Kostenanschlag

Kostenanschlag

Kostenanschlag (estimate of costs of construction; devis; preventivo), die Ermittlung aller, für die Ausführung eines Baues erforderlichen Geldmittel. Man unterscheidet Kostenüberschläge (generelle K.) und Kostenanschläge (ausführliche K.).

Ein Kostenüberschlag wird erforderlich, wenn die Ausführung einer neuen Bahnlinie, die Legung zweiter, dritter und weiterer Gleise beabsichtigt wird oder größere Zu- oder Umbauten geplant sind. Der Kostenüberschlag ist zu erstellen, noch ehe an die Ausarbeitung des Entwurfs im einzelnen geschritten wird. Er wird gemacht, um die Einträglichkeit des Baues nachzuweisen und damit den Vorschlag überhaupt zu rechtfertigen, um das Vertrauen jener Kreise zu gewinnen, auf deren Kapitalien man angewiesen ist, endlich, um eine Wahl zwischen mehreren Lösungen der gleichen Aufgabe zu treffen. So ist z.B. von mehreren zwischen zwei gegebenen Punkten möglichen Bahnlinien oder Straßenzügen, jener zu ermitteln, der die geringsten Gesamtkosten erfordert und deshalb genauer ausgearbeitet werden soll.

Die Herstellung eines umfaßenderen Kostenüberschlags erfordert ein sehr vielseitiges Wissen und große Erfahrung. Handelt es sich um die Herstellung einer Eisenbahnlinie, so sind vor allem die Anlagekosten zu schätzen, wobei es sich um die Geschäftsleitung und Aufsicht, um die Vorarbeiten und Grunderwerbung, um die Erdarbeiten, Kunstbauten, Flußbauten, um den Oberbau, die Hochbauten und Betriebseinrichtungen, um die Fahrbetriebsmittel, um die Verzinsung des Anlagekapitals u.s.w. handelt. Dazu kommt dann die schwierige Aufgabe, die Betriebskosten mit Rücksicht auf den zu erwartenden Verkehr richtig zu schätzen, endlich die voraussichtlichen Unterhaltungskosten genau genug anzusetzen.

Für die Erstellung eines Kostenüberschlages werden die Anlagekosten in der Regel mit Durchschnittswerten für das km Bahnlänge ermittelt. Wie verschieden diese ausfallen können, zeigen die unter Baukosten Bd. II, S. 10, 11 und 12 aufgeführten Tabellen. Eine halbwegs verläßliche Kostenschätzung kann nur nach Bereisung der in Aussicht gefaßten Trasse erfolgen.

Ist auf Grund eines Entwurfes allgemeinerer Art (Vorentwurf s. Bauentwurf) und eines Kostenüberschlages der Beschluß zur Ausführung der geplanten Anlage gefaßt, so kann an die Aufstellung des genauen K. geschritten werden.

Diese Aufstellung erfolgt an der Hand des ausführlichen Entwurfes (Einzelpläne s. Bauentwurf), wobei für jedes einzelne Bauwerk ein genauer K. verfaßt wird, um den Umfang und Kostenbetrag für jede einzelne zur Herstellung des betreffenden Bauwerks erforderliche Lieferung und Arbeit sowie eine möglichst genaue Gesamtkostensumme und damit die erforderliche Grundlage für die Verdingung zu liefern.

Ein solcher K. für ein nur einigermaßen bedeutendes Bauwerk setzt sich aus fünf Teilen zusammen: 1. dem Vorbericht, 2. den Bedingnisheften, 3. den Vorausmaßen, 4. dem Preisverzeichnis, 5. der Kostenberechnung.

Der Vorbericht oder technische Bericht soll in wenigen Worten ein klares Bild von dem betreffenden Bauwerk und den Ausführungsverhältnissen geben. Dabei sollen namentlich jene Punkte berührt werden, die nicht unmittelbar aus den Plänen entnommen werden können. Er enthält demnach die Darlegung des Zwecks, dem durch das Bauwerk genügt sowie der Art und Weise, wie diesem Zweck durch die gewählte Anlage entsprochen werden soll; ferner Angaben über das zu verwendende Baumaterial und dessen Bezugsorte, die Angabe, inwieweit Akkord- oder Regiebau in Frage kommt, endlich die Mitteilung des Gesamtkostenbetrages.

Die Bedingnishefte enthalten alle erforderlichen Bestimmungen rechtlicher, kaufmännischer und technischer Art. Die Bestimmungen rechtlicher und kaufmännischer Natur sind Gegenstand der allgemeinen Bedingnisse, während die technischen Vorschriften den Inhalt besonderer Bedingnisse bilden. Letztere werden in der Regel nach den verschiedenen in Betracht kommenden Baugewerbszweigen unterteilt und enthalten nebst den Bestimmungen über die Auflieferung und Verarbeitung der Baustoffe auch Weisungen über die Vermessung und Abrechnung der geleisteten Arbeiten (s. Verdingungswesen).

Die Vorausmaße bilden den umfangreichsten Teil des K., weil in ihnen alle einzelnen Teile des Bauwerks in ihren Ausmaßen zur Darstellung kommen müssen. Zur Erzielung einer klaren Übersicht und um die Größe jeder Einzelleistung und jede beliebige Summe gleichartiger Leistungen ohne Schwierigkeit entnehmen zu können, werden die Vorausmaße nach den verschiedenen Arbeitsgattungen und innerhalb der so gewonnenen Unterabteilungen nach möglichst einfachen Gesichtspunkten gegliedert. Die Leistungen werden dabei je nach ihrer Art oder auch nur dem Herkommen entsprechend nach Körper-, Flächen- und Längeneinheiten, nach der Stückzahl oder dem Gewicht berechnet. Einer so eingehenden Behandlung, wie vorstehend angedeutet worden, unterliegen nur jene Leistungen nicht, bei denen dies eben nicht möglich oder nur sehr schwierig ist. Für diese kommen dann Pauschsummen in Ansatz, die entweder rein erfahrungsgemäß oder auf Grund von Skizzen und Kostenüberschlägen festgestellt werden. Als Beispiele solcher Leistungen mag das Wasserschöpfen in den Baugruben genannt werden oder die Herstellung von Hilfsgerüsten, deren Anordnung je nach dem Arbeitsbetrieb sich verschieden gestalten kann, Vorkehrungen für Aufrechthaltung von öffentlichen oder privaten Verkehrswegen u. dgl. Pauschalbeträge werden bei Bahnbauten in der Regel auch für die einzelnen Hochbauten ausgewiesen.

Das Preisverzeichnis ist eine übersichtliche Zusammenstellung der für ein zu veranschlagendes Bauwerk in Betracht kommenden Einheitspreise und bildet die meisten Schwierigkeiten bei Aufstellung des K. Insbesondere sind hierbei jene Umstände in Erwägung zu ziehen, die eine Änderung der Preise noch während der Bauausführung nach sich ziehen können.

Die Einheitspreise selbst sind das Ergebnis der Preisentwicklung, zu deren Ermittlung ein hohes Maß von Erfahrung gehört. Neben den Einheitspreisen der für eine zusammengesetzte Leistung erforderlichen Baustoffe und der mit diesen vorzunehmenden Arbeiten muß man ihre hierzu nötige Menge und den Umfang der Einzelleistungen kennen; man muß weiter wissen, welcher Abfall an den Baustoffen etwa bei der Ausführung der Arbeiten erwächst, welches die dabei zu erwartende Abnutzung der Werkzeuge und Geräte sein wird, welche Kosten die erforderliche technische Beaufsichtigung der Arbeiten verursacht, welcher Nutzen für den Unternehmer der Arbeit zu rechnen ist, u. dgl.

Vor Beginn der Preisentwicklung empfiehlt es sich, mehrere Zusammenstellungen anzulegen, nämlich ein Verzeichnis der Baustoffe, ein Löhnungsverzeichnis und eine Förderkostentabelle.

Das Verzeichnis der Baustoffe enthält die Marktpreise aller in Frage kommenden Baustoffe, wie sie in Fabriken, bei Geschäftsleuten u.s.w. in Erfahrung gebracht werden können, die Bezugsorte dieser Baustoffe, Angaben über die Entfernung der Bezugsorte von der Baustelle oder dem Sitz der Bauverwaltung und über die Art und Beschaffenheit der bestehenden Zufuhrwege, endlich besondere Bemerkungen über die Güte, Art der Gewinnung, Erfahrungen bei Verwendung der Baustoffe u. dgl., die von Bedeutung für deren Wahl sein können.

Im Löhnungsverzeichnis werden die ortsüblichen Löhne für einheimische und fremde Arbeiter eingetragen, u.zw. für einen Polier oder Aufseher, Steinmetz, Maurer, Zimmermann, Deichgräber, Handlanger oder Taglöhner u.s.w., außerdem die Kosten aller in der Gegend vorkommenden Arten von Fuhrwerken. Bezüglich dieser Löhne ist zu überlegen, welchen Einfluß die gesteigerte Nachfrage oder sonstige Umstände haben könnten, und es sind hiernach die dem Anschlag zu grunde zu legenden Lohnsätze festzustellen.

Die Förderkostentabelle endlich enthält die Kosten für die Förderung der körperlichen Einheiten ungebundener oder gebundener Erdmassen bei Verwendung der verschiedenen Fördermittel (s.d.) für die vorkommenden Entfernungen (s. Erdarbeiten, Bd. IV, S. 374 ff.), desgleichen für die Einheit Bauholz und Bausteine und allenfalls auch die Kosten für den Erdtransport aus Baugruben. Mit Zugrundelegung der drei genannten Verzeichnisse wird dann die Entwicklung der Preise für alle vorkommenden zusammengesetzten Leistungen vorgenommen und der entsprechende Auszug bildet, wie oben bemerkt, den vierten Teil des K.

Der fünfte Teil, die Kostenberechnung, liefert endlich die für das zu veranschlagende Bauwerk erforderliche Kostensumme, indem man unter Festhaltung der früheren Gliederung und Reihenfolge die Arbeitsmengen aus den »Vorausmaßen« mit den Einheitspreisen des »Preisverzeichnisses« zusammensetzt und schließlich noch gewisse Prozente für unvorhergesehene Fälle und unter Umständen auch für technische Aufsicht zuschlägt.

Bei Eisenbahnbauten vergeht gewöhnlich eine Reihe von Jahren zwischen der Erstellung des K. und der Inangriffnahme der Bauarbeiten selbst. Diesem Umstande in der Kostenaufstellung in ausreichendem Maße Rechnung zu tragen ist kaum möglich, weil für die Schwankungen der Baustoffpreise sowie für die stets wachsenden Arbeitslöhne keine zuverlässigen Annahmen getroffen werden können. Inwieweit durch den geplanten oder bereits in Angriff genommenen Bahnbau Preissteigerungen hervorgerufen werden, entzieht sich jeder rechnungsmäßigen Vorherbestimmung.

Alle diese Umstände im Verein mit unvorherzusehenden Bauschwierigkeiten, wie großen Rutschungen, Wetter- und Wasserkatastrophen in Tunneln u.s.w., haben wiederholt zu bedeutenden Überschreitungen der veranschlagten Kosten geführt, so bei der Gotthardbahn, bei den österreichischen Alpenbahnen u.a. Namentlich die großen Tunnelbauten haben größere als die vorgesehenen Beträge verschlungen.

Literatur: S. Manger: Hilfsbuch zur Anfertigung von Bauvoranschlägen, Berlin 1884. – Schwatls Handbuch zur Beurteilung und Anfertigung von Bauvoranschlägen, Leipzig 1883. – Benkwitz, Das Voranschlagen von Hochbauten, Leipzig 1883. – Heusinger: Hb. d. Ing. W. – Osthoff, Kostenberechnungen für Ingenieurbauten, Leipzig 1909. – Nitzsche: Bauführung und Veranschlagen bei Ingenieurbauten, Leipzig 1913.

Pollak.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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