- Aktienwesen
Aktienwesen. Inhalt: I. Aktiengesellschaft; II. Aktienbeteiligung des Staates; III. Aktienhandel.
I. Aktiengesellschaft (joint-stock company; société par actions; società anonima). Sie stellt eine zu den verschiedensten Betriebszwecken geeignete Unternehmungsform dar, deren Besonderheit darin besteht, daß ein fest bestimmter Geldkapitalbetrag durch Einlagen mehrerer, in der Regel vieler Teilnehmer gebildet wird, und daß jeder Teilnehmer, sowohl der Gesellschaft gegenüber als auch nach außen nur mit dieser Einlage haftet. Durch die Zusammenfassung vieler Kapitalkräfte ist diese Unternehmungsform ganz besonders zur Durchführung sehr großer Unternehmungen geeignet. Die Urkunde, die über die Einzahlung eines bestimmt bemessenen Gesellschaftsanteils an einer Aktiengesellschaft ausgestellt wird und entweder auf den Namen oder auf den Inhaber lautet, heißt Aktie (share; action; azione). Sie dient einerseits als Beleg für die privatrechtlichen Ansprüche des Benannten oder des Inhabers gegenüber der Gesellschaft, anderseits begrenzt sie dessen Haftungsanteil.
Findet im Wege der allmählichen Auslosung eine Tilgung der Aktie statt, z.B. bei österreichischen, ungarischen, russischen und italienischen Eisenbahnaktien, so werden die ausgelosten Aktien in der Regel gegen sog. Genußscheine umgetauscht, welche Scheine zum Weiterbezug der Superdividende berechtigen. Die allmähliche Tilgung der Aktien findet besonders dann Anwendung, wenn Eisenbahnunternehmungen nach Ablauf der Konzessionszeit ohne Entgelt an den Staat fällen.
Die geschichtliche Entwicklung der A. reicht weit in das Mittelalter zurück, bis auf die Staatsgläubigervereinigungen des arabischen und des italienischen Rechts und die Seehandelsvereinigungen des nördlichen Europa. Größere Bedeutung hat die A. durch die großen überseeischen Handelskompagnien des 17. Jahrhunderts gewonnen und in neuerer Zeit ist sie zu größter Ausdehnung gelangt. Sie war es vor allem, die die rasche Entwicklung des Eisenbahnwesens möglich gemacht hat; gerade auf diesem Gebiet ist jedoch ihre Bedeutung heute nicht mehr die gleiche wie früher, weil das Staatsbahnprinzip mehr und mehr zum Durchbruch gelangt ist, und der Staat seinen Geldbedarf in anderer Weise decken kann.
Die Leitung lag anfangs in den Händen der großen Teilhaber, der Einfluß der kleinen Teilhaber war gering. Die allmählich zur Einführung kommende jährliche Rechnungslegung, der periodische Wechsel der Direktoren, der zunehmende Einfluß der Generalversammlung gab der Organisation allmählich einen mehr demokratischen Charakter. Gleichzeitig hat auch der Einfluß der Gesellschaftsbeamten eine große Steigerung erfahren.
Rechtliche Entwicklung im allgemeinen. Sie steht naturgemäß in engem Zusammenhang mit der wirtschaftspolitischen Entwicklung. Anfangs handelte es sich bei den A. nur um ganz große Unternehmungen, denen der Staat unter gewissen Bedingungen die Rechte von Korporationen, in der Regel auch noch andere Privilegien, Handelsrechte, politische Rechte verlieh. Im Zeitalter des Merkantilismus wurde die Bildung der A. möglichst unterstützt, da man in ihnen wichtige Hilfsmittel zur Förderung des Handels und des nationalen Reichtums sah. Die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts allmählich sich entwickelnde individualistische Naturlehre der Volkswirtschaft, die die zu weitgehende staatliche Bevormundung zurückzudrängen-, dem einzelnen größere Bewegungsfreiheit verschaffen wollte, mußte sich auch gegen die gesellschaftlichen Unternehmungen wenden. Unter dem Einfluß dieser Anschauung und der großen politischen Umwälzungen am Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts verschwanden – eine Ausnahme bildet nur England – die meisten der älteren, mit öffentlich rechtlichem Charakter ausgestatteten A. An ihre Stelle trat allmählich eine neue privatrechtliche Form der A. Typisch für ihre Entwicklung war zunächst Frankreich. Dort wurde 1808 die Errichtung der A. von staatlicher Genehmigung abhängig gemacht, ihre Verwaltung und Organisation im allgemeinen aber durch den code de commerce geregelt, ähnlich wie für die offene Handels- und die Kommanditgesellschaft. Dieses System staatlicher Genehmigung und privatrechtlicher Regelung unter voller Verantwortlichkeit der Gründer und Leiter der A. breitete sich in allen Nachbarländern aus. Die Freihandelsära seit 1850 mit ihrem Grundsatze: »Laissez faire, laissez aller« führte in vielen Ländern zur völligen Freigabe der Errichtung von A. Die Auswüchse, die hieraus entstanden und mit zur Krise der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts Anlaß gaben, legten eine gewisse Beschränkung dieser Freiheit nahe, wie denn überhaupt das Prinzip, des Individualismus in neuerer Zeit wieder an Zugkraft verloren hat.
Geltendes Recht der A. in Deutschland. (2. Buch, 3. Abschnitt des Handelsgesetzbuches vom 10. Mai 1897.)
Sämtliche Gesellschafter müssen mit Einlagen auf das in Aktien zerlegte Grundkapital beteiligt sein, haften aber nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der A. Die Aktien sind unteilbar, können auf Namen oder Inhaber lauten, letzteres nur, wenn das Grundkapital vollständig eingezahlt ist. Mindestbetrag der Aktie 1000 M. Der Bundesrat kann jedoch Abweichungen (bis zu 200 M. herab) genehmigen, u. zw. bei gemeinnützigen Unternehmungen, im Falle öffentlicher Ertragsgarantie, bei gewissen Namensaktien. Der Gesellschaftsvertrag (Statut) muß von wenigstens fünf Gründern errichtet werden. Emission der Aktien unter pari unstatthaft; über pari zulässig. Gesellschaftsvertrag kann für einzelne Gattungen von Aktien besondere Rechte festsetzen. Besondere Vorteile zu gunsten einzelner Aktionäre (qualifizierte Gründung), ferner die Vergütung für Einlagen auf das Grundkapital und die Gründungsbelohnungen sind im Gesellschaftsvertrag festzusetzen. Vor vollzogener Eintragung in das Handelsregister besteht die A. als solche nicht. Die A. ist juristische Person. Sie gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in dem Betrieb eines Handelsgewerbes besteht. Die Gesellschafter haben, solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den Reingewinn nach Verhältnis ihres Aktienbesitzes. Zinsen von bestimmter Höhe dürfen für die Aktionäre nicht vereinbart werden.
Gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft obliegt dem Vorstand, der auch aus mehreren Personen bestehen kann. Willenserklärungen, insbesondere die Zeichnung für die Gesellschaft erfolgt durch den gesamten Vorstand, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag allgemein anders bestimmt oder bestimmte Einzelermächtigungen erteilt werden. Die Vorstandsmitglieder dürfen ohne Zustimmung der Gesellschaft kein Handelsgewerbe treiben, in dem Handelszweig der Gesellschaft keine Geschäfte machen, nicht persönlich haftende Teilnehmer einer anderen Gesellschaft sein. Die Mitglieder des Vorstandes haben die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Sie haften der Gesellschaft, unter Umständen auch deren Gläubigern, als Gesamtschuldner für die Folgen ihrer Pflichtverletzungen.
Der Aufsichtsrat besteht aus drei von der Generalversammlung zu wählenden Mitgliedern, wenn die Statuten nicht eine höhere Zahl festsetzen. Der Aufsichtsrat hat die gesamte Geschäftsführung zu überwachen, insbesondere die Jahresrechnung und die Bilanz zu prüfen; er kann jederzeit Aufklärung von dem Vorstande verlangen. Die Mitglieder des Aufsichtsrats können nicht zugleich Mitglieder des Vorstands oder Beamte der Gesellschaft sein. Die Mitglieder des Aufsichtsrats haben die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Sie haften der Gesellschaft, unter Umständen auch anderen, als Gesamtschuldner für die Folgen ihrer Pflichtverletzungen.
Die Aktionäre üben ihr Recht in bezug auf die Verwaltung der Gesellschaft in der Generalversammlung aus, die nach einfacher Mehrheit beschließt, soweit nicht besondere Vorschriften über qualifizierte Mehrheit bestehen. Das Stimmrecht richtet sich im allgemeinen nach den Aktienbeträgen; es kann durch Bevollmächtigte ausgeübt werden. Die Generalversammlung wird im allgemeinen durch den Vorstand berufen. Die Generalversammlung beschließt über die Genehmigung der Bilanz, über die Gewinnverteilung und über die Entlastung von Vorstand- und Aufsichtsrat.
Bei der Aufstellung der Bilanz sind sämtliche Vermögensgegenstände (nach oben begrenzte Ansätze) und Schulden (geforderte Mindestansätze) so zu bewerten, daß der Überschuß der Aktiva über die Passiva, d.h. der am Schlüsse des Geschäftsjahres verteilbare Betrag nicht zu groß wird, d.h. das zur Fortführung des Unternehmens erforderliche Geschäftsvermögen nicht gefährdet. Zur Deckung von allfälligen Verlusten aus der Bilanz ist ein Reservefonds durch Rückstellungen aus dem jährlichen Reingewinn und aus dem etwaigen Agiogewinn anzulegen.
Die Beschlüsse der Generalversammlung können wegen Verletzung des Gesetzes oder des Gesellschaftsvertrags auf dem Wege der Klage innerhalb eines Monats angefochten werden.
Materielle Änderungen des Gesellschaftsvertrags können nur durch die Generalversammlung beschlossen werden; die Mehrheit muß, wenn das Statut nicht anders bestimmt, wenigstens drei Viertel des in der Versammlung vertretenen Grundkapitals besitzen. (Qualifizierte Mehrheit.) Eine Erhöhung des Grundkapitals durch Ausgabe neuer Aktien soll – mit Ausnahme von Versicherungsgesellschaften – nicht vor der völligen Einzahlung des bisherigen Kapitals erfolgen. Jeder Aktionär kann die Zuweisung eines seinem Anteil an dem bisherigen Grundkapital entsprechenden Teiles der neuen Aktien fordern. Erst nach erfolgter Eintragung in das Handelsregister können Aktien und Interimsscheine auf das erhöhte Kapital ausgegeben werden.
Zum Beschluß über eine Herabsetzung des Grundkapitals ist eine Mehrheit von wenigstens drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals notwendig. Die Gläubiger der Gesellschaft sind unter Hinweis auf den Beschluß aufzufordern, ihre Ansprüche anzumelden. Rückzahlungen an die Aktionäre dürfen erst ein Jahr nach dieser Aufforderung und nach Befriedigung der sich meldenden Gläubiger erfolgen. Ist zur Ausführung der Herabsetzung des Grundkapitals die Einreichung der Aktien notwendig, so kann die Gesellschaft die trotz erfolgter Aufforderung bei ihr nicht eingereichten Aktien für kraftlos erklären. Die an deren Stelle neu ausgegebenen Aktien sind für Rechnung der Beteiligten zu verwerten.
Die Auflösung der Gesellschaft erfolgt bei Ablauf der vereinbarten Zeitdauer durch Beschluß der Generalversammlung mit wenigstens drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals; bei Eröffnung des Konkurses; aber auch noch aus anderen Ursachen.
Nach der Auflösung findet die Liquidation statt, wenn nicht der Konkurs eröffnet wird. Die Liquidation erfolgt, wenn Statut oder Generalversammlung nicht anders bestimmen, durch Mitglieder des Vorstandes; sie kann aus wichtigen Gründen unter bestimmten Voraussetzungen durch gerichtlich ernannte Liquidatoren erfolgen. Die Liquidatoren haben die Gläubiger der Gesellschaft aufzufordern, ihre Ansprüche anzumelden. Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen und die Gläubiger zu befriedigen. Sie haben dabei im allgemeinen die Rechte und Pflichten des Vorstandes; sie unterliegen auch der Überwachung durch den Aufsichtsrat. Sie haben für den Beginn der Liquidation und auch weiterhin für den Schluß jeden Jahres eine Bilanz aufzustellen. Das nach Berichtigung der Schulden verbleibende Vermögen wird nach Ablauf einer einjährigen Wartefrist im Verhältnis des Aktienbesitzes unter die Aktionäre verteilt. Die Bücher und Papiere der Gesellschaft sind auf die Dauer von 10 Jahren sicher zu hinterlegen.
Eine Veräußerung des Gesellschaftsvermögens im ganzen (Totalübergang) ist nur auf Grund eines Generalversammlungsbeschlusses mit einer Mehrheit von wenigstens drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals zulässig. Die Liquidatoren haben die zur Ausführung dieses Beschlusses erforderlichen Geschäfte und Rechtshandlungen durchzuführen.
Bei Verstaatlichung oder Kommunalisierung einer A. kann mit Zustimmung der Generalversammlung vereinbart werden, daß die Liquidation unterbleibt.
Wird das Vermögen einer A. als Ganzes an eine andere A. gegen Gewährung von Aktien der übernehmenden Gesellschaft übertragen (Fusion), so liegt bei der einen Gesellschaft ein Totalübergang, bei der anderen eine Kapitalserhöhung vor. Ist hierbei vereinbart, daß eine Liquidation der aufgelösten Gesellschaft nicht stattfinden soll, so ist das Vermögen der aufgelösten Gesellschaft zunächst getrennt zu verwalten. Es darf mit dem Vermögen der übernehmenden Gesellschaft erst dann vereinigt werden, wenn die Gläubiger der aufgelösten Gesellschaft zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufgefordert worden sind und nach der dritten Aufforderung an sie ein Jahr verstrichen ist.
Trotz des Beschlusses der Veräußerung im ganzen oder der Umwandlung in eine andere Gesellschaft kann die Generalversammlung die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen, wenn der durch den Veräußerungsbeschluß beabsichtigte Zweck nicht erreicht wird; ebenso wenn der Konkurs eröffnet, aber wieder eingestellt wird.
Für absichtliche Benachteiligung der Gesellschaft durch Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder durch Liquidatoren, dann für falsche Angaben der genannten Organe sind Gefängnis- und hohe Geldstrafen festgesetzt. Der Stimmenverkauf wird mit Geld- oder Gefängnisstrafe geahndet, die Stimmenerschleichung mit Geldstrafe. Für leichtere Verfehlungen der Gesellschaftsorgane kann das Registergericht Ordnungstrafen verhängen.
In Österreich gilt noch das Recht des alten deutschen Handelgesetzbuches von 1863, also das Konzessionssystem. Mehrfache gesetzliche Reformversuche sind nicht zum Abschlüsse gelangt. Die Regierung sah sich schließlich gezwungen, auf dem Wege ministerieller Verordnungen vorzugehen; zunächst im Jahre 1896 hinsichtlich der Versicherungsgesellschaften, am 20. September 1899 durch das Aktienregulativ für Industrie- und Handels-A. Nach diesem Regulativ wird die Bewilligung immer erteilt, wenn der Plan den bestehenden Gesetzen und dem Regulativ entspricht. Das gesetzlich bestehende Konzessionssystem ist also in Wirklichkeit durch das System der Normativbestimmungen ersetzt.
Vor der Genehmigung, die durch den Minister des Innern erfolgt, muß das ganze Kapital gezeichnet sein. Statutenänderungen, also auch Änderungen des Grundkapitals, bedürfen staatlicher Genehmigung. Mindestbetrag der Aktie 200 K, bei kleineren, örtlichen Unternehmungen 100 K. Geschäftsführung durch den Vorstand, der auf 5 Jahre wählbar und allenfalls an die Genehmigung eines Direktionsrats gebunden ist. Kontrolle durch gewählte Revisoren oder durch den Aufsichtsrat mit zeitlich begrenzter Funktionsdauer, der Jahresrechnung, Bilanz und Geschäftsführung zu prüfen hat. Generalversammlung ist jährlich mindestens einmal einzuberufen. Ein Zehntel des Grundkapitals kann die Berufung einer außerordentlichen Generalversammlung fordern. Obligatorischer Reservefonds.
In Ungarn hat das geltende Handelsgesetzbuch vom 16. Mai 1875, ähnlich wie die deutsche Novelle vom 11. Juni 1870, das Erfordernis der staatlichen Genehmigung aufgehoben. Konstituierende Generalversammlung ist bei Anwesenheit von 7 Zeichnern mit einem Viertel des Grundkapitals beschlußfähig. Bei der Anmeldung zur Eintragung in das Firmenregister ist die richtige Berufung und die Beschlußfassung der konstituierenden Generalversammlung, die Wahl von Direktor und Aufsichtsrat, die Zeichnung des ganzen Grundkapitals und die Einzahlung von 30% nachzuweisen. Die Organe sind: Direktor, Aufsichtsrat und Generalversammlung. Ein Zehntel des Grundkapitals kann außerordentliche Generalversammlung und sachverständige Prüfung der Geschäftsführung verlangen. Betrag der Aktie nicht begrenzt.
In England (Gesetz vom 7. Aug. 1862; wichtige Ergänzungs- und Abänderungsgesetze vom 20. Aug. 1867 und 8. Aug. 1900) unterstehen dem Gesetze nicht nur A. mit beschränkter Haftung (limited), sondern auch die Gesellschaften mit unbeschränkter Haftung (comp. inlimited) und die Gesellschaften mit beschränkter Pflicht des Nachschusses zur Liquidationsmasse. Jede Personenvereinigung, die juristische Persönlichkeit oder beschränkte Haftung der Teilnehmer erlangen will, muß sich diesen Gesetzen unterwerfen. Zwangsweise unterstehen ihnen alle Banken bei mehr als zehn, alle Vereinigungen mit Gewinnabsicht bei mehr als 20 Mitgliedern.
Gibt die A. sich kein Statut, so gilt ein ausführliches Normalstatut. Gründungsentwurf und Statut sind zum Handelsregister anzumelden; durch Eintragung wird die A. juristische Person; zur Eintragung ist weder volle Einzahlung, noch volle Zeichnung erforderlich. Reservefonds ist nicht obligatorisch. Für Statutenänderungen erschwerte Bedingungen. Im Interesse aller irgendwie Beteiligten ist größte Publizität verlangt. Strenge Haftung der Direktoren für Prospekte u. dgl. Organe sind die Direktoren und die Generalversammlung. Ein Zehntel des eingezahlten Aktienkapitals kann jederzeit eine außerordentliche Generalversammlung berufen.
In Frankreich (Gesetz vom 24. Juli 1867 nebst Ergänzungen, vom 1. Aug. 1893, 9. Juli 1902 und 16. Nov. 1903) ist die Errichtung der A. frei, sie kann durch Privaturkunde erfolgen. Geschäftsführung durch Aktionäre als absetzbare Mandatare mit höchstens 6jähriger Wahlperiode. Vertretung dieser Mandatare durch Nichtaktionäre als Direktoren zulässig. Die jährlich wenigstens einmal zu berufende Generalversammlung hat die Bilanz zu genehmigen. Zwangsreservefonds. Erreicht der Verlust drei Viertel des Grundkapitals, so ist über die Auflösung zu beraten. Mindestbetrag der Aktie bei einem Grundkapital von 200.000 Fr. und mehr 100 Fr., sonst 25 Fr. Obligatorischer Reservefonds.
In Italien (Handelsgesetzbuch vom 2. April und 31. Okt. 1882) ist staatliche Genehmigung nicht erforderlich. Errichtung durch öffentliche Urkunde mit Zwangsinhalt. Eintragung und öffentlicher Anschlag des Statuts. Geschäftsführung durch Mandatare – nicht notwendig Aktionäre –, die auf höchstens 4 Jahre ernannt werden. An deren Stelle können Direktoren treten. Kontrolle durch Aufsichtsräte. Oberstes Organ ist Generalversammlung. Betrag der Aktien nicht begrenzt. Obligatorischer Reservefonds.
In Schweden (Gesetz vom 28. Juni 1895) ist staatliche Genehmigung gleichfalls nicht erforderlich. Errichtung durch Eintragung in das Handelsregister. Vorstand muß schwedischer Staatsbürger sein. Prüfung der Bilanz und der Geschäftsführung muß durch Revisoren erfolgen. Betrag der Aktie im allgemeinen nicht unter 50 Kr., ausnahmsweise nicht unter 10 Kr. Obligatorischer Reservefonds.
In Belgien (Gesetz vom 18. Mai 1873; Abänderungsgesetz vom 26. Dez. 1882 und 22. Mai 1886) ist die Bildung von A. frei; es müssen aber bestimmte Gründungsbedingungen erfüllt werden. Errichtung und Konstatierung der Erfordernisse durch öffentliche Urkunde, sodann unverkürzte Bekanntmachung. Oberstes Organ ist die jährlich wenigstens einmal zusammentretende Generalversammlung. Geschäftsführung durch wenigstens 3 absetzbare Mandatare, die durch Aktienhinterlegung Sicherheit leisten. Für die laufenden Geschäfte können Direktoren bestellt werden. Inventar, Jahresbericht, Bilanz müssen durch Kommissare geprüft werden. Betrag der Aktie nicht begrenzt. Obligatorischer Reservefonds.
In den Niederlanden ist königliche Genehmigung erforderlich, die die Erfüllung bestimmter Bedingung voraussetzt, dann aber nicht versagt werden kann. Errichtung durch Erfüllung der Register- und Publikationspflicht. Jährliche Generalversammlung und Aufsichtsrat ist nicht vorgeschrieben.
Wirtschaftliche Beurteilung der A. Während die A. von dem Merkantilismus des 17. und der Freihandelsära des 19. Jahrhunderts als das wichtigste Mittel zur Förderung von Handel und Industrie gerühmt wurden, verurteilte sie die invidualistische Anschauung seit der zweiten Hälfte des 18. und während der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts vollständig.
Vor allem wurde das Zurücktreten der Person des Eigenunternehmers und die dadurch bedingte Abhängigkeit von der Gewandtheit und Ehrlichkeit angestellter Beamten, die nicht eigenes Vermögen verwalten, sowie die Schwierigkeit, geeignete Beamte zu. erhalten, als bedenklich betrachtet. Auch wurden die gegenüber der Einzelunternehmung höheren Betriebskosten der A. mit Recht hervorgehoben. Später, seitdem die A. etwa seit 1830 doch einen gewissen Aufschwung zeigten, traten andere Mängel hervor: Die Versuchung, das Unternehmen bei der leichten Kreditfähigkeit zu rasch und zu sehr zu vergrößern; die Neigung, große Dividenden selbst auf Kosten der Sicherheit zu erzielen; die geringe Beteiligung der Aktionäre an der Geschäftsführung; der geringe Einfluß des obersten Gesellschaftsorgans, der Generalversammlung; die Vermehrung der Spekulationspapiere durch Aktien.
Aber so oft auch diese Schattenseiten hervortraten, so zeigte sich doch mehr und mehr, daß die Vorteile dieser Unternehmungsform überwiegen. Diese Vorteile liegen in der Möglichkeit, sehr große Kapitalien in den Dienst wichtiger Kulturaufgaben zu stellen; in der von der menschlichen Lebensdauer unabhängigen Dauer des Unternehmens; in der Möglichkeit, die größten kommerziellen Talente zu wecken und die größten technischen Fortschritte anzuwenden; in der Teilung des Risikos; in der verhältnismäßig sicheren Heranziehung des kleinen Kapitals zu großen Unternehmungen; in der Möglichkeit, durch weitgehende Klarlegung aller Verhältnisse der Gesellschaft vor der Öffentlichkeit den Nachteilen entgegenzuwirken. Die A. haben, wie Schmoller sagt, ein neues, höheres Element in das Getriebe der Volkswirtschaft eingeführt; die großen Unternehmungen dieser Art nähern sich dem Charakter öffentlicher Anstalten, ihre Leiter werden sich allgemeiner Pflichten gegen die Gesamtheit mehr und mehr bewußt.
Die wirtschaftliche Bedeutung der A. geht auch aus nachstehenden Ziffern hervor.
II. Aktienbeteiligung des Staates, der Provinzen und der Gemeindeverbände, jene Form der öffentlichen Unterstützung von Privateisenbahnbauten, bei der die Staatsverwaltung oder Gemeindeverbände zu den Baukosten einer im öffentlichen Interesse gelegenen Bahnverbindung durch Übernahme einer entsprechenden Zahl von Aktien zum Nennwert oder einem sonst vereinbarten Kurs beiträgt. Hierbei kommt es öfters vor, daß der Staat den Aktien der übrigen Teilnehmer Prioritätsrechte in bezug auf eine gewisse Minimalrente zugesteht, in welchem Fall die staatliche Unterstützung nach Umständen den Charakter einer unverzinslichen Subvention annimmt.
Die staatliche A. hat mancherlei Vorteile; zunächst ist das Opfer, das der Staat bringt, ein verhältnismäßig begrenztes, überdies erhält der Staat, wenn er Aktionär wird, Aussicht auf Teilnahme am Gewinn und erlangt einen entsprechenden Einfluß auf die Gesellschaft (namentlich durch Delegierung von Mitgliedern in den Vorstand, Vorbehalt der Tarifhoheit etc.). Anderseits wird mitunter eingewendet, daß die Geltendmachung des staatlichen Einflusses hemmend auf die Tätigkeit der Gesellschaft wirke, daß der Staat durch Beteiligung an einem Aktienunternehmen aus dem Rahmen seiner Stellung hinaustrete, und daß es daher, namentlich dann, wenn die Beteiligung des Staates u.s.w. einen bedeutenden Prozentsatz des Aktienkapitals repräsentiert, besser sei, den Bau ganz auf Staatskosten auszuführen.
Besonders typische Beispiele:
Das preußische Kleinbahngesetz vom 28. Juli 1892 macht die A. des Staates davon abhängig, daß das Bahnunternehmen unterstützungswürdig und -bedürftig ist, und daß auch eine angemessene Beteiligung der höheren Gemeindeverbände sowie der Interessenten stattfindet. Die Entwicklung der Kleinbahnen auf Grund dieses Gesetzes war ziemlich lebhaft. Das Anlagekapital der preußischen nebenbahnähnlichen Kleinbahnen betrug i. J. 1907 524∙2 Mill. M. Hiervon sind aufgebracht
Mill. M. % vom Staate (überwiegend durch A.) 81∙56 15∙6 von den Provinzen 65∙16 12∙5 von den Kreisen 122∙03 23∙3 von den Nächstbeteiligten 59∙55 11∙4 in sonstiger Weise 195∙87 37∙2
In Österreich ist die Beteiligung des Staates an dem durch Aktien aufgebrachten Kapital der Lokalbahnen aus der nachstehenden Zusammenstellung zu ersehen:
1897 1902 1909 von dem Kapital waren durch A. aufgebracht 109∙5 262∙8 561∙7 Mill.K vom Staat 18∙0% 10∙7% 6∙5% von den Kronländern 6∙9% 7∙1% 5∙1% von den Interessenten 27∙9% 18∙7% 11∙1% von anderen Aktionären 47∙2% 63∙5% 77∙3%
Ähnlich in Ungarn. Von dem Anlagekapital des Lokalbahnnetzes (1896: 422 Mill. K) waren 14∙3% vom Staat, 8∙2% von Behörden (Munizipien), 11∙8% von Gemeinden und Privatinteressenten, 65∙7% von Privatunternehmern aufgebracht.
Das Belgische Kleinbahngesetz vom 24. Juni 1885 – einige Angaben darüber s. unter Anleihen – beruht ebenfalls auf der A. Das Aktienkapital der belgischein Société nationale des chemins de fer vicinaux betrug 1908 249∙2 Mill. Fr., von denen auf den Staat 41∙6%, auf die Provinzen 28∙3%, auf die Gemeinden 28∙6%, auf Privatinteressenten 1∙5% entfielen. Belgien ist mit den Wirkungen dieses Gesetzes sehr zufrieden.
III. Aktienhandel. Die Aktien der Eisenbahnen sind im eigentlichen Sinne Börsenspekulationspapiere, während die Obligationen mit Rücksicht auf die Zusicherung eines bestimmten Zinsenertrages mehr den Charakter eines Anlagepapieres an sich tragen.
Die Eisenbahnaktien unterscheiden sich von anderen Aktien in vorteilhafter Weise dadurch, daß die Bedingungen ihrer Rentabilität offenkundiger sind als bei anderen Aktienunternehmungen, und daß ihr Ertrag gleichmäßiger ist. Die nächsten Motive ihrer Kursänderung sind: die publizierten Ausweise über Betriebsergebnisse; Tarifänderungen; Aussichten oder Befürchtungen bezüglich derjenigen Produktion, deren Erzeugnisse der Bahn die meisten Transporte liefern; Kohlen- und Eisenpreise; etwaige ungünstige Zufälle (Bahnbeschädigungen); zu hoffende Anschlüsse; bevorstehende Konkurrenzbauten. Die Stammaktien sind in der Regel um so sicherer, je geringer sie mit Prioritäten belastet sind. Die Kurse der Eisenbahnpapiere sind aber das Resultat nicht nur der tatsächlichen Betriebsverhältnisse, sondern auch der Börsenspekulation.
Die Eisenbahnaktien bildeten früher, als noch viele große Privatbahnen bestanden, eine der Hauptgrundlagen des börsenmäßigen Effektenhandels. Infolge der fortschreitenden Verstaatlichung der wichtigeren Eisenbahnverwaltungen haben die Eisenbahnaktien für den Börsenverkehr sehr an Bedeutung verloren.
In Deutschland, wo die Eisenbahnverstaatlichung am weitesten entwickelt ist, weisen die Kurszettel der Börsen nur noch die Aktien von Eisenbahnen geringerer Bedeutung sowie von Straßenbahnen auf. Salings bekanntes Handbuch der Börsenpapiere hält es indessen nicht für ausgeschlossen, daß hier wieder eine gewisse Änderung intritt, wenn die in manchen Gegenden geplanten elektrischen Städte-Verbindungsbahnen als Privatunternehmungen konzessioniert werden.
Die österreichisch-ungarischen Eisenbahnwerte waren in weit höherem Grade Gegenstand der Spekulation als die deutschen, nicht nur in Österreich, selbst, sondern auch außer Landes. Die Ursachen waren mehrere: die rasche Entwicklung des österreichisch-ungarischen Eisenbahnwesens, die vorherrschende Rohproduktion und die von der Ernte sehr abhängigen schwankenden Betriebsergebnisse, die schwankende Valuta, die Änderungen in der politischen Lage u.a. Unter den österreichischen Eisenbahnpapieren gehörten namentlich zwei zu den hervorragendsten internationalen Spekulationsobjekten: die Lombarden und die Franzosen. Lombarden nennt man die Aktien der Vereinigten Südösterreichischen, Lombardischen und Zentralitalienischen Eisenbahngesellschaft (jetzt Südbahn). Das andere Hauptspekulationspapier waren die Franzosen (Berliner Bezeichnung), in Wien Staatsbahn, in Paris Autrichiens genannt, d.h. die Aktien der Österreichisch-Ungarischen Staatseisenbahngesellschaft, in verschiedenen Emissionen zusammen 110 Mill. Gulden = 220 Mill. K. Andere wichtige Eisenbahnwerte in Österreich-Ungarn waren bis zu den Verstaatlichungen diejenigen der Galizischen Karl-Ludwig-Bahn, Lemberg-Czernowitz-Jassy-Bahn, Österreichischen Nordwestbahn, Elbetalbahn, Theißbahn, Ungarischen Nordostbahn. Von großer Bedeutung sind heute noch die Lombarden. Näheres über diese s. Saling, II. Teil, Österreichische Südbahn.
Auch die Aktien der großen Bahngesellschaften der Vereinigten Staaten von Nordamerika gewinnen mehr und mehr Bedeutung für den europäischen Effektenmarkt.
Über die jährlichen Aktienemissionen s. unter Anleihen. Näheres über die Statistik der A. s. unter A. (Statistik) im Handwörterbuch der Staatswissenschaften von Conrad, Elster, Lexis und Löning.
Literatur: Das eben erwähnte Handwörterbuch; das Wörterbuch der Volkswirtschaft von Elster; Schmoller, Grundriß d. allgem. Volkswirtschaftslehre; Die Kommentare zum deutschen Handelsgesetzbuch von Staub u. Gareis; Weltwirtschaft 1907 v. E. v. Halle.
Heubach.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.