- Pyrometer
Pyrometer, Meßvorrichtungen zur Bestimmung hoher Temperaturen, für die gewöhnliche Glasquecksilberthermometer nicht ausreichen. Letztere entsprechen bei luftleerem Haarröhrchen nur bis rd. 300° C. Ist der Raum ober dem Quecksilber im Haarröhrchen mit Stickstoff oder Kohlensäure gefüllt, so sind sie bis 550° C verwendbar und werden bereits als P. bezeichnet. Um haltbare P. herzustellen, wird statt Glas oft Stahl verwendet. Nur das anzeigende Ende des Quecksilberfadens wird in ein gläsernes Haarröhrchen gelegt (Stahlquecksilberpyrometer). Das Haarröhrchen (Kapillarrohr) kann erforderlichenfalls auch sehr lang ausgeführt werden, so daß Meßstelle und Ablesestelle weit auseinanderliegen. Es entstehen dann Fernpyrometer, die für verschiedene Zwecke vorteilhaft sind.
Beim Fernpyrometer von Fournier wird nicht der Stand des Quecksilberfadens für die Temperaturmessung benutzt, sondern der Druck des im Meßkörper und im Haarröhrchen dicht eingeschlossenen Quecksilbers oder einer andern Flüssigkeit. Dieses P. besteht somit aus einer Verbindung eines Thermometers mit einem Druckmesser, dessen Zifferblatt jedoch für Temperaturen geeicht ist. Das P. von Fournier besitzt einen spiralig gewundenen Meßkörper von geringem Inhalt und großer Oberfläche, um bei Temperaturschwankungen eine rasche Einstellung zu erzielen. Fourniersche P. sind als Fernpyrometer besonders geeignet. Billiger, haltbarer, jedoch minder zuverlässig sind P., die die Temperatur durch die ungleiche Ausdehnung von 2 verschiedenen Metallen messen. Solche Dilatationspyrometer werden mit Hilfe von Stahl-, Kupfer- oder Messingstreifen hergestellt. Auch Graphit wird an Stelle eines Metalls verwendet (Graphitpyrometer). Solche P. entsprechen bis etwa 1000° C. Das Wiborghsche Luftpyrometer, das die Temperatur durch die Ausdehnung der Luft in einem geschlossenen Gefäß über einer Absperrflüssigkeit feststellt, wird hauptsächlich für die Messung der Temperatur heißer Gebläsewinde benutzt.
Elektrische P. beruhen entweder auf der Zunahme des Leitungswiderstandes bei Temperatursteigerung (Widerstandspyrometer) oder aber auf den thermoelektrischen Erscheinungen, die auftreten, wenn 2 verschiedene Metalle an der Lötstelle einer höheren Temperatur ausgesetzt werden (Thermoelementpyrometer). Bei den Widerstandspyrometern besteht der Meßkörper meist aus einem Platindraht. Sie sind für Temperaturen bis 1000° C geeignet. Die Thermoelementpyrometer sind meist aus Platin und einer Platin-Rhodium-Legierung hergestellt. Die Spannung des Thermostroms wird durch ein Galvanometer gemessen, dessen Zifferblatt jedoch auf Temperatur geeicht ist. Die Thermoelementpyrometer reichen bis 1600° C. Da der Meßkörper sehr geringe Abmessungen hat und wegen seiner geringen Wärmekapazität raschen Temperaturmessungen leicht folgt, so können die Thermoelementpyrometer zu genauen Versuchen und Laboratoriumsarbeiten mit Vorteil Verwendung finden.
Für die Messung sehr hoher Temperaturen kann auch die Lichtwirkung der glühenden Körper Verwendung finden. So wird beim P. von Wanner die Temperatur durch Vergleich der Lichtwirkung des untersuchten Körpers mit jener einer Glühlampe gefunden. Diese Vorrichtung ist somit eigentlich ein Photometer, das jedoch auf Temperaturen geeicht ist. Die Glühfarben bestimmter Körper, z.B. des Eisens, sind übrigens mit der Temperatur so ausgesprochen wechselnd, daß die Temperaturen nach der Glühfarbe auf 50–100° C genau eingeschätzt werden können.
Sehr hohe Temperaturen, bei denen die Beständigkeit der meisten Stoffe bereits aufhört, 1600–2000° C, werden gewöhnlich kalorimetrisch gemessen.
Man setzt einen Körper von bestimmter Wärmeaufnahmsfähigkeit durch eine gewisse Zeit der zu messenden Temperatur aus und berechnet aus der aufgenommenen Wärmemenge, die in einem Kalorimeter genau bestimmt werden kann, die fragliche Temperatur.
Endlich dienen zur Messung hoher Temperaturen die Segerschen Brennkegel.
Es sind kleine Kegel aus feuerfestem Ton von solcher Zusammensetzung, daß sie nur bei bestimmten Temperaturen schmelzen. Werden mehrere Kegel von verschiedener Schmelztemperatur der zu messenden Temperatur ausgesetzt, so kann nach dem Schmelzen der einzelnen Brennkegel die Höchsttemperatur beiläufig eingeschätzt werden. Segersche Brennkegel finden hauptsächlich in der Keramik Verwendung.
Im Eisenbahndienst werden P. vielfach in den Betrieben der Eisenbahnwerkstätten benötigt. Abgesehen von den P., die bei den Kesselanlagen der Betriebsmaschinen zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit erforderlich sind, kommen P. an den Glühöfen, in den Gießereien, Trockenkammern, Schmieden, Härteöfen u.s.w. in Verwendung. Ihre Ausführung unterscheidet sich nicht von der bei ähnlichen fabriksmäßigen Anlagen.
Im Lokomotivbetrieb werden P. seit Einführung des Heißdampfes allgemein zur Bestimmung der Überhitzung des Arbeitsdampfes verwendet. Die P. sind gewöhnlich auf der Heißdampfkammer des Überhitzerkastens, seltener am Schieberkasten angebracht. Es sind gewöhnlich Stahlquecksilber-, Dilatations- oder elektrische P., nicht selten als Fernpyrometer mit dem Anzeiger im Führerhaus. Die P. sind im Lokomotivbetrieb durch die starken Temperaturschwankungen, die Erschütterungen, durch Ruß, Staub und Rauchgase einem starken Verschleiß ausgesetzt und sollen von kräftiger Bauart sein, worunter naturgemäß die Genauigkeit leidet. Aufgabe der P. ist, anzuzeigen, ob die Dampfüberhitzung sich in entsprechenden Grenzen hält. Eine Wirtschaftlichkeit und Mehrleistung ist nur bei einer Überhitzung des Arbeitsdampfes auf mindestens 260–280° C zu erwarten. Über 340–360° C soll die Heißdampftemperatur nicht hinausgehen, um Schwierigkeiten bei der Schmierung der Kolben, Schieber und Stopfbüchsen zu vermeiden.
Bei genauen Untersuchungen von Lokomotiven ist es erforderlich, auch die Temperatur der Abgase nach Verlassen des Feuerrohrbündels in der Rauchkammer zu messen. Um einen sicheren Durchschnittswert zu erhalten, soll der Meßkörper des P. möglichst lang sein. Da die Rauchgastemperaturen gewöhnlich zwischen 340 und 420° C liegen, genügen hierfür P. gewöhnlicher Bauart.
Um die hohen Temperaturen in der Lokomotivfeuerbüchse zu messen, ist das P. von Wanner verwendet worden.
Für sehr genaue Untersuchungen an Lokomotiven eignen sich elektrische P. mit zahlreichen Meßstellen, die in einem besonderen Meßwagen (s.d.) die Temperaturen des Speisewassers, des Arbeitsdampfes an verschiedenen Stellen, der Rauchgase u.s.w. fortlaufend und selbsttätig aufzeichnen. Eine vollkommene Einrichtung mit 16 selbständigen Meßstellen wird von Siemens & Halske in Berlin hergestellt.
Dr. Sanzin.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.