Unfallversicherungsverbände

Unfallversicherungsverbände

Unfallversicherungsverbände, Vereinigung einer Anzahl von Bahngesellschaften zum Zweck gemeinschaftlicher Tragung der Ersätze, die den dem Verband angehörigen Bahnen anläßlich der körperlichen Verletzung oder Tötung von Personen auf Grund der gesetzlichen Haftpflicht zur Last fallen. Die Schaffung von U. wurde durch die schärfere Haftung veranlaßt, die die sog. Haftpflichtgesetze den Eisenbahnen auferlegten (s. Haftpflicht). Um die Gefahr möglichst abzuschwächen, die sich für die einzelne Verwaltung aus der alleinigen Tragung der Ersätze anläßlich eines größeren Unfalls ergeben würde, hat der Verein der Privateisenbahnen im Deutschen Reich bald nach Zustandekommen des Ges. vom 7. Juni 1871 die Errichtung eines U. angeregt, und wurde durch Beschluß vom 1. Dezember 1871 mit Wirksamkeit vom 1. April 1872 eine entsprechende, bis Ende 1875 seitens der beigetretenen Verwaltungen unkündbare Vereinbarung getroffen; nach dieser bezieht sich die gemeinsame Tragung der Entschädigungen auf Unfälle, welche Reisenden oder anderen nicht in der Ausübung des Eisenbahnbetriebsdienstes begriffenen Personen zugestoßen sind, falls die zu zahlende Entschädigung oder das 121/2fache der zu leistenden Rente von unbestimmter Dauer den Betrag von 15.000 M. im Kapital übersteigt. Die Verteilung solcher Entschädigungen erfolgte derart, daß vorweg 5% von der nach dem Gesetz haftpflichtigen Bahn getragen, die übrigen 95% auf sämtliche Mitglieder am Jahresschluß, u. zw. zur Hälfte nach der Zahl der Wagenachsmeilen, zur andern Hälfte nach der Gesamtzahl der Personenmeilen verteilt wurden.

In der Neuzeit umfaßt der U. in Deutschland nicht nur Privateisenbahnen, sondern auch Kleinbahnen. Er wurde unter der Bezeichnung »Versicherungsverband Deutscher Eisenbahnen und Kleinbahnen zu Berlin« am 26. März 1904 neu gebildet. Der Verband trägt sowohl Personenschäden auf Grund des Reichshaftpflichtgesetzes als auch Materialschäden, die der Bahn bei einem Unfall entstehen. Die Vorwegleistung der betreffenden Bahn beträgt bis zu 6000 M. Der Rest wird durch Umlage auf die Verbandsmitglieder, deren Zahl im Jahre 1921 227 betrug, verteilt, u. zw. nach dem Verhältnis der Bruttobetriebseinnahmen. Die Höchstleistung des Verbandes beträgt zurzeit für Materialschäden 400.000 M., für Personenschäden 600.000 M., zusammen bei einem Unfall 1 Mill. M.

In Österreich-Ungarn haben die meisten Bahnverwaltungen im Jahre 1872 ein Übereinkommen betreffend die wechselseitige Versicherung der aus Anlaß von Tötungen oder Beschädigungen von Personen infolge des Bahnbetriebs zu leistenden Entschädigungen abgeschlossen, nach dem eine gemeinschaftliche Haftung aller beteiligten Verwaltungen dann eintritt, wenn die anläßlich eines Unfalls im ganzen zu leistenden Beträge die Summe von 8000 fl. (16.000 K) übersteigen.

Der Verein, der 1875 den Titel »Gegenseitige Unfallversicherung der österreichisch-ungarischen Eisenbahnverwaltungen« annahm, änderte 1882 die Satzungen dahin, daß:

»Die gemeinschaftliche Tragung der Entschädigungen nur insoweit stattfindet, als sie bei den im Lauf eines Jahres stattgehabten Unfällen zusammen den Kapitalsbetrag von 8000 fl. übersteigen; Renten von unbestimmter Dauer werden hierbei als zum 121/2fachen Betrag kapitalisiert angerechnet.«

»Die im Lauf eines Jahres gezahlten Gesamtentschädigungen, die unter diesem Betrag (8000 fl.) bleiben, und von höheren Entschädigungen der Jahresbetrag von 8000 fl. fallen derjenigen Verwaltung allein zur Last, die den Gesetzen nach die Schäden zu vertreten hat.«

»Die im Lauf eines Jahres über 8000 fl. hinausgehenden Entschädigungen samt 5% Zinsen vom Tag der geleisteten Zahlung werden so verteilt, daß vorweg 5% von denselben der zunächst vertretungspflichtigen Eisenbahn in Rechnung gestellt werden und der Rest auf alle Verwaltungen verteilt wird.«

»Die Repartition geschieht zur Hälfte nach der Zahl der gesamten Wagenachskm, zur Hälfte nach der Gesamtzahl der P/km.«

Die Aufnahme neuer Mitglieder ließ das Statut mit Zustimmung von 3/4 der sämtlichen Mitglieder zu, insbesondere wurde auch die Aufnahme von Lokalbahnen 2 Jahre nach der Betriebseröffnung zugelassen.

Ende 1889 hörte der gemeinschaftliche österreichisch-ungarische U. auf und es trat für die österreichischen Bahnen ab 1. Januar 1890 der Haftpflichtverband der österreichischen Eisenbahnen in Wirksamkeit, in den die Bestimmungen des alten U. fast vollinhaltlich hinübergenommen wurden. Eine einschneidende Änderung wurde nur dadurch geschaffen, daß sämtliche Ersätze anläßlich der körperlichen Verletzung oder Tötung von Reisenden oder anderer nicht in Ausübung des Betriebsdienstes begriffener Personen früher ohne Rücksicht auf eine von den einzelnen Verwaltungen zu vertretende jährliche Höchstsumme von 8000 fl. nach Abzug von 5% zu Lasten der vertretungspflichtigen Verwaltung unter die Mitglieder des Verbandes verteilt werden.

Infolge des Umsturzes hat der österreichische U. liquidiert und wurde 1921 für die Eisenbahnen der österreichischen Republik ein besonderer U. geschaffen. Ebenso haben die Staats- und Privatbahnen in der Tschecho-Slowakei einen ähnlichen Verband gegründet. Die Satzungen der neuen Verbände enthalten im wesentlichen die gleichen Bestimmungen wie jene des früheren österreichischen Verbandes.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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