- Panzerzüge
Panzerzüge bestehen aus Lokomotiven und Wagen, deren Außenflächen gegen Durchschlag feindlicher Kugeln geschützt werden. Zu diesem Zwecke wird die Lokomotive mit einer Haube aus 10–12 mm starken Stahlplatten umhüllt; in der Panzerung sind am Führerstand Ausgucklöcher freigelassen, die mit Schiebern verschlossen werden können. Der Kessel bleibt bisweilen ohne besonderen Schutz, da er an sich schon kugelfester ist. Die Wagen werden entweder auch vollständig an Seiten- und Stirnwänden und auf dem Dache mit Stahlplatten, in die Schießscharten eingeschnitten sind, belegt oder es wird im Wageninnern, besonders bei offenen Wagen, hinter den Wandungen in einigem Abstand eine zweite Wand aus Brettern, Wellblech oder Eisenplatten aufgestellt und der Zwischenraum mit Kies oder Steinschlag ausgefüllt.
P. werden in der Regel, damit sie nach beiden Seiten gefechtsbereit sind, so zusammengestellt, daß die Lokomotive in der Mitte steht (Abb. 428, Panzerzug der kgl. ungarischen Staatsbahnen). Von dem führenden Offizier, der in der Regel im vordersten Wagen sitzt, führt eine Zugleine nach der Signalpfeife oder dem Läutewerk der Lokomotive. Zwischen allen Fahrzeugen wird eine Fernsprechverbindung eingerichtet, deren Drähte zwischen den einzelnen Wagen so verbunden sind, daß sie sich bei Zugtrennungen ohne weitere Beschädigungen lösen können. Werden die Züge mit durchgehender Bremse ausgerüstet, so befindet sich in dem Wagen des Befehlshabers ein Hebel, mit dem der Zug zum Halten gebracht werden kann; jeder Wagen erhält dann, da die Bremsschläuche durchschossen werden können, eine Vorrichtung, durch die auf ein Signal alle Bremsen gelöst werden können. Zur Verständigung nach rückwärts werden Telegraphenapparate mitgeführt.
Außer gepanzerten Wagen mit bewaffneter Mannschaft führen die P. Maschinengewehre und auch Geschütze. Diese werden auf Drehgestellen in der Wagenmitte so aufgestellt, daß sie nach allen Seiten durch Schießscharten feuern können, oder es wird ein drehbarer Panzerturm mit Geschütz in dem Wagen aufgebaut.
Den Zügen wird bisweilen auch ein Wagen mit Scheinwerfer beigegeben, dessen Dynamo durch eine von der Lokomotive gespeiste Dampfturbine angetrieben wird.
Die Benutzung der Eisenbahnen für Kriegszwecke (s. Kriegsbetrieb) beschränkt sich heute nicht auf die Inanspruchnahme der Eisenbahnen als Beförderungsmittel im Rücken der Heere. Die Truppenführer sind vielmehr bemüht, die Eisenbahnen im Kampfe selbst nutzbar zu machen. Hierher gehört die Verwendung von P. Diese dienen verschiedenen Zwecken. Es werden mit ihnen Truppen zur Erkundung feindlicher Stellungen oder zur Zerstörung von Eisenbahnen und feindlichen Stützpunkten schnell vorgeschoben; es wird von solchen Fahrten berichtet, die bis zu 30 km und weiter über die eigenen Stellungen vorgingen. P. dienen zur Ausführung und Deckung von Wiederherstellungsarbeiten an den vom Feinde zerstörten und im Bereiche feindlicher Angriffe liegenden Strecken; sie führen dann Baukolonnen und Gerätewagen mit der nötigen Ausrüstung mit sich, oder es folgen dem eigentlichen P. besondere Bauzüge. P. oder einzelne gepanzerte Wagen werden Proviant- und Nachschubzügen als Deckung beigegeben und sie werden zum Schutze der Bahnanlagen gegen feindliche Angriffe in der Weise benutzt, daß sie die Strecke durch ständige Hin- und Herfahrten überwachen.
Über die Verwendung der Eisenbahnen zu derartigen kriegerischen Zwecken wird zuerst aus dem italienischen Feldzug von 1859 berichtet, in dem die Österreicher Lokomotiven, die mit Generalstabsoffizieren besetzt waren, vorgehen ließen, um feindliche Stellungen zu erkunden. Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 wurden auf französischer Seite P. im Festungskrieg, besonders während der Belagerung von Paris, jedoch ohne besonderen Nachdruck und mit geringem Erfolg verwendet. In ausgedehntem Maße dienten sie den Engländern im Burenkrieg 1899/1902. Die Buren führten diesen Feldzug, da sie den an Zahl überlegenen Engländern in offener Schlacht nicht gewachsen waren, als kleinen Krieg, zu dessen Wesen besonders die Unterbrechung der rückwärtigen Verbindungen des Feindes, die Zerstörung der Bahnen und die Fortnahme von Verpflegungszügen und sonstigem Nachschub gehört. Den Engländern gelang damals vornehmlich durch Verwendung von P. die Wiederherstellung zerstörter Bahnen, ihr Schutz und ihre Beherrschung durch ständig hin- und herpendelnde P. und das erfolgreiche Vortreiben des weiteren Angriffs.
P. wurden auch im mexikanischen Revolutionskrieg 1911 verwendet. Hierzu dienten gewöhnliche 4achsige Güterwagen, die außen mit 13 mm starken Panzerplatten verkleidet wurden. Der Wagen erhielt einen schachbrettartigen Anstrich, um die Schießscharten nicht auffällig zu machen, im Innern wurden 2 Maschinengewehre untergebracht. Auch in dem Krieg 1914/15 wurden vielfach, so insbesondere auf dem galizisch-russischen Kriegsschauplatz, P. verwendet, die sich sehr gut bewährt haben.
Literatur: Wernekke, Die Mitwirkung der Eisenbahnen an den Kriegen in Mitteleuropa. Arch. f. Ebw. 1912. – v. Vietinghoff, Die Eisenbahnen im Burenkrieg. Ztg. d. VDEV. 1902. – Wernekke, Die Eisenbahnen im Burenkrieg. Zentralbl. d. Bauverw. 1910. – Panzerzüge. Aufsatz in der Ztg. d. VDEV. 1914, S. 1157, 1200 u. 1241.
Wienecke.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.