Tarif

Tarif

Tarif (tariff; tarif; tariffa) – vom arabischen 'tarîf = Kundmachung stammend (die Ableitung von der maurischen Hafenstadt Tarifa an der Meerenge von Gibraltar ist wohl irrig) – ist das Verzeichnis der für bestimmte Leistungen zu entrichtenden Preise, das auch die Bestimmungen für ihre Anwendung, die Tarifvorschriften, enthält. Die Beförderungspreise, Fahrpreise im Personenverkehr, Frachtsätze im Sachverkehr genannt, werden nach bestimmten Systemen gebildet; das Tarifschema zeigt ihre äußere Einrichtung und Anordnung.

Die T. lassen sich nach der Art ihrer Beförderungsgegenstände, nach den Verkehrsbezirken, innerhalb deren sie gelten, nach der besonderen Zweckbestimmung, nach der Gültigkeitsdauer in folgende Gruppen einteilen:

1. Personen-, Gepäck-, Güter- (Expreß-, Eil- und Frachtgüter-), Tiertarife.

2. Binnen- (Lokal-) T., direkte T. (Nachbar- oder Wechseltarife, Verbandstarife, internationale T.), Reexpeditionstarife.

3. Einfuhr-, Ausfuhr-, Durchfuhrtarife, Seehafentarife.

4. Dauer- und Zeit- (Saison-) T.

Nach ihrer Bildung unterscheidet man regelmäßige (Normal-, Klassen-, Spezial-) T., Ausnahme- und Differentialtarife, ferner Kilometer- und Zonentarife, bei denen für alle Entfernungen gleiche Einheitssätze angewendet werden und Staffeltarife mit nach Entfernungen abgestuften Einheitssätzen.

Für die von den kilometrischen Gebührenberechnungstabellen abweichenden Preissätze werden Stationstarife erstellt, bei denen als Unterarten die Schnittarife und Anstoßtarife zu erwähnen sind.

Die materielle Tarifbildung wohl aller Eisenbahnen setzt den Wert in den Vordergrund, den die Beförderung für den die Beförderung benutzenden Interessenten hat; im Personenverkehr geht deshalb der T. von einer Anzahl Wagenklassen aus und überläßt es dem Ermessen des Reisenden, welcher Klasse er sich bedienen und damit welchen Preis er zahlen will; im Güterverkehr ordnet er die Güter in eine Klassifikation ein und bestimmt, daß für alle die Güter, die nicht in der Klassifikation genannt sind, die Fracht nach der allgemeinen Wagenladungsklasse, also nach der teuersten Klasse berechnet wird. Jedes Gut ist also an sich einem bestimmten T. unterworfen, der für alle Beteiligten gleich anwendbar ist und von dem zu keines Gunsten abgewichen werden darf.

Die Eisenbahntarife unterscheiden sich wesentlich von den Beförderungskosten auf den Wettbewerbswegen anderer Beförderungsmittel, denn sie müssen auch die Kosten der Verzinsung und Ablösung des Anlagekapitals und der Unterhaltung berücksichtigen, die bei den Wasserstraßen und auch bei den Landstraßen zum großen Teil fortfallen. Dieser unbestreitbare Vorteil vor dem Schienenweg wird oft durch das dringende Verkehrsbedürfnis des Versenders in Frage gestellt, das nur durch die Schnelligkeit und Planmäßigkeit der Eisenbahn vollkommen befriedigt werden kann. Der Wasserweg könnte an sich mit großem Nutzen arbeiten, muß aber seinen Verdienst infolge des Wettbewerbs der Eisenbahn schmälern; abgesehen hiervon wirken noch verschiedene zeitlich und örtlich schwankende Umstände preisbestimmend auf die Beförderungspreise der Wasserstraßen und Landwege, so daß es nicht möglich ist, sie von vornherein ein für allemal bindend für längere Zeit festzusetzen. Angebot und Nachfrage sind hier die wesentlichen Preisbildner, Schwankungen bilden die Regel und ein festes Preisgesetz ist undenkbar. Anders bei den Eisenbahnen. Sie haben auf diesem Gebiet eine monopolartige Stellung, wenigstens faktisch. Der Versender selbst ist nicht in der Lage, bei der Gestaltung der Frachtpreise des einzelnen Beförderungsgeschäftes mitzuwirken. Staats- und Privatbahnen machen hier keinen Unterschied. Nur bei der Gestaltung der T. im allgemeinen kann man von einer Beeinflussungsmöglichkeit des Versenders sprechen, indem die öffentliche Meinung durch geeigneten Druck auf die Verkehrsanstalten einzuwirken versucht, ihre T. wunschgemäß zu regeln. Diesem nicht ganz willkommenen Zwang kommen die Staatsbahnen zuvor, indem sie durch gesetzlich eingerichtete Beiräte eine wenn auch nur gutachtliche Mitwirkung in allen Verkehrsfragen zugelassen haben. Soviel steht aber fest, daß alle Verkehrsanstalten als öffentliche Unternehmungen, auch wenn sie sich von einem ausgesprochenen Dividendeninteresse leiten lassen, die allgemeinen volkswirtschaftlichen Rücksichten nicht vernachlässigen dürfen. Sind sie Staatsanstalten, dann versteht sich dies von selbst; die Exekutive liegt schließlich bei der verfassungsmäßigen Volksvertretung; sind sie Privatbahnen, dann sorgt der Staat kraft seiner gesetzlichen Aufsichtsbefugnis für all gemein nützliche T. Hierin liegt eine der Aufgaben der öffentlichen Gewalt gegenüber dem Verkehrswesen. Der Staat soll eingreifen dürfen, um die Ausbeutung der Allgemeinheit zu gunsten der Einzelinteressen zu beseitigen und zu verhüten. Er hat die Tarifhoheit, vermöge deren er die T. und ihre Anwendungsbedingungen beaufsichtigt und genehmigt und auf ihre Höhe einwirkt. Er bestimmt, daß die T. rechtzeitig veröffentlicht werden müssen, und verhindert so geheime Tarif Vergünstigungen; er verlangt, daß die T. jedermann zu gleichen Bedingungen zur Verfügung gestellt werden, und versucht so, den Einzelnen gegen Refaktien und differentielle Tarifbildungen zu schützen. Allerdings läßt sich nicht verhehlen, daß das Interesse der Privatbahnen an möglichster Steigerung ihrer Einnahmen oftmals Wege fand, die staatlichen Anordnungen zu umgehen. Unstreitig ist aber das staatliche Eingreifen auf die äußere Gestaltung der T., also auf das einheitliche Tarifschema von großem Erfolg gewesen (s. auch Differentialtarife, Gepäcktarife, Gütertarife u. Personentarife).

Grunow.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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