Bauvertrag

Bauvertrag

Bauvertrag (agreement for construction; contrat d'entreprise; contratto d'impresa), ein Werkvertrag, der die entgeltliche Ausführung von Bauten zum Gegenstande hat. Derjenige von den beiden Vertragsschließenden, der den Bau vergibt, heißt Bauherr, der andere der die Ausführung des Baues übernimmt, Bauunternehmer. B. werden in der Regel schriftlich abgeschlossen; im Wege des Schriftwechsels angenommene Lieferungs- und Arbeitsanerbietungen sind ebenso wie Bestellzettel einem Vertrage gleichzuachten. B. ohne irgendwelche schriftliche Unterlage kommen nur ausnahmsweise beim Handakkord über Bauarbeiten einfachster Art und ganz geringen Umfanges vor.

Im Eisenbahnwesen können B. sowohl den Neubau ganzer Linien als auch Erhaltungs-, Umgestaltungs- oder Erweiterungsbauten zum Gegenstande haben. Je nach der Art der Bauvergebung (s. Bausystem) ist der B. Pauschalvertrag oder B. nach Einheitspreisen.

Für Eisenbahnbauarbeiten haben sich aus der Erfahrung gewisse Grundsätze ergeben, nach denen B. abgeschlossen werden. Der wesentliche Inhalt dieser allgemein gültigen Grundsätze ist von den einzelnen Bahnverwaltungen in der Form von Vertragsbedingungen, Verdingungsheften oder Bedingnisheften gesammelt, die den Bewerbern vor dem Vertragsabschlüsse als Grundlage für das Angebot zur Verfügung gestellt werden. Außerdem müssen bei jeder größeren Bauausführung für gewisse, in den »allgemeinen« und »besonderen« Bedingungen nicht vorgesehene Sonderfälle Bestimmungen getroffen werden, die nur für die bestimmte Bauausführung Geltung haben und in eine besondere Baubeschreibung oder in das Preisverzeichnis (Preisliste) aufgenommen werden. In solchen Fällen ist ausdrücklich * darauf zu verweisen, daß die sonst gültigen Bestimmungen der »allgemeinen« und »besonderen« Vertragsbedingungen hierdurch abgeändert werden.

Der Vorgang beim Zustandekommen von Eisenbahnbauverträgen ist in der Regel folgender: Die beabsichtigte Bauvergebung wird von der Bahnverwaltung im Wege der Ausschreibung (s. Bauausschreibung) bekanntgegeben. Die Unternehmer reichen ihre schriftlichen Angebote unter Anerkennung der allgemeinen und besonderen Bedingungen und aller sonstigen in der Ausschreibung als Vertragsgrundlagen bezeichneten schriftlichen und zeichnerischen Unterlagen bei der in der Ausschreibung bezeichneten Stelle ein. Mit der Annahme eines Angebotes seitens der Bahnverwaltung ist der B. abgeschlossen. Daß neben dem Austausch dieser einseitigen Erklärungen auch noch eine förmliche von beiden Vertragsteilen unterzeichnete und etwa mit dem Worte »Bauvertrag« überschriebene Urkunde errichtet wird, ist für das Zustandekommen eines rechtsverbindlichen B. nicht erforderlich. Die einzelnen Verwaltungen gehen in dieser Beziehung nicht gleichartig vor.


Der § 31 der Vorschriften für die Vergebung staatlicher Arbeiten und Lieferungen in Bayern (Ministerialbekanntmachung vom 2. April 1903) bestimmt z.B.:

»Bei freihändigen Vergebungen bis zu 2000 M. bedarf es nicht der Errichtung einer förmlichen Vertragsurkunde. Von einer solchen kann auch sonst bei einfachen Verhältnissen abgesehen werden, wenn der Schriften Wechsel alle Vertragsbedingungen deutlich enthält. Doch soll auch in diesen Fällen durch Aufbewahrung des Schriftenwechsels und der Bestellzettel, durch Errichtung und beiderseitige Unterzeichnung von Vermerken und ähnliche Behelfe für die Sicherung des Beweises Sorge getragen werden.

In allen anderen Fällen ist eine förmliche Vertragsurkunde zu errichten. Dabei genügt eine Privaturkunde, soweit nicht durch Gesetz oder Anordnung der höheren Stelle im einzelnen Falle notarielle Beurkundung verlangt wird.«


Die vom Bauunternehmer zum Zeichen der Anerkennung unterfertigten allgemeinen und besonderen Bedingungen, Preisverzeichnisse, Kostenvoranschläge, Pläne und Baubeschreibungen bilden wesentliche Bestandteile des B. In der Regel hat der Unternehmer nicht nur eine Sicherstellung für die Einhaltung des Angebotes (Vadium), sondern auch eine Haftsumme für die genaue Erfüllung des B. (Kaution) zu leisten, deren Art und Höhe meist in der Ausschreibung festgesetzt ist.

Dem Unternehmer ist es gestattet, Teile der Bauausführung oder Baustofflieferungen an andere Unternehmer oder Lieferanten zu überlassen. Er bleibt aber dem Bauherrn für die genaue Erfüllung des Vertrages allein verantwortlich. Daher verkehrt der Bauherr nur mit dem Unternehmer oder dessen Bevollmächtigten. Ebenso haftet der Unternehmer für alle den B. berührenden Handlungen oder Unterlassungen seines Personals.

Je nach dem Umfange der der Bauvergebung zu gründe liegenden Vorarbeiten hat der Bauunternehmer entweder nur die Arbeiten nach dem ihm übergebenen ausführlichen Entwurf (Detailprojekt) auszuführen, oder selbst bei der Ausarbeitung des Entwurfs mitzuwirken, oder endlich ihn selbst zu bearbeiten.

Dem Bauunternehmer obliegt die Fürsorge für seine Arbeiter (s. Baukrankenkasse, Bauunfälle). Auch hat er in der Regel alle zur Ausführung seiner Arbeiten erforderlichen Baubuden, Schuppen, Maschinen, Gerätschaften, Beförderungsmittel, Werkzeuge u.s.w., ferner die zur Durchführung erforderlichen Hilfsbauten zu beschaffen und Lagerplätze, Steinbrüche, Gerüste, Rollbahnen, Zufahrwege u. dgl. herzustellen. In manchen Fällen ist es zweckmäßig, daß der Bauherr die Baubetriebsanlagen ganz oder teilweise selbst herstellt und dem Bauunternehmer nur zur Benutzung überläßt, so z.B. bei großen Tunnelbauten. Der Bauherr kann dann, falls der Unternehmer aus irgend einem Grunde zur Einstellung des Baues genötigt ist, über die Anlagen frei verfügen, auch ist ihre Ausgestaltung seinem Einflüsse mehr unterworfen. Ähnliches gilt von der Materialgewinnung und -ablagerung sowie von Wegebauten (s. Baueinleitung). Hinsichtlich der Beschaffenheit der zu verwendenden Baustoffe und deren Bezugsquellen pflegt der Bauherr seiner Bauleitung in den Verdingungsheften oder den Preisverzeichnissen mindestens eine Einflußnahme und Aufsicht vorzubehalten.

Wurde dem Unternehmer ein ausführlicher Entwurf (Detailprojekt) übergeben, so ist der Bau genau danach auszuführen. Abweichungen sind nur mit Zustimmung des Bauherrn oder seines Bevollmächtigten zulässig.

Falls während des Baues Arbeiten vorkommen, für die im Vertrage keine Preise vorgesehen sind, so ist durch eine Vertragsbestimmung vorzusorgen, daß dann auf der Grundlage der Vertragspreise der sich am meisten nähernden Arbeitsgattungen eine besondere Vereinbarung zu treffen ist. Der B. pflegt zu bestimmen, ob und inwieweit Vermehrungen oder Verminderungen einzelner Arbeitsgattungen ohne Änderung der vereinbarten Einheitspreise zulässig sind. Wenn der Unternehmer Mehrleistungen gegenüber dem Entwurf ohne vorheriges Einverständnis des Bauherrn ausführt, z.B. bessere Baustoffe verwendet oder größere und kostspieligere Gebäude ausführt als vorgeschrieben waren, so ist er als »Geschäftsführer ohne Auftrag« anzusehen, und es gebührt ihm eine Vergütung für derartige Mehrleistungen nur dann, wenn letztere klar zum überwiegenden Vorteil des Bauherrn dienen. Ist aber der überwiegende Vorteil des Bauherrn nicht klar, so ist er nicht zum Ersatz verpflichtet, er kann vielmehr verlangen, daß der Unternehmer auf seine eigenen Kosten die betreffenden Baustoffe oder Anlagen gegen Herstellung der entwurfgemäßen Bauwerke entfernt.

Der Bauunternehmer hat keinen Anspruch auf Ersatz für Schäden und Verluste, die ihm aus Nachlässigkeit, Mangel an Voraussicht, ungenügenden oder unrichtigen Maßnahmen erwachsen. Das gleiche bestimmen in der Regel die Vertragsbedingungen über Schäden, die durch widrige Umstände – störende klimatische und Witterungsverhältnisse, regelmäßige Hochwässer, schlechte Wege, mutwillige Beschädigungen u. dgl. – entstehen. Seuchen gehören, wenn sie nur eine Erschwerung der Arbeit und Erhöhung der Arbeitslöhne und der Baukosten herbeiführen, zu derartigen widrigen Umständen. Wenn jedoch infolge der Seuche von der Gesundheitsbehörde der Bau eingestellt wird, so ist dies als ein unabwendbarer Zufall anzusehen. Wen die Folgen eines solchen Zufalles treffen, bestimmen in der Regel die Vertragsbedingungen.

Der Unternehmer ist verpflichtet, die festgesetzte Baufrist (s.d.) einzuhalten. Für den Fall der Überschreitung der Frist sind meist Vertragsstrafen vorgesehen. Die Vertragsbedingungen bestimmen, wann ausnahmsweise die Baufrist verlängert wird. In der Regel hat der Bauherr das Recht, die rückständigen Arbeiten selbst auszuführen oder durch einen Dritten auf Gefahr und Kosten des Unternehmers ausführen zu lassen, wenn der Unternehmer den Vertrag in irgend einem Punkt nicht erfüllt und der Stand der Arbeiten eine nicht rechtzeitige Fertigstellung der Arbeiten befürchten läßt. Fälle höherer Gewalt (Kriegszustände, Elementarereignisse, Erdbeben u.s.w.), neuerdings zuweilen auch Streiks, entbinden den Bauunternehmer von seinen vertragsmäßigen Verpflichtungen auf Innnehaltung der Baufrist.

Die wesentlichsten Verpflichtungen des Bauherrn sind:

1. rechtzeitige Obergabe der Bauplätze, des Bauentwurfs und der abgesteckten Bahnlinie (ausgenommen beim Pauschalbau);

2. Abrechnung und Zahlung der Abschlagszahlungen in der vertragsmäßig bedungenen Weise.

Die Abrechnung wird auf Grund der wirklich geleisteten Mengen nach den während und nach der Bauausführung aufgenommenen Aufmaßen und Gewichten aufgestellt. Als Unterlage hierfür dient das Baubuch (s.d.). Zur Bemessung der dem Unternehmer zukommenden regelmäßig wiederkehrenden Abschlagszahlungen wird jedesmal (meist monatlich) ein Verdienstausweis aufgestellt. Aus den Teilabrechnungen wird nach Vollendung des Baues die Schlußabrechnung zusammengestellt, der die ermittelten Mengen und vertragsmäßigen Preise zu gründe zu legen sind.

Mehr oder minder ausführliche Bestimmungen über Form und Inhalt der B. finden sich in den Verwaltungsordnungen der deutschen Staatsbahnverwaltungen und der zugehörigen Neubauordnungen, ferner in den in den deutschen Staaten und in Österreich erlassenen Ministerialanordnungen über die Vergebung staatlicher Arbeiten und Lieferungen (s. auch Abnahme der Bahn, Bauangebot, Bauvergebung, Bauleitung, Baumängel, Baurechnung, Bausystem, Bauunternehmer, Verdingungswesen u.s.w.).

v. Enderes.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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