Arlbergbahn

Arlbergbahn

Arlbergbahn heißt die wichtige österreichische Hauptbahnstrecke, die die Städte Innsbruck und Bludenz und somit Tirol sowie die östlich gelegenen Kronländer des österreichischen Staates mit dem Kronlande Vorarlberg und dem Bodensee verbindet. Die A. stellt den unmittelbaren Anschluß der österreichischen an die schweizerischen und süddeutschen Bahnen her.

Die Vorstudien für die A. reichen bis in das Jahr 1866 zurück. Erst der Bau der Gotthardbahn veranlaßte eine Wiederaufnahme des Planes und es traten zwei Entwürfe in engeren Wettbewerb. Nach dem ersten Entwurf war die Führung einer Bahn durch das Patznauner- ins Montafonertal, nach dem zweiten die vom Stanzer- ins Klostertal gedacht. Für den letzteren Entwurf lagen 5 Vergleichslinien vor, die einer Prüfung unterzogen wurden, wonach man sich für eine Linie mit tiefliegendem Scheiteltunnel entschied. Vom Abgeordnetenhause wurde jedoch die noch im Jahre 1872 eingebrachte Vorlage nicht erledigt. Das gleiche Schicksal hatte die zweite Vorlage im Jahre 1876. Erst die dritte Vorlage im Jahre 1879, der ein Entwurf mit einem 10.270 m langen Scheiteltunnel zu gründe lag, wurde angenommen, da inzwischen die bereits erzielten Baufortschritte beim Gotthardtunnel das Vertrauen der maßgebenden Kreise zu längeren Tunnelbauten wesentlich gestärkt hatten. Am 15. Mai 1880 wurde vom Handelsminister der Bauauftrag für die A. erteilt.

Die A. verläuft fast genau in der Richtung von Ost nach West und durchbricht unterhalb des Arlbergsattels die Wasserscheide zwischen den Flußgebieten des Rheins und der Donau; sie führt von Innsbruck bis Landeck im Inntal, von Landeck bis St. Anton im Stanzertal, von St. Anton bis Langen im Innern des Arlbergs und von Langen bis Bludenz im Klostertal.

Der Arlbergsattel bildet nicht nur den Abschluß des Stanzer- und des Klostertales, sondern auch die Grenze zwischen Tirol und Vorarlberg.

Die Nordhänge der genannten Täler werden hauptsächlich von den Wänden der Kalkalpen, die südlichen Talwandungen wie auch das Arlbergmassiv durch krystallinischen Schiefer des Zentralstocks der Alpen gebildet.

Die Richtung des Kloster- oder Alfenztales und des Stanzer- oder Rosannatales wird demnach durch die Grenzen zwischen dem krystallinischen Kern des Zentralstocks der Alpen und der diesem Stock nördlich vorliegenden Kalkkette bestimmt.

Zwischen diesen beiden mächtigen Gebirgszügen liegt ein verhältnismäßig schmales Band anderer Sedimente, die aus tonigen. und sandigen Schiefern, aus Sandsteinen, Konglomeraten und sedimentären Quarziten bestehen und der Hauptmasse nach weichere Gesteine sind.

Die A. ist 136∙6 km lang und zerfällt in die Talstrecke Innsbruck-Landeck (72∙8 km) und in die Bergstrecke Landeck-Bludenz (63∙8 km). Mit Ausnahme der Tunnelstrecke St. Anton-Langen (10∙27 km) ist die Bahn eingleisig.

Mit dem Bau der Talstrecke Innsbruck Landeck wurde im November 1881 begonnen; sie konnte schon am 1. Juli 1883 dem Betrieb übergeben werden, was für den Baufortschritt der anschließenden Bergstrecke von großem Wert war. Von Innsbruck bis Silz bot der Bau keine besonderen Schwierigkeiten. Schwieriger gestaltete sich hingegen die Strecke Silz-Landeck, weil hier das Inntal sehr schmal ist. Aus diesem Grunde mußte die Bahn auf eine Länge von 10∙4 km in das Flußbett des Inn verlegt werden, was umfangreiche Uferschutzbauten notwendig machte (Abb. 145). Die größten Eisenbrücken über die Ötztaler Ache und den Pitzabach sind 80 und 40 m weit.

Für den Bau ungünstiger lagen die Verhältnisse auf den beiden Zufahrtsrampen zum Arlbergtunnel. Schon die Aufnahme des Geländes an den steilen, unzugänglichen Hängen war sehr beschwerlich und erforderte die Anlage von Hilfswegen in einer Länge von 37∙5 km. Im August 1882 erfolgte die Bauvergebung dieser Strecken; jedoch konnte wegen vorgeschrittener Jahreszeit der Bau erst im nächsten Frühjahre begonnen werden. Die Zwischenzeit wurde mit Vorbereitungsarbeiten, wie Herstellung von Zufahrten, Dienstbahnen und Seilaufzügen ausgefüllt. Solche Seilaufzüge zur Versorgung der Arbeitsplätze mit Baustoffen bestanden 8 auf der Westrampe und 4 auf der Ostrampe. Am 20. September 1884 wurde die Strecke Landeck-Bludenz in feierlicher Weise durch Kaiser Franz Josef I. eröffnet. Nach der Ausfahrt aus der Station Landeck übersetzt die Bahn den Inn mit einer 60 m weiten Eisenbrücke. Hierauf folgen mächtige Steinsätze, Maueranlagen und einige gemauerte Viadukte; weiter bei Wiesberg erfolgt die Übersetzung des Patznaunertales in der Höhe von 86 m über dem Trisanabache. Die Gesamtanordnung dieses hervorragendsten Brückenbauwerks der A. zeigt Abb. 146. Die Eisenkonstruktion der Mittelöffnung hat eine Stützweite von 120 m und ruht auf 50 m hohen Pfeilern aus Bruchsteinmauerwerk, wobei in Abständen von 10 m durchbindende Quaderscharen angeordnet wurden. Zur Aufstellung der Eisenträger wurde ein Gerüste von der Talsohle aus aufgebaut. Bis zur Station St. Anton war die Anordnung mehrerer Viadukte, Tunnel und Aquädukte notwendig. Letztere dienen zur Überführung von Wasserläufen über die Bahn (Abb. 147).

Auf der Westseite des Arlbergs, von Langen bis Bratz, waren außergewöhnlich große Schwierigkeiten zu bewältigen (s. d. Querschnitte Abb. 148 u. 149). Die zu Rutschungen neigende und von Lawinen bedrohte Lehne erforderte zahlreiche Kunstbauten. Ausgedehnte Futtermauern waren erforderlich, die zur Verhinderung von Abrutschungen, vielfach vor Herstellung des Bahnplanums in gezimmerten Schlitzen ausgeführt wurden.

Von den zahlreichen Aquädukten, Brücken, Viadukten, Tunneln, Galerien und Lawinenschutzdächern ist vor allem die Wäldlitobelbrücke bei Klösterle zu nennen (Abb. 150). Der Hauptbogen hat eine Spannweite von 41 m und eine Pfeilhöhe von 13∙23 m. Sodann ist der Schmidttobelviadukt zwischen Dalaas und Hintergasse zu erwähnen, der 3 Halbkreisbogen zu 22 m Spannweite auf 40 m hohen Pfeilern und mehrere kleinere Öffnungen besitzt.

Über die Steigungsverhältnisse und Höhen der Bahn gewährt der Längenschnitt (Abb. 151) Aufschluß.

Die größte durchschnittliche Steigung auf der Strecke Innsbruck-Landeck beträgt 8∙8‰; die der Strecke Landeck-St. Anton 25 und der Strecke Langen-Bludenz 30‰. Im großen Arlbergtunnel liegt die Bahn in Steigungen von 15‰, und 2‰.

Zur Erreichung tunlichst gleichen Zugwiderstandes wurden die Steigungsverhältnisse in den Krümmungen ermäßigt.

Von Landeck bis St. Anton beträgt deshalb die größte Steigung in den Geraden 26∙4 und im kleinsten Halbmesser 23∙4‰, von Langen bis Dalaas in den Geraden 30∙44 und von Dalaas bis Bludenz 31∙4 und 28∙4‰.

In den Richtungsverhältnissen wurde als kleinster Krümmungshalbmesser zwischen Innsbruck und Landeck 300 m und zwischen Landeck und Bludenz 250 m eingehalten.

Die Erwerbung der für die Baudurchführung der Strecke Innsbruck-Bludenz erforderlichen Grundstücke und Gebäude einschließlich der feuersicheren Umgestaltungen erforderte einen Betrag von 4,997.275 K oder für 1 km 36.668 K.

Der Erdkörper hat in den geraden Strecken eine Kronenbreite von 5∙2/7 m, die im Bogen von 300 m Halbmesser und darunter um 0∙1 vergrößert wurde.

Abgesehen von Tunneln beträgt die Gesamtmenge der Erd- und Fels-Abträge in der Strecke Landeck-Bludenz 2,552.973 m3.

Die gesamten Ausgaben für Erd- und Felsenarbeiten in den beiden 52∙701 km langen Rampen betrugen 5,758.330 K.

Es kostete somit 1 km Bahnlänge 109.266 K und 1 m3 Erdarbeit 2∙24 K.

Für die Strecke Innsbruck-Bludenz kosteten diese Arbeiten 8,564.738 K, d. s. für 1 km 62.844 K.

Für das Mauerwerk bei den Kunstbauten wurden hauptsächlich Bruchsteine verwendet.

Die ausgeführten Böschungs- und Futtermauern auf den beiden Rampenstrecken betrugen 215.260 m3 die Gesamtkosten hierfür 2,489.468 K somit für 1 km 47.238 K.

Für die ganze Strecke Innsbruck-Bludenz kosteten diese Arbeiten 2,724.205∙74 K, daher für 1 km 19.990 K.

In der Strecke Landeck-Bludenz befinden sich 59 offene Brücken von 2–12 m und 17 mit größerer Spannweite.

Die Gesamtkosten der kleinen und großen Kunstbauten betrugen 4,960.426 K somit für 1 km 94.126 K, während sie für die ganze Strecke Innsbruck-Bludenz 5,799.774∙78 K und für 1 km 42.556 K betragen haben.

In der Strecke Landeck-Bludenz wurden bis zur Eröffnung des Verkehrs im Jahre 1884 und abgesehen vom großen, zweigleisigen, 10.250 km langen Arlbergtunnel noch neun eingleisige Tunnel mit zusammen 1167 m Länge hergestellt.

Die Gesamtherstellungskosten dieser neun Tunnel betrugen 1,051.048 K, daher 1 m Tunnel im Durchschnitte 900 K und 1 km Bahnlänge der beiden Rampen 19.944 K kostete. Nach Eröffnung des Betriebs, u. zw. infolge des am 9. Juli 1892 im Gebiet des großen Tobels erfolgten Bergsturzes, der zur dauernden Sicherung des Bahnbestands unterfahren wurde, erhöhte sich die Zahl der vorerwähnten neun eingleisigen Tunnel um den 505 m langen Groß-Tobeltunnel, der 714.682 K kostete.

Der Bau des großen, 10.250 m langen Arlbergtunnels wurde auf der Ostseite am 24., auf der Westseite am 20. Juni 1880 mit dem Vortriebe des Sohlstollens begonnen. Erst nach Vergebung des Tunnelbaues an die Unternehmung Ceconi und Brüder Lapp wurde maschinelle Bohrung eingerichtet, nachdem schon vorher von der Staatseisenbahnverwaltung die Vorbereitungen für die Ausnutzung der Wasserkräfte der Rosanna und des Alfenzbaches zum Betrieb der Arbeitsmaschinen getroffen worden waren. Auf Grund der Erfahrungen, die mit Bohrmaschinen beim Mont-Cenis- und Gotthardtunnel gemacht wurden, entschloß man sich, zwei verschiedene Bauarten anzuwenden. Für die Ostseite wurden mit Preßluft betriebene Stoßbohrmaschinen, Bauart Ferroux, für die Westseite mit Druckwasser betriebene Brandtsche Drehbohrmaschinen beschafft. Mit diesen Maschinen wurde auf der Ostseite ein durchschnittlicher täglicher Stollenfortschritt von 5∙07 m, auf der Westseite von 4∙95 m, zusammen 10∙02 m erzielt, wodurch ein volles Jahr an Bauzeit erspart wurde, da vertragsmäßig nur 6∙6 m täglich zu leisten gewesen wären.

Als Bauvorgang wurde die mehrfach verbesserte englische Bauweise gewählt. Die Förderung der Ausbruchmassen erfolgte mit Dampflokomotiven.

Vom Sohlstollen aus wurden durch Aufbruchschächte Angriffspunkte für den Firststollen und für die Ausweitung der ganzen Querschnitte gewonnen. Der Lichtquerschnitt ist aus der Abb. 152 zu entnehmen. In den Aufbruchstellen war die höchste gemessene Temperatur 25º C, die niedrigste im Tunnel 13∙6º C. Auf der Ostseite bestand das Gebirge vorerst aus Glimmerschiefer, später aus Gneis, was eine vorteilhafte Anwendung der Bohrmaschinen ermöglichte und nur in seltenen Fällen einen Einbau hinter der Bohrmaschine erforderte. Erst spät zeigten sich auch hier jene Erscheinungen, die auf der Westseite bald nach Beginn der Arbeiten auftraten und durch die Nähe der geologischen Bruchlinie zwischen Urgestein und Triaskalk bedingt waren. Auf der Westseite traten zuerst Glimmerschiefer auf, denen sich später Graphitschiefer beigesellten, doch verursachten die gestörten Lagerungsverhältnisse, vereint mit Wasserandrang, stellenweise großen Druck. Statt eines Tunnels in vorwiegend geschlossenem Gestein – wie angenommen wurde – hatte man in Wirklichkeit einen solchen in langen Strecken stark drückenden Gebirges auszuführen und war man infolgedessen genötigt, beim Stollenvortrieb sowie bei den Ausweiterungsarbeiten mit großer Vorsicht und unter Anwendung starker Einbauten vorzugehen, schwere Ausmauerungen anzuwenden und auf eine Länge von 490 m verspannende Sohlengewölbe zur Ausführung zu bringen.

Das Tunnelmauerwerk der Widerlager und des Gewölbes wurde in der Regel aus unregelmäßigen, plattenförmigen Steinen in Zementmörtel mit 0∙5 m und 1∙2 m Gewölbestärke ausgeführt, ausnahmsweise kam reines Quadermauerwerk zur Anwendung.

Die Tunnelmauerung erfolgte in Ringen von 6 und 8 m Länge.

Auf beiden Seiten des Tunnels wurden Anlagen zur Lüftung der Arbeitsstellen im Tunnel hergestellt. Die frische Luft wurde in 40 und 50 cm weiten Rohren mit 1/10 Atm. Überdruck dem Tunnel zugeführt.

Der Durchschlag des Sohlstollens erfolgte am 19. November 1883, 5500 m vom Ostmunde, 4750 m vom Westmunde. Ende Mai des Jahres 1884, ein Jahr früher als vertragsmäßig festgesetzt, war der Tunnel fertiggestellt.

Der Arlbergtunnel liegt mit Ausnahme eines kleinen Bogens kurz vor der östlichen Tunnelmündung in der Geraden. Die Bahn steigt von der Station St. Anton 4 km lang mit 2‰, erreicht bei 1310∙926 m seinen Höchstpunkt und fällt sodann 6 km mit 15 zu der 93∙956 m tieferen Station Langen.

Von 100 zu 100 m sind an beiden Tunnelwandungen Rettungsnischen angeordnet.

Auf der rechten Seite befinden sich in Abständen von 1000 m größere Kammern von etwa 12 m2 Fläche, mit Rolltüren verschließbar. Endlich befindet sich noch in der linken Tunnelwandung im ersten und zweiten Drittel je eine große Kammer von etwa 30 m2, die gegen den Tunnel mit je einer Holzwand und Türen abgeschlossen sind.

Die Gesamtkosten des Arlbergtunnelbaues einschließlich der beiden Portalbauten, der Installationen und des Schotterkörpers im Tunnel, jedoch ausschließlich der beiden Gleise und der Signalvorrichtungen betragen 38,165.282 K oder für 1 laufendes Meter 3924 K oder für 1 km der gesamten Bahnlänge Innsbruck-Bludenz 65.496 K.

Für den Oberbau der A. Innsbruck-Bludenz, einschließlich der Tunnel und der Stationen, wurden zur Zeit des Baues 7∙5 m lange Schienen im Gewichte von 35∙4 kg/m auf Lärchen- und Eichenschwellen verlegt. Später sind Schienen von 35∙6 kg/m mit 12∙5 m und 15 m Länge und insbesondere im Arlbergtunnel Stuhlschienen von 42∙1 kg/m und 12∙5 m Länge auf imprägnierten Lärchenschwellen zur Anwendung gelangt.

Die Gesamtkosten des auf der Arlbergstrecke Innsbruck-Bludenz zur Verwendung gelangten Oberbaumaterials erreichten den Betrag von 5,180.158 K, somit auf 1 km 38.010 K.

Der Hochbau ist im allgemeinen der landesüblichen Bauweise und dem landschaftlichen Charakter der Gegend möglichst angepaßt und in Steinrohbau ausgeführt.

Von den Gesamtbaukosten des Hochbaues für die Strecke Innsbruck-Bludenz im Betrag von 3,767.932 K kamen auf 1 km Bahnlänge 27.648 K.

Die Stationslängen wurden mit Rücksicht auf die Steigungsverhältnisse und um kostspielige Entwicklungen zu vermeiden, möglichst beschränkt. Auf den Rampen wurden die Ein- und Ausfahrtsweichen, wo nicht anders tunlich, bereits in Steigungen von 15–17 angeordnet.

Die Kosten hierfür erscheinen bei den Arbeiten für Unterbau, Oberbau und Hochbau.

Außer den bereits angeführten Beträgen für die vorgenannten Bauausführungen sind noch folgende Kosten erwachsen, u. zw.:


Als Auslagen für die

Verwaltung 426.102∙48 K

Öffentliche Abgaben 3.284∙34 K

Vorarbeiten 2,811.163∙02 K

Für noch nicht genannte

Unterbauarbeiten 2,495.605∙88 K

Für Beschotterung 1.253.396∙48 K

Für Ausrüstung,

Signaleinrichtung etc. 960.369∙76 K

Für Fahrbetriebsmittel 4,399.498∙62 K

so daß die Gesamtkosten der A.

von Innsbruck bis Bludenz,

einschließlich des großen

Tunnels und einschließlich

der Betriebsausrüstung und

der Fahrbetriebsmittel ca. 82,600.000∙ – K

oder für 1 km 606.000∙ – K

betragen haben.


Bei dem Charakter der A. als einer der schwierigsten Hochgebirgsbahnen ist es erklärlich und begründet, daß sich trotz der genauen und sorgfältigen Baudurchführung bald nach der Betriebseröffnung die Notwendigkeit zu Ergänzungsarbeiten ergab.

Diese betrafen sowohl den Unterbau und Oberbau, als auch den Hochbau, und sind für die ersten zehn Betriebsjahre in der Denkschrift dargestellt, die die Staatsbahndirektion Innsbruck im Jahre 1896 veröffentlichte.

Aus dieser ist auch zu entnehmen, welche Vorkehrungen gegen Lawinen und Steinschläge, durch Aufforstungen und mannigfache Schutzbauten getroffen wurden.

Diesen Maßnahmen ist es zu danken, daß Betriebsstörungen, wie solche namentlich während der Wintermonate in den Jahren 1887/88 und 1891/92 infolge andauernder heftiger Schneefälle sich ereigneten, immer seltener wurden und rascher behoben werden konnten.

In jüngster Zeit geht man wieder daran, an zwei Stellen größere Linienverlegungen durchzuführen. Die eine auf der Westrampe, zwischen den Stationen Langen und Dannöfen soll bereits demnächst in Angriff genommen werden und erfordert zur Beseitigung der ständigen Lawinen- und Steinschlaggefahr die Ausführung eines 2 km langen Tunnels.

Die zweite Linienverlegung, auf der Ostrampe der A., zwischen den Stationen Pians und Strengen wird vorläufig noch studiert und ist hierbei die Ausschaltung des Trisanaviaduktes in Frage. Mit Rücksicht auf die Verkehrsentwicklung und die Anwendung schwererer Lokomotiven wäre die Auswechslung der aus dem Jahre 1884 stammenden Eisenbrücke notwendig. Wegen der hohen Kosten hierfür und der beschwerlichen Erhaltungsarbeiten während des Betriebs wird eine Linienverlegung ins Patznaunertal beabsichtigt, wobei die Überbrückung der Trisana mit einem Steingewölbe möglich wäre. Zur Einmündung in die alte Linie wird die Anlage eines Tunnels erforderlich sein, der ganz in festes Gestein zu liegen käme.

Gleichen Schritt mit den technischen Ausgestaltungen der Bahnanlage hielten auch die Verbesserungen in der Betriebsführung. Bei dem allgemeinen Interesse, insbesondere für lange Tunnel, mögen die hauptsächlichsten Bestimmungen für den Dienst im Arlbergtunnel hier Aufnahme finden.

Der Bahnaufsichts- und Wächterdienst wird von 10 Tunnelwärtern versehen. Von 6 zu 6 Stunden werden vom Ost- und Westportale durch je einen Wärter die Begehungen bis zur Tunnelmitte (Kammer 5) begonnen. Diese Begehungen währen einschließlich einer einstündigen Rast 7 Stunden, so daß stets mindestens zwei Wärter im Tunnel Kontrollgänge ausführen.

Der Dienst der Tunnelwärter währt in der Zeit von je 18 Stunden 7 Stunden, auf die 11 Stunden vollständiger Ruhe folgen.

Die beiden Tunnelausgänge werden durch Wärter mit 12stündiger Ablösung bewacht.

Die Oberbauerhaltungsarbeiten werden von einer ständigen Arbeiterrotte von etwa 30 Mann besorgt, die mit einem Arbeiterzug zu und von der Arbeitstelle sowohl früh und abends, als auch vor und nach der Mittagspause gebracht werden.

Für die Unterkunft der Arbeiter im Arlbergtunnel während des Zugverkehrs ist durch die Rettungsnischen gesorgt.

Außerdem befinden sich in den größern Kammern Telephon und Glockensignaleinrichtungen.

Die Überwachung der im Tunnel tätigen Arbeiter besorgen ein Tunnelmeister, ein Signalmeister und ein Ingenieur, die nach Maßgabe des Bedarfs zu Fuß oder mit der Draisine, dem Fahrrad oder den Arbeiterzügen die Kontrolle durchführen.

Wie bei allen langen Tunneln war man auch beim Arlbergtunnel zum Schutz der darin arbeitenden oder sich darin aufhaltenden Menschen bestrebt, eine möglichst gute und zuträgliche Luft zu erhalten. Die Lüftung wird im Arlberg nicht künstlich, sondern zunächst durch den 86 m betragenden Höhenunterschied der beiden Mündungen, also auf natürlichem Wege, erzielt. Der am Arlberg vorherrschende Westwind erleichtert die Lüftung. Nur etwa 80 Tage im Jahre erweisen sich durch Windstille oder Ostwind der natürlichen Lüftung hinderlich. Um auch für diese Fälle vorzusorgen, mußte die Verschlechterung der Luft dadurch möglichst hintangehalten werden, daß vorerst von der Kohlenfeuerung auf die mit Koks und im Jahre 1894 auf die Lokomotivfeuerung mit Blauöl übergegangen wurde. Seither sind sämtliche den Tunnel befahrenden Lokomotiven mit der Blauölfeuerung nach dem System Holden ausgerüstet, welche Feuerung sich nahezu vollkommen bewährt.

Um jedoch auch für ganz ungewöhnliche Vorkommnisse gesichert zu sein, erhalten die Lokomotivführer für die Fahrt durch den Tunnel einen Schutzapparat, der ihnen jederzeit die Einatmung von Sauerstoff ermöglicht.

Zu diesem Zweck werden mit Drägerschen Rettungsapparaten »Pneumatogen« und »Pneumatophora« von Waldeck, Wagner & Benda in Wien Versuche gemacht.

Die am Arlberg in der Strecke Landeck-Bludenz verwendeten Maschinen sind für Schnellzüge schwere zehngekuppelte vierzylindrige Heißdampf-Verbundlokomotiven mit Laufachse, einem Reibungsgewichte von 67∙4 t und einem Schlepptender von 39∙2 t Dienstgewicht bei 16 m3 Wasserinhalt; für Personenzüge achtgekuppelte Verbundlokomotiven mit einer Laufachse, einem Reibungsgewichte von 57 t und Schlepptender von 36∙5 t Gewicht und 14 m3 Wasserinhalt; für die Güterzüge achtgekuppelte Maschinen mit 53∙5 t Reibungsgewicht und einem Schlepptender von 32∙0 t Gewicht bei 12 m3 Wasserfüllung. Sämtliche Maschinen besitzen Vakuumbremse für Maschinen- sowie Tenderräder.

Die Geschwindigkeit der bergfahrenden Schnellzüge beträgt 26 km/St., die der Personenzüge 20 km/St., die der Güterzüge 12 km/St.

Bei der Talfahrt wird in der Richtung nach Bludenz bei den Schnellzügen eine Geschwindigkeit von 45 km/St. und in der Richtung nach Landeck eine solche von 50 km/St. erreicht. Die Geschwindigkeit der Personenzüge beträgt bei den Talfahrten 30–40 km/St. und die der Güterzüge 20 km/St.

Die Güterzüge müssen vor den Einfahrtsweichen der Stationen zum Stillstand gebracht werden.

Das Anfahren der im Gefälle angehaltenen Güterzüge geschieht durch langsames Öffnen der Bremsen von rückwärts nach vorn, d.h. der Zug wird durch die eigene Schwere vorwärts gedrückt. Das Anhalten im Gefälle geschieht durch Anziehen der vorderen Bremsen und allmählich bis zum Schlüsse des Zuges.

Dadurch wird das Reißen und Durchgehen der Züge verhindert.

Über die Leistungsfähigkeit der A. geben folgende Betriebsergebnisse ein ungefähres Bild.

Im Motivenbericht zur Gesetzesvorlage über den Bau der A. wurde seinerzeit eine jährliche Gütermenge von 422.000 t und eine Bruttolast von 965.000 t angenommen.

Dieser Verkehr ist schon im zweiten Betriebsjahre erreicht worden, da trotz eines elftägigen Hilfsroutenverkehrs über eine Auslandslinie bereits 396.026 t in 3076 Güterzügen mit einem Brutto von 942.260 t befördert wurden.

Im dritten Betriebsjahre wurden bereits 446.064 t Netto und 1,056.740 t Brutto in 3408 Güterzügen, im Jahre 1909 wurden 1,443.120 t Brutto in 4295 Güterzügen befördert.

Die Durchschnittsbelastung eines Zuges in der Richtung der Ausfuhr betrug 1886 403∙3 t, 1909 im Winter 452 t, im Sommer 478 t. Eine Höchsttagesleistung an Bruttofracht wurde am 7. November 1907 in der Richtung Bludenz-Landeck mit 3491 t in 11 Güterzügen und am 29. November 1907 in der Richtung Bludenz-Landeck mit 3762 t in 8 Zügen erreicht. Dies könnte ein Jahresbrutto von 2,600.000 t ergeben.

Auch diese Frachtbewegung ließe sich während des ganzen Jahres anstandslos bewältigen und damit würde noch lange nicht die Höchstleistungsfähigkeit der A. erschöpft sein.

Literatur: Die Arlbergbahn. Eine Denkschrift. R. v. Waldheim, Wien 1872. – Technischer Bericht über das Projekt der Arlbergbahn (Bludenz-Landeck), samt Beilagen und zugehörigen Aktenstücken. Herausgegeben im Auftrage des k. k. Handelsministeriums von der Bauabteilung der k. k. Generalinspektion der österr. Eisenbahnen. K. k. Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1872. – Denkschrift der k. k. Direktion für Staatseisenbahnbauten, bzw. der k. k. Generaldirektion der österr. Staatsbahnen über den Fortschritt der Projektierungs- und Bauarbeiten der Arlbergbahn. K. k. Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1881, 1882, 1890. – Die Arlbergbahn. Denkschrift aus Anlaß des zehnjährigen Betriebes 1884–1894; herausgegeben von der k. k. Staatsbahndirektion Innsbruck, Selbstverlag, 1896. – Dolezalek, Die Bauvergebung des Arlbergtunnels. Deutsche Bauzeitung 1882. – Gustav Plate, Über Förderung beim Bau des Arlbergtunnels. Sep.-Abdr. a. d. Wochenschr. des Österr. Ing.- u. Archit.-Vereines, Wien 1883. – Dolezalek, Der Bau der Arlbergbahn, Deutsche Bauzeitung 1883. – Gustav Plate, Über die Ausführung des Arlbergtunnels. Vier Vorträge. Spielhagen & Schurich, Wien 1884. – J. Wagner, Über die Wärmeverhältnisse in der Osthälfte des Arlbergtunnels. Abdr. a. d. Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt 1884. – Franz Ritter v. RŽiha, Der Bau des Arlbergtunnels, Wien 1885. – G. R. v. Gerstel, Der Arlbergtunnel und -betrieb (Vortrag, gehalten im Klub der österr. Eisenbahnbeamten am 27. März 1888). – Karl Muck, Die Rekonstruktionsarbeiten im großen Arlbergtunnel. Sep.-Abdr. a. d. »Allg. Bauzeitung«. 1893. R. v. Waldheim, Wien 1893.

v. Drathschmidt.

Abb. 145.
Abb. 145.
Abb. 146. Trisanaviadukt.
Abb. 146. Trisanaviadukt.
Abb. 147.
Abb. 147.
Abb. 148., Abb. 149.
Abb. 148., Abb. 149.
Abb. 150.
Abb. 150.
Abb. 151. Längenschnitt der Arlbergbahn.
Abb. 151. Längenschnitt der Arlbergbahn.
Abb. 152. Lichtquerschnitt des Arlbergtunnels.
Abb. 152. Lichtquerschnitt des Arlbergtunnels.

http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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