- Kesselwagen
Kesselwagen (boiler truck, tank truck; wagon citerne, citerne; carro cisterna), auch Bassin-, Zisternen-, Kessel-, Reservoirwagen genannt, sind Eisenbahnwagen zur Versendung von Flüssigkeiten, bei denen die Behälter (Kessel, Reservoire, Zisternen, Fässer, Tonnen u. dgl.) mit dem Wagenuntergestell bleibend verbunden sind; die Behälter vertreten somit die Stelle des Wagenkastens.
Die K. dienen namentlich zur Versendung von Erdölen (Petroleum, Naphtha), Teer, Spiritus, Wein, Kognak, Melasse, Milch, Säuren, Ammoniak u. dgl. und werden entsprechend ihrer Verwendung Petroleum-, Teer-, Wein-, Säuretransportwagen genannt.
Zur Versendung von Gas werden auch K. verwendet; die Gastransportwagen (s.d.) bilden insofern eine besondere Gattung von K., als ihre Behälter einem hohen inneren Druck Widerstand zu leisten haben.
Der Rauminhalt der Behälter wird derart bemessen, daß die Verlangte oder zugelassene Tragfähigkeit erreicht wird.
Die Behälter der K. werden zumeist als zylindrische Langkessel, seltener als kofferartige Gefäße und nur für bestimmte Zwecke besonders geformt gebaut.
Die zylindrischen Langkessel erhalten gewöhnlich einen mittleren Durchmesser von 1∙5 bis 2 m, für spezifisch schwere Flüssigkeiten (Säuren) auch Durchmesser von 1∙02 bis 1∙03 m, lichte Längen von 6 bis 8 m und Blechstärken von 4 bis 6 mm im zylindrischen Teil, die Bodenfläche von 11/2- bis 2facher Stärke des zylindrischen Teiles.
Die Blechstöße werden mit doppelten Nietenreihen dicht verbunden und innen und außen sorgfältig verstemmt. Nachdem solche Kessel keinen wesentlichen inneren Überdruck auszuhalten haben, so wird die Blechstärke hauptsächlich mit Rücksicht auf Abrosten und genügende Steifigkeit bestimmt.
Die Kessel werden entweder auf Quersättel, die mit Filz- oder Bleiunterlagen belegt sind, aufgelagert und mit flachen Spannstangen am Untergestell festgehalten oder durch an die Tonne fest angenietete Längswinkel und Schrauben gegen Quer- und Längsverschiebungen gesichert.
Die Spannbänder der Quersattlung bestehen aus Flacheisen und enden in Schraubengewinden, mittels der sie durch Schraubenmuttern an den Quersätteln befestigt werden. Die Quersättel müssen auch in der Längsrichtung des Wagens genügend steif sein (also entsprechend starke Bleche besitzen). Es empfiehlt sich, die Quersättel durch Längswinkel zu verbinden und die äußeren Querträger an den Hauptträgern des Untergestells zu verankern.
Zur Verhinderung des Verschiebens des Kessels auf den Quersätteln in der Längsrichtung des K. durch Stöße werden auf beiden Seiten der Sättel Flacheisenbacken an die Tonne angenietet, die sich gegen die Flanschen der Quersättel stemmen. In der letzten Zeit hat sich vorherrschend die Auflagerung mit der Längswinkelverbindung eingebürgert, da sie den unvermeidlichen Längsstößen besser Widerstand leistet als die erstbeschriebene Lagerung. Wesentlich beim Entwurf der Sattlung ist die bahnseitige Vorschrift, daß die Tonne jederzeit leicht abnehmbar sein muß.
Wegen der elastischen Auflage wurden früher die Kessel auch auf Längs- oder Quersättel aus Holz gelagert, doch ist man infolge der geringen Dauerhaftigkeit wieder davon abgekommen.
Die Kessel erhalten meist in der Mitte einen zylindrischen Aufsatz (Dom) mit Mannloch und Dekkel. Sollen Flüssigkeiten versendet werden, die explosive Dämpfe entwickeln können, so wird am Dom des K. ein Stutzen mit Sicherheitsventil angebracht.
Alle Zisternen müssen am Domdeckel eine Entlüftungskappe erhalten, die der Art des vom K. beförderten Gutes besonders angepaßt sein muß. Abb. 193 a zeigt eine solche für Säurewagen, Abb. 193 b eine solche für Wagen zur Beförderung von Dämpfen entwickelnden Flüssigkeiten sowie Spiritus, Petroleum, Teer und Teerölen.
Bei Wagen, deren Tonnen mittels Druckluft entleert werden, wird diese Entlüftungskappe durch einen am höchsten Punkte des Domes angebrachten Hahn ersetzt.
Am tiefsten Punkte des Mantels wird ein Ablaßventil angebracht, dessen Spindel und Griffrad im Innern des Mantels bis nahezu unter den Domdeckel reicht, so daß der Wagen erst entleert werden kann, wenn das Mannloch geöffnet wird.
Nur in Fällen, wo die Flüssigkeit ätzend oder übelriechend ist (wie bei Schwefelsäure und Ammoniak), ist die Spindel außerhalb des Domes vermittels einer Stopfbüchse durch den Kesselmantel durchgeführt und in entsprechender Weise gesichert.
Um zu dem Mannlochdeckel, dessen Verschlüssen, sowie zu dem Griffrad des Ablaßventils leicht gelangen zu können, wird rechts und links am Kessel eine Stiege mit Anhaltstange angebracht, die selbstverständlich innerhalb der für Fahrbetriebsmittel vorgeschriebenen Umgrenzungslinie liegen muß.
An den unteren Stutzen des Ablaßventils schließt ein Kreutzstutzen an, an dem die Entleerungsrohre zu den Schlauchverbindungsstücken führen, die beiderseits ober- und unterhalb der Hauptträger angebracht sein können. Abb. 194, rechte Hälfte, zeigt die Anordnung des Ablaßventils, wie sie für Öltransporte, Abb. 194, linke Hälfte, wie sie für Teertransporte üblich ist.
Die Entleerungsrohre sollen nur mit dem Kessel und nicht auch mit dem Untergestell verbunden sein, damit sie durch Stöße, die der Wagen erhält, keinen Schaden erleiden.
Unmittelbar vor dem Schlauchansatz wird ein Absperrhahn angebracht, um einen doppelten Abschluß der Entleerungsrohre zu gewinnen. Mannlochdeckel und Abschlußhähne der Entleerungsrohre müssen zollsicher verschlossen werden können.
Um bei nicht vollgefüllten Gefäßen die Flüssigkeitsschwankungen und die dadurch entstehenden Stöße möglichst abzuschwächen, werden in den Kesseln in entsprechenden Entfernungen Schwallbleche (Schwenkbleche) angenietet.
Die Anordnung der Schwallbleche muß derart sein, daß durch sie das Befahren der Kessel zum Zwecke der Reinigung oder der Besorgung von Nacharbeiten nicht behindert wird.
Bei Wagen für Spiritusbeförderung, die geeicht werden, ist es nötig, von beiden Enden des Kesselmantels außen zum Dome führende ansteigende Rohre anzubringen, um den Kessel unbedingt vollfüllen zu können.
Bei Flüssigkeiten, die bei der Beförderung stocken, ist es, um dies zu vermeiden, notwendig, mit Dampf geheizte Rohrschlangen im Innern des Kessels anzuordnen, oder aber den Kreuzstutzen heizbar zu machen, wie dies in der Anordnung (Patent Porges) erfolgt. Es wurden auch bei Mangel an Dampf direkt mittels Blauöls heizbare Rohre (Patent Vapol) verwendet. (Abb. 195.) Solche heizbare Wagen werden für den Transport von paraffinhaltigen Ölen, Teer und Melasse verwendet.
Es werden auch K. gebaut, bei denen der Kessel durch Zwischenwände in mehrere Abteilungen geteilt ist, um verschiedene Produkte zu gleicher Zeit befördern zu können.
Die gangbarsten Bauarten sind folgende:
Die K. werden zwei-, drei-, seltener vierachsig gebaut. Die Achsenanzahl richtet sich nach der Tragfähigkeit und nach der zulässigen Schienen-, bzw. Achsenbelastung. Die Außenlänge der Wagen ist derart zu bemessen, daß sich f. d. Meter Länge des Wagens samt Buffer nicht mehr als 3∙1 Tonnen Gesamtgewicht ergibt.
Abb. 196 zeigt einen zweiachsigen Wagen mit Bremse der österr. StB. Dieser K. hat Längswinkelsättel; er ist für Petroleum u. dgl. geeignet.
Länge des Wagens, zwischen den Brustträgern außen gemessen, 7900 mm, Länge der Tonne 6244 mm, lichter mittlerer Tonnendurchmesser 1962 mm, Inhalt der Tonne 180 hl, Eigengewicht des Wagens 10.100 kg, Ladegewicht 15.000 kg, Tragfähigkeit 15.750 kg.
Einen dreiachsigen K. der österr. StB. mit heizbarer Zisterne zeigt Abb. 195.
Abb. 197 zeigt einen K. (Tank car) Patent Van Dyk der amerikanischen Tank Line. Dieser Wagen hat einen Fassungsraum von 10.000 Gallonen. Bei diesem K. ruht die Zisterne, deren Bauchbleche bedeutend stärker als die anderen sind, ohne weiteren Unterbau unmittelbar auf 2 Sattelstücken (aus Guß) auf, die ihrerseits den Oberteil je eines Diamond-Drehgestelles bilden. Der Wagen hat die amerikanische Zentralkupplung und Druckluftbremse.
Ähnlich gebaute vierachsige K., bei denen gleichfalls die innen durch Armierungen verstärkte Zisterne gleichzeitig als Untergestell dient, werden in Argentinien zur Beförderung von Wasser verwendet.
Eine bewährte Anordnung eines K. für Weinbeförderung soll im nachstehenden beschrieben werden:
In einem Kastenwagen von 6 m lichter Länge und 2∙5 m lichter Breite sind zwei eichene Fässer zu 5000 l Fassungsraum auf je zwei hölzernen mit U-Eisen armierten Kantern am Untergestell gelagert und mittels Spannschrauben an den Kantern befestigt.
Die Kanter sind durch Schrauben mit dem Wagengestell verbunden; Die Fässer liegen mit ihren Längenachsen parallel zur Wagenachse. Jedes Faß hat ungefähr 2∙6 m Länge und äußere Durchmesser von 1∙9 m und 1∙65 m in der Mitte, bzw. an den Enden.
Die Wände des Wagens sind weiß gestrichen und isoliert, um im Sommer die Wärme und im Winter die Kälte abzuhalten.
Bei den genannten Ausmaßen der Fässer bleibt noch genügend freier Raum, um beim Füllen und Entleeren der Fässer unbehindert arbeiten zu können. Das Füllen der Fässer erfolgt durch an deren Rücken angebrachte verschraubbare Löcher mittels Schlauches und Pumpe. Zum Entleeren ist an tiefster Stelle am Bauch eines jeden Fasses ein Ablaßhahn befestigt, dessen Gehäuse mit Schraubengewinde zum Anschluß eines Schlauches versehen ist.
Alle Armaturen sind aus Metall und gut feuerverzinnt.
Die Schläuche, die als Ausrüstung im Wagen mitgeführt werden, sind an einem Ende mit Holländerverschraubung, am anderen Ende mit einem sog. Hundskopf (Metallhahn mit Kniestutzen) versehen. Die Ablaßhähne sind durch Öffnungen im Wagenfußboden zugänglich, die mittels Schieber abgeschlossen werden. Die Verschlüsse der Schieber sind nur vom Innern des Wagens zu öffnen.
Für Traubensendungen werden eiserne Wagen gebaut.
Diese bestehen aus einer am Untergestelle in normalerweise aufgelagerten eisernen Tonne, die ungefähr im ersten Drittel einen Zwischenboden aus einem fein gelochten, geteilten Blech eingebaut besitzt. In diesen Raum wird durch einen oberen Dom die Traubenladung eingeführt. Durch die eigene Schwere wird aus den Trauben Saft während der Beförderung und der Verladung ausgepreßt. Am rückwärtigen Boden dieser Tonne befindet sich ein Einsteigloch mit Deckel, durch das die teilweise ausgepreßten Trauben herausgenommen werden können, um sie für die weitere Verarbeitung gebrauchen zu können. Hinter dem vorgenannten Diaphragma wird der reine Wein gelagert, der durch eine Entleerungspumpe aus dem Innern der Tonne ausgehoben wird. Um die Gärung des Traubensaftes zu verhindern, ist die ganze Tonne mit einer Holzverschalung versehen.
Für Milch wird in letzter Zeit von der Simmeringer Maschinenfabrik ein patentierter Wagen gebaut, der aus einer mehrfach geteilten Tonne besteht, u.zw. so, daß zwischen je einer Abteilung, die für die Aufnahme der Milch dient, ein Eisbehälter eingeschaltet ist (s. Milchwagen).
Auch Schwefelsäure kann in konzentriertem Zustand 66° (1∙815 spezifisches Gewicht) in eisernen K. verführt werden; derlei Wagen erhalten aber eine Blechstärke von 10 mm, da doch ein Abfressen der Bleche eintritt.
Konzentrierte Säure wird nur in Eisenwagen verfrachtet und mittels Druckluft entleert.
50 oder 60gradige Schwefelsäure (spezifisches Gewicht 1∙15 bis 1∙515) kann nur in verbleiten eisernen Gefäßen versendet werden. Solche Zisternen werden ohne Überplattung mit äußeren Laschen vernietet, um innen eine glatte Oberfläche für die Bleieinlage zu gewinnen.
Die Ablaßhähne dieser Wagen werden aus Hartmetall gegossen und die Wirbel aus Hartgummi erzeugt.
Salzsäure und Salpetersäure kann in eisernen Gefäßwagen nicht versendet werden.
Abb. 198 zeigt einen Gefäßwagen für Salzsäure. Auf einem Plattformwagen sind zehn birnförmige Zisternen aus gebranntem Ton befestigt.
Die Gefäße haben folgende Maße:
Höhe 1∙56 m, größter Durchmesser 1∙17 m, Wandstärke 25 mm, Gewicht 290 bis 300 kg, Fassungsraum 1000 l.
Im Hals der Gefäße sind gußeiserne Deckel eingekittet, die mit zwei kegelförmigen verschließbaren Füllöffnungen versehen sind. Über den Hals der Gefäße sind schmiedeiserne Ringe mit Ösen gelegt, von denen außen schräg laufende und in der Mitte zwischen zwei Gefäßen senkrecht nach abwärts gehende Spannschrauben eingehängt sind. Jedes Gefäß ist außerdem zwischen vier Blechwinkeln am Wagenfußboden festgehalten.
Die schwedischen Staatseisenbahnen verwenden zu den Brückenproben mit Wasser gefüllte, vierachsige, 53 m3 fassende K., die ein Eigengewicht von 29 t haben. Die Wagenlänge beträgt 8∙2 m; daher kann eine Belastung bis zu 10 t/m erzielt werden. Die Kessel haben zwei Wasserstandsgläser mit graduiertem Maßstab, von dem man den Gesamtdruck auf die Schienen bei verschiedenem Wasserstand ablesen kann.
Hinsichtlich der für den Wassertransport verwendeten K. vgl. Art. Wasserwagen, bezüglich der für Gastransporte gebauten K. s. Art. Gastransportwagen.
Der VDEV. hat die für die Einstellung von K. geltenden Bestimmungen im Jahre 1909 herausgegeben und wurden diese Bestimmungen durch einen Nachtrag vom November 1912 ergänzt.
Diese Bestimmungen beziehen sich auf die Bauart der K. hinsichtlich der Bremseinrichtung, der Abfederung (Tragfedern von mindestens 1100 mm Länge), der Füll- und Abflußöffnungen (selbsttätig wirkende Entlüftungsvorrichtung, die das Einschlagen einer Flamme verhindert); ferner werden Schwallbleche, Sicherheitsvorkehrungen gegen die im Betriebe vorkommenden Rangierstöße, sowie entsprechende Einrichtungen zum leichten Besteigen der Kessel u.s.w. vorgeschrieben.
Für den Verkehr der K. auf elektrisch betriebenen Eisenbahnen mit oberer Stromzuführung, bei denen ein Bruch der Oberleitung nicht durch besondere Vorrichtungen unschädlich gemacht ist, gilt die Vorschrift, daß K., in, denen brennbare Flüssigkeiten befördert werden, eine starke Schutz decke aus Holz oder einem andern isolierenden Stoff besitzen müssen, damit ein herabgefallener Leitungsdraht den Strom nicht auf die metallenen Teile des Wagens überträgt.
Porges.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.