Kleiderkassen

Kleiderkassen

Kleiderkassen (messes d'habillement), Einrichtungen, die den Zweck haben, den Eisenbahnbediensteten die Anschaffung oder Erneuerung der Bekleidungsstücke, insbesondere der Dienstkleider in vorschriftsmäßiger Ausführung und guter Beschaffenheit, zu billigen Preisen und unter günstigen Zahlungsbedingungen zu ermöglichen. Abgesehen von K., die von den Bediensteten selbst als freie Genossenschaften errichtet und nur mittelbar von der Verwaltung unterstützt werden, sind hier die von den Eisenbahnverwaltungen als Hilfsanstalten errichteten und von ihnen verwalteten K. von besonderer Bedeutung. Diese K. umfassen meist alle oder doch wenigstens die überwiegende Mehrzahl aller zum Tragen einer Dienstkleidung verpflichteten oder berechtigten Bediensteten, teils als freiwillige, teils als Pflichtmitglieder und sind durch einheitliche Beschaffung des hierdurch bedingten großen Bedarfs an Kleidermaterialien (Stoffen u.s.w.) und Vergebung der Herstellung der Dienstkleider im großen befähigt, für die Abgabe der Dienstkleider die billigsten Preise festzusetzen. Außer den beim Eintritt zuweilen zu zahlenden Einlagen leisten die Mitglieder regelmäßige Beiträge, die gewöhnlich bei der Gehaltszahlung einbehalten werden; auf Grund seiner Beiträge kann das Mitglied Kleider innerhalb eines bestimmten Zeitraums jedesmal bis zu einem Höchstbetrage durch die K. zu den von dieser in der Regel einheitlich festgesetzten Preisen beziehen.

Für die Bediensteten der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft wurde am 1. April 1907 eine einheitliche K. errichtet, die ihren Sitz in Berlin hat und von dem Eisenbahnzentralamt daselbst verwaltet wird; bis zu dem genannten Zeitpunkt bestanden 12 Beamtenkleiderkassen mit örtlich getrennten Bezirken und selbständiger Verwaltung, deren Materialienbestände bei ihrer Auflösung von der neuen gemeinsamen K. gegen Erstattung des Wertes übernommen wurden. Die Kosten der gesamten Verwaltung trägt der Eisenbahnfiskus.


Die zur Herstellung der Dienstkleidung erforderlichen Materialien, teilweise auch fertige Dienstkleider, beschafft das Eisenbahnzentralamt für den ganzen Staatsbahnbereich. Der Abruf im einzelnen, die Abnahme und Bezahlung der Materialien erfolgt nach Anweisung des Zentralamts durch die zuständigen Eisenbahndirektionen für Rechnung der K. Für die Abnahme der Materialien und der fertigen Kleidungsstücke – die Anfertigung der letzteren veranlaßt in der Regel jede Direktion für ihren Bezirk – sind von jeder Direktion 5 Vertrauensmänner bestellt, von denen drei der K. angehören müssen; mit der Bearbeitung der Kleiderkassenangelegenheiten oder mit der Verwaltung der Kleidermagazine betraute Beamte dürfen nicht zu Vertrauensmännern bestellt werden. Ein Kleidermagazin für die Aufbewahrung und ordnungsmäßige Verwaltung der Materialien und Dienstkleider ist bei jeder Eisenbahndirektion errichtet und wird nach Maßgabe einer besonderen Kleidermagazinordnung verwaltet. Die Preise der Dienstkleider werden vom Zentralamt auf Grund der von den Eisenbahndirektionen anzustellenden Ermittlungen für den ganzen Staatsbahnbereich einheitlich festgesetzt und durch die Amtsblätter der Eisenbahndirektionen bekannt gemacht; sie werden von Zeit zu Zeit vom Zentralamt auf ihre Angemessenheit nachgeprüft und nötigenfalls anderweit festgesetzt.

Sämtliche zum Tragen einer Dienstkleidung verpflichteten Unterbeamten und Hilfsunterbeamten gehören der K. als Pflichtmitglieder an; sie sind verpflichtet, alle Dienstkleider von der K. zu beziehen. Außerdem sind die mittleren zum Tragen einer Dienstkleidung verpflichteten Beamten und die hierzu nicht verpflichteten Unterbeamten, sowie die Schrankenwärter und diejenigen Hilfsunterbeamten, denen das Tragen einer Dienstkleidung (Joppe) gestattet ist, berechtigt, ihre Dienstkleider aus der K. zu beziehen, obwohl sie nicht zu deren Mitgliedern gehören. Schließlich kann jedes Kleidermagazin auch nach Bestimmung der Eisenbahndirektion Kleiderstoffe u.s.w. in mäßigen Mengen an Eisenbahnbedienstete, ganz gleich, ob sie den vorgenannten Klassen angehören oder nicht, gegen Barzahlung abgeben. Die Mitglieder der K. haben laufende Beiträge zu entrichten, die bei Zahlung des Diensteinkommens in entsprechenden Teilbeträgen einbehalten werden, u.zw. die Unterbeamten jährlich 14∙40 M., die Hilfsunterbeamten 7∙20 M. Alljährlich wird vom Zentralamt nachgeprüft, ob die Höhe der Beiträge den jeweiligen Beschaffungskosten der Materialien und Dienstkleider entspricht; nötigenfalls werden die Beiträge auf Grund dieser Prüfung anderweit festgesetzt. Für jedes Mitglied der K. zahlt außerdem die Eisenbahnverwaltung einen Jahresbeitrag an die K, u.zw. für jeden Unterbeamten 30 M. und für jeden Hilfsunterbeamten 15 M.

Bis zum Betrage der von ihm geleisteten Beiträge und des verwaltungsseitigen Zuschusses hat jedes Mitglied der K. Anspruch auf Lieferung von Dienstkleidern nach seiner Wahl.

Überschreitet der Preis der entnommenen Dienstkleider den Jahresbetrag der Pflichtbeiträge und des Zuschusses, so wird der Mehrbetrag bis zur Höhe von 10 M. auf die Pflichtbeiträge und den Zuschuß des nächsten Etatsjahres angerechnet. Beträgt die Schuld eines Unterbeamten mehr als 10 M., so ist der gesamte den Jahresbetrag der Pflichtbeiträge und des Zuschusses überschreitende Mehrbetrag bis zu 15 M. sofort bar, im übrigen in vierteljährlichen Teilzahlungen innerhalb Jahresfrist zu entrichten. Beträgt die Schuld eines Hilfsunterbeamten mehr als 10 M., so ist sie mit 3 M. sofort, im übrigen in monatlichen Teilzahlungen innerhalb Jahresfrist zu decken. Bei Entnahme des ersten Bedarfs an Dienstkleidern können zur Deckung des gesamten Kostenbetrages die Pflichtbeiträge und der Zuschuß zweier Jahre, vom Beginn der Beitragsleistung als Unterbeamter wie als Hilfsunterbeamter an gerechnet, in Anspruch genommen werden. Wird ein Hilfsunterbeamter etatsmäßig angestellt, so wird der zu diesem Zeitpunkt sich aus Gegenüberstellung von Guthaben und Schuld ergebende Geldbetrag den ihm nach dem vorigen Satze zur Verfügung stehenden Pflichtbeiträgen nebst Zuschuß zu- oder abgerechnet.


Die übrigen zum Bezug von Dienstkleidern aus der K. berechtigten Bediensteten haben die Preise sofort bei der Entnahme der Dienstkleider mindestens bis auf einen Restbetrag von 60 M. bar zu entrichten; der Restbetrag kann ihnen gestundet, muß aber in vierteljährlichen Teilbeträgen von 15 M. von den Bediensteten, deren Diensteinkommen monatlich gezahlt wird, in monatlichen Teilbeträgen von 5 M. innerhalb Jahresfrist eingezogen werden. Aus Anlaß einer weiteren Entnahme von Kleidungsstücken ist eine erneute Stundung zulässig. Doch darf die gesamte Schuld den Betrag von 60 M. nicht übersteigen. Abgesehen von Ausnahmefällen, z.B. Deckung des ersten Bedarfs an Dienstkleidern, erfolgt die Bestellung der Kleidungsstücke seitens der Bediensteten durch Vermittlung des Dienstvorstehers an das Rechnungsbureau der Eisenbahndirektion und ihre Verausgabung durch das Kleidermagazin zu bestimmten von der Eisenbahndirektion festgesetzten Zeiten. Beim Ausscheiden eines Mitgliedes aus der K. werden überhobene Beiträge, die nicht zur Deckung eines Schuldbetrages Verwendung finden müssen, zurückgezahlt.

Am Ende des Etatsjahres 1912 gehörten der K. rund 167.000 zum Tragen einer Dienstkleidung verpflichtete Mitglieder an; die Ausgaben für Beschaffung der Stoffe betrugen im genannten Jahre über 6∙5 Millionen, die für Anfertigung der Dienstkleider über 2∙3 Millionen.

Auch bei den Reichseisenbahnen besteht eine K. für die Beamten der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen und Luxemburg. Die Geschäfte der Kasse werden auf Kosten der Reichseisenbahnen von der Kleiderkassenverwaltung, einer Abteilung des Materialienbureaus der Generaldirektion in Straßburg, besorgt. Die Kleiderkassenverwaltung vergibt die Lieferung fertiger Dienstkleider an einen Unternehmer, der seinerseits selbst die Bestellungen seitens der Mitglieder der K. an deren Stationsort entgegennimmt; die fertigen Dienstkleider sind jedoch sämtlich an das Betriebsmaterialienhauptmagazin in Bischheim abzuliefern, wo sie allmonatlich durch eine von der Generaldirektion hierzu bestellte Kommission auf ihre Güte und vorschriftsmäßige Ausführung geprüft, abgenommen und an die bestellenden Beamten versendet werden. Die Bezahlung des Unternehmers besorgt die K.

Außer Pflichtmitgliedern, die ihren Bedarf an Dienstkleidung nur durch die K. zu beschaffen haben, kennt diese auch freiwillige Mitglieder. Zur Mitgliedschaft verpflichtet sind gewisse Beamtenklassen einschließlich der nicht etatsmäßigen Unterbeamten – Diätare – dieser Klassen. Allen übrigen zum Tragen von Dienstkleidung verpflichteten oder berechtigten Beamten wird der Beitritt zur K. gestattet. Für diese freiwilligen Mitglieder gelten dieselben Bestimmungen, wie für die Pflichtmitglieder.

Außer den genannten K. sind solche noch bei den badischen StB., bei einzelnen österreichischen Eisenbahnen (z.B. bei der Aussig-Teplitzer Eisenbahn), bei den belgischen und italienischen Staatsbahnen errichtet; andere Eisenbahnverwaltungen gewähren ihren Bediensteten Zuschüsse zur ersten Ausrüstung oder überhaupt zur Beschaffung der Dienstkleidung oder liefern die Dienstkleider unentgeltlich (s. hierüber: Dienstkleid).

Matibel.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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