- Kap-Kairobahn
Kap-Kairobahn. Der Plan einer von Kapstadt bis Kairo durchgehenden großen Verkehrslinie, zusammengesetzt aus Eisenbahnen und Wasserstraßen, wurde gefaßt und insbesondere in seinen südlichen Anfangsstrecken noch ins Leben gerufen von Cecil Rhodes, dessen Name in Südafrika durch das große Landgebiet Rhodesien verewigt ist. In der Annahme, daß diese Verkehrsstraße, wenn nicht ausschließlich, so doch überwiegend auf britischem Gebiet zur Ausführung komme, konnte Rhodes an seinen Plan mit Recht die Erwartung knüpfen, daß durch dessen Ausführung das politische und wirtschaftliche Übergewicht von Großbritannien und sein Handel in Afrika noch weiter befestigt und insbesondere durch die Einbeziehung (oder Anschließung) der ägyptischen, der sudanesischen, der Ugandabahn, der rhodesischen und der kapländischen Bahnen die Macht Englands gestärkt werden würde. Obwohl der Plan anfangs als eine Unmöglichkeit bezeichnet wurde, ist er doch seiner Vollendung auf weite Strecken entgegengereift, scheint aber jetzt auf den toten Punkt gelangt zu sein.
Von Norden her besteht heute die Bahnverbindung von Kairo über Assuan bis Schellal (s. Karte, Abb. 184), u.zw. Kairo-Luxor – 673 km in europäischer Spurweite von 1∙435 m – und Luxor-Assuan-Schellal (Insel Phillae) – 220 km in Kapspur von 1∙067 m – zusammen 893 km. Zwischen Assuan und Wadi Halfa vermitteln Regierungsdampfer und die Schiffe der Hamburg- und Englisch-Amerikanischen Nil-Gesellschaft den Verkehr auf dem Nil stromaufwärts in 21/2 bis 4 Tagen. In Wadi Halfa schließt auf dem rechten Nilufer die Sudan-Staatsbahn an, die mit 917 km Länge unter Umgehung der Nilfälle gleichfalls in Kapspur über Berber bis nach Khartum führt. Die Nordstrecke Kairo-Khartum ist also mit 2164 km Gesamtlänge vollendet.
Von Süden her ist die Eisenbahn – ausschließlich in Kapspur – vorgedrungen von Kapstadt durch Betschuanaland über Kimberley, Vryburg, Mafeking nach Bulawayo in Rhodesien, von da nach den Viktoriafällen des Sambesi, durch Maschonaland nach Brokenhill und in das belgische Kongogebiet hinein über Elisabethville und Étoile du Kongo, den wichtigen heutigen Mittelpunkt des Bergbaus in Katanga, nach Kambove. Die ununterbrochene Bahnlänge auf britischem Gebiet bis zur Kongogrenze beträgt 3494 km und die vollendete Gesamtlänge der Südstrecke von Kapstadt bis Kambove 3909 km.
Zwischen Khartum und Kambove besteht noch eine Lücke von etwa 3500 km. In dieser befinden sich schiffbare Nilstrecken und Abschnitte der Wasserstraßen des Kongogebietes von beträchtlicher Ausdehnung, sowie einzelne vollendete Bahnstrecken. Im Norden zunächst ist die Bahnstrecke Khartum-Wad Médani, 160 km, seit dem 1. Oktober 1910 im Betriebe. Die von Sennar nach El Obeid, der Hauptstadt von Kordofan, ausgeführte Bahnstrecke – 375 km –, die im Februar 1912 vollendet worden ist, kann man wegen ihrer stark westlichen Richtung nicht als einen Teil der K. betrachten. Dagegen würde die 1907 begonnene Bahn längs des Blauen Nils von Wad Médani in südlicher Richtung nach Roseires und Gambela nach ihrer Vollendung in die K. einzubeziehen sein.
Im Süden ist mittlerweile, allerdings im Gebiete der belgischen Kongokolonie, mit Benutzung der schiffbaren Wasserstrecken des Lualaba und Kongo die Verbindung Kambove-Bukama-Stanleyville in Angriff genommen; sie wird voraussichtlich in ein bis zwei Jahren betriebsfähig sein, und damit würde ein weiteres erhebliches Stück – im ganzen 1782 km – im Zuge der K. vollendet sein. Dieser Abschnitt besteht aus der im Bau begriffenen Eisenbahnstrecke Kambove-Bukama – rd. 340 km –, der oberen Haltung des schiffbaren Lualaba von Bukama über Kalengwe bis (Buli oder) Kongolo – 640 km –, der vollendeten Bahn Kongolo-Kindu – 355 km –, der Kongostrecke Kindu-Ponthierville – 320 km – und der ebenfalls bereits im Betriebe befindlichen Kongo-Umgehungsbahn Ponthierville-Stanleyville – 127 km –; die beiden letztgenannten Bahnabschnitte sind in 1 m-Spur hergestellt. Es ist einleuchtend, daß der ganze Abschnitt Elisabethville-Bukama-Stanleyville sowohl wegen seiner weiten Ausbiegung nach Westen als auch wegen seines viermaligen Wechsels zwischen Eisenbahn und Wasserstraße, den Bedingungen der K. als einer durchgehenden, möglichst geradlinigen und leistungsfähigen Verkehrsstraße ersten Ranges wohl nicht mehr ganz entspricht. Rhodes wollte ursprünglich unter Benutzung des Tanganjikasees als Wasserstraße das einzige, nicht in britisches Gebiet fallende Stück seiner Bahn auf einem von dem damaligen Kongostaat abzutretenden, 25 km breiten Landstreifen verlegen, der von der Nordspitze des Tanganjikasees längs der deutschostafrikanischen Grenze bis nach Uganda verlaufen sollte. Da Deutschland diesem Plane auf Grund der Kongo-Akte widersprach, versuchte Rhodes von der deutschen Regierung die Genehmigung seines Schienenweges durch deutsches Gebiet zu erlangen. Dies hätte die gestreckteste Durchführung der K. zwischen Brokenhill und Khartum ermöglicht. Nachdem auch dieser Plan gescheitert ist, wird man für die K. nunmehr die scharfe westliche Ausbiegung in das belgische Kongogebiet über Stanleyville und ihre Führung weiter über Bukama und Elisabethville in Kauf nehmen müssen. Hiermit verliert die K. an Interesse für die englische Regierung.
Der obere, sog. Weiße Nil ist von Khartum aufwärts bis Réjaf und weiter, mit Ausnahme einer 150 km langen Strecke, die durch eine Bahn zu umgehen wäre, von Dufilé bis zum Albertsee schiffbar. Vom Albertsee würde dann in westlicher Richtung bis Stanleyville eine Bahn von etwa 750 bis 800 km Länge herzustellen sein, wie sie schon seit längerer Zeit von der Eisenbahngesellschaft du Congo Su-périeur aux Grands Lacs Africains nach den Vereinbarungen mit der Regierung vom 4. Januar 1902 und vom 18. Juni 1903 beabsichtigt war.
Baltzer.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.