Stütz- und Verkleidungs- (Futter-) Mauern

Stütz- und Verkleidungs- (Futter-) Mauern

Stütz- und Verkleidungs- (Futter-) Mauern (retaining walls and revetments; murs de soutènement et murs de revêtement; muri di sostegno et muri di rivestimento). Die Bekleidung der Böschungsflächen eines Erdkörpers durch stehende Steinbauten dient entweder

a) der Verkleidung an sich standfähiger Massen der Einschnitte zur Herbeiführung eines wirksamen Schutzes der Oberfläche gegen Verwitterung und Abspülung – Verkleidungs oder Futtermauern – oder sie wird nötig

b) zur Stützung von Böschungen, die steiler sind als die natürliche Böschung der betreffen den Erdmasse – Stützmauern. Anlagen der letzteren Art sind zumeist durch die Notwendigkeit begründet, Ersparnisse an Geländebreite zu erzielen entweder wegen zu steiler Neigung des Geländes, oder wegen der Nähe zu schonender Wegezüge, Wasserläufe oder sonstiger Anlagen, oder wegen des hohen Preises des in Anspruch zu nehmenden Grundes und Bodens.

Diesem verschiedenen Zweck entsprechend sind die anzuwendenden Stärken verschieden.

In einfachster Weise kann ein steilerer als der natürliche Lagerwinkel der Erdmasse für Schüttungen bereits erreicht werden:

1. durch Steinpackungen (Steinsätze) aus unbearbeiteten, aber in der Böschungsfläche möglichst sorgfältig zusammengeschichteten Steinen. Die hintere Begrenzung solcher Packungen ist meist lotrecht, die Vorderfläche unter 1 : 1 geneigt, die obere Breite nicht unter 1∙0 + h/20. Reichliches Sackmaß, etwa 1/25h. muß gegeben werden (h = Mauerhöhe).

Steilere Neigungen der Vorderfläche ermöglichen

2. Trockenmauern aus mit dem Hammer bearbeiteten, regelrecht in Verband gesetzten und möglichst großen lagerhaften Bruchsteinen, die mit Steinsplittern gegeneinander verzwickt werden. Die Lagerfugen sind möglichst senk recht zur Drucklinie, also an der Vorderfläche senkrecht zu dieser und von da nach und nach zur Wagrechten übergehend anzuordnen. Neigung der Vorderfläche meist 1 : 2/3, im unteren Teil hoher Mauern besser 1 : 4/5, bei niedrigen Mauern – höchstens 6–8 m 1 : 1/21/3; Rückfläche im Auftrag senkrecht, im gewachsenen Boden etwa gleichgerichtet mit der Vorderfläche. Die Stärke der Mauer hängt wesentlich von Größe und Lagerhaftigkeit der Steine ab. Im allgemeinen Kleinstmaß der Kronenbreite 0∙6 m, wo starke Erschütterungen in Frage kommen, z.B. bei Eisenbahnen, erheblich größer. Der Kopf der Mauer soll der unmittelbaren Einwirkung der Erschütterungen möglichst entzogen werden. Beispiele ausgeführter Trockenmauern an Eisenbahnen zeigt Taf. IX, Abb. 1–5.

Bei großen Höhen ist eine Hinterpackung der Trockenmauern mit Steinsätzen zweckmäßig, jedoch ohne Verband der beiden Steinkörper. In Dämmen ist die Vorderkante von Trockenmauern und Steinsätzen um ein Maß 8 vor die Böschungsfläche zu legen, das für Steinschüttungen zu δ = h1/25 + h2/50, für Erdschüttungen zu δ = h1/15 + h2/50 angenommen werden kann (Taf. IX, Abb. 6).

Lagerhaftigkeit und Größe der Steine, vor allem in der Ansichtsfläche, ist für die Haltbarkeit der Mauer besonders wichtig. Von der Ausfüllung der Fugen mit Erde oder Moos ist abzuraten, da eine bessere Auflagerung der Steine hierdurch nicht erreicht werden kann, die Wasserabführung aber gehindert und das Vollsaugen der Fugen mit Wasser nur gefördert wird.

Wo gute lagerhafte Steine häufig sind, Sand aber fehlt, können Trockenmauern zweckmäßig erscheinen. Die Erfahrungen mit hohen Trockenmauern sind indessen nicht allenthalben günstige gewesen, da die Mauern infolge ungleicher Druckverteilung und ungleichen Setzens leicht Ausbauchungen erhalten, die bei großen Höhen schwierige Ausbesserungen ergeben.

Abtreppungen im Grunde werden der zu befürchtenden ungleichen Setzungen wegen besser vermieden.

Noch weitere Einschränkungen in der Neigung der Vorderfläche – bis zur Senkrechten – und geringere Stärken – etwa 2/33/4 der Trockenmauerabmessungen – gestatten

3. Mörtelmauern aus Bruchsteinen, Beton und Eisenbeton, seltener aus Hausteinen oder Ziegeln. Gemischtes Mauerwerk mit Verblendung aus Hausteinen oder Ziegeln ist des verschiedenen Setzens wegen nicht zu empfehlen. Es sind entweder volle Mauern mit gleichmäßig durchgehendem Querschnitt oder zur Baustoffersparnis aufgelöste, gegliederte Bauwerke mit ebenen oder gekrümmten Schilden zwischen einzelnen Schäften anzuwenden.

Verkleidungsmauern werden meist mit vollem Querschnitt ausgeführt (Taf. IX, Abb. 8).

a) Volle Mauern am zweckmäßigsten mit geradlinig begrenzter, unter 1 : 5–1 : 6, nach Bedarf auch steiler geneigter Vorderfläche (Taf. IX, Abb. 9). Die Rückfläche wird nach dem Verlauf der Stützlinie begrenzt, im Teil über Gelände meist der leichteren Ausführung wegen lotrecht, im gewachsenen Boden vielfach gleichgerichtet mit der Vorderfläche. Mauern mit lotrechter Vorder- und Hinterfläche (Taf. IX, Abb. 10) sind wenig vorteilhaft, weil viel Baustoff erfordernd. Muß auf lotrechte Vorderfläche Wert gelegt werden, so ist zur Querschnittsverringerung die Rückfläche geneigt anzuordnen (Taf. IX, Abb. 11). Verkleidungsmauern werden an der Rückfläche oft in gleichem Sinne geneigt wie an der Vorderfläche (Taf. IX, Abb. 12).

Im Querschnitt gekrümmte Mauern sind wegen der hohen Herstellungskosten jetzt nur selten angewendet; der Mehraufwand an Arbeitslohn, den sie erfordern, übersteigt die Kosten des bei geraden Querschnittsbegrenzungen mehr erforderlichen Mauerwerks gewöhnlich wesentlich.

Die Mauern sind mit möglichst geringem Aufwand von Baustoff durchzubilden, ihre Stärke ist unter Berücksichtigung des auf sie wirkenden Erddrucks (s.d.) zu ermitteln und ihre Abmessungen sind hiernach statisch zu begründen. Für erste Annahmen kann zu gründe gelegt werden:

b (mittlere Mauerstärke) = 0∙29 h (Mauerhöhe) bei trockener wagrechter Hinterfüllung;

b = 0∙33 h für gewöhnliche Verhältnisse und nicht zu nasse Hinterfüllung;

b = 0∙43 h für tonige oder lehmige, zur Rutschung neigende Hinterfüllung.

Intze gibt die Mauerdicke x in beliebiger Tiefe h unter der Mauerkrone mit:

x = 0∙32 h + 0∙011 h2 für trockenen und mit

x = 0∙40 h + 0∙016 h2 für nassen Hinterfüllungsboden.

Bei einem Anlauf der Vorderfläche von 1 : 1/51/6 und bei lotrechter hinterer Begrenzung kann die erforderliche Kronenbreite a1 für Mauern zur Stützung von Dammkörpern (Taf. IX, Abb. 13) zu


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für Mauern zur Stützung von gewachsenem Boden (Taf. IX, Abb. 14) zu


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angenommen werden.

Liegen hinter der Mauer Steinsätze von mindestens gleicher Stärke wie diese und nach rückwärts geböscht, so kann die Stärke der Mauer um 5–8% verringert werden. Kleinstmaß der Kronenbreite bei Bruchstein 0∙5–0∙6 m, bei Ziegel 2 Steinlängen, bei Beton 0∙3–0∙4 m.

Beispiele ausgeführter Mauern vgl. Taf. IX, Abb. 7, 15, 16, 21, 22.

Einfach gestaltet sich die zeichnerische Untersuchung des zunächst nach den vorstehenden Anhalten anzunehmenden Mauerquerschnitts. Vorausgesetzt sei, daß der angreifende Erddruck E (s.d.) auf die irgendwie gestaltete Rückwand nach Größe, Richtung und Angriffspunkt gegeben sei. Dann setzt sich dieser (Taf. IX, Abb. 17) mit dem Gewicht P der Mauer zu einer Mittelkraft R zusammen, deren Richtung die Bodenfuge des Mauerquerschnitts bei I schneidet.

Die Standsicherheit der Mauer ist alsdann an die Bedingungen geknüpft, daß

1. der durch die lotrechte Seitenkraft V der Mittelkraft R erzeugte Bodendruck in der Sohle die zulässigen Grenzen nicht überschreiten darf;

2. die wagrechte Seitenkraft H der Mittelkraft R bei frei, ohne Mörtelverbindung u. dgl. in der Sohle gestützter Mauer so viel kleiner sein muß als der durch V erzeugte Reibungswiderstand V ∙ tg φ, daß die Sicherheit der Mauer gegen Verschieben mindestens 11/2–2fach wird;

3. in keinem Punkt des Mauerquerschnitts die zulässige Fugenspannung überschritten wird, auch dann nicht, wenn die Mauer noch nicht hinterfüllt ist, damit sie auch ohne Erddruckwirkung standfähig ist.

4. der Angriffspunkt der Mittelkraft im allgemeinen nicht aus dem mittleren Drittel der Fugenbreite heraustritt, demnach Zugspannungen im Mauerwerk in der Regel nicht auftreten. Ausnahmen sind zur Erzielung einer zweckmäßigen Ausgestaltung der Mauervorderfläche und einer ausreichenden Unterstützung des Mauerschwerpunktes nicht immer zu vermeiden, namentlich nicht in der Bodenfuge, aber möglichst zu beschränken.

Werden für eine Reihe aufeinanderfolgender Fugen die Erddrücke auf die Hinterflächen der einzelnen Mauerabschnitte ermittelt und mit den Gewichten der Mauerkörper zwischen diesen Fugen mittels eines Krafteckes zusammengesetzt, so findet sich die Mittelkraftlinie für die Stützmauer (Taf. IX, Abb. 23), mit deren Hilfe die Mauerwerksspannungen und der Bodendruck in den Kantenpunkten der einzelnen Fugen nach der Gleichung


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berechnet werden können (b = Fugenbreite).

Statisch würde unter sonst gleichen Umständen diejenige Form die günstigste sein, bei der die Mittelkraftlinie für die maßgebende Belastung durch die Mitte aller Fugen verläuft. Das würde im allgemeinen einen Querschnitt mit gekrümmten Begrenzungen ergeben, der zwar die geringste Mauerwerksmasse erfordern würde, aber deshalb noch nicht die wirtschaftlich richtigste Form darzustellen brauchte, weil die Herstellung krummer Wände mehr Arbeitslohn kostet als die gerader oder gebrochener Wände.

Das Mauerwerk der Stützmauern ist gleichmäßig herzustellen; Lagerfugen senkrecht zur Vorderfläche, bei starken Mauern allmählich in die Wagrechte übergehend. Möglichst großes spezifisches Gewicht, guter Verband und gutes Lager der Steine, kräftige Binder, große Kopfsteine in der Ansichtsfläche, guter Schluß der Fugen in der Vorderfläche mit Zementmörtel. Das Fundament – in Erde 0∙8–1∙0 m unter Bodenfläche – ist sorgfältig gegen Gleiten und Unterspülen zu sichern. Zur Abführung des sich hinter der Mauer ansammelnden Wassers sind Entwässerungskanäle von etwa 10 × 15 cm Querschnitt oder Röhren von wenigstens 5 cm Durchmesser an richtiger Stelle vorzusehen und an der Rückseite mit wasserdurchlässigem Geröll zu umpacken. Bei zu erwartender größerer Feuchtigkeit 50–90 cm starke Steinpackung hinter der Mauer mit einer Sickerrinne längs des Fußes. Hinterfüllung sorgfältig und gleichmäßig in nahe wagrechten, nicht zu starken, gut anzustampfenden, keinesfalls gegen die Mauer abfallenden Schichten mit Massen, die möglichst wenig Druck verursachen – Sand, Kies, Gerölle, Geschiebe. Kopf der Mauer möglichst widerstandsfähig, am besten aus einer kräftigen Rollschicht von ausgesuchten Steinen zu bilden, bei Backsteinen wohl auch, wenn Rollschichten und kräftige Platten aus natürlichen Steinen schwer zu beschaffen sind, aus Backsteinrollschichten. Schwächere Platten leisten nicht genügenden Widerstand gegen das Abschieben.

Die Hinterfläche der Mauer ist mit Mörtel auszuschweißen und mit einem Anstrich von Teer und Asphalt zu versehen, bei Betonmauern auch wohl durch 2–3 Lagen von aufzuklebendem Asphaltfilz oder von Asphaltpappe gegen das Eindringen der Bodenfeuchtigkeit zu schützen.

Bei in Kalkmörtel hergestellten Mauern ist zu. empfehlen, das Mauerwerk einige Wochen unverfüllt stehen zu lassen, damit es genügend austrocknen kann.

Bei rutschenden, gefährlichen Lehnen kann es zweckmäßig sein, etwa nötig werdende Einschnittsstützmauern vor der Aushebung der Einschnittsmassen aus einzelnen Schäften zu bilden, die in bergmännisch abzusenkenden Schächten aufgemauert werden.

b) Aufgelöste (gegliederte) Mauern können durch Schwierigkeiten der Gründung veranlaßt sein, die es wünschenswert erscheinen lassen, nur einzelne Pfeiler entsprechend zu gründen und die Mauer entweder auf Grundbögen zu stellen oder den Raum zwischen den hochgeführten Pfeilern durch Gewölbe mit wagrechter, senkrechter oder schräger Achslinie zu schließen. Sie können auch bedingt sein durch das Streben nach Verringerung der Mauermasse, wenngleich hiermit heutzutage nur in seltenen Fällen sehr teurer Baustoffe eine Verringerung der Kosten verknüpft sein wird, die überdies auch stets mit einer Erhöhung der Unterhaltungskosten bezahlt werden muß. Indessen können dessenungeachtet ausnahmsweise statische Gründe, namentlich bei hohen Mauern (10–15 m) solche Planungen zweckmäßig, wenn auch nicht billig, erscheinen lassen (vgl. Taf. IX, Abb. 18, 24, 25). In Einzelfällen, z.B. bei der Hochlegung von Eisenbahnen im bebauten Stadtgebiet, kann auch das Streben nach Gewinnung nutzbaren Raumes unter der Eisenbahn zu einer solchen Auflösung in weitgehendem Maß Veranlassung geben (Taf. IX, Abb. 19, 20, 26). In der Bauweise selbst begründet ist sie bei allen Stützmauern aus Eisenbeton, die ihrem Baugrundsatz nach aus einzelnen Schäften bestehen müssen, zwischen die sich biegungsfest mit jenen verbundene, lotrechte und wagrechte Platten einschieben (Abb. 250254).

Literatur: v. Kaven, Stützmauern und Steinbekleidungen. Dresden 1882. – Haeseler, Konstruktion der Stütz- und Futtermauern. Hb. d. Ing. W. Leipzig, Bd. I, 2. Teil, 5. Kapitel. – Müller, Breslau, Erddruck auf Stützmauern. Stuttgart 1906.

Lucas.

Abb. 250.
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Abb. 251.
Abb. 251.
Abb. 252.
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Abb. 253.
Abb. 253.
Abb. 254.
Abb. 254.
Tafel IX.
Tafel IX.

http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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