- Zugtrennung
Zugtrennung (division or breaking of the train, breakaway; rupture d'attellages d'un train; spezzamento o rottura del treno), unbeabsichtigte Abtrennung eines Zugteils während der Fahrt. Die heute vorgeschriebene Kuppelung (s.d.) verbindet die Fahrzeuge eines Zugs in zuverlässiger Weise. Eine unbeabsichtigte Lösung der Kuppelung durch selbsttätiges Ausheben beim Anfahren oder während der Fahrt erscheint ausgeschlossen. Eine Z. kann daher nur durch Zerreißen der Kuppelungen entstehen und ein solches Zerreißen soll das Wort Z. ausdrücken. Trotz aller Bemühungen ihnen entgegenzuwirken, bilden die Z. dauernd eine ernste Unfallgefahr im Eisenbahnbetrieb. Mit der wachsenden Zuglast und dem Gewicht der einzelnen Fahrzeuge haben auch die bei der Beförderung eines Zugs auftretenden Stöße zugenommen, die trotz erheblicher Verstärkung der Kuppelungen diese übermäßig beanspruchen können, so daß dabei Brüche unvermeidlich sind. Solche Stöße treten auf beim Anfahren, bei ungleichmäßiger Bedienung der Bremsen, beim Befahren von Gefällwechseln und beim Übergang von langsamer zu schneller Fahrt. So kann z.B. der Lokomotivführer mit ziemlicher Sicherheit auf den Bruch einer Kuppelung rechnen, wenn er den angesichts eines Haltesignals gebremsten Zug nach Freigabe des Signals aus der verzögerten unmittelbar in die beschleunigte Bewegung versetzen würde. Ein zuvoriges Anhalten des Zugs ist ihm deshalb durch seine Dienstvorschrift zur Pflicht gemacht.
Für das Verhalten der Betriebsbeamten bei Z. sind in den deutschen FV. (vgl. § 47) und in den österreichischen Vorschriften für den Verkehrsdienst (vgl. Art. 178) eingehende Vorschriften erlassen. Es gelingt auch meistens innerhalb der Bahnhöfe eintretende Z. rechtzeitig zu bemerken und unschädlich zu machen. Auf freier Strecke sind aber die Z. recht gefährlich, weil sie, besonders bei Dunkelheit, bei Nebel und in unübersichtlichem Gelände in der Regel zu spät bemerkt werden. Tritt die Z. zwischen Steigung und Gefälle ein, so kann der abgetrennte Zugteil entweder durch Zurücklaufen einen nachfolgenden Zug oder durch Nachlaufen den vorauffahrenden Zugteil ernstlich gefährden. Die Bremser des abgetrennten Zugteils vermögen diesen nicht immer rechtzeitig anzuhalten, auch wenn sie die Z. bemerkt haben, denn für die Geschwindigkeit, die bei der Fahrt im Gefälle ohne Lokomotive eintritt, reicht die Bremsbesetzung häufig nicht aus. Sehr oft bemerken sie die Z. aber überhaupt nicht. Im vorderen Zugteil macht sich die Z. meist ebensowenig bemerkbar wie im hinteren. Das Verbot, den vorderen Zugteil vorzeitig zum Halten zu bringen, bleibt daher oft wirkungslos. Es findet dann ein Auflaufen des abgerissenen Teils und ein mehr oder weniger heftiger Zusammenstoß statt. Die eintretenden Folgen führen zu den schwersten Unfällen (s.d.) im Eisenbahnbetrieb, die häufig noch dadurch gesteigert werden, daß entgleiste Fahrzeuge in den Weg anderer Züge geraten und zu neuen Unfällen Veranlassung geben.
Während des Kriegs haben die Z. und die dadurch herbeigeführten Unfälle auf den deutschen Bahnen einen außergewöhnlichen Umfang angenommen, wie dies zahlenmäßig in nachstehender Zusammenstellung zum Ausdruck kommt.
Die Zunahme vom Jahre 1915 ab ist in erster Linie dem Umstande zuzuschreiben, daß die zahlreichen im belgischen Gebiet erbeuteten Wagen, auf deren Benutzung nicht verzichtet werden konnte, nicht mit der durch § 128 der TV. des VDEV. vorgeschriebenen durchgehenden Zugstange versehen waren und wegen Schwäche der Kuppelungen dauernd zu Z. Veranlassung gaben, deren Folgen wegen der notwendigen Verwendung ungenügend geschulten Bedienungspersonals vielfach von außerordentlicher Tragweite waren. Die bekannten ungünstigen Betriebsleistungen waren z.T. eine Folge dieser häufigen Z. und der durch sie hervorgerufenen Sperrungen verkehrsreicher Bahnstrecken (s. Verkehrsstockungen).
Eine wesentliche Einschränkung der Z. wird von der Einführung der durchgehenden Bremse bei den Güterzügen erwartet, einmal weil hierdurch die Bremsbedienung allein in die Hand des Lokomotivführers gelegt, also besser geregelt werden wird, sodann aber weil die Folgen der Z. abgeschwächt oder nahezu unschädlich gemacht werden. Beim Bruch einer Kuppelung strecken sich die Bremsschläuche. Durch die dabei eintretende Drehung des Verschlußstücks wird dessen Lösung herbeigeführt. Die ausströmende Luft bewirkt eine Bremsung beider Zugteile und bringt sie meist in geringem Abstande voneinander zum Halten.
Breusing.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.