Clearing House

Clearing House

Clearing House, Railway Clearing House (Abrechnungsbureau), organisierte Vereinigung der Bahnen Großbritanniens mit dem Sitz in London zur Schaffung von Erleichterungen für den durchgehenden Verkehr, insbesondere zur Abrechnung der wechselseitigen Forderungen aus dem Personen- und Güterverkehr. Dieser schon 1842 unter dem Namen »The Clearing System« begründete Abrechnungsverband erhielt durch die Akte vom 25. Juni 1850, 13. 14. Vict. cap. 33, »An act for regulating legal Proceedings by or against the Commitee of Railway Compagnies associated under the Railway Clearing System and for other purposes«, die Rechte einer Korporation und die gesetzliche Genehmigung. Diese Akte bezeichnet es als Zweck des C., für den durchgehenden Verkehr dieselben Erleichterungen zu schaffen, wie wenn die Linien der verschiedenen Eisenbahnen einer und derselben Bahn gehörten. Nach dieser Akte kann jede Eisenbahngesellschaft nach einmonatlicher Anmeldung als Mitglied eintreten, und können auf Verlangen von zwei Drittel der im C. vereinten Bahnen aufgenommene Gesellschaften wieder ausgeschlossen werden. Die Akte setzt fest, daß die Entscheidungen des C. Rechtskraft haben und keine Berufung gegen sie zulässig ist. Bis zum Jahr 1853 ist das Institut noch wenig in den Vordergrund getreten, und war die Beteiligung seitens der Bahnen eine äußerst schwache; im Lauf der Zeiten hat sich jedoch der Verein zu großen Verhältnissen entwickelt, und gehören ihm gegenwärtig fast alle Bahnen Englands und Schottlands, sowie einige Eisenbahngesellschaften Irlands, die mit Großbritannien in enger Beziehung stehen, an.

Die übrigen irischen Bahnen bilden ein besonderes C., das Irish Railway Clearing House in Dublin, dem 31 irische, 17 englische und 4 schottische Bahnen angehören.

Durch Konzentrierung aller Verbandsabrechnungen in einem Zentralabrechnungshaus werden die Geschäfte der Abrechnung (s.d.) in rascher und einheitlicher Weise erledigt. So wird nicht nur die Abrechnung und Saldierung der Einnahmen aus dem direkten Verkehr, sowie der Wagenmieten, sondern auch die Ausgleichung der aus dem Übergangsverkehr herrührenden Entschädigungen in Reklamationsfällen und für Wagendefekte geregelt.

Der Wagenübergang wird von einzelnen auf den Übergangsstationen aufgestellten Beamten (numbermen) notiert, die die bezüglichen Aufzeichnungen dem C. mitteilen.

Für die Abrechnung sind vier Departements aufgestellt, u. zw. für die Abrechnung des Güterverkehrs (Güter und Vieh) das sog. Merchandise department; für die Abrechnung des Personenzugverkehrs (Personen, Gepäck, Pakete [parcels], Pferde, Hunde, Fahrzeuge u.s.w.) das sog. Coaching department; für die Abrechnung der Wagenmiete das Mileage department; für die Schlußsaldierung und Zahlungsvermittlung das Expenditure department.

Eine Unterabteilung des C. bildet das »mass department«, das sehr brauchbare Eisenbahnkarten von Großbritannien und Irland auflegt, Übersichtskarten und auch Sonderkarten einzelner Verkehrsgebiete.

Vom C. ist ferner die Herstellung einer einheitlichen Güterklassifikation für die beteiligten Bahnen ausgegangen. Für den Personen- und Güterverkehr hat das C. allgemeine Bestimmungen herausgegeben, die von den am C. beteiligten Bahnen angenommen wurden. Diese Anordnungen sind unter dem Titel »General Arrangements relating to Coaching Traffic, (agreed to and adopted by the compagnies parties to the clearing system)« veröffentlicht worden. Sie enthalten Bestimmungen über den Personenverkehr (Fahrpreis, Fahrpreisermäßigungen, Fahrkarten, Reisegepäck, Militärtransporte), Bestimmungen über den Gepäck-, Pferde-, Equipagen-, Hundeverkehr und sonstigen Tiertransport nebst Muster der Drucksorten.

Die Regelung der Wettbewerbsverhältnisse und die Höhe der Tarifsätze bleibt den besonderen Verbänden und Spezialverhandlungen vorbehalten; doch ist für Gepäck und Parcels auch der Tarifsatz, sowie sonst vielfach der zulässige Mindestsatz im C. festgesetzt, ebenso die Versicherungsprämien für Vieh, Güter und Parcels.

In Verbindung mit dem C. ist weiters eine Zentralstelle für überzähliges oder fehlendes Gepäck, sowie in den Personenwagen, Warteräumen u.s.w. gefundene oder verlorene Gegenstände – das Lost luggage department – organisiert.

Beim C. wirken überdies besondere Schiedsrichterkollegien, von denen Streitigkeiten zwischen den einzelnen Bahnen bezüglich der Reklamationen aus Wagenbeschädigung, aus dem Personen- und Güterverkehr entschieden werden.

Auch werden allgemeine, betriebstechnische und sonstige, mit dem Durchgangsverkehr in Zusammenhang stehende Fragen durch Beschlüsse geregelt, die dann für alle Bahnen, die denselben nicht widersprochen haben, bindend erscheinen.

Großes Verdienst hat sich das C. durch Erstellung einheitlicher Vorschriften für den Betriebsdienst – Rules and regulations – erworben, die von allen beim C. beteiligten Eisenbahngesellschaften gehandhabt werden.

Jede dem C. angehörende Gesellschaft ist in demselben durch einen Delegierten vertreten; die Gesamtheit der Delegierten bildet den geschäftsführenden Ausschuß (Clearing House Commitee) mit einem Vorsitzenden (Chairman), einem Sekretär (Secretary) und einem Schatzmeister (Treasurer). Alle Fragen werden in besonderen Konferenzen entschieden. Der geschäftsführende Ausschuß hält seine regelmäßigen Konferenzen vierteljährlich ab. Der Ausschuß wählt einen aus 7 Mitgliedern bestehenden Unterausschuß zur Überwachung der Geschäftsführung, dem der Sekretär des C. monatlich über den Umfang des Durchgangsverkehrs und die Verteilung der Einnahmen sowie andere wichtige Angelegenheiten berichtet. Neben diesen Konferenzen bestehen solche der General Managers, die gleichfalls alle Vierteljahre zusammentreten. Vor den Sitzungen der General Managers werden die Goods Managers zu einer Konferenz eingeladen; ebenso die Superintendents of the line. Die Konferenzen der Goods Managers und der Superintendents beschließen nicht endgültig, sondern legen ihre Resolutionen der Konferenz der General Managers vor, die diese wieder an den geschäftsführenden Ausschuß weiter leitet. Es sind also gewissermaßen durch diese verschiedenen Konferenzen drei Instanzen geschaffen, die die eigentlichen Betriebs- und Verkehrsangelegenheiten zu beraten haben, bevor sie endgültig erledigt werden können. Jede Bahn hat nur eine Stimme, und werden die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der Anwesenden gefaßt. Nach Bedürfnis oder über Wunsch einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern des C. werden auch außerordentliche Konferenzen einberufen. Die Geschäftsführung der Konferenzen ist durch eine Geschäftsordnung (Rules for Guidance of the conference) geregelt.

Die gefaßten Beschlüsse treten mit dem 1. des auf die Bestätigung durch den geschäftsführenden Ausschuß folgenden Monats in Kraft. Sie gelten als angenommen, sofern nicht innerhalb eines Monats, von der Konferenz ab, in der der Beschluß gefaßt wurde, seitens einer Bahn Widerspruch erhoben worden ist. Will sich eine Bahn dem Beschluß nicht fügen, so muß sie dies dem C. mitteilen und wird die Angelegenheit dann nochmals verhandelt.

Die genannten Konferenzen können für besondere Angelegenheiten besondere Ausschüsse ernennen.

Es bestehen überdies ständige Komitees von je zwölf persönlich gewählten Mitgliedern, denen eine schiedsrichterliche Funktion zukommt. Diese entscheiden über Streitigkeiten zwischen Bahnen wegen Beschädigung des Betriebsmaterials, wegen Tragung der Schäden aus dem Transportverkehr, wegen Mehr- oder Minderfrachten und anderen Reklamationen. Solche Komitees sind das »Goods Claims Arbitration Committee« und das »Superintendents Claims Arbitration Committee«. Ersteres wird von der Konferenz der Goods Managers, letzteres von der Konferenz der Superintendents of the line je aus ihrer Mitte gewählt. Sie treten gewöhnlich einen Tag vor den regelmäßigen Konferenzen zusammen und entscheiden endgültig, sind also nicht an die Bestätigung der Goods Managers- oder der Superintendentskonferenz oder an die Genehmigung des ständigen Ausschusses gebunden.

Die vom C. getroffenen Verfügungen rücksichtlich des Verkehrs werden gleichzeitig mit der Güterklassifikation veröffentlicht, und wird die Verlautbarung alljährlich unter Berücksichtigung der im Vorjahr beschlossenen Änderungen und Zusätze unter dem Titel »Regulations of the Railway Clearing House« neu aufgelegt. Die Regulations enthalten die Organisation des C., den Clearing Akt, Instruktionen für die Beamten, Grundsätze über die Bildung der Tarife, sowie Verteilung der Frachten und behandeln den Personen-, Gepäck-, Parcel-, Vieh- und Güterverkehr.

Zur Bewältigung der umfangreichen Arbeiten benötigt das C. eine große Anzahl von Beamten, die von den einzelnen Bahnverwaltungen beigestellt werden; die einzelnen Abrechnungsbureaus und Zentralstellen beschäftigen einschließlich der Numbermen gegen 3000 Personen. Nichtsdestoweniger sind die Kosten des C. äußerst gering und betragen kaum 3/4 Prozent des abgerechneten Gesamtbetrags.

Die Kosten des C. werden von den beteiligten Bahnen verhältnismäßig getragen. Die Kosten der Wagenmieteabrechnung werden pro rata der Belastungen und Gutschriften, die Kosten der Verkehrsabrechnung, die für jede Abrechnung getrennt zu führen sind, nach Verhältnis der Einnahmen aus dem betreffenden Verkehr verteilt.

Literatur: Cohn, Untersuchungen über die englische Eisenbahnpolitik, I, S. 261 ff.; II, S. 73 ff.; Leipzig 1875. – Reitzenstein, Über einige Verwaltungseinrichtungen und das Tarifwesen auf den Eisenbahnen Englands; Berlin 1876, S. 158 ff.; – Wehrmann, Reisestudien über Anlagen und Einrichtungen auf englischen Eisenbahnen; Elberfeld 1877. – Frahm, Das englische Eisenbahnwesen; Berlin 1911.

Röll.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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