Materialprüfungen

Materialprüfungen

Materialprüfungen. Aufgabe der M. ist die – womöglich ziffernmäßige – Feststellung der Eigenschaften der im Maschinen- und Bauingenieurwesen verwendeten Bau- und Verbrauchsstoffe, soweit diese Eigenschaften technisch in Betracht kommen. Da die Baustoffe größtenteils den Zweck haben, mechanischen Kräften zu widerstehen, so sind es hauptsächlich physikalische Eigenschaften, deren Feststellung notwendig ist, vor allem Festigkeit und Formänderungsfähigkeit. Bei der Untersuchung auf Dauerhaftigkeit gegen atmosphärische Einflüsse (Rauchgase, Gewässer) ist allerdings die Feststellung der chemischen, bzw. der strukturellen Konstitution sehr wichtig.


Da die Versuchsergebnisse von der Art der Versuchsausführung in vielen Belangen abhängig sind, war man von Anfang an bestrebt, die Durchführung der M. international einheitlich zu regeln. Der Kongreß in Brüssel (1906) genehmigte die Vorschläge für die Prüfung der Metalle, der hydraulischen Bindemittel, des Holzes, der Ton-, Steinzeug- und Betonrohre. In Kopenhagen (1909) wurden Beschlüsse gefaßt hinsichtlich der Konstruktion der Maschinen für die Kerbschlagproben (Pendelhämmer) und bezüglich der Durchführung beschleunigter Raumbeständigkeitsproben bei Zementen (nach Le Chatelier).


Man unterscheidet Proben zur Ermittlung der Qualitätsziffern des Materials an sich und Versuche mit den zum Gebrauch fertigen Stücken, z.B. Radreifen. Gelangt jedes Stück zur Erprobung, so spricht man von Stückproben; werden wahllos einzelne Stücke geprüft (etwa 2% der Gesamtzahl), so hat man es mit Stichproben zu tun. Wenn die Erprobungen nicht zu wissenschaftlichen Zwecken erfolgen, sondern zwecks Materialübernahme, geschieht dies entsprechend den Lieferungsbedingungen. Die Erprobungen finden häufig an der Erzeugungsstätte (Eisenwerk) statt. Viele Bahnen besitzen jedoch gut eingerichtete Versuchsanstalten oder wenden sich in strittigen Fällen an öffentliche Versuchsämter.

Die Proben sollen dem Verwendungszweck der Materialien möglichst angepaßt sein; aus diesem Grund treten die physikalischen, bzw. die mechanisch-technischen Erprobungen gegenüber der chemischen Analyse in der Regel sehr in den Vordergrund. Auch kann die chemische Analyse z.B. bei Eisen, Zement ganz normale Werte liefern und die Ware dabei wegen schlechter Wärmebehandlung oder falscher Aufbereitung unbrauchbar sein. Proben, die dazu dienen, die Bearbeitungsfähigkeit eines Materials beim Schmieden, Pressen, Ziehen, Stanzen oder dessen Verhalten bei Abnutzungen im Betrieb (Schienen, Pflastersteine) beurteilen zu lassen, wobei manchmal das Versuchsergebnis nicht ziffernmäßig, sondern in der Form »bestanden« oder »nicht bestanden« (Kochproben, Aufdornproben, bei Zementen Raumbeständigkeit) angegeben wird, heißen »technologische« Proben.

Die Prüfung der Materialien findet entweder an Universal- oder Spezialmaschinen statt, je nachdem diese für eine Reihe von Erprobungen verschiedener Art (z.B. Zug, Druck, Biegung und Torsion) oder nur für ein einziges Versuchsverfahren eingerichtet sind. Maschinen mit kleinerem Kraftbedarf werden oft von Hand aus, solche mit großem maschinell oder durch einen Akkumulator betrieben. Von größter Wichtigkeit ist die genaue Kraftmessung, die durch Manometer, Meßdosen, Pendel-, Hebel- oder Federwagen vorgenommen wird. Bewährt haben sich die hydraulischen Maschinen von Amsler mit sorgfältig eingeschliffenen Kolben nach System Amagat. Je nach der Lage des Probestabs, bzw. des Probekörpers unterscheidet man auch liegende und stehende Maschinen. Manche Maschinen sind mit Vorrichtungen ausgerüstet, die die Formänderungen des Versuchsstücks selbsttätig verzeichnen.

Im Eisenbahnwesen werden durchgeführt: bei Schienen Zerreiß- und Schlag-, auch Härteproben, bei Brückentragwerken aus Eisen Zerreiß- und die technologischen Proben, bei Nieten und Nieteisen Zerreiß-, Stauch-, Scher- und Hammerproben, bei Achsen und Radreifen Zerreiß- und Schlagproben, bei Federn Proben unter schwingender Belastung, bei Werkzeugstahl Härteproben, bei Draht für Telegraphen- und Telephonleitungen Zerreiß- und technologische Proben, bei Lampenzylindern Proben auf Stoß und Widerstandsfähigkeit gegen ungleichmäßige Erwärmung.

Neben den Baustoffen werden auch die Verbrauchsmaterialien erprobt; so z.B. Schmieröle mechanisch auf Zähigkeit und Schmierfähigkeit, chemisch auf schädliche Beimengungen (Säuregehalt); Brennstoffe auf Heizwert.

Bei den M. handelt es sich meist um die Festigkeitseigenschaften, um Zug-, Druck-, Biege-, Torsions-, Scher- und Schubfestigkeit, um Härte, Zähigkeit, Abnutzbarkeit, dann auch um die Ermittlung der elastischen Eigenschaften und der Formänderungsfähigkeit, also Elastizitätsmodul, Elastizitätsgrenze, Fließ-, bzw. Streckgrenze, Dehnung und Einschnürung. Das Aussehen der Bruchfläche (sehnig, faserig, körnig, blättrig, matt, glänzend) und die Änderung der Oberfläche während des Versuchs (Matt- und Krispeligwerden) können bei Berücksichtigung der Art der Versuchsausführung gleichfalls Anhaltspunkte für die Beurteilung des Materials bieten. Grundsätzlich können nur Qualitätsziffern miteinander verglichen werden, wenn sie sich auf Versuchskörper gleicher Größe (Normalstäbe, Normalwürfel) oder zumindest auf Probekörper geometrisch ähnlicher Abmessungen beziehen (Proportionalstäbe, Ähnlichkeitsgesetz). Will man durchschnittliche Qualitätsziffern für das Material erhalten, so wähle man zur Prüfung möglichst große Versuchskörper; ist die Qualität an bestimmten Stellen (Einfluß von Seigerungen, Schweißungen, Lötungen) zu bestimmen, so müssen die Probekörper klein sein. Allzu kleine Versuchsstücke sind jedoch gegenüber der Kaltbearbeitung bei deren Herstellung empfindlich, auch scheinen, trotz des festen Zustandes, Oberflächenspannungen vorhanden zu sein, die die Versuchsergebnisse beeinflussen. Die mechanische Vorbehandlung (Kalt- und Warmbearbeitung) des Materials und die Temperatur, bei der die Versuche durchgeführt werden, sind von Einfluß auf die Festigkeits- und Deformationswiderstände; ebenso die Länge der Zeit, während welcher die Belastung wirkt, und die Geschwindigkeit, mit der sie gesteigert wird.

Als wichtigste Probe gilt bei den Metallen die Zugprobe. Durch den Zugversuch werden bestimmt: die Elastizitäts-, Proportions-, Streckgrenze und die Zugfestigkeit. Man ermittelt ferner an den Bruchstücken des Stabes die auf eine bestimmte (zur Querschnittsgröße in Beziehung stehende) Länge des Stabes bezogene Verlängerung (Bruchdehnung) und an den Bruchstellen den Querschnittsverlust gegenüber den Abmessungen vor Beginn des Versuchs (Einschnürung). Elastizitäts- und Proportionsgrenze sowie der Elastizitätsmodul werden mit Präzisionsinstrumenten, den sog. Spiegelapparaten, bestimmt. Die Überschreitung der Streckgrenze kann durch direktes Ausmessen und auch durch Thermoelemente beobachtet werden.

Zur Bestimmung des Druckversuchs benutzt man hydraulische Pressen, zwischen deren Druckplatten der zu prüfende Körper (meist ein Würfel oder ein gleichseitiger Zylinder) gestellt wird. Eine der Platten ist kugelig gelagert, so daß sie sich den Druckflächen des Probekörpers anpassen kann, wenn diese zwar eben, aber zueinander nicht parallel sind. Was als Druckfestigkeit von Gesteinen und hydraulischen Bindemitteln angegeben wird, bezieht sich auf würfelförmige Probekörper und nicht geschmierte Druckkörper; durch Schmierung der Druckflächen kann man bei Steinen den Bruch mit der halben Last erreichen, die bei ungeschmierten Druckflächen erforderlich ist.

Für spröde Körper liefert der Biegeversuch ein verläßlicheres Maß für die Kohäsion als der Zugversuch, da solche Körper gegen kleine Exzentrizitäten, wie sie bei der Einspannung der Zugkörper in die Zerreißmaschine unvermeidlich sind, sich sehr empfindlich zeigen. Auch die Sprödigkeit des Materials wird durch Biegeproben, zumal wenn die Probestücke gekerbt werden, viel sicherer angezeigt als durch Zugproben.

Die verschiedenen Erprobungen, wie Zug-, Druck-, Biege- und Scherversuche, lassen sich nicht nur »statisch«, das ist bei kleinen Formänderungsgeschwindigkeiten, sondern auch bei großen, also »dynamisch« vornehmen. Für dynamische Beanspruchungen, wie sie gerade im Eisenbahnwesen häufig sind, ist die Bewertung der Baustoffe nach den durch statische Proben erhaltenen Wertziffern unzulänglich. Eisenstäbe, die so spröde sind, daß sie durch schwache Schläge zerbrochen werden können, zeigen ganz schöne Festigkeiten und Dehnungen. Für die dynamischen Proben verwendet man Schlagwerke oder Pendelhämmer.

Die Prüfung der Härte (Schienen) wird nach der Brinellschen Eindruckprobe vorgenommen. Da bei ähnlichen Metallsorten die Härteziffer annähernd proportional ist der Zugfestigkeit, so gestatten einzelne Eisenbahnverwaltungen, die Zugversuche zum Teil durch Kugeldruckproben zu ersetzen. Zur Homogenitätsprüfung ist die Brinellprobe sehr geeignet, ebenso wie die – vielleicht noch bequemere – Messung des Rücksprungs eines auf die zu erprobende Fläche fallenden Fallgewichts mit dem Skleroskop von Shore. Eine andere Art der Härtebestimmung ist die durch Ermittlung des spezifischen Kraft-, bzw. Arbeitsaufwandes beim Bohren (Bohrhärte). Besonders zur Prüfung des Gesteins hat sich diese Methode mehrfach eingebürgert. Bei Härtebestimmungen von Gußeisen hat man gelegentlich die Methode der. Wirkungsart der Stoßbohrer angepaßt und die Bohrung stoßweise mit jedesmaliger ruckweiser Drehung der Bohrschneide durchgeführt. Für den Fortschritt des Stollenvortriebs im Tunnelbau ist die Kenntnis der Bohrhärten von größter Bedeutung.

Zur Bestimmung der Abnutzung (Schienen, Randbandagen, Bremsklötze) hat man verschiedene Maschinen (Derihon, Amsler) gebaut und gefunden, daß die Härteziffer keinen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Abnutzbarkeit bietet. Während z.B. bei Flußeisen (Schienenstahl) die Streckgrenze, Härte und Zugfestigkeit wesentlich mit dem Kohlenstoffgehalt – wenigstens bis 0∙9% Kohlenstoff – steigt, ist die Abnutzbarkeit innerhalb weiter Grenzen vom Kohlenstoffgehalt unabhängig. Zusätze von Mangan, Silizium und Chrom vermindern die Abnutzung bedeutend.

Als die wirtschaftlichen Vorteile des hochgespannten und überdies hoch überhitzten Dampfes gegenüber dem niedriggespannten und nassen Dampf bekannt wurden, ergab sich für die Materialprüfung die Aufgabe, das Verhalten der Metalle bei hohen Temperaturen zu prüfen, und man baute eine Reihe von Apparaten, die dies ermöglichten.

Die durch das Eisenbahnwesen angeregten Versuche bei millionenfach wiederholten Inanspruchnahmen haben ergeben, daß es für jedes Material eine Grenze gibt, innerhalb der es ungezählte Beanspruchungen und Entlastungen verträgt, innerhalb der es nicht »ermüdet«. Krupp in Essen hat eine Materialprüfungsmaschine gebaut, bei der eingedrehte Rundstäbe stoßweise auf Biegung beansprucht werden. Nach jedem Schlag wird der Stab automatisch um 180° gedreht. Die Anzahl der Schläge bis zum Bruch gilt als Qualitätsziffer. Für Eisenbahn- und Automobilmaterialien sind derlei Proben sehr wichtig. Wie empfindlich die Metalle sind, geht daraus hervor, daß polierte Stäbe gegenüber wiederholten Beanspruchungen widerstandsfähiger sind als nur glatt gedrehte.

Während die Maschinen von Wöhler den Belastungswechsel relativ langsam vornahmen, hat man in neuerer Zeit solche für sehr rasche Spannungsänderungen gebaut. So erlaubt die freilich nur für geringe Belastungen verwendbare, elektrisch betriebene Maschine von Knapp in Birmingham bei Benutzung eines Wechselstroms von 50 Perioden, die Belastungen in einer Stunde 360.000mal zu wechseln.

Zur Untersuchung des inneren Aufbaues der Metalle, also zur optischen Diagnostik (Metallographie) dienen Mikroskope eigener Bauart. Da bei Metallen nicht wie bei Gesteinen Dünnschliffe hergestellt werden können, sondern im auffallenden Licht gearbeitet werden muß, findet die Lichtzuführung durch das (kurzgefaßte) Objektiv statt; derartige Konstruktionen stammen von Martens (Zeiß, Jena) und Le Chatelier (Dujardin & Co., Düsseldorf).


Größere Eisenbahnverwaltungen haben vielfach besondere Versuchsanstalten für die Durchführung von Materialproben eingerichtet. So besitzt die preußische Staatseisenbahnverwaltung eine Eisenbahnversuchsanstalt in Berlin zur Vornahme chemischer Untersuchung von Stoffen zum Bau der Fahrzeuge sowie von Oberbau- und Betriebsmaterialien u.s.w.

Bei den österreichischen Staatsbahnen ist für umfangreichere Materialproben ein Laboratorium bei der Nordbahndirektion in Wien eingerichtet.

Größere Versuchsanstalten besitzen ferner die französische Ostbahn in Paris, die russischen Eisenbahnen (insbesondere die Südwestbahn in Kiew) u.s.w.

Literatur: Beschlüsse der Konferenzen zu München, Dresden, Berlin und Wien über einheitliche Untersuchungsmethoden bei der Prüfung von Bau- und Konstruktionsmaterialien auf ihre mechanischen Eigenschaften. München 1893.

Leon.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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