- Gepäckträger
Gepäckträger, Kofferträger (porters; facteurs, porteurs de bagages oder commissionaires; fattorini), sind im Dienste der Eisenbahn stehende oder von ihr zugelassene Personen, denen die Beförderung der Gepäckstücke von den Straßenfuhrwerken zur Gepäckabfertigungsstelle und von da zu den Eisenbahnwagen sowie von letzteren zu den Straßenfuhrwerken obliegt. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Bedienung der Reisenden bei der Beförderung ihres Handgepäcks innerhalb des Bahngebietes. Ferner ist ihnen nicht selten die Verwaltung der Gepäckaufbewahrungstellen übertragen; mitunter ist ihnen, soweit ihr Dienst es gestattet und keine gewerblichen Vorschriften entgegenstehen, erlaubt, das Gepäck vom Bahnhof nach der Wohnung des Reisenden zu befördern.
Die Geschäfte der G. sind größtenteils solche, die auch von einem Dienstmanninstitut besorgt werden könnten, zuweilen auch tatsächlich besorgt werden. Es wird jedoch vorgezogen, sie Bahnbediensteten oder doch wenigstens von der Bahn abhängigen Personen zu übertragen, einmal, weil es im Interesse des Publikums liegt, Beschwerden über die G. bei der Bahn selbst anzubringen und weil sich die hauptsächliche Tätigkeit der G. auf Bahngebiet abspielt und dem Zugverkehr sowie dem Bahnhofsdienst angepaßt werden muß.
Nach § 38 der deutschen EVO. und des österreichischen und ungarischen BR. sind auf allen Stationen, wo ein Bedürfnis hierfür besteht, G. zu bestellen, die das Reise- und Handgepäck innerhalb des Bahnhofsbereichs nach den von den Reisenden bezeichneten Stellen zu bringen haben. Für das an G. hiernach übergebene Gepäck haftet die Eisenbahn wie für das ihr zur Beförderung übergebene Reisegepäck. Insoweit den G. gestattet ist, auch die Beförderung von Gepäck von und nach Stellen außerhalb des Bahnbereichs (Gasthöfen, Wohnungen) zu übernehmen, handeln sie als selbstständige Gewerbetreibende und nicht unter der Verantwortung der Bahn. Die G. müssen durch Dienstabzeichen erkennbar sein und eine gedruckte Dienstanweisung nebst Gebührentarif bei sich tragen. Sie haben auf Verlangen den Tarif vorzuzeigen, auch eine mit ihrer Nummer versehene Marke zu verabfolgen. Der Tarif wird von der Eisenbahnverwaltung festgesetzt und in den Räumen der Gepäckabfertigungs- und Gepäckaufbewahrungsstelle ausgehängt. In Ungarn ist die Aushändigung einer Marke (Coupon), auf der die Zahl der dem G. anvertrauten Gepäckstücke von diesem vermerkt werden muß, obligatorisch; die Marke hat der Reisende bei Wiederempfang des Gepäcks zurückzugeben; auch ist ihr Besitz die Voraussetzung für Reklamationen gegen die Bahn.
Die Erhebung einer Gebühr von den Reisenden ist dadurch gerechtfertigt, daß das Verbringen des Gepäcks zu und von den Gepäckabfertigungsstellen keinen Gegenstand des Frachtvertrages bildet, ferner dadurch, daß nur ein kleiner Teil der Reisenden sich der G. bedient, und es daher billig ist, auch nur diese Reisenden für die Dienstleistungen der G. zahlen zu lassen. Ein weiterer Vorteil dieser Einrichtung liegt darin, daß dadurch eine übermäßige Inanspruchnahme der G. vermieden wird.
Die Anstellungsverhältnisse der G. sind sehr verschieden und müssen es sein. Auf kleineren Stationen sind sie einzeln angestellt gegen einen Lohn, der ihrem sonstigen Verdienst angepaßt ist; auf größeren Stationen bilden sie sog. Gepäckträgergemeinschaften, deren Personalstand und Lohnverhältnisse von der Eisenbahnverwaltung festgestellt und überwacht werden; die einzelnen G. haben ihre Einnahmen an die Gemeinschaft abzuliefern und erhalten von dieser einen Lohn, der nach dem Durchschnitt der voraussichtlichen Jahreseinnahmen berechnet ist. Für die Dienstleistungen, die nicht vom Publikum zu bezahlen sind (z.B. für Hilfeleistung beim Verwiegen sowie beim Verbringen des Gepäcks von der Gepäckbank zum Wagen u.s.w.) hat die Gemeinschaft je nach ihrem Vertrag mit der Bahnverwaltung von dieser nichts oder meist eine feste Summe zu beanspruchen, die wie ihre übrigen Einnahmen zur Verteilung unter die G. gelangt. Manchmal sind auch die Gepäckaufbewahrungsstellen an die Gepäckträgergemeinschaften gegen eine feste Summe verpachtet. Ferner gibt es Fälle, in denen der Gepäckträgerdienst einem Unternehmer übertragen ist, der die G. anstellt und besoldet. Selbst bei dieser losen Verbindung mit der Bahn sind die G. dem Publikum gegenüber Bahnangestellte. Auch pflegen selbst in diesem Falle in Deutschland den G. die Vorteile – namentlich auf dem Gebiet der Arbeiterversicherung – zugewendet zu werden, die mit der Eigenschaft eines Bahnbediensteten verbunden sind. Wo dies nicht der Fall ist, besteht kein Unterschied mehr von einem Dienstmanninstitut, dem eine Monopolstellung eingeräumt und zugleich gewisse bahnamtliche Verrichtungen übertragen sind. Selbstverständlich ist, daß, wie das Verhältnis auch geordnet sein mag, es zu den Pflichten der G. gehört, den Anordnungen der zuständigen Bahnbeamten, insbesondere der Abfertigungs- und Stationsbeamten, Folge zu leisten.
Zwischen den Gepäckträgergemeinschaften und der Bahn pflegen für den Fall der Schadenshaftung Vereinbarungen zu bestehen, nach denen letztere, wenn sie von den Reisenden in Anspruch genommen wird, Regreß nehmen kann.
In Belgien werden die G. ausschließlich von der Eisenbahn bezahlt; es ist ihnen verboten, Trinkgelder von den Reisenden anzunehmen. Nur in einzelnen Stationen der belgischen Staatsbahnen verwendet man Dienstmänner, die auf die Entlohnung durch die Reisenden angewiesen sind.
In Frankreich werden die ständigen G. von der Eisenbahn bezahlt. Die Aushilfsträger erhalten von der Eisenbahn nur einen kleinen Lohn (in Paris etwa 1 Fr. für den Tag), die weitere Entlohnung erhalten sie durch die freiwilligen Trinkgelder der Reisenden.
In Italien werden die G. im Innern der Bahnhöfe von der Eisenbahn entlohnt, die G außerhalb der Bahnhöfe erhalten nur von den Reisenden Trinkgelder.
In den Niederlanden sind die G. in der Regel auf die Trinkgelder der Reisenden angewiesen (ausgenommen in einzelnen Stationen).
In Rußland ist der Trägerdienst durch Vereinbarungen mit Trägergesellschaften geregelt. Diese erhalten von der Eisenbahn jährlich eine bestimmte Summe. Die weitere Entlohnung finden sie in den Trinkgeldern der Reisenden.
In der Schweiz ist durch § 31 des Transportreglements bestimmt, daß die G. für das Verbringen des Gepäcks von dem Bahnhofsvorplatz nach der Gepäckbank und vom Gepäckwagen nach dem Vorplatz eine Vergütung vom Publikum nicht zu beanspruchen haben. Auf größeren Bahnhöfen sind Dienstmanninstitute zugelassen, die von den Reisenden gegen Vergütung zu diesen Verrichtungen herangezogen werden können und auch das Handgepäck besorgen, während den G. der Eisenbahn nur die weitere Behandlung des Gepäcks obliegt.
In England werden die G. – porters – von der Bahn bezahlt und haben von den Reisenden, wenngleich sie Trinkgelder annehmen, für ihre Dienstleistungen nichts zu fordern.
In Amerika wird der Dienst der G. von den sog. Expreßgesellschaften besorgt. (Näheres über England und Amerika siehe unter Gepäckabfertigung.)
Renaud.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.