- Fähranstalten
Fähranstalten (Trajektanstalten) (ferrys; service de bacs; tragitti) dienen zur Überführung von Eisenbahnfahrzeugen über Flüsse, Landseen und Meerengen, wenn Brücken und Unterwassertunnel aus wirtschaftlichen, örtlichen oder sonstigen Rücksichten nicht in Frage kommen.
Die Entwicklung der F. ging von England aus. Hier wurde bereits 1851 die erste F. über den 8∙8 km breiten Firth of Forth und ein Jahr darauf die F. über den 1∙4 km breiten Firth of Tay eröffnet.
Bald darauf wurden solche Anstalten in Holland, an der Elbe, am Rhein und später – 1868 – auf dem Bodensee, auf verschiedenen Schweizer Seen, auf der Donau und namentlich an der westlichen Ostsee hergestellt, wo die geographischen Verhältnisse und wirtschaftlichen Vorbedingungen für die Errichtung von F. besonders günstig sind.
Im Jahre 1872 wurde die erste dänische 2∙3 km lange Fährverbindung Friedericia-Strib und 1882 die gleich lange Fährverbindung Stralsund-Altefähr eröffnet.
Zur höchsten Blüte hat sich das Eisenbahnfährwesen in Nordamerika entwickelt, wo Hunderte von Fähren auf den großen Binnenseen und auf den Meeresbuchten bei San Francisco, New York und Philadelphia im Betriebe sind. Die amerikanischen Fähren sind vielfach dreigleisig, einige auch viergleisig.
Die größte ist die bei San Francisco betriebene Fähre Solano, die gleichzeitig 48 Eisenbahnwagen mit Lokomotive aufnehmen kann.
Die größte Längenausdehnung weist eine Fährlinie auf dem Michigansee mit 380 km Länge auf.
Die F. bestehen aus den Landevorrichtungen (Landungsbrücken, Fährkammern, Fährhäfen) zur Überführung der Eisenbahnwagen auf die Fährschiffe und aus den Fährschiffen (Fähren, Fährbooten) zur Beförderung der Eisenbahnwagen von Ufer zu Ufer.
Schiffe wie Landungsvorrichtungen sind in Bauart, Anordnung, Einrichtung und Abmessungen außerordentlich verschieden, je nachdem es sich darum handelt, einige schmalspurige Kleinbahnwagen über ruhige, wenig breite Gewässer mit geringem Wasserstandswechsel oder ganze D-Züge über weite, offene, den Stürmen ausgesetzte Meeresstrecken im regelmäßigen Weltverkehr pünktlich und sicher zu befördern.
Nachstehend soll an zwei kleineren und zwei größeren in der Neuzeit ausgeführten Anlagen das Wesentliche der F. erläutert werden.
1. Die Wittower F. bietet ein Beispiel für F. kleinster Bauart. Sie vermittelt seit dem Ende des Jahres 1896 den nur geringen Verkehr auf der Rügenschen Kleinbahnstrecke Bergen-Altenkrichen über den nur 630 m breiten Zugang zum Breetzer Bodden. Die Spurweite der Kleinbahn beträgt 0∙75 m, der größte Raddruck der Eisenbahnfahrzeuge 3 t. Der höchste Wasserstand liegt 1 m über, der niedrigste 0∙6 m unter dem normalen Wasserspiegel.
Es verkehren täglich nur 3–4 Zugpaare. Seit einigen Jahren dient die F. gleichzeitig dem Straßen verkehre. Sie kann nur 3 Kleinbahnwagen oder eine Lokomotive und 2 Wagen aufnehmen.
Von einer Straßenfähre unterscheidet sie sich nur durch die auf Deck eingebauten Schienen.
Die 11 m lange Landungsbrücke dreht sich an dem landseitigen Widerlager um wagerechte Bolzen und ist an dem wasserseitigen Widerlager an Schraubenspindeln aufgehängt, die – je nach dem Wasserstande – ein Heben und Senken der Brückentafel nur in senkrechter Richtung ermöglichen.
Die Brücke kann sonach den Bewegungen des Fährbootes nicht folgen, was im Betriebe als ein Übelstand beim Übersetzen der Wagen empfunden wird.
Die Fährboote sind an beiden Enden gleichartig gebaut und an jedem Ende mit Steuer und Schraube versehen, um in der schmalen, starken Winden und Strömungen ausgesetzten Fahrrinne ein Wenden zu vermeiden.
Ursprünglich wurden die Boote mit einer Dampfmaschine von 45 PS. betrieben.
Da der Dampfbetrieb bei nur 2–3stündiger Arbeitsleistung und 14–16stündiger Dienstbereitschaft sich verhältnismäßig teuer gestaltete, so ist seit 1912 ein neues Fährboot mit einem Ölmotor von 60 PS. in Dienst gestellt, wodurch die Ausgaben für Brennstoffe sich um mehr als die Hälfte ermäßigten. Die Eisenbahnwagen werden bei unruhiger See zur Sicherung gegen Ablaufen mit Flaschenzügen an Deck befestigt und an den Enden des Bootes durch aufklappbare Buffer festgehalten.
Das Motorboot hat folgende Abmessungen:
Größte Länge 24 m Länge zwischen den Loten 22 m Breite über den Spanten 5∙30 m Breite über den Scheuerleisten 5∙60 m Seitenhöhe 2∙10 m Tiefgang, beladen 1∙40 m Geschwindigkeit in Knoten 6∙75 m Nutzlast 30 t
Die Dauer einer einfachen Fahrt beträgt 5 Minuten.
In, dem vorliegenden ähnlichen Fällen verdient der Ölmotor zweifellos den Vorzug vor der Dampfmaschine.
2. Die F. über den Köhlbrand in Hamburg (Abb. 348 u. 349) soll dem Eisenbahn- und Personenverkehr zwischen den neuen Hafenanlagen der Elbinsel Waltershof und den durch den Köhlbrand getrennten Hafenanlagen auf Roß-Neuhof dienen. Die Landungsstellen liegen etwa 400 m weit voneinander entfernt.
Der Wasserstandswechsel beträgt bei Sturmflut mehr als 7 m.
Dieser große Höhenunterschied läßt sich hier nach Lage der örtlichen Verhältnisse durch Landungsbrücken allein nicht überwinden.
Das führte dazu, Fähren mit Hebedeck nach Art des im Hafen von Glasgow verkehrenden Fährdampfers Finnceston zu verwenden.
Mit Hilfe des Hebedeckes wird ein Höhenunterschied bis zu 5 m, mit Hilfe der beweglichen Landungsbrücken werden die geringeren Höhenunterschiede ausgeglichen.
Die Landungsbrücken (Abb. 348) bestehen aus 15 m langen Klappen mit oben liegender Fahrbahn, deren wasserseitige Enden durch Handwinden senkrecht bewegt werden und – durch Gegengewichte freischwebend gehalten – allen Bewegungen der Fährschiffe beim Übersetzen der Eisenbahnwagen folgen können.
An jedem Ufer sind 2 Fährnischen (Landungsstellen) vorgesehen, so daß gleichzeitig beide Fährschiffe im Betrieb gehalten werden können.
Zum Festhalten der Fährschiffe beim Einfahren in die Fährnischen sind am Lande Poller angeordnet.
Die Fährschiffe sind mit Dampfmaschinen von 640 PS. ausgerüstet. Die Steuerung erfolgt nicht vom Maschinenräume, sondern von der hoch über dem Hebedeck gelegenen Kommandobrücke aus.
Das Hebedeck ist mit Doppelgleisen ausgerüstet, bietet Raum für 6 Güterwagen und kann mittels 8 Schraubenspindeln dem jeweiligen Wasserstande entsprechend gesenkt oder gehoben werden.
Näheres ist aus den Abb. 348 u. 349 zu ersehen.
Die Hauptabmessungen der Fährschiffe sind:
Länge über Deck 36 m Breite über den Spanten 15∙50 m Seitenhöhe 3∙80 m Tiefgang, beladen 2∙80 m Wasserverdrängung 1110 t
Die Geschwindigkeit beträgt 7∙3 Knoten in der Stunde.
3. Die Fährverbindung Warnemünde-Gjedser bietet ein Beispiel für moderne Seefähren. Sie vermittelt seit 1903 den sehr regen Eisenbahnverkehr auf der Linie Berlin-Kopenhagen über die hier 42 km breite, oft stürmische und dem Eisgang ausgesetzte Ostsee in zweistündiger Seefahrt.
Die Einrichtung dieser früher von kleineren Dampfern betriebenen Hauptverkehrslinien zwischen Deutschland und den dänischen Inseln für den Eisenbahnverkehr erforderte den Aufwand großer Geldmittel für den Ausbau der Häfen und Hafenbahnhöfe in Warnemünde und Gjedser.
Die Landungsbrücken bestehen hier aus einfachen, 30 m langen Gitterträgern mit gekrümmter unterer und geradliniger oberer Gurtung.
Die Brücken sind so eingerichtet, daß sie nicht nur den Bewegungen des Schiffes der Länge nach – »der Durung« – sondern auch bei einseitiger Belastung der zweigleisigen Fährschiffe der Querneigung des Schiffes – »der Krängung« – folgen können.
Ein Übelstand bei diesen Brücken ist die tiefe Lage des Untergurtes (der teilweise in das Wasser eintaucht), die eine ungünstige Beanspruchung der Brückenkonstruktion bei Ansammlungen von Eis in den Brückenkammern hervorruft.
Bei außergewöhnlich hohen Wasserständen ergibt sich für die Brückenrampen eine Neigung von 1 : 16. Bei dieser steilen Neigung ist es nicht möglich, Eisenbahnwagen jeder Bauart zu überführen; es mußten vielmehr für den Übergang durchgehender Wagen einschränkende Bestimmungen, die sogenannten »Lübecker Bedingungen«, vereinbart werden.
Das seeseitige Ende der Brückentafel wird in einem Ausschnitte des Schiffsdeckes gelagert und mit dem Schiff durch einen kräftigen Bolzen verbunden.
An Fährschiffen wurden für den Dienst der von Mecklenburg und Dänemark gemeinsam betriebenen Linie 2 Räder- und 2 Doppelschraubenschiffe beschafft, die eine Geschwindigkeit von 13 bis 14 Knoten in der Stunde erreichen können.
Die Schiffe sind nach den Regeln des Schiffsbaues besonders kräftig gebaut, mit allen Sicherheitsvorrichtungen der Neuzeit (Schotten, Doppelboden, Unterwasser-Schallsignalapparate, Rettungsboote) ausgestattet und zur Abschwächung des Rollens mit Schlingerkielen, zur Erhöhung der Seetüchtigkeit mit scharfem Vordersteven versehen.
Die mit Heck- und Bugruder ausgestatteten Schiffe können an beiden Enden anlegen und Eisenbahnfahrzeuge aufnehmen. Zu diesem Zwecke sind die Vordersteven wie das Visier eines alten Ritterhelmes aufklappbar eingerichtet.
Die Anordnung der beiden Gleise auf dem Wagendeck ist derart, daß an den Schiffsenden die Weichen mit eingebaut sind, mit Ausnahme der vor den Landungsbrücken angeordneten Zungen.
Hierdurch wird die glatte Linienführung der Gleise erschwert, die nutzbare Gleislänge geschmälert und die Raumausnutzung auf Deck beeinträchtigt.
Die nutzbare Länge der beiden Gleise beträgt zusammen 126∙8 m.
Dementsprechend können neben 2–3 D-Zugwagen noch 7–9 Güterwagen oder zusammen 14–15 Güterwagen aufgenommen werden.
Die Eisenbahnwagen werden durch Schienenvorleger und straff angespannte Ketten festgehalten.
Schraubenwinden, zwischen Deck und Wagengestell eingespannt, entlasten die Wagenachsfedern und verhüten so deren Überlastung durch einseitige Beanspruchung bei hohem Seegange.
Für die Verpflegung und Bequemlichkeit der Reisenden, der Offiziere und der Besatzung ist durch vornehm ausgestattete Speise- und Gesellschaftsräume, durch gut geheizte, gelüftete und beleuchtete Wohn- und Schlafräume sowie durch breite und lange Wandeldecks mit Sitzbänken aufs beste gesorgt.
Vier Zylinderkessel von je 180 m2 Heizfläche liefern den erforderlichen Dampf für die beiden Dreifachexpansionsmaschinen.
Die Hauptabmessungen des Doppelschraubenfährschiffes »Prins Christian« sind folgende:
Länge zwischen den Loten 86∙86 m Größte Breite über den Spanten 13∙70 m Größte Breite über den Scheuerleisten 17∙68 m Ladefähigkeit 240 t Tiefgang, beladen 4∙39 m Schienenhöhe über Wasser 3∙52 m Wasserverdrängung bei voller Last 2065 t Maschinenleistung 2600 t
Die Geschwindigkeit beträgt 14 Knoten in der Stunde.
4. Die Fährverbindung Saßnitz-Trelleborg (Taf. IX), 1909 eröffnet, stellt eine unmittelbare Eisenbahnverbindung zwischen Berlin und Stockholm einerseits und zwischen Berlin und Göteborg-Kristiania anderseits her.
Die Seestrecke zwischen Saßnitz und Trelleborg ist 107 km lang.
Die Seefahrt dauert 4 Stunden.
Für Seereisen von so langer Dauer konnten nur sehr große und sehr schnelle Fährschiffe in Frage kommen, die in einen erfolgreichen Wettbewerb mit den vorhandenen Dampferlinien eintreten konnten.
Die großen Abmessungen der Fährschiffe wirkten auf die Abmessungen und den Ausbau der Hafen-, Landungs- und Bahnhofsanlagen ein, so daß eine Fährverbindung entstanden ist, die in ihrer Art als die zurzeit großartigste betrachtet werden kann.
Eisenbahn- und Hafenanlagen wurden sowohl in Saßnitz als auch in Trelleborg unter Aufwendung sehr großer Mittel im Interesse des Fährverkehrs großzügig ausgebaut.
Die Molen wurden verlängert und erweitert. Das Fährwasser für die 4∙9 m tief gehenden Fährschiffe ist im Hafen auf 6∙5 m und vor dem Hafen auf 7∙5 m vertieft; die Leuchtfeuer sind verbessert.
Nicht nur Fährkammern und Landungsbrücken mußten gebaut werden, es mußte auch für Zollschuppen, Kohlenlager- und Kohlenverladevorrichtungen, Werkstätten, Telefunkenstationen, Wagenaufstellungsgleise gesorgt werden. Sogar eine neue große Quarantäneanlage im Saßnitzhafen kann als eine Folge der F. angesehen werden.
Die Fährbetten weichen in ihrer Grundrißanordnung von denen der Linie Warnemünde-Gjedser insofern ab, als hier kurze Mittelzungen und lange Seitenbacken, dort lange Mittelzungen und kurze Seitenbacken gewählt sind (vgl. Abb. 350 u. 351).
Letzteres ist vorzuziehen, damit bei heftigen Seitenwinden die ein- oder ausfahrenden Fährschiffe mit den im Fährbett liegenden Schiffen nicht so leicht kollidieren können.
Die Fährbettwandungen sind in Saßnitz aus Pfahlwerk, in Trelleborg aus Beton erbaut.
Zur Schonung der Schiffswandungen und Scheuerleisten sind auch bei massiven Fährbettwandungen Leitwerkpfähle vor den massiven Wandungen und zwischen beiden Puffer nicht zu entbehren.
Je größer die Elastizität der Fährbettwandungen, um so größer ist ihre Haltbarkeit, um so geringer sind die Unterhaltungskosten für Schiff und Fährbett, und um so schneller wird das Fährschiff aus der Krängung (seitliche Neigung) in die normale Lage zurückgehen.
Die Landungsbrücken (Abb. 352–353) haben eine Gesamtlänge von 50 m erhalten, um alle Eisenbahnfahrzeuge bei jedem Wasserstande überführen zu können. Der bisher beobachtete größte Wasserstandswechsel beträgt für Saßnitz 3∙4 m.
Um den Auflagerdruck auf das Schiff beim Übersetzen von Wagen und damit die Handhabung der Brücke so leicht als möglich zu gestalten, sind zwei getrennte Brückentafeln von je 25 m Länge hintereinander angeordnet worden.
Die eisernen Überbauten bestehen aus Fachwerksträgern mit untenliegender Fahrbahn, so daß Eisstauungen in den Brückenkammern keine nachteiligen Einwirkungen auf die Brückenkonstruktion ausüben können.
Am Stoße der beiden Überbauten ist ein Mittelportal als Hubrahmen angeordnet, an dem beide Überbauten in Schraubenspindeln aufgehängt sind und je nach dem Wasserstande gehoben und gesenkt werden können.
Dies wird nur in seltenen Fällen nötig, da der gewöhnlich vorkommende Wasserstandswechsel allein mit Hilfe der wasserseitigen Brückentafel ausgeglichen werden kann.
Das landseitige Brückenende dreht sich um ein fest verankertes Zapfenkipplager. Das Ende der wasserseitigen Brückentafel ist an einem Endportal aufgehängt, das gleichzeitig zur Aufnahme der Gegengewichte dient, die ein Ausgleichen der Brückenlast, d.h. ein fast vollständiges Aufheben des Eigengewichtes der wasserseitigen Überbauten bezwecken, so daß auf das Schiff selbst nur die Verkehrslast drückt.
Um beim Einfahren des Fährschiffes in das Fährbett einen Zusammenstoß zwischen Brücke und Schiff zu vermeiden, ist das wasserseitige Ende der Brücke stets in der Höchststellung zu erhalten.
Nach Einfahrt des Schiffes in das Fährbett wird die Brücke auf das Schiff herabgelassen und durch einen starken Kupplungsbolzen mit ihm verbunden.
Die wasserseitige Brückentafel ist derart gelenkig eingerichtet, daß sie allen Schwankungen des Schiffes folgen kann.
Bei voller einseitiger Belastung des Schiffes tritt eine seitliche Neigung (»der Krängung«) bis zu 5 Grad ein.
Eine Herabminderung der Krängung kann künstlich dadurch erreicht werden, daß das Schiff durch Aufnahme einseitigen Wasserballastes in eine entsprechende Gegenneigung gebracht wird.
Abweichend von allen anderen Landungsbrücken für zweigleisige Fähren ist die Weiche nicht auf dem Schiffe selbst, sondern auf der Brücke angeordnet. Hierdurch wird der Vorteil einer besseren Gleisanordnung auf dem Lande und dem Schiffe und damit eine zweckmäßigere Raumausnutzung erreicht.
Es wurden für den Dienst der von Preußen und Schweden gemeinsam betriebenen Linie 4 Fährschiffe – 2 preußische und 2 schwedische mit einem Gesamtaufwande von rund 9 Millionen Mark beschafft.
Der Fährbetrieb ist derart geregelt, daß je 2 Schiffe abwechselnd 6 Wochen in Dienst gestellt sind und 6 Wochen in Reserve liegen.
Die 4 Fährschiffe zeigen im wesentlichen die gleiche Bauart und sind mit 16 Knoten Geschwindigkeit in der Stunde die schnellsten ihrer Art.
Zur Erhöhung der Sicherheit haben die Schiffe einen über die ganze Länge des Schiffes sich erstreckenden Doppelboden erhalten, und sind durch 9 bis zum Wagendeck reichende Querschotte in 10 wasserdichte Abteilungen geteilt, mit Unterwasserschall-Hörapparaten sowie mit Einrichtungen für drahtlose Telegraphie, Scheinwerfern, Rettungsbooten u.s.w. ausgerüstet.
Zur Erhöhung der Seetüchtigkeit ist das Vorschiff mit scharfem Steven ausgebildet und der Bug gegen Eisdruck besonders verstärkt.
Eine Folge dieser Bauart ist, daß die Wagen nur vom Heck aus auf Deck geschoben werden können und die Schiffe nach rückwärts in die Fährbetten einfahren müssen.
Zur Erhöhung der Steuerfähigkeit beim Rückwärtseinfahren ist außer dem Heckruder in den Vordersteven noch ein kleines Bugruder eingebaut.
Auf eine zweckmäßige Anordnung und gute Ausstattung der Räume ist großer Wert gelegt.
Im hinteren Zwischendeck sind vornehm eingerichtete Kammern für 70 Reisende 1. und 2. Klasse und 24 Bedienstete, im vorderen Zwischendeck 2 große Schlafräume nebst großem Speisesaal für Reisende 3. Klasse sowie Räume für die Besatzung und die Bedienung vorgesehen.
Auf dem Hauptdeck (Wagendeck) sind Doppelgleise von je 80 m Nutzlänge zur Aufnahme von 8 D-Zugwagen oder 18 Güterwagen eingebaut.
Sämtliche Wagen stehen in einem vollständig geschützten Räume.
In umfassender Weise ist für die Befestigung der Wagen bei hohem Seegange gesorgt (vgl. Abb. 354).
Vom Wagendeck aus kann man über Treppen zu dem seitlich des Wagenraumes angebauten Galeriedeck und von da aus zu dem Promenadendeck gelangen.
Hier sind am Vorderrande ein großer Speisesaal mit etwa 100 Sitzplätzen und Küchen sowie Anrichteräume vorgesehen. Von dem vor dem Speiseraume liegenden Vorräume aus erreicht man durch geschützte Wandelgänge die auf dem hinteren Promenadendeck gelegenen Gesellschaftsräume und die Fürstenzimmer. Von da aus führt eine bequeme Treppe direkt zu den Schlafkabinen im Zwischendeck.
Sämtliche Räume sind gut beleuchtet und werden durch Dampf geheizt. Auch an Badeeinrichtungen fehlt es nicht an Bord.
Über dem Speisesaal sind die Offiziersräume und die vordere Kommandobrücke, über den Fürstenzimmern die hintere Kommandobrücke angeordnet, die beim Rückwärtseinfahren in die Häfen benützt wird.
Die Schiffe haben 2 vierflügelige Propeller, deren Antrieb bei den preußischen Schiffen durch 2 stehende Dreifachexpansionsmaschinen erfolgt.
Die Dampfzylinder dieser Maschinen haben 590–970 und 1600 mm Durchmesser und 900 mm Hub.
Der Dampf wird von 5 Kesseln mit insgesamt 1470 m2 Heizfläche erzeugt.
Die Hauptabmessungen der preußischen Fährschiffe sind:
Größte Länge 113∙8 m Länge zwischen den Loten 108 m Größte Breite über den Scheuerleisten. 16,26 m Wasserverdrängung bei voller Belastung 4200 t Tiefgang beladen 4∙9 m Tiefgang leer 4∙3 m Maschinenleistung 5400 P.S.
Die Geschwindigkeit beträgt 165 Knoten in der Stunde.
Die schwedischen Fährschiffe weisen in den Hauptabmessungen und in der Raumeinteilung nur unwesentliche Abweichungen von den deutschen Schiffen auf.
Bei den Fähranlagen in Trelleborg und Saßnitz sind in manchen Einzelheiten bemerkenswerte Abweichungen vorhanden, die durch die Verschiedenartigkeit der örtlichen Verhältnisse begründet sind.
Während der Hafen von Saßnitz durch die hochaufragende, ziemlich steil abfallende Küste vor Nord- und Westwinden gut geschützt, aber nicht ganz eisfrei ist, ist der an einer nahezu geradlinigen aber sehr flachen Küste belegene Hafen von Trelleborg von Staueisbildungen zwar verschont, den Winden jedoch von allen Seiten ausgesetzt.
Der Trelleborger Strand ist so flach, daß durch die sogenannte »Schaar« eine 1500 m lange Zufahrtsrinne gebaggert ist, deren Breite aus Anlaß des Fährbetriebes von 60 auf 80 m und deren Tiefe von 5 auf 7 bis 7∙5 m vergrößert worden ist. In neuerer Zeit hat sich eine weitere Verbreiterung der Fahrrinne als wünschenswert herausgestellt.
Die Hafeneinfahrt zwischen den Molenköpfen ist auf 60 m erweitert und der Fährhafen auf 6∙5 m vertieft.
In Saßnitz sind die Fährbetten und Landungsbrücken unter Anwendung von Pfahlrostgründungen in den Hafen hinaus-, in Trelleborg sind sie unter dem Schutz von Fangedämmen in das aufgeschüttete Kaigelände hineingebaut.
Abgesehen von einzelnen bei stürmischen und nebeligem Wetter oder bei ungünstigen Eisverhältnissen nicht ganz zu vermeidenden Verspätungen konnte der Betrieb bisher regelmäßig und pünktlich durchgeführt werden.
Preußen hat für die gesamte Fähranlage einschließlich der Fährschiffe und der Kosten für die nachträglich noch ausgeführte Verlängerung der Hauptmole – rund 10 Millionen Mark – Schweden einschließlich des Ankaufes der Privatbahn Malmö-Festlandbahn – rund 13 Millionen Mark – aufgewendet.
Die angeführten Beispiele neuzeitlicher F. zeigen, unter welchen verschiedenartigen Verhältnissen F. anwendbar sind und mit welchen technischen Mitteln ihre Herstellung durchführbar ist.
Es darf dabei nicht übersehen werden
1. daß die Kosten für Anlage, Unterhaltung und namentlich für den Betrieb sehr hohe sind,
2. daß die Geschwindigkeit mäßig und die Leistungsfähigkeit beschränkter ist, und
3. daß der regelmäßige Betrieb bei Sturm, Eis und Nebel nicht immer aufrechterhalten werden kann.
Deswegen wurden bei zunehmendem Verkehre viele F. inzwischen durch feste Brücken ersetzt, z.B. bei Bonn, Ruhrort und Lauenburg.
Auch an nicht allzubreiten Meeresbuchten haben Brücken oder Tunnel die F. bereits verdrängt, z.B. am Firth of Forth, am Firth of Tay und auf dem Hudson oder werden sie in absehbarer Zeit verdrängen, z.B. am Strelasund und am Masnethsund.
Gleichwohl werden die F., wie ihre Entwicklung in der Neuzeit lehrt, auch für die Zukunft ihre große Bedeutung behalten, namentlich da, wo es gilt die Handelsbeziehungen zwischen benachbarten Küstenländern durch erhöhte Reisebequemlichkeit in dem über See durchgehenden D-Zug- und Schlafwagen zu beleben oder durch den Fortfall der Umladung den Güteraustausch zu beschleunigen und zu fördern.
Literatur: W. Kämerer, Die Eisenbahndampffähre »Prinz Christian«. Ztschr. dt. Ing. 1904, S. 257. – H. Merkel, Die Eisenbahnfährverbindung Saßnitz-Trelleborg. Zentralbl. d. Bauverw. 1909, S. 361. – W. Kämmerer, Die Eisenbahnfährschiffe »Deutschland« und »Preußen«. Ztschr. dt. Ing. 1910, S. 1. – Busse, Die Fährschiffe in der Eis. T. d. G 1. Band, 1. Abschnitt, 2. Teil, 2. Hälfte, 2. Aufl. – L. Graemer, Eine Kleinbahnfähre mit Motorbetrieb in der Zeitschrift der »Ölmotor«. 1912, S. 163.
Merkel.
Tafel IX.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.