Wiener Stadtbahn

Wiener Stadtbahn

Wiener Stadtbahn (vgl. Taf. XIX). Das Bedürfnis nach Herstellung einer Stadtbahn machte sich schon anfangs der Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Stadterweiterung fühlbar, die eine gesteigerte Bautätigkeit in den äußeren Bezirken und einen engeren Verkehr dieser mit der inneren Stadt mit sich brachte. Dieses Bedürfnis machte sich angesichts der fortschreitenden Entwicklung des Verkehrs immer mehr fühlbar und lagen schon vor 1870 mehrere einschlägige Entwürfe vor, die indessen nicht ernstlich verfolgt wurden. In der Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs (1872/73) traten immer neue Stadtbahnprojekte (1873 allein 23) hinzu. Auch diese führten nicht zum Ziel. Durch die nach dem Jahre 1873 eingetretene wirtschaftliche Krise wurde das Interesse für die Stadtbahnfrage in den Hintergrund gedrängt und wurden erst 1881 neuerlich 3 Entwürfe der Regierung unterbreitet, darunter einer von den Ingenieuren Fogerty und Bunten, der bis zum Stadium der Konzessionserteilung führte (1883). Die Projektanten schlugen die Herstellung einer normalspurigen, doppelgleisigen Gürtelbahn nebst Abzweigungen zu sämtlichen Wiener Bahnhöfen und einer solchen nach Hietzing vor. Die Ausführung des etwa 13 km langen Rings war längs des Donaukanals und Wienflusses als Hochbahn auf eisernen Viadukten, in der Gürtelstraße teils als Viadukt, teils als offener oder gedeckter Einschnitt geplant. Die Flügelbahnen sollten sämtlich als Hochbahnen, zumeist auf Viadukten hergestellt werden. Auf die Wienflußregulierung war bei dem Projekt keine Rücksicht genommen. Aus diesem Grunde sowie insbesondere auch wegen der beabsichtigten Überschreitung der Ringstraße auf Viadukten erhob der Wiener Gemeinderat Einspruch gegen den Fogertyschen Plan. Diese Stellung der Gemeinde wirkte entmutigend auf die Konzessionäre und erschwerte die Geldbeschaffung. Schließlich sahen sie sich genötigt, das Projekt aufzugeben und die erlegte Kaution von 2 Millionen Kronen verfallen zu lassen. Auch mehrere spätere private Projekte scheiterten und sah sich die Regierung schließlich veranlaßt, selbst Studien über die Feststellung des Linienprogramms der Stadtbahn im Zusammenhang mit der Regulierung und der Ausführung von Sammelkanälen längs der Wien und dem Donaukanal sowie der Ausgestaltung des letzteren in einen Handels- und Winterhafen durchzuführen. Nach gepflogenem Einvernehmen mit dem Lande Niederösterreich und der Stadt Wien legte die Regierung am 6. Februar 1892 dem Reichsrat einen umfangreichen Gesetzentwurf über die Ausführung der »Verkehrsanlagen in Wien« vor. Dieser Gesetzentwurf wurde von beiden Häusern des Reichsrats angenommen und als Ges. vom 12. Juli 1892 verlautbart. Nach diesem Gesetz war das in Wien auszuführende Stadtbahnnetz in 2 Hauptgruppen geteilt, u. zw. in Hauptbahnen, die den Übergang der Fahrbetriebsmittel der in Wien einmündenden Bahnen gestatten und Anschlüsse an diese erhalten sollen, sowie in Lokalbahnen, auf denen die Möglichkeit des Obergangs der Fahrbetriebsmittel der Hauptbahnen nur bedingungsweise vorhanden und ein Anschluß an die übrigen Bahnen überhaupt nicht in Aussicht genommen war.

Die Hauptbahnen sollten von dem im Zug der Kaiser-Franz-Josef-Bahn neu zu erbauenden Bahnhof Heiligenstadt aus gehen, u. zw.:

1. Die Gürtellinie von Heiligenstadt bis an die Südbahn in Matzleinsdorf mit einer Abzweigung an die Westbahn in Penzing.

2. Die Donaustadtlinie vom Praterstern zur Donauuferbahn und bis Nußdorf.

3. Die Vorortelinie von Penzing über Ottakring und Hernals bis Heiligenstadt.

Außerdem sollten in der ersten Bauperiode als Lokalbahnen ausgeführt werden:

a) Die Wientallinie vom Westbahnhof über den Gürtel zum Schlachthaus und von dort zum Hauptzollamt;

b) die Donaukanallinie vom Hauptzollamt bis nach Heiligenstadt;

c) die innere Ringlinie, abzweigend von der Wientallinie und entlang der Museen und dem Schottenring bis zum Anschluß an die Donaukanallinie.

Nach eintretendem Verkehrsbedürfnis waren für einen späteren Bauabschnitt vorgesehen:

1. Eine Hauptbahn längs des Donaukanals zur Verbindung der Franz-Josef-Bahn mit der Verbindungsbahn.

2. Die Ausführung der Donaustadtlinie als Hochbahn vom Verschiebebahnhof der Nordbahn stromauf und stromab auf die Länge der Donaustadt. Ferner als Lokalbahnen:

a) Eine Linie, abzweigend von der Wientallinie zum Zentralfriedhof unter Benutzung der Aspangbahn;

b) Abzweigungen von der inneren Ringlinie zur Gürtel- und Vorortelinie mit Fortsetzungen gegen Dornbach und Pötzleinsdorf;

c) zwei Radialbahnen durch die innere Stadt, für die von vornherein der elektrische Betrieb in Aussicht genommen war.

Der Zusammenhang der Stadtbahnentwürfe mit anderen öffentlichen Bauten hat den Entschluß veranlaßt, die Ausführung der Wiener Stadtbahn durch Zusammenwirken von Staat, Land Niederösterreich und Gemeinde Wien sicherzustellen und für die einheitliche Leitung der Entwurfs- und Bauarbeiten eine besondere Zentralstelle, »Kommission für Verkehrsanlagen in Wien« zu schaffen.

Am 25. Juli 1892 erfolgte ihre Konstituierung unter dem Vorsitz des Handelsministers, dem damals das Eisenbahnwesen unterstand. Nachdem die Kommission dem bei der Konzessionsverhandlung einvernehmlich festgesetzten Entwürfe für die von ihr auszuführenden Hauptbahnlinien der Wiener Stadtbahn zugestimmt hatte, erfolgte am 18. Dezember 1892 die Konzessionsverleihung an sie. Am 27. Oktober 1892 erfolgte die ministerielle Entscheidung, womit die Trassenführung sämtlicher Linien die Genehmigung erhielt, mit Ausnahme der damals für spätere Zeit zur Ausführung in Aussicht genommenen Teilstrecken zwischen Hernals und Heiligenstadt der Vorortelinie und der Strecke Ferdinandsbrücke – Hauptzollamt der Donaukanallinie. Gleichzeitig wurde jedoch angeordnet die Fortsetzung der Wientallinie bis Hütteldorf in das Detailprojekt einzubeziehen.

Am 28. November 1892 faßte die Kommision für Verkehrsanlagen in ihrer Vollversammlung den Beschluß, den Bau der Vorortelinie von Heiligenstadt zu beginnen. Das Projekt für diese Linie wurde im Januar 1893 der Trassenrevision unterzogen und im März 1893 genehmigt. Am 7. November 1892 wurde mit dem Abtragen des im Zuge der Gürtellinie gelegenen Wasserreservoirs der ehemaligen Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung vor der Westbahnlinie begonnen, somit kann dieser Tag als Beginn der Arbeiten für den Bau der Wiener Stadtbahn angesehen werden.

Mit den eigentlichen Bauarbeiten wurde am 16. Februar 1893 in der Station Michelbeuern der Gürtellinie begonnen. Im Dezember 1893 wurden die Unterbauarbeiten in der Strecke Heiligenstadt – Gersthof der Vorortelinie vergeben und in Angriff genommen. Durch einhelligen Beschluß aller 3 Kurien der Kommission für Verkehrsanlagen vom 16. Januar 1894 sollten nunmehr auch die Lokalbahnlinien der Wiener Stadtbahn durch die Kommission zur Ausführung gelangen. Dieser Beschluß wurde aber an folgende, das bisherige Programm teilweise abändernde Bedingungen geknüpft:


a) Die Ausführung der inneren Ringlinie sollte einstweilen der Vorsorge im Wege Konzessionserteilung an eine Privatunternehmung vorbehalten bleiben, wobei diese Linie nach dem Ermessen der Regierung mit elektrischem Betrieb ausgeführt werden könne;

b) statt der im Programme an erster Stelle vorgesehenen vom Westbahnhofe im Zuge der Gürtelstraße und parallel mit der Gürtellinie bis zum Gumpendorfer Schlachthaus führenden Strecke der Wientallinie wäre die im Programme »erst bei eintretendem Bedürfnisse« in Aussicht genommene Fortsetzung zum Schlachthaus im Wiental aufwärts zum Anschluß an die Westbahn bei Hütteldorf sofort zu bauen und in diese die abzulösende und entsprechend umzubauende Dampfstraßenbahnstrecke Gumpendorf – Hietzing einzubeziehen;

c) die vorgesehene Verbindung der Gürtellinie mit der Westbahn bei Penzing, hätte ganz zu entfallen;

d) der nach dem Programm erst dem zweiten Bauabschnitte vorbehaltene Bau der Strecke Westbahnhof – Matzleinsdorf der Gürtellinie hinsichtlich der Teilstrecke Westbahnhof – Gumpendorfer-Linie in den ersten Bauabschnitt einzubeziehen und gleich zeitig eine Verbindungskurve von der Gumpendorfer Linie an die Wientallinie zur Ausführung zu bringen.


Im Sinne dieser Anträge wurden die weiteren Schritte eingeleitet, die zur Erteilung der Konzession für den Bau und Betrieb der Wiental- und Donaukanallinie an die Kommission für Verkehrsanlagen führten. (2. August 1894.)

Die Vorschreibungen der Konzessionsurkunde machten eine vollständige Neuaufstellung des Detailprojektes für die Wiental- sowie für die Donaukanallinie notwendig, insbesondere war eine wesentliche Erweiterung der Anschlußbahnhöfe Hütteldorf und Heiligenstadt vorzusehen, die größte Veränderung ergab sich jedoch beim Hauptzollamtsbahnhofe, der allen aus dem Anschlüsse der Wiental- und der Donaukanallinie an die Wiener Verbindungsbahn sich ergebenden Verkehrsaufgaben genügen sollte. Eine solche Erweiterung war jedoch nur durch Senkung des Niveaus und Oberführung aller kreuzenden Straßenzüge möglich. Diese Entwurfsänderungen machten auch eine Abänderung des finanziellen Programms notwendig. Entsprechend dieser Sachlage faßte die Kommission für Verkehrsanlagen am 11. Juli 1895. den Beschluß, den Bau der provisorischen Donaustadtlinie gänzlich fallen zu lassen, dagegen die Vorortestrecke Hernals – Penzing und allenfalls die Gürtelstrecke Gumpendorfer Straße – Matzleinsdorf noch im ersten Abschnitt auszubauen. Diesem Beschlüsse wurde durch ein Gesetz vom 23. Mai 1896 Rechnung getragen und damit auch die finanzielle Grundlage für die in Ausführung befindlichen Linien der Wiener Stadtbahn geschaffen.

Ende des Jahres 1894 waren die Bauarbeiten bereits in den Strecken Heiligenstadt – Westbahn, Heiligenstadt-Hernals und Hütteldorf – Hietzing im Zuge.

Die hervorragende Bedeutung, die der Wiener Stadtbahn als Bauwerk zukam und ihr Einfluß auf die bauliche Entwicklung der von ihr durchzogenen Stadtteile, ließen es geboten erscheinen, der künstlerischen Ausgestaltung besonderes Augenmerk zuzuwenden. Über Vorschlag der Genossenschaft bildender Künstler Wiens wurde daher Architekt Otto Wagner, zum künstlerischen Beirat der Kommission für Verkehrsanlagen bestellt und sind unter seiner Leitung alle Entwürfe für die architektonische Ausstattung der Bauobjekte sämtlicher Linien durchgeführt worden.

Im Oktober 1897 war die Strecke Westbahnhof – Heiligenstadt – Brigittenau der Gürtellinie bereits fahrbar. Auch die Vorortelinie war von Heiligenstadt bis Ottakring im November 1897 soweit, während die Wientallinie auf ihrer ganzen Länge im Bau war. Die Vollendung der oberen Wientallinie von Hütteldorf bis Meidling konnte im Frühjahr 1898, der unteren Wientallinie von Meidling bis zum Hauptzollamtsbahnhof im Frühjahr 1899 erfolgen.

Die Meinungsverschiedenheiten über die Führung der Donaukanallinie in der Strecke Augartenbrücke – Heiligenstadt als Tiefbahn oder Hochbahn verzögerten die Bauinangriffnahme der Donaukanallinie bis zum Herbste 1898 und die Bauvollendung bis zum Jahre 1900.

Sämtliche Stadtbahnlinien sind normalspurig und zweigleisig ausgeführt. Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wurde mit 40 km/Std. festgesetzt. Die größte Neigung beträgt bei der Hauptbahn 20‰, bei den Lokalbahnen aber 25‰, der kleinste Halbmesser der Bogen in der Strecke ist mit 150 m festgesetzt, nur bei Verbindungskurven nächst den Stationen ist in einzelnen Fällen ein Krümmungshalbmesser von 120 m zur Anwendung gebracht. Alle Objekte und sonstigen im Unterbau vorkommenden Bauwerke, ferner die Aufnahmsgebäude und die für den Zugförderungsdienst und die Unterbringung des Bahnpersonals in den Stationen und Haltestellen bestimmten Hochbauten wurden in definitiver Weise hergestellt; bei solchen in Eisen ausgeführten Hochbahnkonstruktionen, deren Lage es wünschenswert erscheinen ließ, die Schallwirkungen des Zugverkehrs tunlichst abzuschwächen, wurde die Fahrbahn mit Buckelplatten abgedeckt und der Oberbau wie gewöhnlich eingeschottert. Die beabsichtigte Wirkung ist tatsächlich erreicht worden.

Mit besonderer Sorgfalt ist die Entwässerung und Abdeckung der Viaduktgewölbe durchgeführt. Die Gewölbenachmauerung wurde mit einer 8 cm starken Betonschichte in Portlandzement überdeckt, auf die eine 20 mm starke Schicht aus Naturasphalt und dann ein liegendes Ziegelpflaster aufgetragen ist.

Die Abdeckung hat gegen die in den Pfeilern angeordneten Entwässerungsschächte eine Neigung von 5%; in diese Schächte mündet ein 4 m langes Rohr aus Gußeisen, in welch letzteres wieder das bis in den Abflußkanal reichende Rohr aus verzinktem Eisenblech eingesetzt ist. Die Öffnung über dem Rohr ist durch einen bis zur Schwellenhöhe reichenden gußeisernen Hut, der glockenförmig erweitert und durchbrochen ist, geschlossen; nach Entfernung dieses Huts kann das verzinkte Abflußrohr an seinen Handhaben herausgezogen und gereinigt werden.

Auch die Entwässerung der beschotterten eisernen Bahnbrücken ist sorgfältig durchgeführt, indem eiserne Längs- und Querrinnen das Tropfwasser aus den Buckelplatten, die zu diesem Zweck an ihren tiefsten Punkten durchlocht und mit Ansatzröhrchen versehen sind, aufnehmen und gegen die Widerlager führen, woselbst eiserne Abfallrohre die Weiterleitung des Wassers in die Straßenkanäle besorgen.

Die Viadukte sind meist in Ziegelmauerwerk mit Eckverkleidungen und Gesimsplatten aus Stein ausgeführt. Dagegen ist für Stütz- und Futtermauern in den offenen und gedeckten Einschnitten ausschließlich lagerhaftes Bruchsteinmauerwerk zur Anwendung gekommen.

Die Fundamente der Kunstobjekte und Hochbauten wurden häufig betoniert und haben Monier- und Betonkonstruktionen vielfache Anwendung gefunden. So wurden z.B. die meisten der Straßenüberfahrten auf der Vorortelinie mittels Moniergewölben bis zu einer Lichtweite von 20∙25 m ausgeführt. Für die Kanäle, Entwässerungsgräben und ähnliche Bauwerke kam ausschließlich Beton zur Verwendung, aus welchem Materiale bei den Eindeckungen der Tiefbahnstrecken sowie bei einigen Bahnbrücken mit nahegerückten Trägern auch Auflags- und Deckquadern ausgeführt wurden.

Auf dem größten Teil der hochgeführten Gürtellinie sowie auf einem Teil der Viaduktstrecke der Vorortelinie erscheint der obere Abschluß der Bahnobjekte wagrecht durchgeführt, was bei geneigter Bahn durch die stufenförmige Anlage der Abkrönung erzielt wurde. Auch die Ausbildung der größten Anzahl der eisernen Bahnbrücken entspricht dem Bestreben des Architekten, die wagrechte Linie soviel wie möglich einzuhalten. Demgemäß lagern die, zumeist parallele Gurtungen zeigenden Blech- und Gitterbrücken wagrecht auf und lassen die etwa geneigte Bahn zwischen den äußerlich verzierten Hauptwänden auf schiefer Ebene abgleiten.

Nur bei der Übersetzung der Döblinger Straße und der Heiligenstädter Straße durch die Gürtellinie sowie der Richthausenstraße und Nußdorfer Straße durch die Vorortelinie ruht die Bahn auf kräftigen eisernen Bogenbrücken, deren schöne Formen dem Auge eine wohltuende Abwechslung bieten. Dort aber, wo die Stadtbahn zur Unterpflasterbahn wird, wie an vielen Stellen der Wientallinie und einem großen Teil der Donaukanallinie, bilden eiserne Träger mit dazwischenliegenden Stampfbetonwölbungen die Decke für die Straßenfahrbahn.

Der Oberbau ist auf Holzquerschwellen mit 12∙5 m langen Flußstahlschienen von 35∙4 f.d. m hergestellt. Eine Abweichung ist nur in dem Sinne erfolgt, daß statt der normalen Stoßverbindungen die Stoßfangschiene eingeführt wurde.

Sämtliche Linien der Wiener Stadtbahn dienen sowohl dem Personenverkehr als auch dem Post-, Gepäcks- und Güterverkehr und hat bezüglich des letzteren besonders der Approvisionierungsverkehr Berücksichtigung zu finden. In erster Linie mußte natürlich für die bequeme und rasche Abwicklung des Personenverkehrs gesorgt werden, zu welchem Zwecke entsprechende Einrichtungen in den Stationen und Haltestellen, ferner an den Fahrbetriebsmitteln getroffen werden mußten.

Um das Aus- und Einsteigen von und in die Wagen tunlichst bequem zu machen, wurde die Höhe der Bahnsteige in den Stationen und Haltestellen mit 0∙5 m über Schienenhöhe gewählt und zur leichten Überwindung der Höhe von 0∙7 m bis zum Wagenfußboden drei Stufen von entsprechender Breite eingelegt, so daß beim Wiener Stadtbahnwagen drei Stufen von je 23 cm, beim Berliner Stadtbahnwagen aber nur zwei Stufen von je 35 cm vorhanden sind, wodurch das Aus- und Einsteigen den Reisenden in Wien jedenfalls bedeutend erleichtert wurde.

Was die Wagen selbst anbelangt, so sind auf den Stadtbahnen in Berlin und London Abteilwagen eingeführt; jene Stadtbahn aber die den größten Verkehr zu bewältigen hat, nämlich die Hochbahn in New York, ist mit Durchgangswagen ausgerüstet und betragen die Zugsaufenthalte in New York höchstens 15 Sekunden, während diese in Berlin und London mit 20 Sekunden bemessen sind. In dieser Beziehung steht daher der Durchgangswagen dem Abteilwagen nicht nach. Da aber bei der Wiener Stadtbahn die Einleitung des Zugsverkehrs von vornherein in der Weise gedacht war, daß ein Teil der Züge die Fahrt direkt in die Lokalstrecken der Staatsbahnen fortsetzt, mußte dafür gesorgt werden, daß die Redenden jene Bequemlichkeiten vorfinden, die für solche Fahrten, die eine Stunde und darüber dauern, zum Bedürfnisse geworden, beim Abteilwagensystem aber entweder gar nicht oder nur mit Schwierigkeiten und Kosten erreichbar sind. Es wurde daher ein 10 m langer und an beiden Enden mit einer 1 m breiten Plattform versehener Durchgangswagen gewählt; dieser Wagen gestattet zunächst eine intensivere Beleuchtung als der Abteilwagen, bietet den Reisenden die Möglichkeit, den Wagen während der Fahrt zu wechseln und ist im Winter viel leichter warm zu halten, weil nur zwei nach außen führende Türen vorhanden sind. Der Hauptvorteil aber ist der, daß bei Massenandrang die Reisenden sich in den Wagen des Zugs während der Fahrt verteilen können.

Die Stadtbahnlokomotive ist eine Tendermaschine der schwersten Gattung, die auf fünf Achsen ruht und so leistungsfähig ist, daß sie auf einer Steigung von 20 noch zehn vollbesetzte Stadtbahnwagen, deren Gesamtgewicht 150 t beträgt, mit einer Geschwindigkeit von 35 km/Std. befördern kann. Die Bauart dieser Lokomotive ist derart durchgeführt, daß der Funkenwurf vermieden, die Rauchentwicklung möglichst vermindert und die Belästigung durch ausströmenden Dampf und Rauch tunlichst hintangehalten wird.

Sämtliche Stadtbahnlinien sind für das Fahren in Raumdistanz eingerichtet; ferner werden, mit Ausnahme gewisser Weichen in den Nebengleisen, alle Weichen zentral gestellt und in die Sicherungsanlage einbezogen. Auch in dieser Richtung war man bestrebt, das Neueste und Beste zu wählen, es wurde daher die elektrische Weichenstellung System Siemens und Halske eingeführt, die außerordentliche Vorteile bietet, vor allem aber die Sicherheit auch beim dichtesten Verkehr gewährleistet. Nur auf der Vorortelinie wurden die Stationen mit der mechanischen Weichenstellung durch die Firma Stephan v. Götz in derselben Weise ausgerüstet, wie dies bisher bei allen Staatsbahnlinien der Fall war.

Große Schwierigkeiten waren im Hochbau zu überwinden, weil mit Rücksicht auf die Anforderungen des Verkehrs und aus baulichen und lokalen Gründen kein Gebäude dem andern nachgebildet werden konnte, die Anzahl der zu schaffenden Entwürfe daher eine außerordentlich große war.

Der Hauptsache nach sind für die Haltestellen der Stadtbahn, je nachdem eine Untergrund- oder eine Hochbahnstrecke vorliegt, zwei Typen zu unterscheiden. In den ersteren wurde der Raum über dem Bahneinschnitt als Halle ausgebildet, an die stirnseitig die Personenkassen und zu beiden Seiten die Abgangsstiegen angelegt sind. Am Eingang zu den Stiegen ist die Fahrkartenkontrolle angebracht. In der Verlängerung der Stiegen liegen die für jede Fahrtrichtung gesondert angelegten Bahnsteige, von denen etwa 70 m überdeckt sind und etwa 50 m unbedeckt bleiben.

In den Aufnahmsgebäuden für die Hochbahnhaltestellen wurden die notwendigen Betriebsräume durch seitliche Anbauten an den Viadukt geschaffen. Im Straßengeschoß ist in der Mitte eine große, von beiden Straßenseiten erreichbare Halle mit den Personenkassen und den nötigen Nebenräumen für die Abwicklung des Personenverkehrs sowie der Aufgang zu den ebenfalls für jede Fahrtrichtung getrennt angelegten Bahnsteigen. Vor dem Eingang zum Bahnsteig in der Höhe des Bahngeschosses ist die Fahrkartenkontrolle angeordnet. Außer dem Bahnsteig sind daselbst noch kleine Warteräume und ein Dienstzimmer für Beamte und Diener vorhanden.

In den großen Anschlußbahnhöfen Hütteldorf-Hacking und Heiligenstadt wurden in der Mitte der erbauten neuen Aufnahmsgebäude große architektonisch reich ausgestattete Hallen angelegt, von denen die Stiegen zu den Personentunneln führen. Von diesen führen wieder doppelarmige Stiegen zu den nach Fahrtrichtungen getrennt angelegten Bahnsteigen von 120 bis 180 m Länge, die in einfacher Weise überdacht sind.

In der Station Hauptzollamt ist der Tiefbahn wegen die große Eintrittshalle mit den übersichtlich angeordneten Dienst- und öffentlichen Räumen im Straßengeschosse angeordnet; von der Mittelhalle führt eine Treppe zum Hauptbahnsteig; die Verbindung zu den Zwischenbahnsteigen wird durch eine breite, in der Längsachse der Halle angeordnete überdeckte Brücke und doppelarmige ebenfalls überdachte Abgangsstiegen bewerkstelligt.

In den Jahren 1908–1910 hat der Anschluß an die, Westbahn durch Verlängerung der Stadtbahn bis Purkersdorf eine Ausgestaltung erfahren. Auf eine Länge von 6∙5 km läuft sie parallel mit der Hauptbahn und diente so zur Ablenkung des Lokalverkehrs von der Hauptbahn.

In der Zeit zwischen den frühesten Morgen- und den spätesten Abendstunden wurden nach Maßgabe des Bedarfs zahlreiche Züge in dichter Aufeinanderfolge in regelmäßigen Zwischenräumen bis zu 3 Minuten in Verkehr gesetzt. Die Lokallinien wurden auch für den Güterverkehr eingerichtet.

Die Geldbeschaffung erfolgte durch Bildung eines von der Kommission verwalteten besonderen Fonds und durch ein von der Kommission aufgenommenes Darlehen.

Die Beteiligung der 3 Kurien an den Kapitalslasten wurde für den Staat mit 871/2%, das Land mit 5% und für die Gemeinde Wien mit 71/2% rücksichtlich der Hauptbahnen und mit 85% für den Staat, 5% für das Land und 10% für die Gemeinde Wien rücksichtlich der Lokalbahnen festgesetzt. Die Baukosten der bisher gebauten Linien der W. waren (ohne Zinsen und Geldbeschaffungskosten) mit rd. 176 Mill. K veranschlagt.

Infolge der Kriegsverhältnisse mußte der Betrieb auf der Wiental-, Gürtel- und Donaukanallinie im Jahre 1916 eingestellt werden und ist erst Juni 1922 teilweise wiedereröffnet worden, u. zw. in der Strecke von Purkersdorf über die Gürtellinie bis Heiligenstadt.

Literatur: Koestler, Die Wiener Stadtbahn in der Geschichte der Eisenbahnen der Österreichisch-ungarischen Monarchie, Bd. I, 2. Wien 1898.

Tafel XIX. Karte der Wiener Stadtbahn.
Tafel XIX. Karte der Wiener Stadtbahn.

http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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