Buenos Aires' Schnellbahnen

Buenos Aires' Schnellbahnen

Buenos Aires' Schnellbahnen. Die argentinische Bundeshauptstadt zählte Ende 1910 eine Bevölkerung von 1∙3 Mill. Köpfen. Neben einem System leistungsfähiger Hauptbahnen, denen auch die Pflege des hauptstädtischen Vororteverkehrs obliegt, verfügt Buenos Aires für die örtlichen Zwecke vor allem über ein sehr ausgedehntes Netz elektrischer Straßenbahnen, die das Stadtinnere dicht erfüllen, nach dem Vorgange einiger elektrischer Vorortlinien (Quilmesbahn, Adroguébahn) ihre Arme aber auch mehr und mehr schon in die Umgebungen ausstrecken (vgl. Lageplan Abb. 107). Die Straßenbahnen beförderten im Jahre 1910 nicht weniger als 324 Mill. Personen. Der Straßenbahnverkehr hat mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, da in den inneren Bezirken die Straßen nur eine Fahrdammbreite von 6 m und Bürgersteigbreiten von 1∙5 m aufweisen, wie sie vom Begründer der Stadt im Interesse besseren Schutzes gegen die Sonne festgesetzt wurden. Diese Straßenzüge vermögen nur ein einziges Straßenbahngleis aufzunehmen; nur die breiteren Straßen außerhalb der Innenzone bieten Raum für zweigleisigen Betrieb. Die Spurweite der Straßenbahnen beträgt 1∙435 m, die Wagenbreite 2∙4 m.

Bei dem gewaltigen Umfang des Ortsverkehrs ist die Anlage von Stadtschnellbahnen auch in Buenos Aires zur Notwendigkeit geworden. An Entwürfen dafür hat es schon seit Jahren nicht gefehlt. Vor allem suchte die Westbahn von ihrem Einführungsbahnhof Once de Setiembre (kurz Once) unter der Rivadavia und Avenida de Mayo mit elektrischem Betrieb zum Hafen vorzudringen, um ihre Güterzüge auf kürzestem Wege in die Hafengleise zu überführen; nach Westen sollte die Linie in das bestehende Gleisnetz der Westbahn einmünden und gleichzeitig dem Vororteverkehr dienen. Am 7. Oktober 1909 wurde dieser Plan genehmigt, gleichzeitig der Antrag eines Bewerbers Namens Franke, eine zwischen Buenos Aires und La Plata zu errichtende elektrische Schnellbahn unterirdisch durch Buenos Aires nach den Hauptbahnhöfen zu Retiro zu führen und mit einer Seitenlinie an den Endbahnhof der Südbahn an der Plaza Constitución anzuschließen. Die Westbahnlinie beansprucht neben der Überführung von Güterzügen nach dem Hafen nur eine untergeordnete Bedeutung für den Personenverkehr. Sie wird die weite Spur von 1∙676 m erhalten, mit der außer den Westbahnlinien auch die Mehrzahl der übrigen in Buenos Aires einmündenden Hauptbahnen gebaut sind. Auch für die Frankesche Linie ist die Weitspur vorgesehen. Ausgesprochenen Stadtschnellbahn-Charakter hatte erst das am 20. Dezember 1909 genehmigte Schnellbahnnetz der Angloargentinischen Straßenbahngesellschaft, die jetzt im wesentlichen alle Straßenbahnunternehmungen der Bundeshauptstadt in sich aufgenommen hat. Die von ihr vorgeschlagenen Linien werden die Straßenbahnspur von 1∙435 m erhalten Sie sind auf 80 Jahre konzessioniert. Nach Ablauf der Genehmigungsdauer, die mit der der Straßenbahn ausläuft, geht das ganze Schnellbahnunternehmen mit allem Zubehör in betriebstüchtigem Zustande unentgeltlich in das Eigentum der Stadt Buenos Aires über, die im übrigen für die Zustimmung zur Straßenbenutzung eine jährliche Abgabe von 6 v. H. der Roheinnahme erhält. Zunächst kommen drei Schnellbahnlinien zur Ausführung, und zwar (vgl. Lageplan Abb. 107):

I. Eine Ostwestlinie, die, vom Regierungsgebäude an der Plaza de Mayo ausgehend, durch die Avenida de Mayo und Rivadavia nach dem Westbahnhof Once und von da durch die Avenida Rivadavia weiter nach Westen geführt wird. Der Bau dieser Linie wurde am 14. September 1911 begonnen, die Eröffnung soll am 1. Juni 1913 erfolgen.

II. Eine Südnordlinie, die, von dem Südbahnhof Constitución ausgehend, in nördlicher Richtung nach den Einführungsbahnhöfen der Zentralargentinischen und Pazifischen Bahn zu Retiro geführt wird; Eröffnung bis 31. Dezember 1914.

III. Eine Nordwestlinie, von der Plaza de Mayo nach der Plaza Italia führend; Eröffnung noch nicht feststehend.

Die Linien werden nach Art der Pariser Stadtschnellbahnen unabhängig voneinander betrieben, so daß an ihren Kreuzungspunkten umgestiegen werden muß.

Da die Strecke I in gleichem Linienzuge geführt ist wie die schon erwähnte Linie der Westbahn, ist der letzteren, die wesentlich für die Überführung von Güterzügen bestimmt ist, die untere Lage zugesprochen worden. Auf der Plaza Once de Setiembre erhalten die beiden Untergrundbahnen einen Gemeinschaftsbahnhof, in dem die Westbahn ihren Vorortverkehr mit der Angloargentinischen Ostwestschnellbahn austauscht, während Schienenverbindungen zwischen den beiden Linien schon mit Rücksicht auf die ungleiche Spurweite nicht in Frage kommen. An der Ostseite des Gemeinschaftsbahnhofes senkt sich die Westbahnlinie nach und nach zur Tieflage unterhalb der Linie I, die sie auf ganzer Länge beibehält.

Nur die Linie 1 des Angloargentinischen Schnellbahnnetzes verläuft unter so breiten – zum Teil erst in der neueren Zeit durchgelegten – Straßenzügen, daß sie durchweg in zweigleisigem Tunnel geführt werden kann. Die Südnordlinie muß mittels zweier eingleisiger Tunnel durch Parallelstraßen geführt werden, ebenso teilweise die Nordwestlinie, falls es nicht gelingt, eine schon seit geraumer Zeit geplante Diagonalstraße, wie im Lageplan angedeutet, zur Durchführung zu bringen.

Abb. 108 veranschaulicht die Kreuzung des Tunnels der Linie I mit einem der beiden eingleisigen Tunnel der Linie II. Zwischenstationen erhalten im allgemeinen Außenbahnsteige (Abb. 109), zu denen in der Bahnhofsmitte angeordnete Treppenläufe hinabführen. Abb. 110 zeigt die Anordnung der Untergrundstation am Bahnhof Once, Abb. 111 die Endigung der Ostwestlinie an der Plaza de Mayo.

Es besteht der Plan, die Züge aus einzelfahrenden Vorortstraßenbahnwagen von besonderer Bauart zusammenzustellen. Die aus den Vororten kommenden Wagen würden an den Tunnelmündungen, die an die Vorortstraßenbahnen mittels Übergangsrampen angeschlossen würden, zu Zügen von 7 Wagen zusammengestellt, die in der umgekehrten Richtung an den Rampenausfahrten wieder in Einzelwagen aufgelöst würden. Ob jedoch diese bisher unerprobte Betriebsweise mit Rücksicht auf die dabei auftretenden Betriebs- und Abfertigungsschwierigkeiten praktische Form annehmen wird, steht dahin.

Kemmann.

Abb. 107. Buenos Aires und seine Schnellbahnen.
Abb. 107. Buenos Aires und seine Schnellbahnen.
Abb. 108. Kreuzung der Linie I mit einem Gleis der Linie II.
Abb. 108. Kreuzung der Linie I mit einem Gleis der Linie II.
Abb. 109. Querschnitt einer Zwischenstation der Linie I.
Abb. 109. Querschnitt einer Zwischenstation der Linie I.
Abb. 110. Umsteigestation der Linie I und der Westbahn.
Abb. 110. Umsteigestation der Linie I und der Westbahn.
Abb. 111. Ostliche Endstrecke der Linie I.
Abb. 111. Ostliche Endstrecke der Linie I.

http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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