Schwebebahnen

Schwebebahnen

Schwebebahnen (suspended railways; chemins de fer suspendu; ferrovie suspese). Zum Unterschied von den Standbahnen liegt bei den S., die richtiger als »Hängebahnen« bezeichnet würden, der Schwerpunkt der Fahrzeuge unterhalb des tragenden Gleises, das in der Regel einschienig ist. S., bei denen die tragenden Schienen durch Drahtseile (Tragseile) ersetzt sind, werden zu den »Seilhängebahnen« (s.d.) gerechnet.

Auch werden Anordnungen als S. bezeichnet, bei denen der Schwerpunkt des Fahrzeugs über oder neben den tragenden, auf Eisenrüstungen befestigten Schienen liegen, wie das z.B. bei den Bauarten von Beyer, Cook, Boynton, Kearny u.s.w. der Fall ist. Diese Anordnungen sollen aber hier nicht besprochen werden.

Bei den S. können außer den tragenden Schienen noch Führungen und Unterstützungen vorhanden sein, die die schwingenden Bewegungen der Fahrzeuge verhindern und die tragende Schiene entlasten sollen, oder aber, was richtiger erscheint, die Fahrzeuge hängen frei auf der tragenden Schiene, so daß ihr Ausschwingen möglich ist.

Zu den erstgenannten Anordnungen gehören die Bauarten von Lartigue, Behr, Dietrich, Enos und Perlay-Hale, Romanow u.a.

Nach der Bauweise Lartigue (s. Abb. 306 u. 307) sind außer der Tragschiene noch 2 Stützschienen vorhanden, gegen die sich Rollen stützen, die den Zweck haben, die schwingende Bewegung der Fahrzeuge zu verhindern.

Bahnen nach Lartigues Bauweise sind mehrfach ausgeführt in London, in Irland, in den Pyrenäen, in Tunis u.s.w., zuletzt anläßlich der 1914 in Genua veranstalteten Marineausstellung eine 2230 m lange Verbindungsbahn zum Hafenbecken (Abb. 307).

Bei der Bauweise Behr (Abb. 308) sind, statt 2, 4 Stützschienen vorhanden in der Absicht, mehr Sicherheit bei größeren Fahrgeschwindigkeiten erzielen zu können. Auf der Brüsseler Ausstellung 1896 war eine Versuchsbahn im Betrieb und wurde darnach eine Schnellbahn von Liverpool nach Manchester in Aussicht genommen.

Da es große Schwierigkeiten bereitet, 3 bzw. 5 in verschiedenen Ebenen liegende Schienen genau nach dem gleichen Krümmungshalbmesser zu biegen und zu verlegen, daher eine richtige Gleislage und der Anschluß so vieler Räder und Stützrollen (Bauweise Behr 20 Räder und 8 Kontakträder) praktisch kaum möglich ist, so sind infolge der fortwährenden Änderung der Gleichgewichtslage erhebliche Seitenstöße unausbleiblich. Große Geschwindigkeiten und vollste Sicherheit des Verkehrs sind deshalb bei den genannten Anlagen nicht zu erreichen.

Da auch die Bau- und Betriebskosten recht beträchtliche werden, so erscheinen diese Anordnungen für ausgedehnte Verwendung kaum geeignet.

Auch bei den Bauweisen von Dietrich (Abb. 309), Enos (Abb. 310), Perlay-Hale (Abb. 311) und Romanow sind außer den Tragschienen noch besondere Schienen vorhanden, gegen die sich Rollen stützen, die eine zwangläufige Führung bedingen und ein freies Ausschwingen der Wagen hindern. Einzelheiten dieser Bauweisen, die über Versuchsanlagen kaum hinausgekommen sind und zu ausgedehnterer Verwendung nicht gelangen werden, finden sich im Art. Einschienenbahnen, Bd. IV.

Zu den zweitgenannten Anordnungen gehören hauptsächlich die Bauweisen von Eugen Langen, Mähl und die sog. Elektrohängebahnen von Bleichert und Pohlig.

Eine Anordnung der Bauweise E. Langen zeigen die Abb. 312 u. 313.

Die Fahrzeuge mit 2 Räderpaaren hängen und laufen hierbei frei auf einer Schiene; eine weitere Unterstützung oder Führung findet nicht statt; die Wagen stellen sich daher in den Krümmungen unter dem Einfluß der Fliehkraft selbsttätig und stoßfrei ein, so daß die Fahrenden nichts von der Änderung der Gleichgewichtslage merken. Da deren plötzliche Änderung um einen von der Fahrgeschwindigkeit und dem Krümmungshalbmesser abhängigen Winkel eine Pendelschwingung innerhalb des doppelten Wertes dieses Winkels bedingt, so werden zweckmäßig verhältnismäßig lange Übergangsbogen eingerichtet, die eine allmähliche Drehung der Gleichgewichtslage und daher ganz geringe, nicht mehr merkliche Pendelschwingungen ermöglichen.

Mit Rücksicht auf den Bau der Bahn und der Wagen kann man nicht jeden beliebigen Ausschlag zulassen. Ein Ausschlagwinkel von 30° erscheint aber erreichbar. Da hierbei die in den Gleisbögen zulässige Fahrgeschwindigkeit.


V = 8∙5 √R


beträgt, so sind für

Halbmesser R = 40 90 160 250 m

Geschwindigkeiten V = 53 80 107 133 km/Std.

Halbmesser R = 360 490 640 m

Geschwindigkeiten V = 160 187 213 km/Std. möglich.

Diese Geschwindigkeiten sind bei gleichen Krümmungsverhältnissen weder bei anderen Bauweisen von S., noch bei den Standbahnen mit 2schienigen Gleisen erreichbar, bei denen mit Krümmungen von 500 m und 1000 m Halbmesser nur Geschwindigkeiten von 90 und 125 km/Std. zulässig erscheinen.

Die in der Regel an 2 Stellen aufgehängten Wagen haben daher 2 Laufwerke mit je 2 Rädern mit Doppelspurkränzen, die von je einem Elektromotor angetrieben werden. Die Stromzuführung erfolgt durch eine am Tragwerk befestigte Schienenleitung und einen elastischen Stromabnehmer.

Die Art der Aufhängung der Wagen schließt jede Gefahr von Entgleisungen aus (s. Abb. 138, Bd. IV, S. 206, Art. Elberfeld-Barmen – Schwebebahn). Die Wagen sind in der Regel mit 3 Gebrauchsbremsen versehen.

Mit der Fahrgeschwindigkeit ist man bis jetzt über 40 km/Std. nicht hinausgegangen, weil ein Bedürfnis hierfür noch nicht vorlag.

Die S. sind im allgemeinen schmäler und die der Bauart Langen auch noch viel schmiegsamer als Standbahnen; sie können daher durch enge städtische Straßen geführt werden, in denen eine Stand-, Hoch- oder Untergrundbahn nicht mehr möglich ist.

Auch Haltestellen sowie Bahnhöfe können ohne Beeinträchtigung des Verkehrs in verhältnismäßig engen Straßen geführt werden, wie Abb. 314 zeigt.

Die zweckmäßige Führung über Flußläufe, Straßen und Bahnen zeigen die Abb. 130 u. 131, Bd. IV, S. 204, der S. Elberfeld-Barmen, die in den Jahren 1898–1903 als erste größere Anlage nach der Bauweise E. Langen erbaut wurde und sich sehr gut bewährt.

Auf Grund der dort gemachten Erfahrungen sind auch für Hamburg und Berlin eingehende Entwürfe für städtische Schnellbahnen nach der Bauweise Langen gemacht worden, deren Verwirklichung trotz der besonderen Vorteile, die die Langensche S. gegenüber den nun ausgeführten Standbahnen (Untergrund- und Hochbahn) bot, nicht ermöglicht werden konnte, u.zw. insbesondere wohl auch deshalb, weil das Vorurteil gegen einen hängenden Bahnzug und die Befürchtung einer Verkehrshemmung in den städtischen Straßen noch nicht überwunden werden konnte.

Bei der nur im Entwurf vorliegenden Anordnung »Mähl« soll das einschienige Gleis an Kabeln zu beiden Seiten eiserner Pfeiler, die in Abständen von etwa 50 m aufzustellen wären, hängen. Bei kleinsten Bogenhalbmessern von 1000 m und 50 Größtneigung sollen Fahrgeschwindigkeiten von 200–300 km/Std. erreicht werden können.

Der Zug soll aus einzelnen, mit je 2 Rädern in 1 m Abstand und je einer von den übrigen unabhängigen elektrischen Triebmaschine versehenen Teilen bestehen, die durch Gelenke verbunden werden und seitlich ausschwingen können.

Die Bahn erhält Abschnitte von etwa 5 km Länge, wobei die Anordnung so getroffen werden soll, daß ein Zug stets 2 stromlose Abschnitte hinter sich hat. Die Zugfolge kann bei größter Fahrgeschwindigkeit von 300 km/Std. etwa 2 Min. betragen (s. Literatur).

Mit Elektrohängebahnen bezeichnet man elektrisch betriebene S., die hauptsächlich der Güterförderung und zumeist innerhalb größerer Fabriks- und industrieller Anlagen auf nicht große Längen und für verhältnismäßig kleine Einzellasten dienen.

Diese einschienigen Bahnen sind entweder durch besonders geformte, hochstegige Schienen oder auch durch Schwebebahnen oder Schwebebahnen Träger gebildet, die auf Holz- oder Eisengerüsten befestigt sind; im letzteren Fall können die Räder der Förderwagen auch auf den mittleren Flanschen dieser Träger laufen. An die Stelle der Träger kann auch ein Drahtseil treten.

Das Laufwerk der Förderwagen besteht aus 2 Rädern, die durch einen Elektromotor angetrieben werden (Abb. 315).

Bei größeren Steigungen werden auch 2 Elektromotoren verwendet.

Die Stromzuführung erfolgt durch eine über dem Gleis angeordnete Drahtleitung mittels Schleifbügel oder Abnehmerrollen.

Die Förderwagen, deren Schwerpunkt senkrecht unter der Schiene liegt, sind für Nutzlasten, die meist über 1500 kg Gewicht nicht hinausgehen, eingerichtet.

Man kann auch mehrere Wagen, von denen jeder einen oder 2 besondere Elektromotoren erhält, mit einem Führerwagen verbinden.

Mit den Größtneigungen geht man über 50 nicht hinaus, obwohl bei Versuchen Steigungen bis 100 befahren werden konnten. Bei größeren Neigungen erfolgt der Antrieb durch Drahtseile in der Weise, daß auf der großen Steigung der Elektromotor ausgeschaltet und das Zugseil durch einen am Laufwerk angeordneten Mitnehmer gefaßt wird, was selbsttätig erfolgt; es entsteht daher eine verbundene Elektroseilhängebahn.

In der Regel sind Steigungen, die einen besonderen Seilantrieb erfordern, zu umgehen.

Mit den Wagen sind elektrische, selbst regelnde Sicherheitsbremsen verbunden, die ein Anhalten der Wagen an den Be- und Entladestellen und in Fällen der Ausschaltung des Motors oder sonstiger Stromunterbrechung sowie eine Regelung der Fahrgeschwindigkeit ermöglichen.

Die Fahrgeschwindigkeit bewegt sich von 0∙5–2∙5 m/Sek. Der Kraftbedarf ist gering, die Bedienung einfach, daher der Betrieb billig.

Literatur: Petersen, Grenzen der Fahrgeschwindigkeit auf Eisenbahnen. Organ 1900. – Bernhard, Die Schwebebahn Barmen-Elberfeld. Ztschr. dt. Ing. 1900. – Dolezalek, Der Schnellverkehr und die Schwebebahnen. Organ 1901. – Köpcke, Goering u. Borries, Gutachten über die Langensche Schwebebahn in Barmen-Elberfeld. – Stockert, Eisenbahnschnellverkehr. Ztschr. d. Österr. Ing.-V. 1902. – Barkhausen, Dolezalek u. Hotopp, Gutachten über eine Langensche Schwebebahn in Hamburg, 1903. – Petersen, 200 Kilometer in der Stunde und das Eisenbahngleis. Elektr. Kraftbetr. u. B. 1914. – Kontinentale Gesellschaft für elektrische Unternehmungen, Die Langensche Schwebebahn. Nürnberg 1900. – Petri, Schwebebahnen Barmen-Elberfeld. Glasers Ann. 1902. – Petersen, Der Stadtbahnbetrieb. Handbuch des Eisenbahnmaschinenwesens, Herausgeg. von Stockert, Berlin 1908. – Le Vergnier, Die Schwebebahn, Bauart »Mähl«. Gén. civ. 1914; Organ 1915. – Dietrich, Elektrisch betriebene Schwebetransporte. Ztschr. dt. Ing. 1914. – Buhle, Massentransport. Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt 1908. – Bleichert, Elektrohängebahnen. Schwz. Bauztg. 1910.

Dolezalek.

Abb. 306.
Abb. 306.
Abb. 307.
Abb. 307.
Abb. 308.
Abb. 308.
Abb. 309.
Abb. 309.
Abb. 310.
Abb. 310.
Abb. 311.
Abb. 311.
Abb. 312.
Abb. 312.
Abb. 313.
Abb. 313.
Abb. 314.
Abb. 314.
Abb. 315.
Abb. 315.

http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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