtige Triangulierung, die die Tunnelrichtung auf etwa 1' sicherstellt. Eine damit verbundene trigonometrische Höhenmessung ergibt den Höhenunterschied innerhalb weniger dm richtig, wenn sie in Hinsicht auf die Refraktion sachgemäß durchgeführt wird. Die nachfolgende genauere Höhenbestimmung, die innerhalb weniger cm richtig sein muß, ist durch ein Feinnivellement meist um den Gebirgsstock herum in geschlossener Schleife auszuführen. Man befolgt die Regeln für Feineinwägungen. Möglichst gleiche Zielweiten, nicht über 50 m, Instrument mit starker Fernrohrvergrößerung und empfindlicher Libelle. Latte mit 1/2-cm-Teilung. Einstellung auf Feldesmitte und Ablesung des Libellenstandes bei flüchtiger Längenbestimmung. Ausreichend genau sind auch die Nivellierinstrumente nach Wild von Zeiß, die ein rascheres Arbeiten bei einspielender Libelle gestatten. Wegen gelegentlich kurzer Zielweiten wird man die Latte auch mit einer 2-mm-Teilung versehen.
Für die Winkelmessung ist maßgebend, daß meist 1 m Querfehler beim Durchschlag zulässig ist, wovon aber bei langen Tunneln nicht viel mehr als die Hälfte auf die Fehler der Ausgangsrichtungen an den Tunnelenden kommen darf, da die Fehler der Stollenmessungen dazukommen. Die aus der Dreiecksmessung hervorgehenden Richtungsangaben für die Absteckung müssen also auf einige Sekunden, bei 10 km Durchschlagslänge schätzungsweise auf ± 6'' sicher sein. Für geradlinige Tunnel ist ein Längenfehler von 3 m noch erträglich. Die Längenmessung im Tunnel erfolgt wie über Tage mit abgeglichenen 5-m-Schneidelatten und Gradbogen. Die verhältnismäßig weite Fehlergrenze läßt die Form von stark spitzwinkligen Dreiecken in Richtung des Tunnels zu. Diese Form wurde von Tichy für die Tunnelmessungen der zweiten Linie von Wien nach Triest bevorzugt, weil bei nicht allzu weit auseinandergehenden Zielstrahlen eine gleichmäßigere seitliche Refraktion zu erwarten ist und deshalb die Winkelfehler kleiner werden. Wenn bei der Tunneltriangulation im Vergleich zur Großdreiecksmessung auch keine allzu genaue Winkelmessung erforderlich ist, so ist doch große Sorgfalt nötig, weil die äußeren Umstände im Gebirge besonders ungünstig sind. Hauptsächlich die Ungleichheit der Luftverhältnisse beim Übergang vom Gebirgskamm ins Gebirgstal bringt eine Unsicherheit in den Gang der Lichtstrahlen, die eine übergroße Winkelmeßgenauigkeit nutzlos macht; wegen dieser Unsicherheit ist die Winkelmessung der großen Dreiecke nur zu günstiger Witterungs- und Tageszeit – nachmittags an Tagen mit leicht bewegter Luft – auszuführen. Statt der einmaligen Messung mit hoher Sätzezahl sind zeitlich auseinanderliegende Wiederholungsmessungen angezeigt. Eine Verkleinerung der Widersprüche der Winkelsumme in einzelnen Dreiecken durch Berechnung der Lotstörungen bei der Annahme gleichmäßiger Gesteinsdichte hat Rosenmund bei der Dreiecksmessung für den Simplontunnel erhalten. Beim Lötschbergtunnel wurden von Baeschlin die transversalen Komponenten der Lotablenkungen in Rechnung gezogen, die rechnerisch in der Tunnelmitte einen Querfehler von 3 dm erzeugt hätten. Auch die gekrümmte Form der Tunnelachse als geodätische Linie auf dem Erdellipsoid hat Baeschlin berücksichtigt.
Die aus der Dreiecksmessung berechnete Länge der Endsignale an den Tunnelausgängen ist auf die stark abgerundete Tunnelhöhe als Vermessungshorizont zu reduzieren. Außer den durch festfundierte Pfeiler zu Instrumentenständen hergerichteten genannten Endsignalen sind nach vor- oder rückwärts in den Vertikalebenen durch die Tunnelachse einige Zielmarken, Miren, festzumachen, die zur Festhaltung der Richtungen der Tunnelachse und zur Absteckung dieser Achse in den Stollen hinein dienen. Von ihnen aus erfolgt auch die durchlaufende Übertagabsteckung der Tunnelrichtung, die zwar für die Bauarbeiten nicht nötig ist, aber bei dem großen Arbeitswerk eine erwünschte durchgreifende Probe gibt. Die Absteckung der vorzutreibenden Stollen geschieht zunächst von den Endpfeilern aus, bei geradlinigem Vortrieb aus den Zielmarken durch Verlängerung der Achslinie mittels eines Absteckinstruments in beiden Fernrohrlagen. Gehen nur die Endstücke des Tunnels in Bogen, so treibt man Richtstollen für die Hauptrichtung. Sind dann einige hundert Meter der Stollen aufgefahren, so verlegt man den Hauptausgangspunkt der Absteckung erst in den Richtstollen, später aber fortschreitend tiefer in den Stollen hinein. Dadurch wird man bei der Absteckung von der Tageshelle frei und vermindert den fehlerhaften Einfluß der seitlichen Refraktion. Man hat nur immer durch übergreifende Messungen ausreichende Proben zur Feststellung von Eigenbewegung einzelner Achsenfestpunkte oder einer Anzahl solcher Punkte durch Schollenverschiebung vorzunehmen. Alle hundert Meter legt man Achsenpunkte fest, dabei in 1/2 km Entfernung Hauptpunkte, etwa durch quergestellte Klammern mit Kerbe oder Korn auf Betonklötzen in der Sohle oder im festen Gestein an der First. Bei geradliniger Achse werden diese Punkte durch Verlängern und mehrfaches Einweisen in beiden Fernrohrlagen bei telephonischer Verbindung bestimmt, wobei für die Messung durch geeignete Vorrichtung eine seitliche Verschiebung bei der Auswechslung von Signal mit Instrument auf den Übergangspunkten unmöglich gemacht ist. Für die Absteckung der Stollenachse beim Gotthardtunnel hat Dolezalek vereinfachte und leicht zu handhabende Apparate angegeben, die sich gut bewährt haben. Die Platte auf dem Universalstativ gestattet das sichere Auswechseln von Signal und Instrument, sie ist nur quer zur Achsenrichtung verschiebbar und wird durch eine seitliche Klemmvorrichtung, die zugleich zum Abloten des Mittelpunkts der Platte eingerichtet ist, festgestellt. Für Bogenabsteckung eignet sich die Breithauptsche Steckhülsenvorrichtung und die Freiberger Aufstellung. Man wird einen ungefähr der Achse folgenden Streckenzug abstecken und die Achsenpunkte auf diesen Zug einrechnen. Ebenso kann man bei geradliniger Achse verfahren, wobei die grob eingewiesenen Signalpunkte auf Grund scharfer Winkel- und flüchtiger Längenmessung nach Rechnung seitlich zu verschieben sind. Von Zeit zu Zeit werden an Feiertagen nach genau mit der Bauleitung verabredetem Plan bei völlig ruhendem Betrieb und nach guter Durchlüftung des Stollens Hauptabsteckungen vorgenommen. Einmal im Jahr erfolgt von außen her eine etwa 2 Tage dauernde große Nachmessung, bei der Längenmessung, Nivellement und Richtungsmessung mit gutgeschultem Personal nach einem bis ins einzelne festgelegten Plan gut verteilt auszuführen ist. Bei der Richtungsabsteckung sucht man wegen der Umständlichkeit und der seitlichen Lichtbrechung nicht mehr möglichst lange Sichten von außen her in den Tunnel hineinzubringen, sondern nimmt alle halbe km oder wie es die Sichtigkeit der Grubenluft sonst zuläßt, Umstellungspunkte für das Absteckungsinstrument auch bei geradlinigem Tunnelverlauf. Nachstehend sind die beim Durchschlag einiger Tunnel gefundenen Schlußfehler angegeben:
Für die Tunnelvermessungen lassen sich wohl allgemeine Gesichtspunkte, nicht aber feststehende Regeln angeben. Die äußeren Verhältnisse sind so verschieden, daß für jeden Tunnel eine Sonderaufgabe der Vermessung vorliegt, die eine eigene Lösung verlangt.
Literatur: Dolezalek, Hilfsmittel für die Richtungsangabe im Gotthard-Tunnel. Ztschr. d. Hannoverschen Arch. u. Ing.-Vereins 1878; Der Durchschlag und die Richtungsbestimmung im Gotthard-Tunnel. Ebenda 1880. – Koppe, Die Absteckung der Achse im Gotthard-Tunnel. Bd. XXII, Nr. 8 der »Eisenbahn« 1880. – Rosenmund, Spezialbericht der Direktion der Jura-Simplonbahn über den Bau des Simplon-Tunnels. I. Teil, 1901. Auch Ztschr. f. Vermess.-Wesen 1902; Wahrnehmungen bei den Richtungskontrollen am Simplon-Tunnel. Schwz. Bauztg. 1902, Bd. XL. – Gast, Über Luftspiegelungen im Simplon-Tunnel. Ztschr. f. Vermess.-Wesen 1904. – Baeschlin, Über die Absteckung des Lötschbergtunnels. Schwz. Bauztg. 1911, Bd. LVIII. – Tichy, Rationelle Vorgänge der Absteckung bedeutend langer Eisenbahntunnels. Ztschr. d. Österr. Ing.-V. 1914, Nr. 47–52; Das optische Längenmessen nach logarithmischer Methode. Ebenda 1913, Nr. 43–45. – Hohenner, Der Hohennersche Präzisionsdistanzmesser. Darmstadt 1919. – Wild, Neues Nivellierinstrument. Ztschr. f. Instrumentenkunde 1909, H. 11. – Fuhrmann, Photographischer Lotapparat. Mitt. a.d. Markscheidewesen 1901, H. 3. – Wilski, Über einige neuere Schachtlotverfahren. Mitt. a.d. Markscheidewesen 1914. – Schuhmann, Lotstörungen und ihre Anwendung bei Tunnelabsteckungen. Österr. Ztschr. f. Verm.-Wes. 1917.
Haußmann.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.