- Betriebsstörungen
Betriebsstörungen (disturbance of the service; perturbation de service; perturbazione del servizio), durch äußere Einwirkungen eintretende Unterbrechungen des regelmäßigen Laufes der Züge. Sie können herbeigeführt werden:
a) durch Sperrung von Gleisen infolge von Unfällen, die Zügen auf der freien Strecke oder auf den Bahnhöfen zustoßen;
b) durch Zerstörung oder Beschädigung des Bahnkörpers auf kürzeren oder längeren Strecken bei Hochwasser, Damm- oder Einschnittsrutschungen u. dgl.;
c) durch Schneeverwehungen, Lawinen und Bergstürze, durch Überflutung der Gleise;
d) infolge schlechter Beschaffenheit der Bahnstrecke oder einzelner Bauwerke während der Dauer von Erneuerungs- oder Unterhaltungsarbeiten, infolge von Störungen an den Signaleinrichtungen oder den Telegraphenleitungen;
e) infolge von außergewöhnlichen Verkehrsverhältnissen, die zu Güteranstauungen, Zugverspätungen, Verkehrsstockungen und anderen Unregelmäßigkeiten Anlaß geben.
f) infolge politischer oder militärischer Ereignisse;
g) bei elektrischen Bahnen, durch Gebrechen in den Kraftzentralen (s. elektrische Bahnen).
Bei der hohen Bedeutung der Erhaltung eines regelmäßigen Beförderungsdienstes müssen die Bahnverwaltungen in allen Fällen für möglichst baldige Behebung der B. Sorge tragen, ohne ängstliche Rücksichtnahme auf die hierdurch entstehenden Kosten (s. Unfälle). Die Verwaltungen pflegen im eigenen Interesse in dieser Beziehung nichts zu unterlassen, so daß es in der Regel eines Eingreifens der Aufsichtsbehörden, denen es hierzu an gesetzlichen Mitteln nicht fehlt, nicht bedürfen wird. Für die Schweiz ist im Art. 21 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872 über den Bau und den Betrieb der Eisenbahnen ausdrücklich vorgeschrieben, daß die Eisenbahnverwaltungen für vorübergehende Einrichtungen zur Personen- und Postbeförderung zu sorgen haben, wenn der Betrieb durch Naturereignisse zeitweise unterbrochen werden sollte. Kleine Privateisenbahnen können bei B. infolge von Naturereignissen – Überschwemmungen und Schneeverwehungen – in eine schwierige Lage geraten, die es ihnen nicht ermöglicht, ohneweiters die für die Wiederfahrbarmachung der Bahn nötigen Aufwendungen zu machen. Ist die Störung Folge eines Unfalls, bei dem Betriebsmittel zerstört oder beschädigt worden sind, deren Trümmer zusammen mit dem Ladungsgut den Fahrweg sperren, so muß die Unfallstelle möglichst rasch geräumt und das meist ebenfalls mehr oder minder beschädigte Gleis wieder in fahrbaren Zustand gebracht werden (s. Hilfszüge und Rettungswesen). Ebenso muß, falls die Betriebsstörung durch Zerstörung des Bahnkörpers infolge von Rutschungen, Hochwasser u. dgl. veranlaßt ist, für baldige Wiederherstellung der Bahn Sorge getragen werden. Nimmt diese Wiederherstellung längere Zeit in Anspruch, so muß auf vorläufige Einrichtungen zur Vermittlung des Verkehrs auf dem Schienenwege oder auf Landwegen Bedacht genommen werden. Bei eingetretener Zerstörung gewölbter oder eiserner Brücken ist es gewöhnlich angezeigt, an ihrer Stelle zunächst eine Holzbrücke herzustellen; bei Rutschungen von Einschnitten und Dämmen wird es häufig erforderlich, ein Gleis seitlich des Bahnkörpers zu legen und auf diesem Hilfsgleis den Betrieb bis zur Wiederherstellung der beschädigten Stelle durchzuführen. Als Beispiel, wie die Eisenbahnverwaltungen bei B. die Aufrechterhaltung des Verkehrs sich angelegen sein lassen, sei auf die im Zentralblatt der Bauverwaltung, Berlin 1909, S. 305, beschriebenen Maßnahmen hingewiesen, die anläßlich des am 27. November 1907 erfolgten Einsturzes des Tunnels bei Mettlach der Bahnstrecke Trier-Saarbrücken getroffen worden sind, um für den Personenverkehr Ersatz durch Landfuhrwerke und Auto-Omnibusse zu schaffen.
Besonders häufig und in großem Umfang werden B. durch Schneeverwehungen und Überschwemmungen des Bahnkörpers herbeigeführt. Die baldige Beseitigung eingetretener Schneeverwehungen ist durch geeignete Maßnahmen – Anwendung von Schneepflügen, Beseitigung des Schnees durch Handarbeiter u.s.w. – anzustreben. Bei Überschwemmungen kann in der Regel nur wenig unternommen werden.
Bei allen B. ist ferner, wenn diese längere Zeit dauern, für Aufrechterhaltung des Verkehrs soviel als tunlich Sorge zu tragen. Ist die unfahrbar gewordene Strecke nur kurz, so wird es meist möglich sein, zur Vermittlung des Personen-, Gepäck- und Postverkehrs die Züge von beiden Seiten so nahe an die Unfallstelle heranzufahren, daß die Reisenden umsteigen, Gepäck und Post umgeladen werden können. Frachtgüter sind bis zum Wiedereintritt der Fahrbarkeit auf den benachbarten Stationen zurückzubehalten oder auf andere Linien umzuleiten. Durch rechtzeitige Benachrichtigung der der Unfallstelle benachbarten Stationen über die eingetretene Störung und die voraussichtliche Dauer und sonst geeignete Maßnahmen (hierunter fällt insbesondere die Einleitung von Hilfswegen s. d.) ist ferner dafür Sorge zu tragen, daß eine Überfüllung der Stationen mit Wagen und Gütern vermieden wird. B. sind auf den Stationen durch Anschlag in deutlich erkennbarer Weise bekannt zu machen (s. § 26 der EVO.).
Um die aus den B. für den Verkehr entstehenden Nachteile abzuschwächen, sind die Stationen der preuß.-hess. Staatsbahnen angewiesen, die infolge von Schneewehen u. dgl. eingetretenen B. sowie deren mutmaßliche Dauer den Betriebsämtern und der Eisenbahndirektion sowie den Stationen der betreffenden Strecke sofort telegraphisch zu melden. Durch die »Vorschriften für das Meldeverfahren und den Nachrichtendienst bei Unfällen, Betriebsstörungen und außergewöhnlichen Ereignissen« sind für die Weitergabe dieser Meldungen ausführliche Bestimmungen getroffen, so daß sämtliche Stationen, die für den Verkehr auf der gesperrten Strecke in Betracht kommen, unverweilt benachrichtigt und Reisende, die über die letztere fahren wollen, über die Sachlage sowie über die Linie, auf der das Hindernis umfahren werden kann, unterrichtet werden.
Die dem DEV. angehörenden Verwaltungen sind übereingekommen, von jeder auf ihren Linien vorkommenden B. allen Verwaltungen, in deren Bezirk infolge der B. Maßnahmen nötig werden, telegraphische Mitteilung zu machen. Aus der Leitungstafel I, Anlage 5 zum Abschnitt C des Verbandsübereinkommens geht hervor, welche deutschen Verwaltungen unmittelbar, welche Verwaltungen durch Vermittlung der unmittelbar benachrichtigten Verwaltung und bei welchen kleinen Verwaltungen auch die äußeren Dienststellen durch die Anschlußbahn gleich mit benachrichtigt werden. Das Übereinkommen ist auch auf die benachbarten ausländischen Bahnen ausgedehnt und durch besondere Leitungstafeln II und III ist festgestellt, auf welchem Wege die B. zwischen dem Auslande, ausschließlich Österreich-Ungarn und Deutschland, sowie zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn ausgetauscht werden sollen. Auch ist Vorsorge getroffen, daß die Störungen durch die großen Telegraphenbureaus (Wolff-Bureau Berlin u.s.w.) sofort den Zeitungen zugestellt werden.
Breusing.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.