Erdleitungen

Erdleitungen

Erdleitungen (earthwires; conducteurs à la terre; condutturi a terra) sind die Verbindungen elektrischer Leitungen mit der Erde. Da ein elektrischer Strom nur in einem geschlossenen Leiter zustande kommen kann, so muß für die elektrische Verbindung zwischen zwei Orten eine Hinleitung und eine Rückleitung vorhanden sein. Nach Steinheils Entdeckung im Jahre 1838 ist aber der besondere Draht für die Rückleitung entbehrlich, wenn dafür die Erde in den Leitungskreis eingeschaltet, d.h. die Leitung (Hinleitung) an beiden Enden mit der Erde verbunden wird. Die Kosten der Leitung verringern sich dadurch um nahezu die Hälfte. Diese Erdverbindungen oder E. müssen aber möglichst widerstandsfrei hergestellt werden; der Übergangswiderstand zwischen Leitung und Erde muß so klein sein, daß die Ströme aller an die E. angeschlossenen Leitungen voll aufgenommen werden können und die E. nicht den Anlaß bietet, daß Teile des zur Erde abzuleitenden Stromes von der einen in die anderen angeschlossenen Leitungen übergehen. Es genügt daher nicht, die beiden Enden des Leitungsdrahtes in die Erde zu versenken, sondern an die Leitungsenden sind große Metallplatten, sogenannte Erdplatten, zu befestigen (durch Vernietung und gute Verlötung), die in möglichst gut leitendes, d.h. dauernd feuchtes Erdreich, also möglichst bis unter den tiefsten Grundwasserstand einzugraben sind. Gewöhnlich werden Kupfer- oder Zinkplatten von 1 × 1 m Größe und 1 bis 2 mm Stärke, zuweilen auch Kupferdrahtgeflecht von entsprechenden Abmessungen verwendet. Eisenplatten sind deshalb weniger zu empfehlen, weil Eisen in der Erde verhältnismäßig rasch durch Rost zerstört wird. Kupfer und Zink halten sich dagegen in der Erde sehr gut; selbstverständlich dürfen sie nicht in säure- oder ammoniakhaltigem Boden verlegt werden.

Der Übergangswiderstand einer guten E. soll in der Regel nicht mehr als 10 Ohm betragen. In vielen Fällen aber ist dieses Ergebnis nur mit großen Schwierigkeiten zu erreichen; z.B. wenn der Grundwasserstand ein außergewöhnlich tiefer ist und kostspielige Brunnenbauten erforderlich sind oder wenn zur Erreichung des Grundwassers Felsmassen durchbrochen werden müssen. Befindet sich in der Nähe offenes Wasser (Bach, Fluß u.s.w.) so ist die Erdplatte am Ufer desselben zu verlegen. Läßt sich offenes oder Grundwasser nicht erreichen, so sind Platten von entsprechend größerer Oberfläche oder mehrere Platten an einer Sickerstelle des Tagewassers in zerkleinertem Koks zu verlegen. Kann auch auf diesem Wege eine genügende Erdverbindung nicht erreicht werden, so sind außerdem Anschlüsse an die Eisenbahnschienen oder Wasser- und Gasleitungen herzustellen. Dergleichen Anschlüsse allein sind jedoch als einwandfreie E. nicht anzusehen, weil bei Gleisinstandhaltungsarbeiten oder bei Erneuerung oder Veränderung der Rohrleitungen Unterbrechungen des Stromweges eintreten können. Überdies ist die Verbindung der Eisenbahnschienen untereinander und mit der Erde sowie die der Gasleitungsrohre untereinander wegen der Hanfdichtungen keine genügend innige. Brunnen, die Trinkwasser für Menschen und Vieh liefern, sollen aus Gesundheitsrücksichten zur Verlegung von Kupfer- oder zinkhaltigen E. nicht benutzt werden.

Die Erdplatte muß flach ausgebreitet oder hochkantig verlegt werden; die Versenkung der zusammengerollten Platte in ein Bohrloch ist ungenügend, weil dann nur ein kleiner Teil der Platte mit dem umgebenden Erdreich in unmittelbare Berührung kommt und somit der Übergangswiderstand ein zu großer ist.

Die Verwendung der Erde als Rückleitung für elektrische Leitungen ist gewissen Einschränkungen unterworfen. Für Starkstromleitungen eignet sich E. nicht, weil sie zu großen Widerstand in den Stromkreis bringt. Fernsprechleitungen werden in der Regel nicht an Erde angeschlossen, weil durch die E. abirrende Stromteilchen von elektrischen Bahnen und von mangelhaft isolierten sonstigen Starkstromanlagen oder auch Ströme, die durch die Polarisation der Erdplatten erzeugt werden, in die Fernsprecher gelangen und störende Nebengeräusche hervorrufen. Auch für kurze Telegraphen-, Block- u.s.w. Leitungen von weniger als 20 Ohm Widerstand bieten E. nur ungenügenden Ersatz für Rückleitungen, weil in diesem Falle der Widerstand der angeschlossenen Drahtleitungen kleiner ist als der Widerstand der Erdleitung, so daß störende Stromübergänge aus der einen Leitung in die andere nicht zu vermeiden sind, was z.B. bei Blockleitungen unbeabsichtigte Bewegungen der Blockfelder herbeiführen kann. Es ist deshalb unerläßlich, daß die E. der verschiedenen Betriebsstellen eines Bahnhofes durch eine besondere Drahtleitung untereinander verbunden werden.

An eine E. von nicht mehr als 10 Ohm Gesamtwiderstand sollen in der Regel nicht mehr als sechs Leitungen angeschlossen werden; der Anschluß weiterer Leitungen bedingt eine entsprechende Verringerung des Übergangswiderstandes durch Verlegung weiterer Platten.

Bei Verlegung mehrerer Platten für eine E. dürfen die Platten entweder nur flach nebeneinander oder bei hochkantiger Verlegung nur in Abständen von mindestens 5 m voneinander, keinesfalls so verlegt werden, daß eine die andere, wenn auch nur teilweise überdeckt.

Auch für Gebäudeblitzableiter (s. Blitzableiter) finden zur Verbindung der metallischen Ableitung mit der Erde die gleichen E. Verwendung wie beschrieben; sie bilden sogar den wichtigsten Bestandteil des Blitzableiters. Zu großer Übergangswiderstand der E. macht den ganzen Blitzableiter wertlos.

Die Aufnahmefähigkeit der E. kann durch Beschädigung oder durch unvorhergesehenes Sinken des Grundwasserstandes vermindert oder gar zerstört werden. Es ist deshalb unerläßlich, alljährlich einmal durch Messung festzustellen, ob der Übergangswiderstand sich noch unter dem zulässigen Höchstwert hält.

Fink.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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