- Eisenbahnhoheit
Eisenbahnhoheit, Eisenbahnhoheitsrecht. Darunter wird in den Lehrbüchern des Staatsrechts und des Eisenbahnrechts vielfach die Gesamtheit der dem Staat den Eisenbahnen gegenüber zustehenden Rechte zusammengefaßt. Als solche Hoheitsrechte werden aufgezählt: das Recht der Eisenbahngesetzgebung, der Erteilung von Eisenbahnkonzessionen, der Überwachung von Bau, Verwaltung und Betrieb der Eisenbahnen, der Inanspruchnahme der Eisenbahnen für gewisse Zweige der öffentlichen Verwaltung (Militär, Post, Telegraphie, Zollverwaltung), das Recht des Ankaufs der Eisenbahnen für den Staat, das sog. Heimfallsrecht. Diese Rechte sind an sich durchaus verschiedenartig, auch wohnt ihnen in den verschiedenen Staaten, in denen sie gelten, nicht durchweg dieselbe Bedeutung bei. Welche Rechte in den einzelnen Staaten den Eisenbahnen gegenüber bestehen, von wem diese Rechte wahrgenommen werden, ob von der gesetzgebenden, ob bloß von der vollziehenden Gewalt, oder in absoluten Staaten von der Krone allein, darüber enthalten die Verfassungen und Gesetze der einzelnen Staaten die näheren Bestimmungen. Während in dem einen Staat z.B. die Anlage und Entwicklung der Eisenbahnen an die Mitwirkung der öffentlichen Gewalten gebunden sind, haben, allerdings seltener, die Gesetze anderer Staaten dieser Entwicklung fast unbeschränkten Spielraum gelassen. So ist in einzelnen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika eine besondere staatliche Genehmigung für den Bau von Privatbahnen nicht erforderlich, während in den europäischen Staaten die Anlage von Privatbahnen in der Regel einer Konzession bedarf, die entweder von der vollziehenden Gewalt (z.B. in Preußen, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden u.s.w.) oder durch besonderes Gesetz (z.B. in Großbritannien) erteilt wird. Auch die Aufsichtsrechte der Staaten über die Eisenbahnen sind verschiedenartig, sowohl in den Ländern des Privatbahnsystems, als insbesondere in den Ländern mit vorwiegend Staatsbahnen. In Bundesstaaten (z.B. dem deutschen Reich, den Vereinigten Staaten von Amerika) bestehen nebeneinander Hoheitsrechte der Bundesgewalt und des Einzelstaates, Rechte, die sich ergänzen, aber auch einander widersprechen können. Zur Wahrnehmung der bundesstaatlichen Hoheitsrechte sind besondere Behörden (im Deutschen Reich das Reichseisenbahnamt, in den Vereinigten Staaten das Bundesverkehrsamt [Interstate Commerce Commission], s.d.) eingesetzt.
Die E. kann wie die Justizhoheit, Polizeihoheit, Militärhoheit nur als eine ganz allgemeine Bezeichnung erachtet werden, die weder zur Förderung der wissenschaftlichen Einsicht in das Wesen der Eisenbahnen und ihres Verhältnisses zum Staat dient, noch für praktische Zwecke von besonderem Wert ist. Verwirrend ist es, wenn, was hie und da noch geschieht, (vgl. z.B. Eger, Handbuch des preußischen Eisenbahnrechts, § 7 ff., S. 26 ff.), in der E. eine besondere, den Beziehungen des Staats zu den Eisenbahnen eigentümliche Hoheit gesehen wird, wenn man insbesondere die E. im wesentlichen gleichbedeutend mit dem sog. Eisenbahnregal (s.d.) auffaßt. Die öffentlich-rechtlichen Beziehungen des Staats zu den Eisenbahnen werden vielmehr besser, klarer und richtiger eingesehen und verstanden, wenn man die Rechte des Staats nach den positiven Bestimmungen ein jedes einzeln für sich be trachtet und von einer Zusammenfassung der einzelnen Befugnisse unter einem gemeinsamen Namen absieht.
v. der Leyen.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.