Töchterhorte

Töchterhorte

Töchterhorte. Der Eisenbahn-Töchterhort der vereinigten preußischen und hessischen Staatseisenbahnen und der Reichseisenbahnen ist eine im Jahre 1902 errichtete Stiftung mit dem Sitz in Berlin, deren Zweck es ist, unverheirateten Töchtern verstorbener Beamten und Arbeiter dieser Eisenbahnverwaltungen im Fall der Hilfsbedürftigkeit und Würdigkeit, insbesondere zur Ausbildung und Förderung ihrer Erwerbsfähigkeit Beihilfen zu gewähren. Ihr Bestreben ist es, den gesetzlichen Fürsorgeeinrichtungen des Staates und den Hilfsfonds der Eisenbahnverwaltung helfend zur Seite zu treten. Vorübergehende Notlagen sucht sie durch einmalige Geldunterstützungen zu beseitigen, bei dauernder Bedürftigkeit durch fortlaufende Zuwendungen zu helfen. Schwächliche oder kränkliche Kinder sendet sie in Bäder und Ferienkolonien. Vor allen Dingen aber greift sie da ein, wo es den Waisen an der nötigen Erziehung im Elternhaus und an der Möglichkeit zur Ausbildung für einen Beruf fehlt. Auch will sie Waisen, die alleinstehend im Alter keinen eigenen Herd besitzen, Unterkunft gewähren.


Die Organe der Stiftung sind ein Hauptausschuß in Berlin und 23 Bezirksausschüsse, je einer für die Direktionsbezirke und das Zentralamt der preußisch-hessischen Staatseisenbahnen und für die Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen. Zur Unterstützung der Bezirksausschüsse sind Vertrauensmänner an allen Orten, wo Eisenbahner Dienst tun, und nach Bedarf Ortsausschüsse eingerichtet. An der Spitze steht ein Aufsichtsrat. Sämtliche Verwaltungsämter, in denen höhere, mittlere und untere Beamte, Hilfsbeamte, Handwerker und Arbeiter vertreten sind, werden unentgeltlich wahrgenommen, wie überhaupt die Verwaltungskosten auf das geringste Maß herabgemindert sind.

Die Stiftung besitzt ein eigenes Töchterheim, das Christianenheim in Erfurt. Dieses Heim kann in 112 Wohn- und Schlafräumen 239 Waisen aufnehmen. Entsprechend seiner Zweckbestimmung ist das Heim in 3 Abteilungen, das Kinderheim, das Zöglingsheim und das Pfleglingsheim eingeteilt. In dem Kinderheim werden die zur Waisenpflege aufgenommenen Waisenkinder im Alter von 5–15 Jahren untergebracht. Das Zöglingsheim beherbergt die zur vorübergehenden Aufnahme zwecks Ausbildung für einen Beruf bestimmten Zöglinge. Das Pfleglingsheim dient der dauernden Versorgung erwerbsunfähiger oder erwerbsbeschränkter Waisen. Die Räume sind so angeordnet, daß die Waisenkinder, Zöglinge und Pfleglinge möglichst getrennt wohnen, schlafen und essen. Für jeden Pflegling ist ein Wohn- und Schlafzimmer vorhanden, während die Kinder und Zöglinge in mehreren Schlafsälen und mehreren Wohnzimmern zu etwa 5 Personen untergebracht sind. Zur allgemeinen Benutzung dienen Speisezimmer, Badeeinrichtung, Bücherei und Musikzimmer sowie Turn- und Spielräume. Die Verwaltung des Christianenheims ist dahin geregelt, daß unter der Leitung des Hauptausschusses und der ständigen Mitwirkung des Bezirksausschusses in Erfurt der gesamte Verwaltungskörper der Stiftung daran teilnimmt. Daneben ist ein Erziehungsbeirat mit dem Sitz in Erfurt eingerichtet, der sich aus Männern und Frauen beider christlicher Konfessionen zusammensetzt.

Zwecks Erziehung von Waisentöchtern zur praktischen Arbeit in der Haus-, Feld- und Gartenwirtschaft, zur Ausbildung geeigneter Bewerberinnen zu ländlichen Dienstboten sowie zur Versorgung des Christianenheims mit Lebensmitteln besitzt die Stiftung eine eigene Meierei, den »Aschenhof«, der nicht fern von Erfurt inmitten des Thüringer Waldes liegt.


Von den Gesamtaufwendungen der Stiftung entfallen auf Töchter von Unterbeamten und Arbeitern etwa 67% der Unterstützungsfälle und etwa 56% der Ausgaben, während der Anteil dieser Kreise an den Einnahmen nur annähernd 50% beträgt.

Die bedeutendste Einnahmsquelle ist die regelmäßige Sammlung unter den Beamten und Arbeitern der Staats- und Reichseisenbahnverwaltung. Auf diesem Weg ist der Grundstock gesammelt und auf gleichem Weg sind durch laufende und einmalige Beträge sehr erhebliche Summen beschafft. Wertvolle Unterstützung leisten die bei den Staats- und Reichseisenbahnen bestehenden allgemeinen Eisenbahnvereine sowie die Fachvereine der Beamten. Von besonderen Einnahmen verdienen hervorgehoben zu werden: der Reinertrag eines vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats Ministerialdirektor Hoff verfaßten Werkchens »Eisenbahn-Töchterhort« und das Ergebnis des Vertriebs eines Kriegsandenkens. Bis Ende 1917 sind über 6 Mill. M. eingekommen, von denen über 2 Mill. M. für Zwecke der Stiftung verausgabt sind.

Hausmann.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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