- Eisenbetonbauten
Eisenbetonbauten (reinforced concrete structures; constructions en béton armé; costruzioni in calcestruzzo armato) stellen die verschiedenartigste Anwendung des Eisenbetons im Bauwesen dar. Wohl kein anderer Baustoff hat eine so weitverzweigte Anwendung gefunden. Die Anwendungsgebiete des E. sind: Herstellung von Fundamenten (s. Gründungen), von Säulen und Stützen, Wänden, Decken, Gewölben, Kuppeln, Dächern und Treppen, Ummantelungen, Bau ganzer monolithischer Gebäude als Lager-, Geschäfts- und Fabrikshäuser, von Silos, ferner Herstellung von Balken- und Bogenbrücken (s. Eisenbetonbrücken), von Durchlässen (s. Durchlässe), Kanälen und Tunnel, von Stütz-, Futter- und Staumauern, Uferverkleidungen, Buhnen, von Wasserbehältern runder und rechteckiger Form, von Gasbehältern und Bunkern, von transportablen Gefäßen, Röhren, Brunnen, von Pfählen, Spundwänden, Eisenbahnschwellen, Schornsteinen u.s.w. Von den wichtigsten Gebieten sei der Deckenbau kurz erwähnt. Die Eisenbetondecken lassen sich einteilen in Platten zwischen eisernen Profilträgern, in Plattenbalkendecken, in Hohlkörperdecken und in Balkendecken ohne Schalung.
Werden Platten auf eiserne Profilträger gelagert, so kann dies am Unter- oder Oberflansch geschehen; die übliche Verlagsweite der Profilträger ist 1∙5–2∙5 m; bei größerer Verlagsweite werden Moniergewölbe zwischen die Träger gespannt (Abb. 28). Eine besondere Decke dieser Art ist die Koenensche Voutendecke, in der die Eiseneinlagen der Platte um den Oberflansch geschlagen sind, dadurch eine bessere Einspannung am Auflager hervorrufen (Abb. 29) und daher bis zu ganz beträchtlichen Freilagen ausgeführt werden.
Die Plattenbalkendecken bestehen aus der Platte, den Rippen (Querträgern) und bei größeren Ausmaßen aus den Unterzügen (Hauptträgern) und Säulen (Abb. 31). Sie werden im Lager-, Magazins- und Fabrikbau in der Regel, im Wohnhausbau dagegen wegen ihrer geringen Wärmehaltung und guten Schalleitung nicht verwendet. Die Hohlkörperdecken bestehen aus beliebig geformten hohlen Körpern (aus gebrannten Ziegeln, Beton, aus Holzformen mit Rohr- und anderweitigem Geflecht), die auf einer Schalung senkrecht zu den tragfähigen Mauern in engen Abständen verlegt werden, so daß kleine Zwischenräume von 6–10 cm übrig bleiben, in die dann die Eiseneinlagen verlegt werden. Die ganze Decke wird sodann mit einem plastischen Beton ausgefüllt (Abb. 30). Die Balkendecken ohne Schalung bestehen der Hauptsache nach aus erhärteten Eisenbetonhohlbalken, die an der Baustelle Mann an Mann verlegt werden und außerdem dann noch durch eine gemeinsame schwache Betonplatte, die in verschiedenartig geformte Nuten der Hohlbalken eingreift, verbunden werden, wodurch eine monolithische Deckenkonstruktion entsteht. Von den verschiedenen Systemen seien erwähnt jene von Visintini, Siegwart, Herbst u.s.w.
Bei Fabrik- und Magazinsbauten wird in der Regel ein sog. Skelettbau ausgeführt, derart, daß alle tragenden Konstruktionsglieder, wie Säulen, Unterzüge und Decke, in Eisenbeton fertig hergestellt werden und die Ziegelmauern erst nachträglich als Füllmauerwerk eingebaut werden (Abb. 32). Hierbei kann jede Decke mit den zugehörigen Säulen statisch gesondert behandelt werden. In neuester Zeit führt man Stockwerksrahmen aus, bei denen die in gewissen Entfernungen, etwa 4–6 m, angeordneten Säulen mit den dazwischen in Deckenhöhe liegenden Riegeln (Unterzüge) als statisch zusammenhängend behandelt werden. Auf den Unterzügen lagert die eigentliche Deckenkonstruktion (Plattenbalken- oder Hohlkörperdecken).
Mit Vorliebe wird der Eisenbeton bei den verschiedensten Hallenbauten verwendet, so u.a. bei Bahnhof-, Zwischenperronhallen u.s.w. Es gelangen hierbei immer zwei- oder mehrstielige Rahmenbinder zur Ausführung. Bei kleineren und mittleren Spannweiten werden die Ständer am Fuße eingespannt, während diese bei größerer Lichtweite mit Fußgelenken, oft auch mit einem Scheitelgelenk ausgeführt werden.
Abb. 33 stellt den Querschnitt durch die 12 m breiten Hallen des Bahnhofes Langendreer dar, die 1907 erbaut wurden. Abb. 34 zeigt den Querschnitt des Güterschuppens im Hauptbahnhofe Dortmund einen 3stieligen Rahmen mit Fußgelenken. Da die Fundamente sehr tief zu liegen kamen, so mußte der bei solchen Konstruktionen auftretende Horizontalschub durch unter dem Boden liegende Eisenbetonbalken aufgenommen werden. In derselben Abbildung ist auch eine Winkelstützmauer aus Eisenbeton zu sehen, deren Vorteil darin besteht, daß zu ihrer Standsicherheit nicht nur das Eigengewicht des Mauerquerschnittes herangezogen wurde, wie dies bei den sonst üblichen vollen Bruchstein- und Stampfbetonmauern der Fall ist, sondern auch das Gewicht der über den wagrechten Winkelschenkel ruhenden Hinterfüllung. Die beiden Winkelschenkel einer solchen Mauer sind dabei als Kragträger aufzufassen. Da solche Kragkonstruktionen bei größeren Höhen ziemlich starke Ausmaße erhalten, werden höhere Winkelstützmauern mit Rippen versehen, so daß sowohl die senkrechte Wand als auch die Sohlplatte als ein über die Rippen durchgehender oder daselbst eingespannter Träger aufgefaßt wird.
Die Behälter werden entweder versenkt oder unmittelbar auf den Boden aufruhend oder auf eigenen Traggestellen als Hochbehälter oder Wassertürme ausgeführt. Abb. 35 gibt eine schematische Skizze eines solchen Hochbehälters, der nach dem System Intze ausgebildet erscheint, für eine Füllung von 500 m3 vorgesehen ist und bei den Wasserstationen der italienischen Staatsbahnen in Anwendung steht.
Literatur: Handbuch für E. 1. Aufl., Bd. IV, Teil 1; Bd. IV, Teil 2, Hochbau; 2. Aufl. Bd. III, Grund- und Mauerwerksbau. 1910; Bd. IV, Wasserbau. 1910; Bd. V. Flüssigkeitsbehälter, Röhren, Kanäle. 1910; Bd. VII, Eisenbeton-, Tunnel- und Bergbau. 1912, Berlin. – Kersten, Der E. 6. Aufl., Teil II, Anwendungen im Hoch- und Tiefbau, 1912, Berlin. – Mörsch, Der Eisenbetonbau. 4. Aufl., 1912, Stuttgart. – Saliger, Der Eisenbeton. 3. Aufl., 1911, Leipzig. – Zeitschriften: Beton und Eisen, Berlin, Wien; Armierter Beton, Berlin.
Nowak.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.