- Übergangsbogen
Übergangsbogen (curves of adjustement; courbes de raccordement; curve di raccordo) werden zwischen geradem und gekrümmtem Gleis oder zwischen anschließenden gleichgerichteten Gleisbogen (Korbbogen) zur allmählichen Herbeiführung dieser Richtungsänderungen eingeschaltet, um bei den großen Fahrgeschwindigkeiten die Betriebssicherheit zu erhöhen, die Abnutzung des Materials (s. Schienenabnutzung) zu verringern und um schließlich das Reisen durch weitgehende Behebung des Stoßens und Schleuderns der Wagen angenehmer zu gestalten.
Zur Vermittlung der Richtungsänderung zwischen der Geraden und dem Kreisbogen würde sich theoretisch jede krumme Linie eignen, die in dem auf der Geraden liegenden Anfangspunkt A (Abb. 488) und in ihrem auf dem Kreisbogen befindlichen Endpunkt E die Gerade bzw. den Kreisbogen in zweiter Ordnung berührt, demnach in A einen Wendepunkt mit dieser Geraden als Wendetangente besitzt. Hieraus folgt, daß der Halbmesser ρ des Krümmungskreises im Anfangspunkt des Ü. unendlich groß sein muß und mit dem Fortschreiten auf dem Ü. stetig abzunehmen hat, bis er in deren Endpunkt E den Wert R des Halbmessers des anschließenden Kreisbogens erreicht.
Dieses Fortschreiten auf dem Ü. kann nun in erster Annäherung in der Richtung der wachsenden Abszissen gemessen werden und führt, sobald die Gerade als Abszissenachse und A als Ursprung eines rechtwinkligen Koordinatensystems angenommen werden, zu der grundlegenden mathematischen Beziehung
die ausdrückt, daß der Krümmungshalbmesser ρ in jedem Punkt des Ü. mit dessen Abszisse x in umgekehrtem Verhältnis steht.
Es kann aber, was der Bewegung der Fahrzeuge im Kreisbogen besser entspricht, das Fortschreiten in der Richtung der wachsenden Sehnen s des Ü. oder, im Sinne einer vollkommen strengen mathematischen Auffassung der Aufgabe, in der Richtung des wachsenden Bogens b des Ü. gemessen werden, so daß sich die weiteren Grundgleichungen
ergeben.
Max v. Leber hat eingehende Untersuchungen über die aus diesen 3 Differentialgleichungen hervorgehenden Kurven angestellt und sie als Abszissen-, Sehnen- und Bogenradioide bezeichnet. Die Abszissenradioide (Abb. 489) besteht aus 2 übereinandergestellten ellipsenähnlichen Ovalen, deren Achsenverhältnis 1 : 0∙5990 beträgt, die Sehnenradioide (Abb. 490) ist die bekannte Bernoullische Lemniskate, deren Achse unter 45° gegen die Abszissenachse geneigt ist, und die Bogenradioide (Abb. 491) ist identisch mit der Clothoide, einer Spirale, die in unendlich vielen Windungen den symmetrisch gelegenen Punkten mit den Koordinaten
asymptotisch zustrebt. Wichtig ist nun die Erkenntnis, daß im Bereich der praktischen Verwertung dieser 3 Kurven als Ü., d.i. bis zu einer Anomalie von ungefähr 9°, die Kurven voneinander gar nicht abweichen, ja daß sich sogar mit ihnen innerhalb dieser Grenze der allgemein in Verwendung stehende Ü. deckt, dessen Differentialgleichung aus jener der Abszissenradioide durch Vernachlässigung der ersten Ableitung hervorgeht, also wenn
gesetzt wird. Die zweimalige Integration gibt dann
die Gleichung der kubischen Parabel. Damit dürfte auch hinreichend erklärt sein, warum Vorschläge, die die Einführung der Lemniskate (Paul Adam in »Annales des Ponts et Chaussées« 1895) oder der Clothoide (d'Ocagne, ebenda 1902; in beiden Aufsätzen werden die Absteckdaten für diese Ü. berechnet) als Ü. befürworten, keinen Erfolg haben.
Da die kubische Parabel in dem Punkt mit den Koordinaten
und
einen Scheitel mit dem kleinsten Krümmungshalbmesser
hat, so ergibt sich erstens, daß der Halbmesser R des Kreisbogens den vorstehenden, für jedes C zu berechnenden Grenzwert nicht unterschreiten darf und daß zweitens, weil beiderseits dieses Scheitels gleiche Krümmungsverhältnisse bestehen, ein oszillierender Anschluß an einen Kreisbogen vor und nach diesem Scheitel erfolgen kann. Im ersteren Fall berührt der Ü. den Kreisbogen von außen, im letzteren von innen.
Obwohl theoretisch beide Lösungen zulässig erscheinen, wird tatsächlich nur von dem außen berührenden Anschluß Gebrauch gemacht und der innere mit einigen Abänderungen nur in jenen seltenen Fällen verwendet, wo örtliche Verhältnisse der nachträglichen Einschaltung eines Ü. in bestehende Eisenbahngleise besondere Schwierigkeiten bereiten. Hierüber findet man eingehenden Aufschluß in dem unten angegebenen Werk von Leber.
Unerläßlich ist für die Anbringung eines Ü. mit äußerem Anschluß, daß zwischen der Geraden und der zu ihr parallelen Tangente an den Kreisbogen im Punkt G (Abb. 488) ein Abstand v vorhanden ist, der entweder dadurch gewonnen werden kann, daß bei beibehaltenem Kreishalbmesser R der Bogen um den Betrag WW1 = v : cos γ/2 in der Richtung der Halbierenden des Tangentenwinkels γ nach innen verschoben wird oder dadurch, daß bei beibehaltenem Mittelpunkt C der Kreishalbmesser R1 um den Betrag v vermindert wird.
Da aus der Grundgleichung 1/ρ = x/C folgt, daß die Abszisse für den Endpunkt E des Ü.
xl = l = C/R
und somit bei der kubischen Parabel die Ordinate für E
sein muß, so rechnet sich der Abstand v, wie der Abb. 488 entnommen werden kann, mit
v = yl – R (1 – cos ξ),
wobei ξ den Winkel bezeichnet, den die gemeinschaftliche Tangente in E an den Kreis und an die kubische Parabel mit der Abszissenachse einschließt, für den die Beziehung
besteht. Die zur Ordinate v gehörende Abszisse u liefert die Formel
u = l – R ∙ sin ξ.
Nur in jenen Fällen, in denen der Winkel ξ so klein ist, daß es gestattet ist, seine trigonometrische Tangente mit dem Sinus zu vertauschen, kann, wie sonst allgemein üblich,
u = l/2
gesetzt werden und weil dann die Ordinate des Punktes E bezogen auf die Kreistangente in G angenähert gleich l2/8 R ist, so berechnet sich v mit
oder
Die Berechnung der Konstanten C folgt aus der Erwägung, daß die der größten Fahrgeschwindigkeit V in km/Std. und der Spurweite s entsprechende Schienenüberhöhung h (s.d.) des äußeren Schienenstrangs über den inneren am Endpunkt E des Ü. im vollen Ausmaß erreicht wird und daß der Anstieg im Anfangspunkt A des Ü. beginnend sich gleichmäßig auf eine solche Länge l verteilt, daß das Steigungsverhältnis 1/i in der Rampe innerhalb der Grenzwerte i = 300 und i = 600 liegt.
Das Ausmaß der Schienenüberhöhung rechnet sich nach der Formel
somit muß die Länge des Ü. in der Abszissenachse gemessen
sein, woraus sich die Beziehung ableitet, daß
C = i k
anzunehmen ist, und schwankt demnach dieser Wert zwischen 750 und 54.000, da k nach der beim Art. Schienenüberhöhung enthaltenen Tabelle (Bd. VIII, S. 334) zwischen den Werten 2∙5 und 90 variiert. Leber empfiehlt für C die Werte 750, 1500, 3000, 4500, 6000, 12.000 und 24.000, von denen die ersten 5 für schmal- und vollspurige Lokalbahnen, die letzten 2 für Hauptbahnen fast allgemein Annahme fanden.
Bei Bogen von größerem Halbmesser, etwa R > 1/10 C, werden Ü. nicht mehr verlegt.
Wird z.B. C = 12.000 für eine Hauptbahn angenommen, so beträgt die Abszissenlänge des Endpunktes E des Ü. für einen Bogen mit
die Bogenlänge
der Winkel ξ = 5° 29' 0∙9'' und demnach das Maß der Verschiebung v = 0∙392 m.
Nach den neuesten, vorläufig versuchsweise bei den österreichischen Staatsbahnen in Verwendung stehenden Vorschriften für die Ausführung der Ü. werden folgende Formeln zu grunde gelegt.
Hierbei ist der Anhaltspunkt des Ü. an die Gerade der Ursprung des Achsenkreuzes und die verlängerte Gerade die positive x-Achse (Abb. 492).
C wird der nachstehenden Tabelle gemäß bemessen:
Mindestfestziffer C.
Literatur: Helmert, Die Übergangskurven für Eisenbahngleise. Aachen 1872. – Maximilian de Leber, Calculs des Raccordements paraboliques dans les tracés de chemin de fer. Paris 1892; Verordnungsblatt des HM. für Eisenbahn- und Schiffahrt Nr. 102 und 131 vom Jahre 1890. – M. Pernt, Tafeln zum Abstecken von Kreis- und Ü. mit Polarkoordinaten und andere im Art. »Abstecken« angeführte Tabellenwerke. – H.K. Müller, Tafelbuch für Gleiskrümmungen. Hamburg 1917.
Pernt.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.