- Störende Lokomotivbewegungen
Störende Lokomotivbewegungen, auch schädliche Lokomotivbewegungen oder Nebenbewegungen genannt, sind alle Bewegungen, die von der Hauptbewegung in der Fahrrichtung abweichen. Sie unterscheiden sich nach der Art der Bewegung in
I. S. der Gesamtmasse (einschließlich der ungefederten Rädersätze). Hierzu gehören:
a) Das Schlingern ist ein wechselweises seitliches Ausweichen des Gesamtschwerpunktes aus der Gleismitte, wobei die Lokomotivlängsachse (s. Abb. 222) gleichzeitig nach rechts und links von der Fahrrichtung ausweicht.
Diese S. ist durch das Spiel ermöglicht, das in gerader Strecke und bei richtiger Lage und Form von Schiene und Rad mindestens 10 mm, bei ungünstigen Verhältnissen und äußerster Abnutzung aber bis 35 mm beträgt. Das Schlingern erfolgt gewöhnlich in größeren wiederkehrenden Zeiträumen sich verstärkend und wieder abnehmend. Es fällt mit der Umdrehungszahl gewöhnlich nicht zusammen. Das Schlingern tritt an allen Fahrzeugen auf. Es ist unter den S. die gefährlichste.
b) Das Zucken ist eine Änderung des Gesamtschwerpunktes in der Fahrrichtung in Abhängigkeit von der Umdrehungszahl der Triebachse. Es tritt hierbei bei jeder Triebachsumdrehung Beschleunigung und Verzögerung ein. Sind Lokomotive und Tender mit einer starren Kuppelung verbunden, so kommt für das Zucken der gemeinsame Schwerpunkt beider Fahrzeuge in Betracht.
c) Das Drehen ist eine S. um die unverändert fortschreitende lotrechte Schwerpunktachse der Lokomotive (Abb. 223). Das Drehen hat einige Ähnlichkeit mit dem Schlingern, fällt jedoch stets mit der Umdrehungszahl der Triebachse zusammen und kann dadurch leicht erkannt werden. Mitunter wird Schlingern und Drehen als gemeinsame S. aufgefaßt.
II. S. der abgefederten Lokomotivmasse. Diese sind hauptsächlich:
d) Das Wanken ist eine S. um die durch den Schwerpunkt gehende Längsachse. Es ist durch wechselseitiges Spiel der Tragfedern an der rechten und linken Lokomotivseite ermöglicht (Abb. 224).
e) Das Stampfen (auch Nicken) ist eine Drehbewegung um die wagrechte, durch den Schwerpunkt gehende Querachse. Es geht bei abwechselndem Zusammendrücken der Tragfedern an den vorderen und rückwärtigen Lokomotivachsen vor sich (Abb. 225).
f) Mit Wogen wird die lotrechte Bewegung des Schwerpunktes der abgefederten Lokomotivmasse bezeichnet. Hierbei spielen sämtliche Lokomotivtragfedern im gleichen Sinn (Abb. 226).
Da viele dieser S. gewöhnlich gleichzeitig auftreten, jede besonders sich verstärken oder verschwächen kann, so ist die einzelne S. nicht immer deutlich zu erkennen. Mitunter erscheint je nach der Bauart der Lokomotive, der Güte des Oberbaues und der zufälligen Fahrgeschwindigkeit eine oder die andere S. besonders ausgeprägt. Um sie genauer zu untersuchen und an verschiedenen Lokomotivbauarten zu vergleichen, sind besondere Meßvorrichtungen, sog. Pallographen erforderlich.
Die S. unterscheiden sich hinsichtlich der Ursache in folgende Gruppen:
1. S. hervorgerufen durch den Oberbau. Hierbei sind hauptsächlich wagrechte und lotrechte Störungen zu unterscheiden. Die wagrechten Störungen sind einerseits durch einen großen Spielraum zwischen Spurkranz und Schiene verursacht. Auch bei vollkommener Lage der Schienen im geraden Gleis wird bei großem Spielraum ein Schlingern des Fahrzeugs eintreten, das allerdings auch durch die Eigenheiten des Fahrzeugs mitbeeinflußt sein wird. Es werden ferner durch eine unregelmäßige Lage des Gleises in der Fahrrichtung noch besondere Störungen auftreten. Das Schlingern kann hierdurch verstärkt, aber auch verschwächt werden. Gewöhnlich ergeben erhebliche Abweichungen in der Gleisrichtung Seitenstöße, denen heftige Schlingerbewegungen folgen. Diese Art der S. ist die gefährlichste unter allen und häufig die Ursache von Entgleisungen. Als Maß für die mögliche Größe des Schlingerns eines Fahrzeugs wird gewöhnlich die trigonometrische Tangente des größtmöglichen Schlingerwinkels bei Spießeckstellung des Fahrzeugs in der geraden Strecke unter Ausnutzung des ganzen Spieles zwischen Spurkranz und Schiene angesehen. Die Tangente des Schlingerwinkels α erhält man (s. Abb. 227) durch den Bruch.
Gesamtspiel zwischen Rad und Schiene.
Geführte Länge der Lokomotive.
Hierbei ist unter geführter Länge der für die Einstellung des Fahrzeugs maßgebende Radstand zu verstehen. Für das Gesamtspiel ist bei Fahrzeugen für Regelspurbahnen mit Rücksicht auf die von den T.V. gestattete größte Spurweite von 1445 mm und bei ganz abgenutzten Spurkränzen das Maß von 35 mm zu wählen. Die Tangente des größten Schlingerwinkels an Lokomotiven beträgt zwischen 1/200 bis 1/80. Für rasch fahrende Lokomotiven sind die kleineren Werte anzustreben.
Bei der Fahrt durch gut liegende Gleisbogen ist das Schlingern durch den Führungsdruck der führenden Spurkränze an der Außenschiene gemildert oder oft ganz aufgehoben. Es kann aber auch in Gleisbögen bei unregelmäßiger Lage der Schienen zu kurzen gefährlichen Schlingerbewegungen kommen.
S. werden ferner durch lotrechte Abweichungen der Gleislage erzeugt. Je nach deren Verteilung auf beide Schienenstränge und deren Wiederkehr können dadurch verschiedenartige S. erzeugt werden. Da mit Rücksicht auf die Nachgiebigkeit des Oberbaues ein Einsinken der Räder bei der Fahrt über die Schienen unvermeidlich ist, die Größe des Einsinkens jedoch nicht überall gleich ist, so muß fortgesetzt ein lotrechtes Spielen der Räder gegen die abgefederte Lokomotivmasse stattfinden, diese selbst aber auch schädliche Bewegungen vollführen. Kehren stärkere Einsenkungen in der Gleislage regelmäßig wieder, so z.B. an den Schienenstößen, dann wird unter Umständen ein mehr oder weniger starkes Stampfen der Lokomotive auftreten. Durch die Eigenheiten der Lokomotive, hauptsächlich aber durch die Größe des maßgebenden Radstands zur Schienenlänge kann das Stampfen noch wesentlich beeinflußt werden. Je nach der Folge der Einsenkungen im Gleis kann auch ein Wanken, Stampfen oder Wogen der Lokomotive eintreten. Diese S. werden jedoch durch örtliche Stellen von starker Nachgiebigkeit im Oberbau eingeleitet und setzen sich durch die elastische Nachwirkung der Tragfedern nur kurze Zeit fort. Diese Art der S. ist daher von jenen, die durch die Wirkungen im Triebwerk hervorgerufen wurden, leicht zu unterscheiden, da letztere in Abhängigkeit von den Triebachsumdrehungen in gleicher Stärke andauern.
2. S. hervorgerufen durch die Lokomotive, als Fahrzeug betrachtet, ohne Rücksicht auf die Einflüsse des Triebwerks. Durch die Bauart des Fahrzeugs, durch die Größe des Radstands, die Lage und Führung der Achsen, durch die Nachgiebigkeit und Schwingungszeit der Tragfedern, durch die Höhe des Schwerpunktes der abgefederten Masse des Fahrzeugs u.s.w. wird die Gangart auch bei unverändertem Zustand des Oberbaues beeinflußt. Wie bereits hervorgehoben, wird ein großer fester Radstand und eine große geführte Länge das Schlingern stets stark vermindern, da der mögliche Schlingerwinkel kleiner ausfällt. Ein Seitenspiel der Achsen, wie etwa bei Lenkachswagen, begünstigt das Schlingern, wenn nicht durch kräftige Rückstellvorrichtungen entgegengewirkt wird. Weit vorgeschobene Laufachsen mildern das Schlingern außerordentlich. Da solche Achsen mit sehr großem Hebelarm an der Gesamtlokomotivmasse wirken, so können in diesem Fall besonders starke Rückstellvorrichtungen unter Umständen entfallen. Besonders günstige Wirkung besitzen zweiachsige Drehgestelle. Diese nehmen an den Schlingerbewegungen der Hauptmasse des Fahrzeugs wegen der gelenkigen Verbindung keinen wesentlichen Anteil. Sie besitzen zwar durch ihren geringen Radstand selbst eine Neigung zum Schlingern. Wegen der geringen Masse nimmt dieses jedoch selten ein bedenkliches Maß an, und eine Übertragung der Schlingerbewegungen vom Drehgestell auf die Hauptmasse des Fahrzeugs bleibt gewöhnlich in sehr engen Grenzen. Auf diese Erscheinungen ist hauptsächlich der gute Lauf der Drehgestellwagen zurückzuführen. Aus denselben Gründen wird das 2achsige führende Drehgestell auch an rasch fahrenden Lokomotiven allgemein bevorzugt. Nicht unbeachtet darf bleiben, daß Lokomotivbauarten, bei denen die Spurkränze mehrerer Achsen gleichzeitig an derselben Lokomotivseite an die Schienen zum Anliegen kommen, beim Schlingern den Oberbau weit weniger beanspruchen, als wenn nur ein Spurkranz die ganze abweisende Kraft der Schiene zu übernehmen hat. Verschiebbare Lauf- und Kuppelachsen erweisen sich hierbei ebenso vorteilhaft wie Drehgestelle. Deichselgestelle, die geschoben werden, neigen stark zum Schlingern. Solche Gestelle werden daher meist so ausgeführt, daß das Drehgestell durch eine besondere Vorrichtung gezogen wird und die Deichsel nur zum Lenken dient. An Lokomotiven ist die Wirkung der Schlingerbewegungen noch von der Größe der überhängenden Massen abhängig. Durch letztere ist das Trägheitsmoment der Lokomotive in bezug auf die lotrechte Schwerpunktachse beeinflußt. Der führende Spurkranz wird daher beim Anlaufen an die Schiene einen um so größeren Druck zu übernehmen haben, je mehr Lokomotivmasse sich vor dieser Achse befindet. Die Nachgiebigkeit und Schwingungszeit der Tragfedern hat hauptsächlich auf das Wanken, Stampfen und Wogen Einfluß. Beim Wanken handelt es sich hauptsächlich um die Entfernung der Stützung der abgefederten Masse auf den Achsen und die Höhe des Schwerpunktes der abgefederten Masse gegen die Achslager. In dieser Richtung sind Fahrzeuge mit Außenrahmen durch die große Stützweite im Vorteil gegen Innenrahmen. Störungen, die vom Gleis ausgehen, werden daher bei Außenrahmenlokomotiven ein Wanken mit geringerem Ausschlag wie bei Innenrahmen hervorbringen. Dagegen wird eine hohe Schwerpunktlage der abgefederten Lokomotivmasse bis zu einem gewissen Grad das Wanken mildern, da durch die Erhöhung des Schwerpunktes das Trägheitsmoment der abgefederten Lokomotivmasse um eine wagrechte Längsachse vergrößert wird. Da ferner durch äußere Dampfzylinder ebenfalls eine nicht unwesentliche Vergrößerung des Trägheitsmoments der abgefederten Lokomotive um eine wagrechte Längsachse eintritt, so hat auch diese Bauweise auf die Stärke des Wankens Einfluß (Jahn, Das Wanken der Lokomotive. Ztschr. dt. Ing. 1909, S. 621). Es hat sich ferner gezeigt, daß Seitenstöße, die durch unregelmäßige Lage des Gleises auf die Räder ausgeübt werden, sich an Lokomotiven mit hoher Schwerpunktlage erst durch Vermittlung der Tragfedern auf die abgefederte Lokomotivmasse übertragen. Es werden somit die Seitenstöße durch die Tragfedern aufgefangen, wobei allerdings Wanken eintritt, das indessen stets unbedenklich bleibt. Lokomotiven mit kurzem Radstand, stark überhängenden Massen und hoher Schwerpunktlage neigen mitunter stärker zum Stampfen. Es tritt dies hauptsächlich an älteren C- und D-Lokomotiven mit überhängender Feuerbüchse ein. Das Stampfen wird noch verstärkt, wenn die Schienenlänge mit dem Radstand, mit der Fahrgeschwindigkeit und der Schwingungszeit der Tragfedern in ein bestimmtes Verhältnis tritt. Die Verwendung von Tragfeder-Ausgleichhebeln, deren Wert hinsichtlich der Vermeidung von Über- und Entlastungen einzelner Räder außer Zweifel steht, vermehrt jedoch die Neigung der Lokomotive zum Stampfen, da durch die Federausgleichhebel die Entfernung der Stützpunkte vermindert und ein stärkeres Spiel zwischen Achsen und abgefederter Lokomotivmasse ermöglicht wird. Lokomotiven mit kurzen Radständen und überhängenden Massen erhalten daher besser keine Federausgleichhebel. Das Wogen der Lokomotiven ist nur selten zu beobachten. Es tritt am ehesten noch an Lokomotiven mit schneckenförmigen Tragfedern ein, da diese Federbauartgeringe Eigenreibungbesitzt. Das Federspiel dauert daher nach Störungen längere Zeit an. Auch die S. des Wankens und Stampfens werden durch Schneckenfedern begünstigt, wogegen Blattfederwerke durch die beträchtliche Reibung zwischen den Federblättern eine starke Dämpfung der Schwingungen hervorbringen. Schneckenfedern sind daher nur an Lokomotiven mit großen Radständen zu empfehlen, bei denen die schädliche Bewegung des Stampfens, die unter Umständen ein bedenkliches Maß erlangen könnte, überhaupt ausgeschlossen ist. Das Wanken, Stampfen und Wogen kann auch noch dadurch eingeschränkt werden, daß die Tragfedern aller Achsen nicht durchaus gleiche Bauart erhalten. Es fällt dann auch die Schwingungszeit der Tragfedern verschieden aus und es kommt dann nicht so leicht zur Anhäufung starker Schwingungen.
Die Schwingungszeit in Sekunden für die Doppelschwingung einer Tragfeder ist
wenn e die Einsenkung der Tragfeder unter der ruhenden Last in cm und g die Beschleunigung der Erdschwere ist. Für die gewöhnlich an Lokomotiven in Verwendung stehenden Blattfederwerke ergeben sich Schwingungszeiten von 0∙5–1∙0 Sekunden. Bei größeren Geschwindigkeiten ist es möglich, daß das Überfahren der Schienenstöße je nach der Schienenlänge mit den Federschwingungen gleichzeitig (isochron) erfolgt, wodurch das Stampfen und Wogen längere Zeit andauern kann.
3. S. hervorgerufen durch Kräfte im Triebwerk. Diese lassen sich wieder unterteilen in störende Bewegungen, die
A. von den Dampfdrücken im Triebwerk,
B. von den Massenwirkungen umlaufender und hin und her gehender Teile im Triebwerk herrühren.
A. Zunächst kann durch die wechselnde Zugkraft am Umfang der Triebräder eine Unregelmäßigkeit in der Fortbewegung entstehen. Bei der Übertragung des Kolbendrucks auf die Triebräder durch das Schubkurbelgetriebe wird für die beiden Totlagen des Kolbens die Zugkraft Null. Wenn an einer Zweizylinderlokomotive auch durch die um einen rechten Winkel versetzten Kurbeln dieser unregelmäßige Antrieb möglichst ausgeglichen wird, so stellt sich doch unvermeidlich eine Unregelmäßigkeit in der Zugkraft ein, die sich auf die Bewegung der Lokomotive überträgt. Verstärkt wird diese Unregelmäßigkeit, wenn es sich um eine zum Kurbelhalbmesser vergleichsweise kurze Triebstangenlänge, um kleine Füllungen in den Dampfzylindern, um starke Gegendrücke u.s.w. handelt. Die Unregelmäßigkeit in der Lokomotivfortbewegung äußert sich durch das Zucken. Es wird mit der Umdrehungszahl der Lokomotivtriebachse zusammenfallen. Ein Ausgleich wird dadurch erzielt, daß die ganze Lokomotivmasse und bei unelastischer Kupplung mit dem Tender auch dessen Masse am Zucken teilnehmen muß. Bei größerer Geschwindigkeit ist daher die Massenwirkung von Lokomotive und Tender so bedeutend im Vergleich mit der Unregelmäßigkeit der Antriebskraft, daß diese Zuckerscheinung meist nur bei sehr geringer Fahrgeschwindigkeit und in mäßigem Ausmaß merkbar wird. Das Zucken wird dann allerdings nochmals bei sehr hohen Fahrgeschwindigkeiten fühlbar, ist dann jedoch eine Folge der hin und her gehenden Massen, wie weiter unten dargelegt wird.
Eine weitere störende Kraft, die S. hervorbringen kann, ist der Führungsdruck an den Kreuzköpfen. Diese auch als Normaldruck bezeichnete Kraft ist bei der Vorwärtsfahrt vorherrschend nach oben gerichtet. Er ist für die Totlagen der Kurbel Null und erreicht nahe an der Hubmitte den Höchstwert. Durch diesen Kreuzkopfführungsdruck, der mit abnehmender Schubstangenlänge stark zunimmt, wird je nach der Lokomotivbauart Wanken, Stampfen und Wogen erzeugt. Das Wanken wird um so stärker ausfallen, je größer die Zylindermittel voneinander abstehen, da dann der wirksame Hebelarm größer wird. Mit der Höhe der Schwerpunktlage der abgefederten Lokomotivmasse müßte eigentlich das Wanken zunehmen; es hat sich jedoch gezeigt, daß das Trägheitsmoment der abgefederten Lokomotivmasse durch die Vergrößerung der Höhe des Schwerpunktes so stark vermehrt wird, daß tatsächlich eine Besserung des Wankens eintritt. An vierzylindrigen Lokomotiven erfährt das Wanken infolge des Kreuzkopfführungsdruckes eine Verstärkung, da der Führungsdruck der um 180° versetzten Kurbeln derselben Lokomotivseite gleichzeitig und in gleicher Richtung auftritt. Der wirksame Hebelarm ist für die inneren Triebwerke allerdings geringer. Auf das Stampfen übt der Kreuzkopfführungsdruck hauptsächlich dann einen Einfluß aus, wenn die Kreuzkopfführungen gegen den Radstand weit vorgeschoben sind. Kurze Triebstangen im Verein mit vorn stark überhängenden Dampfzylindern und einem kurzen Radstand können erhebliches Stampfen zur Folge haben. An Lokomotiven mit kurzen Radständen und großen überhängenden Massen soll daher, um das Stampfen zu vermeiden, die Kreuzkopfführung möglichst gegen die Mitte des Radstands gerückt werden. Bei Lokomotiven mit genügend großem Radstand und guter Stützung an den Enden ist die Neigung zum Stampfen derart eingeschränkt, daß dann auch eine weit vorgeschobene Lage der Kreuzkopfführung ohne Nachteil ist. Das Wogen infolge der Kreuzkopfführungsdrücke ist unbedenklich und selten besonders wahrnehmbar. Alle diese S. vollziehen sich im Einklang mit den Umdrehungen der Triebachse. Sie können, wie bereits bemerkt, durch besondere Eigenheiten der Lokomotive oder des Oberbaues erheblich verstärkt oder verschwächt werden. Sie treten dann erfahrungsgemäß bei gewissen Geschwindigkeiten auffallend stark in Erscheinung.
An Lokomotiven mit wagrechten Dampfzylindern heben sich jeweils die gleich großen und entgegengesetzt gerichteten Dampfdrücke, die gleichzeitig an den Zylinderdeckeln und an den Achslagerführungen wirken, gegenseitig auf. An stark geneigten Dampfzylindern ist dies nicht mehr der Fall, da an der lotrechten Lagerführung je nach der Richtung des Dampfdrucks eine nach oben oder unten gerichtete Komponente auftritt. Diese störende Bewegung bringt ein Wanken hervor, das jedoch auch nur bei geringen Fahrgeschwindigkeiten merkbar ist. Immerhin verbietet diese Erscheinung eine zu stark geneigte Lage der Dampfzylinder. Bei lotrecht stehenden Zylindern würde der volle Kolbendruck als störende Kraft wirken.
B. Die S., die durch die nicht ausgeglichenen, umlaufenden und hin und her gehenden Teile des Triebwerks hervorgerufen werden, sind besonders wichtig. Sie können unter Umständen eine beachtenswerte Stärke erreichen.
1. Umlaufende Teile des Triebwerks können in der Regel vollkommen ausgeglichen werden. Es kann jedoch in besonderen Fällen vorkommen, daß bei einzelnen Rädern von geringen Durchmessern die notwendigen Gegengewichte nicht in dem erforderlichen Ausmaß untergebracht werden können, so daß ein Teil der umlaufenden Triebwerksteile unausgeglichen bleibt. Die freie Fliehkraft eines solchen Triebwerksteiles wird als störende Kraft auftreten. Im lotrechten Sinn werden sich diese Kräfte auf den abgefederten Teil der Lokomotive nicht äußern, da die auf den Schienen aufliegenden Räder den lotrechten Druck nach abwärts ohneweiters aufnehmen und der lotrechte Druck nach oben erst dann eine Wirkung hervorbringen könnte, wenn das belastete Rad durch die störende Fliehkraft von der Schiene abgehoben würde. Dagegen wird die Fliehkraft im wagrechten Sinn sich durch die Achslager und deren Führungen im Rahmen auf die abgefederte Lokomotivmasse übertragen. Diese störende Kraft wird Zucken und Drehen hervorbringen. Die Zuckbewegung der Lokomotive durch das einseitige, unausgeglichene Gewicht G mit dem Schwerpunkt S2 ist aus Abb. 228 einfach abzuleiten. Ist S der Schwerpunkt der gesamten Lokomotive, S2 der Schwerpunkt des umlaufenden Gewichts und S1 der Schwerpunkt der Lokomotive ohne dieses Gewicht, so muß nach dem Grundsatz von der Erhaltung der Schwerpunktlage bei der Fortbewegung der Lokomotive der Schwerpunkt S sich unbeeinflußt weiterbewegen. Bei der Verlegung des Gewichts G um den Kolbenhub h = 2 r von vorn nach hinten muß daher der Schwerpunkt S1 um den Betrag a nach vorne rücken. Dies drückt sich durch die Gleichung
G h = L σ aus.
Hieraus ergibt sich der sog. Zuckweg
σ = G/L h
worin G das umlaufende, unausgeglichene Gewicht, L das dem Schwerpunkt S1 entsprechende übrige Gewicht der Lokomotive ist.
In ähnlicher Weise läßt sich das Drehen der Lokomotive ableiten.
Verlegt sich in Abb. 229 die einseitig umlaufende Masse m im Abstand l von der Lokomotivmitte um den Weg r von der Mittellage nach hinten, so muß die übrige Lokomotivmasse mit Ausnahme der gewöhnlich etwas verschiebbaren Achssätze eine kleine ausgleichende Drehbewegung um die lotrechte Schwerpunktachse im entgegengesetzten Sinn vollführen. Ist Q das Trägheitsmoment der Lokomotive mit Rücksicht auf die lotrechte Schwerpunktachse und x der entsprechende Winkelausschlag, so erhält man:
Q x = m r l
Das Trägheitsmoment läßt sich ersetzen durch
Q = L/gρ
wenn L das Lokomotivgewicht ohne die Achssätze, g die Beschleunigung der Erdschwere und ρ der Trägheitshebelarm ist. Man erhält dann den Winkelausschlag der Drehbewegung von der Lokomotivmitte nach einer Seite
wenn G das unausgeglichene, umlaufende Gewicht im Rad ist.
2. Die hin- und hergehenden Massen des Triebwerks wirken auf den Gang der Lokomotive störend ein. Es sei zunächst nur ein Triebwerk betrachtet und die hin und her gehenden Massen nicht ausgeglichen. Es ist ferner angenommen, daß die Lokomotive ohne Dampfdruck in den Zylindern am Gleis fährt und daß die Triebstange unendliche Länge besitzt. Denkt man sich in Abb. 230 die ganze Masse der hin und her gehenden Triebwerksteile im Kreuzkopf vereinigt, so wird diese Masse im Kurbelzapfen zunächst einen Verzögerungsdruck, in der linken Hälfte des Kolbenhubs aber einen Beschleunigungsdruck
ausüben, wenn v die Geschwindigkeit im Kurbelkreis, r der Kurbelhalbmesser und φ der Kurbelwinkel ist. Fügt man in der Achsmitte 2 gleiche und entgegengesetzt gerichtete Kräfte P' und P'' an, so bilden P und P' ein Drehmoment, während P'' zwischen Achslager und Rahmen zur Wirkung kommt. Das Drehmoment der Kräfte P und P' am Hebelarm r sin φ bringt nun eine Wirkung am Umfang des Triebrads hervor. Es ist
U R = r sin φ P
wenn U die Umfangskraft infolge der Massenwirkung am Radhalbmesser R. Hieraus ergibt sich
Es erscheint somit durch die hin und her gehende Masse auch eine wechselnde Kraft U am Umfang des Triebrads. Da man bei. den älteren Untersuchungen der S. die Lokomotiven der vereinfachten Vorstellung wegen als schwebend oder auf Ketten hängend sich vorstellte, so hatte man vom Bestehen der Kraft U keine Kenntnis. Sie ist erst in den Arbeiten von Lihotzky (1907), Strahl (1907) und Jahn (1911) berücksichtigt.
Wird nun angenommen, daß die Wirkung der hin und her gehenden Massen durch ein Gegengewicht ausgeglichen werden soll, so ergeben sich unter Beibehaltung obiger Voraussetzungen für ein Triebwerk die in Abb. 230 dargestellten Verhältnisse. Hierbei ist angenommen, daß die Massen und das Gegengewicht von der Masse M in derselben Längsebene der Lokomotive sich bewegen. Die Massenkräfte von entsprechen dem Wert
Das für den Ausgleich bestimmte Gegengewicht, das im Kurbelkreishalbmesser r umläuft, ist der Fliehkraft ausgesetzt, die in der v2 Richtung des Halbmessers den Wert Mv2/r besitzt. Für den Ausgleich kommt jedoch nur die wagrechte Komponente der Fliehkraft
zur Geltung. Für vollkommenen Massenausgleich im wagrechten Sinn müßte demnach das Gegengewicht gleiches Gewicht haben wie die hin und her gehenden Teile. Hierbei ist unendliche Schubstangenlänge, die gleiche Schwingungsebene für beide Massen und als wirksamer Halbmesser des Gegengewichts r vorausgesetzt.
Als Nachteil des Ausgleichs der hin und her gehenden Massen durch ein umlaufendes Gegengewicht muß angesehen werden, daß die lotrechte Fliehkraftkomponente des Gegengewichts F unbenutzt übrig bleibt und eine Störung des Schienendrucks mit sich bringt. Die Vergrößerung des Schienendrucks durch die freie Fliehkraft kann bedenkliche Beanspruchungen des Oberbaues mit sich bringen. Es muß daher eine Beschränkung der freien Fliehkraft vorgesehen werden. Die T.V. schreiben vor, daß bei der größten zulässigen Fahrgeschwindigkeit der Lokomotive die freie Fliehkraft nicht mehr als 15% des Raddrucks, im Stillstand gemessen, betragen darf.
Hierdurch ist einerseits ein vollständiger Ausgleich der hin und her gehenden Triebwerksteile durch Gegengewichte eingeschränkt, anderseits die Höchstgeschwindigkeit der Lokomotive durch die Größe des Ausgleichs bedingt. An Lokomotiven im Gebiet des VDEV. werden die hin und her gehenden Massen zu 15–60% purch Gegengewichte ausgeglichen. Der geringe Ausgleich wird bei rasch fahrenden, der starke Ausgleich an langsam fahrenden Lokomotiven vorgenommen. Im allgemeinen läßt sich feststellen, daß die Lokomotiven um so ruhiger laufen, je stärker die hin und her gehenden Massen ausgeglichen sind. Daß bei rasch fahrenden Lokomotiven der Ausgleich verhältnismäßig gering ist, ist nur eine Vorkehrung zur Schonung des Oberbaues. Es wurde einige Zeit hindurch in Deutschland versucht, an zweizylindrigen Heißdampflokomotiven die hin und her gehenden Massen gar nicht auszugleichen. Das Ergebnis war hinsichtlich der S. so ungünstig, daß gegenwärtig ein Ausgleich gewöhnlich wieder vorgesehen wird.
In Nordamerika werden die hin und her gehenden Massen verhältnismäßig stark, gewöhnlich mit 40–80% ausgeglichen. Die Lokomotiven zeigen einen guten Gang, beanspruchen aber den Oberbau verhältnismäßig stark. An vierzylindrigen Lokomotiven mit gegenläufigen Triebwerken tritt ein teilweiser Ausgleich der hin und her gehenden Massen ein. Der restliche Teil ist dann mitunter noch durch Gegengewichte ausgeglichen.
Überschüssige Fliehkräfte im lotrechten Sinn. Jedes umlaufende Gewicht im Rad, das nicht selbst wieder durch ein umlaufendes Gewicht ausgeglichen ist, bringt im lotrechten Sinn eine Überbelastung und eine Entlastung des Raddrucks durch die Fliehkraft hervor, je nachdem sich das Gewicht in der tiefsten oder in der höchsten Lage befindet. Der Übergang vollzieht sich jedoch nicht plötzlich, sondern mit Rücksicht auf die lotrechte Komponente der Fliehkraft genau nach einer Sinuslinie. Die freie Fliehkraft ist C = Mv2/r1, wenn M die Masse des Gewichts G, r1 der maßgebende Halbmesser des Schwerpunktes und v die Geschwindigkeit im Halbmesser r ist. Auf die Umdrehungszahl der Triebachse in der Sekunde n bezogen und bei Einführung des Gewichts G lautet die Gleichung
Hierbei ist n die Umdrehungszahl der Achse in der Sekunde, die aus
zu erlangen ist, wenn V die Fahrgeschwindigkeit in km/Std. und D der Triebraddurchmesser in m ist.
Diese freien Fliehkräfte bringen im allgemeinen S. nicht hervor. Sie können jedoch bei minder festem Oberbau diesen ungünstig beeinflussen.
Ein häufig angewandtes Mittel, um den Ausgleich der hin und her gehenden Massen im stärkeren Maße durchzuführen und die freie Fliehkraft doch in den vorgeschriebenen Grenzen zu halten, ist an Lokomotiven mit gekuppelten Achsen möglich. Es kann dann der Gegengewichtsanteil für die hin und her gehenden Massen auf alle Räder einer Lokomotivseite gleichmäßig verteilt werden. Es ist dabei ein sehr weitgehender Ausgleich möglich, ohne daß die freien Fliehkräfte ein besonderes Maß erreichen. Es können somit Lokomotiven mit zahlreichen gekuppelten Achsen eigentlich besser ausgeglichen werden als solche mit wenigen. Es müssen in diesem Fall allerdings die Kräftewirkungen für den Ausgleich von den Kuppelachsen erst durch die Kuppelachsen zur Triebachse und zu den hin und her gehenden Massen übertragen werden, wodurch eine stärkere Beanspruchung dieser Teile eintritt.
Für eine Zwischenlage stellt sich die lotrechte freie Fliehkraftkomponente nach Abb. 230 durch Mv2/r sin φ dar.
Der Massenausgleich der hin und her gehenden Triebwerksteile durch Gegengewichte wird noch durch die endliche Triebstangenlänge beeinflußt, derart, daß, selbst wenn die hin und her gehenden Massen durch ein gleich großes Gegengewicht ausgeglichen würden, doch noch eine Zuckkraft bestehen bleibt. Diese Zuckkraft wird um so geringer, je länger die Triebstange im Verhältnis zum Kurbelhalbmesser ist.
Der Einfluß der Messe der hin und her gehenden Triebwerksteile am Triebzapfen bei unendlicher Schubstangenlänge ist
Durch eine Triebstange von der Länge L erfährt die wagrecht wirkende Kraft am Triebzapfen eine Veränderung in der Form
Da bei dem angestrebten vollständigen Ausgleich die Gegengewichtsmasse M = zu machen ist, so kann, da die wagrechte Komponente der Fliehkraft
ist, ein vollkommener Ausgleich nicht erzielt werden. Es bleibt somit eine störende Kraft
übrig, die durch Gegengewichte überhaupt nicht ausgeglichen werden kann.
Da die Triebstange an einem Ende eine hin und her gehende, am andern eine kreisförmige Bewegung macht, ist zu entscheiden, welcher Gewichtsanteil der Triebstange als hin und her gehende und welcher als umlaufende Masse anzusehen ist. Eine genaue Berechnung beider Anteile ist sehr umständlich. Gewöhnlich wird etwa 2/3 des Stangengewichts zu den umlaufenden und 1/3 zu den hin und her gehenden Triebwerksteilen gerechnet. Nach einem andern Verfahren wird das Stangengewicht im Verhältnis der lotrechten Auflagerdrücke geteilt, wenn die Triebstange an beiden Zapfenmitten unterstützt abgewogen wird.
Alle vorstehenden Betrachtungen beziehen sich auf das Schubkurbelgetriebe einer Lokomotivseite und gleichzeitig ist angenommen, daß die ausgleichenden Gegengewichte in derselben Ebene liegen wie die auszugleichenden Massen. In Wirklichkeit liegen jedoch die Gegengewichte in den Radebenen, während die Triebwerksmittel gegen diese verschoben sind. Da es ferner sich gewöhnlich um mindestens 2 gegeneinander um 90° versetzte Schubkurbelgetriebe handelt, so ergeben sich in beiden Rädern einer Achse eine Reihe von Teilgegengewichten für die umlaufenden und hin und her gehenden Massen, die dann endlich zum resultierenden Gegengewicht vereinigt werden.
Durch die Vereinigung zweier Schubkurbelgetriebe unter einem Kurbelwinkel von 90°, d.i. bei der weitaus vorherrschenden Lokomotivbauart, ergeben sich die für die S. maßgebenden Kräfte Wirkungen. Sieht man von der endlichen Länge der Schubstangen ab und nimmt man an, daß die hin und her gehenden Massen vollständig ausgeglichen sind, so ist grundsätzlich eine Beseitigung der Zuckbewegung möglich, da sich nicht nur die Massenkräfte P'' in der Achse, sondern auch die Umfangskräfte U ausgleichen lassen. Die Kräfte P'' sind durch die wagrechte Fliehkraftkomponente, die Umfangskräfte U aber dadurch ausgeglichen, daß sie an beiden Lokomotivseiten stets gleich groß und entgegengesetzt wirken. Hinsichtlich des Drehens üben die Kräfte P'' keinen Einfluß aus, wogegen die an beiden Lokomotivseiten stets entgegengesetzt gerichteten Umfangskräfte U ein Drehmoment ergeben, das durch Gegengewichte nicht auszugleichen ist.
Werden Triebstangen mit endlicher Länge angeordnet, so ergeben sich unvermeidlich gewisse störende Kräfte. Wird weiters nur ein Teil der hin und her gehenden Massen ausgeglichen, so bleibt von den Kräften P'' ein Anteil als störende Kraft übrig, der Zucken und Drehen verursacht.
Hinsichtlich des Zuckens sind bei vollständigem oder teilweisem Ausgleich der hin und her gehenden Massen Lokomotiven mit inneren und äußeren Dampfzylindern gleichwertig. In bezug auf das Drehen ist jedoch unter sonst gleichen Verhältnissen die Lokomotive mit inneren Dampfzylindern erheblich im Vorteil, da die störenden Kräfte an einem viel kleineren Hebelarm angreifen. Das ist hauptsächlich der Grund, warum Lokomotiven mit inneren Dampfzylindern ein besonders ruhiger Gang nachgerühmt wird.
An vierzylindrigen Lokomotiven ist, wenn die Kurbeln einer Lokomotivseite um 180° gegeneinander versetzt sind, bei unendlicher Triebstangenlänge und gleich großen hin und her gehenden Massen an den inneren und an den äußeren Dampfzylindern das Zucken auch ohne Gegengewichte ganz vermieden. Das Drehen ist geringer als an der zweizylindrigen Lokomotive, läßt sich aber selbst durch Gegengewichte nicht völlig vermeiden, da die Umfangskräfte U einander nicht ganz aufheben. Hierbei sind Lokomotiven mit zwischen den Rahmen liegenden Niederdruckzylindern im Vorteil gegen Lokomotiven mit äußeren Niederdruckzylindern, da bei ersterer Bauart die größeren hin und her gehenden Massen an dem kleineren Hebelarm arbeiten und damit auch ein geringeres Schlingermoment erzeugen.
An vierzylindrigen Lokomotiven sind 2 Bauarten zu unterscheiden, je nachdem beide Zylinderpaare dieselbe Achse betreiben oder 2 getrennte Triebachsen vorhanden sind. Bei ersterer Bauart mit nur einer Triebachse gleichen sich die Gewichte vieler Teile untereinander aus, so daß die Gegengewichte verhältnismäßig klein ausfallen. Bei 2 getrennten Triebachsen müssen dagegen gewöhnlich ziemlich umfangreiche Gegengewichte für die umlaufenden Massen vorgesehen werden, während die hin und her gehenden Triebwerksteile erst durch Vermittlung der Kuppelstangen zwischen beiden Triebachsen zum teilweisen Ausgleich gelangen. Hinsichtlich der Leichtigkeit der Bauart und der Beanspruchung des Triebwerks beim Massenausgleich ist somit erstere Bauart vorzuziehen.
Berechnung der Gegengewichte. Als Grundsatz hat zu gelten, daß die umlaufenden Teile des Triebwerks vollständig auszugleichen sind. Sollte es ausnahmsweise nicht möglich sein, das erforderliche Gegengewicht im betreffenden Rad unterzubringen, so kann es auch auf die übrigen gekuppelten Räder derselben Lokomotivseite verteilt werden. Es kommt dies mitunter an Lokomotiven mit geringem Raddurchmesser an den Triebrädern vor, die wegen der schweren Triebzapfen, Stangenköpfe, Radkurbeln u.s.w. sehr große Gegengewichte verlangen. Mit Rücksicht auf die starke Beanspruchung der Kuppelstangen ist jedoch dieser Vorgang aufs äußerste einzuschränken. Da an Lokomotiven die Gegengewichte am vorteilhaftesten in den Rädern untergebracht werden, die auszugleichenden Massen aber in außerhalb liegenden Ebenen sich bewegen, so ergibt sich für jedes auszugleichende Gewicht in beiden Rädern einer Achse je ein besonderes Gegengewicht.
Ist Y in Abb. 231 die Achse mit beiden Rädern und P das einseitig außerhalb der Räder sitzende, auszugleichende Gewicht, so muß zur Herstellung der Ruhe in der Achse im rechten Rad das Gegengewicht M, im linken Rad das Gegengewicht N nach den Gleichungen
und
vorhanden sein. Hierbei ist angenommen, daß die Gewichte P, M und N im Halbmesser r von der Achse umlaufen. Wird das Gegengewicht in einen größeren Halbmesser r1 verlegt, so kann es entsprechend leichter ausgeführt werden, wobei sich das neue Gewicht M1 aus der Gleichung M1 = M r/r1 berechnet.
Gewöhnlich enthält das auszugleichende Gewicht P einer Achsseite auch bereits den notwendigen Anteil für die hin und her gehenden Massen, so daß die Gleichung
P = R + s H
besteht, wobei R das Gewicht der umlaufenden, H das Gewicht der hin und her gehenden Massen und s, wie bereits oben dargelegt, ein Wert zwischen 0∙2 und 0∙6 ist.
1. In Abb. 232 ist die Triebachse einer gekuppelten Lokomotive mit 2 äußeren Dampfzylindern und unter 90° versetzten Kurbeln dargestellt. P ist das auszugleichende Gewicht der umlaufenden und hin und her gehenden Massen einer Seite, das in der Ebene der Triebzapfenmitte in einer Entfernung c von der Lokomotivmitte schwingt. K ist das auszugleichende Gewicht in der Kuppelzapfenmitte, das in einer um k abstehenden Ebene von der Lokomotivmitte umläuft. Die Gegengewichte können in der Radebene untergebracht werden, die in der Entfernung l von der Lokomotivmitte liegen. Nach obiger Anleitung ergibt sich im rechten Rad für P
und für K
Im linken Rad sind die Gegengewichte
und
Da M1 und M2, N1 und N2 in die gleiche Richtung fallen, kann dafür auch ein Gegengewicht
und
ausgeführt werden.
Nun erscheint für P und K am linken Rad ebenfalls ein Gegengewicht M im linken und N im rechten Rad. Statt beider Gewichte M und N in einem Rad kann nun ein resultierendes Gewicht G nach der Gleichung
untergebracht werden, das unter dem Winkel
tg α = N/M
gegen die Richtung von M versetzt ist. Nach entsprechender Umrechnung auf den wirksamen Halbmesser ergibt sich das in Abb. 232 eingezeichnete sichelförmige Gegengewicht.
An Außenzylinderlokomotiven mit voreilender rechter Kurbel erhalten daher die Gegengewichte an den Triebrädern die in Abb. 233 gekennzeichnete Lage.
2. In Abb. 236 ist die Triebachse einer gekuppelten Lokomotive mit 2 inneren Dampfzylindern und unter 90° versetzten Kurbeln dargestellt.
Ist P wieder das auszugleichende Gewicht in der Triebzapfenmitte, das in der Entfernung c' von der Lokomotivmitte schwingt, und K das auszugleichende Gewicht in der Kuppelzapfenmitte, das sich im Abstand k von der Lokomotivmitte befindet, so ist im rechten Rad für P
und für K
Im linken Rad ist
und
Man erhält hieraus die Gegengewichte
und
Das resultierende Gegengewicht ist wieder
das unter dem Winkel tg α = N/M gegen die Richtung von M versetzt ist. An Innenzylinderlokomotiven ist daher die Lage der Gegengewichte durch Abb. 234 gekennzeichnet. Die Gegengewichte fallen gewöhnlich verhältnismäßig klein aus, da durch die Radkurbeln und Kuppelstangen ein Teil der Kurbelarme der gekröpften Achse ausgeglichen wird.
3. An vierzylindrigen Lokomotiven mit je 2 inneren und 2 äußeren Triebwerken wird die Anordnung gewöhnlich so getroffen, daß die Kurbeln des nebeneinander liegenden inneren und äußeren Triebwerks einer Lokomotivseite um 180° gegeneinander versetzt sind. Es werden dann gewisse Vorteile für die Gesamtanordnung der Maschine, aber auch hinsichtlich des Ausgleichs erzielt. In Abb. 237 ist die Triebachse einer derartigen Lokomotive dargestellt. Die äußere Kurbel des rechten Rades eilt gegen die linke äußere Kurbel um 90° vor. An Vierzylinderlokomotiven ist es vorteilhaft, die Berechnung für den Ausgleich der umlaufenden und der hin und her gehenden Massen getrennt vorzunehmen, da die hin und her gehenden Massen sich in der Regel größtenteils gegenseitig ausgleichen. Die auszugleichende Masse an den äußeren Triebzapfen ist Pa, an den inneren Triebzapfen Pi. Es gelten die gleichen Bezeichnungen wie im Beispiel unter 1, doch ist die Entfernung der Schwingungsebene der inneren Triebwerke von der Lokomotivmitte mit c' bezeichnet.
Da Pi, Pa und K beiderseits gleich groß angenommen sind und an jeder Lokomotivseite zusammen in einer gemeinsamen Ebene liegen, so ist
Dadurch, daß bei Bildung des Teilgegengewichts M die äußeren Gewichte Pa und K dem inneren Gewicht Pi entgegenwirken, fällt M gewöhnlich verhältnismäßig klein aus. Es wird somit durch diese Anordnung Gewicht gespart. Es kann übrigens, falls Pi sehr groß ist, M auch auf die Seite von Pa zu liegen kommen. Pi ist gewöhnlich mit Rücksicht auf die schwere Achskurbel und den Triebstangenkopf groß.
Die Größe des resultierenden Gegengewichts erhält man wie früher aus der Gleichung
Es steht unter dem Winkel
tg α = N/M
der gewöhnlich wesentlich größer als an Außenzylinderlokomotiven ausfällt. Er kann, falls M auf die Seite von Pa fällt, auch größer als 90° sein.
Sind die auszugleichenden Massen an beiden Lokomotivseiten nicht gleich groß, so werden sich an den Rädern auch verschieden große Gegengewichte unter verschiedenen Winkeln ergeben.
Will man Gegengewichte in den Rädern ganz vermeiden, so kann man nach Annahme der auszugleichenden Gewichte und der Kurbelwinkel eines Triebwerkpaares die zum Ausgleich erforderlichen Gewichte und die Kurbelwinkel für das zweite Triebwerkspaar berechnen. Dies ist in Abb. 235 durchgeführt. Die Kurbeln der beiden äußeren Triebwerke sind um 90° versetzt. Die rechte Kurbel eilt vor. Die Teilgegengewichte sind nicht in die Radebenen, sondern in die Schwingungsebene der Triebzapfenmitten der inneren Triebwerke gelegt. Gibt man den inneren Triebwerken jetzt tatsächlich umlaufende Massen im Gewicht
und versetzt man die Kurbelwinkel unter den Winkel tg α = N/M so erhält man hinsichtlich der umlaufenden Massen einen vollkommenen Ausgleich ohne Gegengewichte in den Rädern.
Bei gleich großen Massen an beiden Lokomotivseiten ordnen sich die Kurbelwinkel dann nach Abb. 235 symmetrisch zu einer Achse XX1 an.
Hinsichtlich der hin und her gehenden Massen gelten dieselben Grundsätze und es können sinngemäß die gleichen Bezeichnungen und Gleichungen Verwendung finden. Bei Vernachlässigung der endlichen Triebstangenlängen ist ein vollkommener Ausgleich der hin und her gehenden Massen in diesem Fall möglich, da die gefürchteten lotrechten, freien Fliehkräfte in den Rädern ganz fortfallen. Dieser von Yarrow-Schlick angegebene Massenausgleich hat sich namentlich an Schiffsmaschinen vorzüglich bewährt, ist jedoch an Lokomotiven bisher zwar oft erörtert, jedoch nicht ausgeführt worden (Mehlis, Dampfschnellbahnzug, Diss. 1903 u. Glasers Ann. 1908, S. 179). Man kann an zweizylindrigen Lokomotiven an Stelle der resultierenden hin und her gehenden Massen auch besondere, in geraden Bahnen sich hin und her bewegende Ausgleichgewichte (sog. Bobgewichte) ausführen. Auch dadurch ist ein vollkommener Ausgleich möglich. Ein solcher Ausgleich wurde bereits von R.v. Helmholtz an einer Lokomotive versucht (Die deutsche Kollektivausstellung von Lokomotiven. Paris 1900. Glasers Ann. 1900). An älteren Lokomotiven war die Form der Gegengewichte gewöhnlich die eines Kreisausschnitts oder eines Kreisringausschnitts. Gegenwärtig sind die Gegengewichte in der Form eines Kreisabschnitts oder in Sichelform ausgeführt. Bei diesen Gestaltungen kann der wirksame Halbmesser des Gegengewichts verhältnismäßig am besten zur Geltung gebracht werden und man kommt mit dem geringsten Gewichtsaufwand durch. Selbstverständlich müssen die in das Gegengewicht fallenden Radspeichen und Stücke des Felgenkranzes in Abzug gelangen, um den wirksamen Teil des Gegengewichts zu erlangen.
Literatur: Redtenbacher, Die Gesetze des Lokomotivbaues. Mannheim 1855. – Scheffler, Bestimmung des Gegengewichts in den Triebrädern. Organ 1856. – Zech, Besprechung des Redtenbacherschen Lokomotivbaues. Ztschr. d. Österr. Ing. V. 1857. – Zeuner, Über das Wanken der Lokomotiven. Zürich 1861. – Grove, Die Störungen der Lokomotivbewegung. Hb. f. spez. E.-T. Heusinger, 1875. – Angier, Gegengewichte an Lokomotiven. Organ 1898, S. 95. – Kempf, Gegengewichte an Lokomotiven. Glasers Ann. 1904. – Garbe, Die Dampflokomotiven der Gegenwart. Springer, 1907. – Jahn, Über den Antriebvorgang bei Lokomotiven. Ztschr. dt. Ing. 1907, S. 1046. – Lihotzky, Kritische Betrachtungen über das Zucken der Lokomotiven. Lokomotive 1907, S. 149. – Lindemann, Das Wogen und Nicken der Lokomotiven. Glasers Ann. 1907, I, S. 3. – Jahn, Das Wanken der Lokomotiven unter Berücksichtigung des Federspieles. Ztschr. dt. Ing. 1909, S. 621. – Leitzmann u.v. Borries, Theoretisches Lehrbuch des Lokomotivbaues. Springer, 1911. – Jahn, Ein Beitrag zur Lehre von den Gegengewichten der Lokomotive. Organ 1911, S. 163.
Sanzin.
2
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.