- Japanische Eisenbahnen
Japanische Eisenbahnen (vgl. Karte, Taf. IX).
Inhalt: A. Geographisch-geschichtlicher Überblick. B. Die Bahnnetze der einzelnen Inseln. C. Technische Anlage. D. Statistik. E. Tarifwesen. F. Verwaltung und Personal.
A. Das Eisenbahnwesen Japans ist in ganz besonderem Maße beeinflußt durch die geographische Natur des Landes. Japan ist die einzige Großmacht, deren Gebiet sich auf eine Fülle von Inseln verteilt und – rechnet man auch Korea hinzu – sich noch auf das Festland erstreckt. Im folgenden ist außer bei besonderem Hinweis nur von dem alten japanischen Inselstaatsgebiet die Rede, während die Bahnen von Korea, Formosa und Sachalin in besonderen Artikeln behandelt sind.
Die geographische Lage des Landes, eine Kette verhältnismäßig schmaler, langgezogener und von Gebirgen erfüllter Inseln, deren Flächenausmaß kaum zu einem Drittel eben und kultivierbar ist, läßt ohneweiters erkennen, daß Japan keinen geeigneten Boden zur Entwicklung eines großartigen Eisenbahnwesens abgeben wird. Der Verkehr kann sich in vorteilhaftester Weise des Wasserweges bedienen.
Beträgt doch die Küstenlänge 24.500 km, die der vier Hauptinseln allein 13.100 km. Japan besitzt daher auch von allen Großmächten das kleinste Eisenbahnnetz, nämlich auf 382.416 km21 rund 9000 km Bahnen oder 2∙36 km auf 100 km2. Dem steht beispielsweise Deutschland mit 540.858 km2 und einer Gesamtlänge von rund 62.000 km oder 11∙4 km auf 100 km2 gegenüber. Die geringe Größe des japanischen Netzes beruht auch auf dem gegenüber andern Ländern um 30–40 Jahre verspäteten Einsetzen der Entwicklung.
Den Kern Japans bilden die vier großen Inseln, von Nordosten nach Südwesten Hokkaido, (Jesso) Hondo oder das Hauptland, Schikoku und Kiuschiu (Sakkaido). Wichtig sind das Hauptland und Kiuschiu, minder wichtig das noch der Entwicklung harrende Hokkaido, während Schikoku nur wenige Bahnlinien besitzt. Die Eisenbahnlinien auf Hondo, Kiuschiu und Hokkaido bilden roh skizziert, die Verbindung der Endpunkte und wichtigsten Hafenplätze der Inseln mit Bahnen, die durch die Gebirge an die meeresnahen Niederungen gedrängt sind. Von diesen weitgestreckten Längsbahnen zweigen zahlreiche Querbahnen zur Verbindung mit dem Inneren und der Parallelküsten miteinander ab.
Dem Größenverhältnis und der allgemeinen Wichtigkeit nach überragt das Hauptland die übrigen Inseln gewaltig. Umfaßt es doch allein 3/5 des ganzen Staatsgebietes oder 224.700 km2. Es bildet mit Kiuschiu und Schikoku Alt-Japan im engsten Sinne. Auf dem Hauptlande finden wir denn auch die erste Eisenbahn. Auch in Japan kehrt die eisenbahngeschichtliche Erscheinung wieder, daß die erste Bahnlinie zur Verbindung der Landeshauptstadt mit der nächsten Stadt oder dem nächsten Hafen hergestellt worden ist.
Gleich dem ganzen Aufschwung Japans zu einer modernen Kulturmacht fällt auch das Eisenbahnwesen mit der Wiedereinsetzung der kaiserlichen Regierungsgewalt zusammen. Im Jahre 1868 war nach tausendjähriger Dauer die Residenz aus Kioto nach Tokio verlegt worden und schon 1870 konnte die erste Telegraphen- und 1872 die erste Eisenbahnlinie zwischen der neuen Hauptstadt und Jokohama eröffnet werden. In der Folge hat auch das Eisenbahnwesen eine sprunghafte Entwicklung genommen. In den ersten zehn Jahren kam man auf 70 Meilen (engl.), im folgenden Jahrzehnt auf 1000 und in den darauf folgenden etwa 15 Jahren auf 5000 englische Meilen. Die Eisenbahngeschichte des Landes erinnert an die Preußens, denn auch sie ist beherrscht von der großen Tatsache der allgemeinen Verstaatlichung fast aller Bahnen (1906). Die japanische Entwicklung ist aber dadurch gekennzeichnet, daß zuerst entschieden die Politik staatlichen Eisenbahnbaues und -betriebes eingeschlagen, dann aber wieder fast ganz aufgegeben wurde, um nach 21/2 Jahrzehnten wieder ebenso entschieden auf den Schild erhoben zu werden. Dementsprechend ist die Eisenbahngeschichte Japans in drei Perioden, von 1870–1880, von 1880–1906 und von da an bis heute zu teilen.
Die Wirtschaftsverhältnisse vor der großen Umwälzung waren durchaus nicht dazu angetan, einen lebhaften Reise- und Handelsverkehr aufblühen zu lassen. Nicht wie beim Eisenbahnbeginn Europas und Amerikas oder auch dem Chinas bestand lebhafter Handel und Verkehr, der nach Verbesserungen rief. Auch gab es im Lande nur wenige große Heerstraßen und daneben kleine mangelhafte Pfade.
Das Land zerfiel in eine Unzahl kleiner Teilfürstentümer, die eifersüchtig auf Wahrung ihrer Territorialhoheit bedacht waren. Die Straßen sperrten Tore fast an jeder Festung eines Feudalherrn. Selten führten Brücken über die Flüsse. Nach außen war das Bestreben der die Regierung erblich führenden Reichskanzler, der Shogune nicht minder auf Abschluß gerichtet.
Alle diese Mißstände beseitigte die Restauration. An Stelle der Lehns- und Feudalverfassung mit ihren mehr als 270 halbsouveränen Teilstaaten trat der Einheitsstaat mit einer modernen Einteilung in Kreise und Grafschaften. Die Tore an den Straßen fielen und es entspann sich ein Wetteifer der Lokalbehörden im Bau von Straßen. Die ersten Dampfer erschienen in Kobe, Nagasaki und Jokohama und zeigten den Japanern, welche Verkehrsmöglichkeiten für ihr Inselreich bestanden. Die Schiffahrt blühte auf und der Wettbewerb im Lande erkannte rasch, daß er erfolgreich nur mit Eisenbahnen werde auftreten können.
B. Die Bahnen der einzelnen Inseln.
1. Das Hauptland.
a) Staatsbahnen. Die Geschichte der J. beginnt mit der Entwicklung der Bahnen auf Hondo. Der in Mitteljapan (zwischen Tokio und Kobe – Tokaidobahn) einsetzenden Entwicklung der Eisenbahnen folgte bald der Osten (nordostwärts von Tokio – Nipponbahn) und später der Westen (westwärts von Tokio – Sanyobahn).
Im November 1869 beauftragte der Kaiser Lord Date, Graf Okuma und Fürst Ito, die Lösung des Eisenbahnproblems in Angriff zu nehmen, vor allem Mittel für Bahnbauten aus England zu beschaffen. Als Berater diente der Regierung der Engländer Ley, dessen Namen unlöslich mit dem Beginn des chinesischen Seezolls verknüpft ist. Im Frühjahr 1870 konnte mit dem Bau der Strecke Tokio-Jokohama begonnen werden. Ley wurde beauftragt, in England eine Anleihe aufzubringen und die nötigen Materialien anzukaufen und Beamte und Techniker anzuwerben. Er entsandte denn auch von England aus solche, aber seine Arbeitsweise mißfiel der japanischen Regierung, sie setzte ihn ab und übertrug die Anleihebesorgung der Orientalbank. Es kam zunächst zum Abschluß einer Anleihe von 1 Mill. Pfund zu 9% Zinsen. Noch im Juli 1870 begann der Bau einer zweiten Bahnlinie von Osaka nach Kobe. Die Wichtigkeit der Bahnen erkennend, setzte die Regierung 1871 ein besonderes Eisenbahnamt ein. Dieses beauftragte alsbald fremde Ingenieure mit der Vermessung der Strecke Kioto-Otsu, während es die Weiterführung des Baues der begonnenen Strecken schon großen Teils in eigene Hände nahm. Die Volksstimmung blieb dem allen gegenüber nicht gleichgültig, vielmehr erhob sich großer Widerspruch, der auf allgemeinen Beharrungsgrundsätzen beruhte, aber besonders starke Nahrung in der Erwägung fand, daß die Anstellung der vielen Fremden – es waren zeitweise in den Anfangsstadien gegen 200 fremde Techniker – und die Aufnahme einer Anleihe, noch dazu mit solchem Zinsfuß, das Land den Fremden ausliefern heiße. Aber die leitenden Staatsmänner arbeiteten unbeirrt und mit einer Planmäßigkeit weiter, die Bewunderung verdient. Beispielsweise wurde bereits 1870 eine Rentabilitätsberechnung der wichtigen ins Auge gefaßten Linien aufgestellt. Diese Berechnung ist als Vorbild aller bis heute mit derselben Genauigkeit ausgearbeiteten Zusammenstellungen und Berechnungen bei japanischen Eisenbahnbauplänen anzusehen. Weittragend und schwerwiegend war die Entscheidung über die Spurweite. Es heißt, ein australisch-englischer Ingenieur, dem die »Kapspur« aus seinen Erfahrungen in Australien bekannt war, habe sie der Regierung anempfohlen, und so sei es zur Annahme der Spurweite von 1∙06 m gekommen. Nach Inouyes Darstellung war für diese Spur die Erwägung ausschlaggebend, daß für das gebirgige Land die Schmalspur besser geeignet sei, daß sie vor allem ökonomischer sein werde, und daß man lieber 130 Meilen Schmalspur als 100 Meilen Normalspur haben wolle. Und damit hatte man für die damalige Zeit nicht Unrecht. Unterdes war der durch technische Schwierigkeiten nicht behelligte Bau der ersten Linie fortgeschritten und am 7. Mai 1872 konnte der erste Eisenbahnzug auf japanischem Boden auf einer Teilstrecke der gedachten Bahn fahren, die in der ganzen Ausdehnung von 29 km von Tokio bis Jokohama am 12. September 1872 feierlich durch den Kaiser eröffnet wurde. Schon 1880 wurde ein zweites Gleis hinzugefügt. Bei der Menge hochbezahlter Fremder und angesichts des Umstandes, daß es ein erster Versuch war, für den alle unterstützenden Mittel, wie Reparaturwerkstätten u. dgl. erst geschaffen werden mußten, nimmt es nicht wunder, wenn die Kosten außerordentlich hoch waren. Abgesehen von mehreren großen Brücken war der Bau technisch einfach – Steigung höchstens 1 : 100 – und erforderte insgesamt 12,334.688 M. oder für das km rd. 425.000 M.
Diese Linie bedeutet den Anfang der noch heute wichtigsten Bahn, der Tokaidobahn, von Tokio über Jokohama-Nagoya-Gipu-Otsu-Kioto-Osaka nach Kobe. Nach ihrer Vollendung verschob sich das Interesse am Bahnbau allein auf die Strecke bei Osaka und so wurde das Eisenbahnamt 1884 dorthin verlegt, zumal schon im Dezember 1873 der Beginn der Bauarbeiten an der 27 Meilen langen Linie Kioto-Osaka gemeldet werden konnte. Im November 1874 wurde die zweite Bahnlinie Japans eröffnet, die 35 km lange Strecke von der verkehrsreichen Hafenstadt Kobe zu dem gewerbefleißigen Osaka (Adjikawa). Die Kosten dieser technisch gleichfalls nicht besonders schwierigen Linie – höchste Steigungen 1 : 100 – waren noch höher als die der ersten und haben damit die Linie zur teuersten Japans gemacht, sie betrugen nämlich 17,936.912 M. oder 512.000 M. für das km. Zur Zeit ihrer Eröffnung war auch die als dritte in Angriff genommene Bahn, nämlich die von Kioto nach Osaka fast vollendet. Aber über die so frisch begonnene Entwicklung brach der Sturm des letzten großen inneren Krieges Japans herein. Und so wurde diese 47 km lange Linie erst drei Jahre später ganz fertig und im Februar 1878 vom Kaiser feierlich eröffnet. Die Kosten dieser Linie betragen nur noch 262.000 M. für das km, obschon die technische Leistung eine höhere war und Höchststeigungen von 1 : 40 zu überwinden waren. Die Finanzierung der beiden letzten Linien erfolgte noch aus der Anleihe im Gesamtbetrage von 3 Mill. Pfund Sterling. Die drei genannten Bahnlinien und ihr Bau bilden insofern einen Geschichtsabschnitt für sich, als nunmehr Japan dazu übergeht, aus eigener Kraft Eisenbahnen herzustellen. Als erster Versuch hierfür wird der Bau der Linie Kioto-Otsu gewählt. Der große Bürgerkrieg in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre hatte die kaiserliche Regierung von neuem gestärkt, und sie ging nun zu einem Eisenbahnbauprogramm größeren Stiles über. Es wurde eine Anleihe von 121/2 Mill. Yen – damals 1 Yen gegen 4 M. – aufgenommen, von denen fünf für öffentliche Arbeiten, u.zw. davon wieder die Hälfte für Eisenbahnen bestimmt wurden. Außer der Linie Kioto-Otsu wurde noch eine Linie von Shiozu oder Nagahama nach Tsuruga ins Auge gefaßt, um eine Verbindung zwischen dem Südufer und Nordufer Hondos zu schaffen und sich dabei des Bootverkehrs auf dem Biwasee, einem ganz von Land umschlossenen Binnengewässer, zu bedienen. Im August 1878 begann die Arbeit auf der 18 km langen Strecke Kioto-Otsu, deren Bau in zwei Jahren vollendet wurde und trotz technischer Schwierigkeiten (die z.B. der große Tunnel bei Osakayama verursachte, der ein Gefälle von 1 : 40 aufweist) und des Fehlens fremder Ingenieure als Bauleiter nur 175.000 M. das km kostete. Im Juli 1881 konnte die Eröffnung der ganzen Linie stattfinden. Nach dieser Tat selbständiger japanischer Ingenieurkunst, deren wirtschaftliche Ergebnisse günstig waren, wuchs das Vertrauen in die eigene Kraft und es wurden allmählich die meisten Fremden aus dem Eisenbahnbau- und -betriebsdienst entfernt und nur zwei oder drei hervorragende Fachleute als Ratgeber beibehalten.
Die Verbindung der beiden Küsten erschien als eine ganz besonders wichtige Aufgabe. In der zweiten Hälfte des Jahres 1880 begann der Bau der »Tsurugalinie«. Sie geht von Nagahama aus, das auf dem Biwasee von dem andern Eisenbahnendpunkt Otsu erreicht werden konnte, und führt nach Tsuruga, dem Hafen für die Fahrt nach Ostsibirien (Wladiwostok). Die technischen Schwierigkeiten auf dieser Strecke waren erheblich größer als die der Linie Kioto-Otsu (mehrere Tunnel zwischen Janagase und Hikita mit Gefällen bis 1 : 40). 1882 waren je 16 km auf beiden Seiten des Haupttunnels fertig, dessen Vollendung bis 1884 dauerte. Die Gesamtlänge der Bahn beträgt 45 km. Sie erforderte rund 146.600 M. für das km, die Bauleitung lag nur in Händen japanischer Ingenieure mit wenigen europäischen Beratern.
Damit endet die erste Periode, die der staatlichen Unternehmung. Aber der Staat verzichtete darum in der Folgezeit keineswegs auf seine Mitwirkung und richtete seine Arbeitskraft besonders auf Mitteljapan, den Osten und Westen dem Privatunternehmen überlassend. Besonders wichtig mußte namentlich vom militärischen Standpunkt aus die Verbindung der Hauptstadt mit dem Meere am andern Ufer sein. Auch hierfür wurde Tsuruga als Endpunkt vorgesehen. Unter Überwindung erheblichen Widerstandes im Schoße der Regierung gelang es zunächst den Beschluß einer Verlängerung der Tsurugalinie von Nagahama ostwärts über Sekigahara nach Ogaki durchzusetzen (1882/83). Aber erst der Erfolg der privaten Nipponbahn, die ihre Linie bis zu dem nordwestlich Tokio gelegenen Takasaki erstreckt hatte, bewog die Regierung zu dem großen Entschluß, eine Anleihe von 60 Mill. Yen aufzunehmen (23. Dezember 1885), um die Verbindung der Bahnen um Tokio mit den bereits bestehenden westlichen Bahnen zu schließen. Den militärischen Beratern erschien die Verbindung von Tagasaki mit Ogaki als das Gegebene, denn sie führte nach dem Innern des Landes. Sie wurde nach der großen Heerstraße die »Nakasendo«-Linie genannt und die anfänglichen Pläne wurden nach ihr ausgearbeitet. Allmählich aber kam man zur Einsicht, daß das Unternehmen verfehlt sein würde, da die technischen Schwierigkeiten fast unüberwindlich erschienen, hohe Gebirgszüge und breite Flüsse gekreuzt werden mußten, während das Land dünn bevölkert ist. So gewann der Gedanke der »Tokaido«-Linie längs der so genannten Straße nahe dem Meere Anhänger. Diese entbehrte zwar auch nicht aller technischen Schwierigkeiten, war aber viel leichter zu bauen und erschloß vor allem das bevölkerte und betriebsame Küstenland. 1886 wurde der Widerstand der Militärs überwunden, der Bau der Tokaidolinie beschlossen und in den folgenden Jahren ausgeführt. Als der japanische Reichstag 1890 zusammentrat, waren die Verbindungen nach Westen – und Nordwesten – in der Hauptsache fertig, d.h., es bestand von Tokio aus westwärts die Linie über Jokohama-Gotemba-Nagoya-Ogaki-Sekigahara-Nagahama-Otsu-Kioto-Osaka- Kobe und die Linie von Nagahama nach Tsuruga, im ganzen ein Staatsbahnnetz von 550 Meilen, mit einem Kostenaufwand von rund 36 Mill. Yen hergestellt.
Bis zur allgemeinen Verstaatlichung vergrößerte der Staat sein eigenes Bahnnetz auf der Insel Hondo auf mehr als das Doppelte. Die wichtigsten staatlichen Unternehmungen aus jener Zeit waren die Hokuriku-, O-U- und Shinyetsulinien. Die Hokurikulinie bedeutet den mittleren Teil einer großen zukünftigen Küstengürtelbahn und führt von Tsuruga mit 120 km nach Toyama. Sie wurde am 20. März 1899 eröffnet. Die Shinyetsulinie stellt den zweiten Querweg von Küste zu Küste dar, knüpft an die Nipponbahn im Orte Takasaki an und führt nordwärts nach dem Hafenort Naoetsu. Durch eine Privatbahn ist eine nördliche Verlängerung bis Niigita hergestellt. Die Shinyetsulinie wurde am 1. April 1893 in der ganzen Länge von 188∙36 km eröffnet; sie stellte wohl die bedeutendsten Anforderungen an japanische Ingenieurkunst. Es mußten die Usuipässe (941 m hoch) zwischen Jokogawa und Karuizawa überwunden werden; es geschah dies in Nachbildung deutscher Technik auf der Harzbahn, mit einer 8 km langen Zahnschienenstrecke mit Lokomotiven nach dem Abtschen System des gemischten Reibungs- und Zahnradbetriebes. Die O-U-Linie war das zweitgrößte Staatsunternehmen. Beginnend bei einer Station der privaten Nipponbahn »Fukushima«, 220 km nördlich Tokios, bildet die Bahn mit rd. 500 km Länge heute einen zweiten Zuweg zum äußersten Norden Hondos (Aomori) und läuft durch die westliche Hälfte, während die private Nipponbahn an der östlichen Küste und durch die östliche Hälfte führt. Gleich der erste Abschnitt (40 km) von Fukushima bis Yonezawa bildete ein großes technisches Hindernis, da der Itayapaß mit Steigung bis 1 : 30 überwunden werden mußte. Von Yonezawa biegt die Bahn stark nach Norden ein, geht über Shinjo, den Knotenpunkt mit einerweiteren geplanten Querbahn, nach Akita am Westmeer, das sie bei Hataori (Noshiro) nochmals berührt, um dann nordwestwärts über Shirasawa-Hirosaki den Endpunkt Aomori zu erreichen. Die O-U-Linie wurde am 14. September 1905 in der ganzen Länge dem Verkehr übergeben, nachdem der Neubau zwischen Yokote und Misawa endlich vollendet war.
Das Eisenbahnwesen ist auch in den Zeiten der privaten Betätigung stets Gegenstand lebhafter Aufmerksamkeit der Regierung gewesen. Im Februar 1872 ergingen die ersten gesetzlichen Bestimmungen, es folgten »Allgemeine Regeln über den Betrieb der Eisenbahnen«, die in den folgenden Jahren wiederholt Zusätze erhielten. 1887 (Gesetz vom 17. Mai) kamen die »Bestimmungen über die Privatbahnen« heraus und 1892 erging ein grundlegendes Gesetz (20. Juli, s. Arch. f. Ebw. 1893), das in großen Zügen die Pläne zur Erschließung Japans mit Eisenbahnen entwirft und noch heute als Hinweis auf viele unerfüllte Aufgaben Bedeutung hat. Am 1. Oktober 1892 erfolgte die Bildung eines Eisenbahnrates aus hohen Beamten und Parlamentsmitgliedern. 1897 ergingen zwei wichtige kaiserliche Verordnungen (2. August, Arch. f. Ebw. 1898, S. 1101), betreffend die Organisation des Verkehrsministeriums und der diesem unterstellten Eisenbahndirektion. Im Jahre 1900 erging das »Gesetz über die Privatbahnen« und das »Gesetz über den Betrieb der Eisenbahnen«, das im Oktober in Kraft trat und die meisten älteren Bestimmungen außer Kraft setzte (Arch. 1901, S. 995). Am 11. März 1904 ergingen noch zwei Gesetze über das Privatbahnsystem, nämlich »Über Verpfändung von Eisenbahnen und Mitwirkung von Trustgesellschaften bei Ausgabe von Obligationen«. Die Gesetze bezweckten die Erleichterung von Kapitalbeschaffung durch Einschiebung von Finanzierungstrusten, da sich das Publikum den Bahngesellschaften unmittelbar gegenüber zurückhaltend gezeigt hatte. Schließlich erfolgte am 30. März 1906 das »Verstaatlichungsgesetz«.
b) Privatbahnen. Als die Erkenntnis der Notwendigkeit privater Unternehmungen sich durchgesetzt hatte, ging man mit großer Energie vor. Fürst Iwakura übernahm die Führung. Mit der Gesellschaftsgründung verband er gleich eine kluge innerpolitische Maßnahme. Die früheren Feudalherren des Reiches waren für die Aufgabe ihrer Quasisouveränitätsrechte durch Geldbeträge entschädigt worden, die ihre früheren Einkünfte kapitalisiert darstellten. Diese beträchtlichen Kapitalien der Eisenbahn nutzbar zu machen, erschien zugleich als ein gutes Mittel, sie von der Unterstützung weiter zu befürchtender Wirren abzuhalten. Iwakuras Aufruf hatte guten Erfolg. 1880 schon erfolgte die Konstituierung der »Nipponeisenbahngesellschaft«, die nichts Geringeres unternehmen wollte als die ganze nördliche Hälfte Hundos auf einer Strecke von fast 800 km mit einer Bahn zu durchziehen. Sie erhielt auch die Konzession für die Linie Tokio-Aomori und erreichte ihr Ziel. Die Bahn wurde entsprechend der Konzession von Omiya (nördlich Tokio) gabelförmig nach Nordwesten und Nordosten, d.h. nach Takasaki und Utsunomiya vorgetrieben. Die Regierung übernahm eine Zinsbürgschaft von 8% des Anlagekapitals, u.zw. auf 10 oder auf 20 Jahre. Die Folge hiervon war, daß die Regierung für einzelne Strecken noch Unterstützung zahlte, als die Gesamtrentabilität 8% überstiegen hatte. Der Gesellschaft wurde auch sonst die weitestgehende Hilfe gewährt. Die von der Bahn durchschnittenen Ländereien sowie die für Stationen, Schuppen u.s.w. zu benutzenden Gebäude sollten der Gesellschaft unentgeltlich überlassen werden. Der Kostenanschlag ergab rd. 100.000 M. für das Kilometer, im ganzen etwa 61 Mill. M. Das Betriebsmaterial wurde von England bezogen, die Arbeiten ausschließlich von Japanern unter japanischen Ingenieuren geleistet. Die Bahn durchläuft wertvolle Gebiete, im südlichen Teil die hauptsächlichsten Reis-, Seide- und Baumwollgebiete, im nördlichen Teil Gebiete, deren Reisanbau auch noch beträchtlich ist und die durch ihre Pferdezucht bekannt sind. Die Gesellschaft hatte jedoch anfänglich mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, da sich die Einzahlung der gezeichneten Summen verzögerte. So mußte sie ein Darlehen bei der Staatskasse aufnehmen und beauftragte zugleich mangels genügend vorgebildeter japanischer Ingenieure das Eisenbahnamt mit dem Beginn der Ausführung des Werkes. Das Eisenbahnamt begann im Winter 1881/82 mit der Arbeit. 1891 konnte die ganze Strecke bis Aomori eröffnet werden. Die Nipponbahngesellschaft, deren wirtschaftliche Ergebnisse vorzüglich waren, blieb bis zur allgemeinen Verstaatlichung das größte Privatunternehmen; sie dehnte ihr Netz bis auf fast 1400 km aus und hatte 1906 ein Kapital von 501/2 Mill. Yen bei einem Baukostenaufwand von 541/2 Mill.
Mit den Unternehmen der Nippon- und der Tokaidobahn war die Eisenbahnerschließung Ost- und Mitteljapans gesichert. Noch aber fehlte es an der Strecke Kobe-Shimonoseki zur Vollendung des Schienenrückgrats der Hauptinsel. Diese Aufgabe wurde im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts gelöst, u.zw. gleichfalls durch Privatunternehmen. Die 1884 gegründete Sanyobahngesellschaft setzte sich das große Werk der Erbauung des etwa 500 km langen Schienenweges zur Aufgabe. Ihre erste Teilstrecke konnte sie 1888 in Betrieb nehmen und im Jahre 1901 wurde das östlichste Stück bis Shimonoseki fertig. Die der Küste ziemlich nahe folgende Bahn, der bedeutende Geländeschwierigkeiten erspart blieben, führt von Kobe im Anschluß an die staatliche Tokaidobahn nach Hiogo, wo die Gesellschaft ihren Hauptbetriebsbahnhof und Eisenbahnwerkstätten errichtete und von da über Himeji, Oyama, Hiroschima – mit starker Garnison – Mitajiri nach Shimonoseki führte. Die Gesellschaft genoß eine feste Staatsunterstützung von 2.600 M. für das km, da die Regierung diese Form der Hilfe für zuträglicher erkannt hatte als die Zinsbürgschaft. Das Gesellschaftskapital betrug rund 34 Mill. Yen und die Anlagekosten etwa 37 Mill. Die Rentabilität war sehr gut. Die Gesamtlänge der Bahnen mit allen Nebenlinien betrug bei der Verstaatlichung 653 km. Die Hauptaufgabe der Verbindung des äußersten Nordostens mit dem äußersten Südwesten Hondos war mit ihrer Vollendung gelöst, allen anderen Bahnunternehmungen auf dem Hauptland kommt daher nur noch der Wert von Ergänzungbauten zu. Ihr Endpunkt Shimonoseki bedeutet zugleich den Anschluß für die Dampferlinien nach Korea (Fusan) und Kiuschiu (Moji).
Das Interesse der Öffentlichkeit für den Bahnbau erwachte nur langsam, blieb ihm aber in allen Fällen fern, in denen nicht der Staat beitrat. So vermochte die wenige Jahre nach der Nipponbahn gegründete Linie Hokuriko-Tetsudo-Kwaisha nichts auszurichten, weil der Staat die Garantieübernahme ablehnte. 1885 wurde die Kiuschiugesellschaft gegründet. Abgesehen von ihr und der Hokkaidobahn hat es auf Hondo neben der Nippon- und Sanyobahn nur noch eine Privatbahn mit einem größeren Netz gegeben, die Kansaibahn. Die übrigen Gesellschaften hatten Bahnen von geringer Ausdehnung. Einen starken Antrieb zur Gründung neuer Gesellschaften bildete der siegreiche Krieg mit China. Die Gründerperiode wirkte so stark, daß der Staat zeitweilig dämpfend eingreifen mußte. Viele solcher Gründungen waren ungesund und lediglich zu Spekulationszwecken erfolgt. Zur Zeit der Verstaatlichung hatte das Privatbahnnetz der J. eine Ausdehnung von 5200 km, denen rd. 2450 km Staatsbahnen gegenüberstanden.
Von den Privatbahnen bezweckte die Kansaibahn von Osaka nach Nagoya eine Abkürzung und Konkurrenz zur Tokaidobahn, für die sie heute eine Entlastung bedeutet. Sie konnte im Jahre 1888 ihre ersten Strecken dem Verkehr übergeben und wurde am 18. November 1898 vollendet. Durch eine Reihe von Seitenlinien dehnte die Gesellschaft ihren Bestand bis auf 451.4 km zur Zeit der Verstaatlichung aus.
Die Hokuyetsubahngesellschaft wurde anfangs der Neunzigerjahre begründet, um eine Verbindung der beiden Hafenstädte Naoetsu und Niigata längs der Küste und damit zugleich der staatlichen Shinyetsubahn und der geplanten Inselquerbahn Taira-Niigata herbeizuführen. Die Bahn läuft z. T. ganz nahe der Küste und schneidet die reichen Petroleumgebiete der Provinz Echigo an. Sie wurde im Mai 1897 eröffnet. Besondere technische Schwierigkeiten bestanden nicht, allerdings kreuzt sie im Oberlauf den Shinano, den längsten und größten Fluß Japans und erreicht auf dessen rechtem Ufer Nuttari, gegenüber dem linksseits liegenden Niigata, das jetzt durch eine Eisenbahnbrücke mit dem rechten Ufer verbunden ist. Die Bahn hat eine Länge von rd. 140 km.
Die Sobubahngesellschaft hat ihre Linie seit Mitte 1894 im Betrieb. Sie verbindet die Hauptstadt mit dem östlich auf einer Landzunge weit vorgeschoben liegenden Choshi. Die Anlagekosten der 115.8 km langen Bahn haben nur rd. 50.000 M. für 1 km betragen, so daß die Bahn, die dank dichter Besiedlung ihres Gebietes einen bedeutenden Personenverkehr hat, sich geradezu glänzend rentiert. Von ihrer Station Sakura geht die – Privatbahn gebliebene – Naritabahn aus, die mit rd. 40 km nach Sawara führt. An der Station Chiba der Sobubahn beginnt die – verstaatlichte – Bosobahn, die mit 43 km Länge das südlich gelegene Ichinomiya und weiter Ohara erreicht, während ihre Verlängerungen darüber hinaus nach Katsuura an der Ostseite der Halbinsel und Kisaradzu an der Westseite noch Pläne sind.
Die Hankakubahn stellt eine Verbindung zwischen Osaka und der Westküste her. Sie geht von dem westlich Osaka gelegenen Amagasaki aus, kreuzt die Tokaidobahn und erreicht nach 100 1/2 km die Kiotobahn bei Fukuchiyama. Sie hatte ursprünglich eine noch schmalere Spur als die heutigen Bahnen Japans, nämlich nur 0∙838 m; bei der Verschmelzung mit einer anderen Bahn, der Settsubahn, wurde aber die ganze Linie auf japanisches Normalmaß gebracht.
Die Kiotobahn bildet einen Teil einer Bahn zur weiteren Verbindung Kiotos mit der westlichen See bei Maidzuru und über Eukuchiyama und Wadayama mit der Küstenbahn Tottori-Sakai.
Die Verstaatlichung. Ende der Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts wurde vorgeschlagen, die bestehenden Staatsbahnlinien wenigstens teilweise an Privatunternehmer zu verkaufen, der Privatbahngedanke war vorherrschend. Es kam nicht hierzu, dagegen gewann der Staatsbahngedanke langsam an Boden, je mehr die in Japan ganz besonders offenkundigen Nachteile des Privatbahnsystems zu tage traten. 1891 schlug die Regierung vor, die wegen allgemeinen geschäftlichen Stillstandes damals tiefstehenden Aktien von Privatgesellschaften für den Staat zu kaufen, aber der Plan wurde von der Volksvertretung verworfen. Nach dem ruhmreichen Kriege mit Rußland gelang es der Regierung im Unterhause das Gesetz der Verstaatlichung nahezu aller privaten Bahnen durchzudrücken. Im Oberhause freilich folgte eine Beeinträchtigung des großen Einheitsgedankens, indem eine Reihe gerade der kleinsten Linien ausgeschieden wurden, nämlich 15 Gesellschaften, von denen 13 durchschnittlich 25 km Schienenlänge besaßen, während die zwei größten 72 und 78 km im Betrieb hatten. Die Hauptgründe für die Verstaatlichung waren folgende: Zunächst rechnet das Gesetz den Eisenbahnbau und -betrieb zu den Obliegenheiten, die dem Staat seiner Natur nach zukommen. Ferner wird es als Notwendigkeit angesehen, die Eisenbahnen nach dem großen Kriege, nach dem ein großer wirtschaftlicher Aufschwung zu erwarten war, unter eine einheitliche Leitung zu bringen, um sie wirtschaftlich – und militärisch – besser auszunutzen. Man vergegenwärtige sich, daß von 41 Privatgesellschaften folgende Bahnlängen betrieben wurden:
unter 10, 10–50, 50–100, über 100 Meilen 3 30 3 5
Der Durchschnitt betrug zwar für jedes Unternehmen rd. 160 km, die übergroße Mehrzahl aber hatte nicht einmal 100 km Länge zu verwalten.
Ein besonderer volkswirtschaftlicher Schaden wurde auch darin erblickt, daß bei dem Kapitalmangel Japans eine immer größere Abhängigkeit von ausländischen Geldgebern eintreten werde, und daß die Gewinne aus den Bahnbetrieben ins Ausland flössen. Je mehr die Bahnen auch für größere durchgehende Transporte, so besonders auch militärische in Kriegs- und Friedenszeiten benutzt wurden, mußte sich die Ungleichmäßigkeit des rollenden Materials störend fühlbar machen. Ganz besonders interessiert aber war der Staat an einem Zusammenschluß seiner eigenen in fünf völlig getrennte Netze auseinanderfallenden Schienenwege untereinander. Endlich bedeutete die Verstaatlichung für den Staat selbst ein gewinnbringendes Geschäft. Denn er entschädigte zwar die Privatunternehmer im Verhältnis zu den Anlagekosten und Ergebnissen reichlich, erhielt aber doch Bahnlinien, deren wirklicher Wert den gezahlten erheblich überstieg, besonders deshalb, weil sich ihr wirklicher Wert erst in der gemeinsamen, verbilligten und verbesserten Verwaltung zeigen konnte (vgl. hierüber Arch. 1907, S. 350 ff.).
Es wurden im ganzen 4527∙2 km Privatbahnen mit einem Anlagekapital von etwa 463 Mill. M. zur Verstaatlichung bestimmt, ungerechnet die Linien in Korea, während 23 Unternehmen mit rund 817 km Bahnlänge als Privatbahnen übrig blieben. Das Staatsbahnnetz – von damals über 2000 km im Betriebe – vergrößerte sich dadurch auf das dreieinhalbfache. Der Kaufpreis wurde derart ermittelt, daß das Verhältnis von Reingewinn zu Baukosten im Durchschnitt der letzten sechs Halbjahrsergebnisse berechnet und die so gewonnene Summe mit 20 multipliziert wurde. In der Mehrzahl der Fälle übertraf das Ergebnis die Baukosten oder das Anlagekapital beträchtlich. Die Regierung, der das Gesetz freie Hand gab, den Ankauf jeder einzelnen Bahn im Laufe der folgenden zehn Jahre, also bis 1915, zu vollziehen, bewerkstelligte die gesamte Umwandlung weit schneller, nämlich schon bis zum Jahre 1909. Die Tilgung des Kaufpreises geschah durch Hinausgabe von fünfprozentigen Staatsschuldverschreibungen. Schon am 1. Oktober 1906 wurde als erste die Kobu und die Hokkaido-Tanko verstaatlicht, am 1. November die wichtigste und größte Linie, die Nippon- und Ganetsubahn, und am 1. Dezember 1906 die Sanyo- und Nishinaribahn. Gesellschaften, die Nebengewerbe betrieben, wurden auch diese abgekauft, so insbesondere auf Hokkaido Kohlenzechen. Da die Regierung nach dem Gesetze in die Rechte und Pflichten der Gesellschaften nach außen hin eintrat, so übernahm sie auch die Vertragserfüllung gegenüber Beamten und Angestellten, die wohl meist in den Staatsdienst mitübernommen sein dürften. (Über die weitere Entwicklung des Gesamtnetzes s.D.)
2. Die Eisenbahnen auf der Insel Kiuschiu.
Kiuschiu ist die südlichste der vier Hauptinseln und mißt 40.371 km2. Ihre wichtigsten Häfen sind Kagoshima im Süden, Nagasaki im Westen und Moji im Norden gegenüber Shimonoseki auf dem Hauptlande. Die Verbindung dieser drei Häfen ergibt das wesentliche Gerippe des Eisenbahnnetzes. Die Insel Kiuschiu besitzt das wärmste Klima und ein besonders fruchtbares Gelände, zeichnet sich durch die Tüchtigkeit ihrer Bewohner aus (Satsuma) und ist vorbildlich im Kunstgewerbe, sie weist auch vor allem die größten Kohlenschätze des Landes auf. Mit den Kohlen besitzt die Insel zugleich auch lebhafte Industrie, z.B. das berühmte Stahlwerk von Wakamatsu. Bei diesen Vorbedingungen ist es nicht zu wundern, daß auch das Eisenbahnwesen eine lebhafte Entwicklung genommen und Kiuschiu ein relativ dichtes Netz erhalten hat. Freilich überließ die Regierung den Bahnbau auf dieser Insel fast ganz dem privaten Unternehmungsgeist, der »Kiushiu Tetsudo Kaisha« (K.-Bahn). Sie war die zweitgrößte Eisenbahngesellschaft. Der Staat beschloß, sie mit einer Zinsgarantie von 4% zu unterstützen, änderte aber die Form seiner Hilfe bald in einen festen Zuschuß zu den Baukosten in der Höhe von 2600 M. f. d. km um. Die Gesellschaft wurde 1885 mit einem staatlich genehmigten Aktienkapital von 11 Mill. Yen gegründet. Sie kam anfänglich nur mäßig vorwärts. Die Gesellschaft berief für Bau und Betrieb einen preußischen Eisenbahndirektor, unter dessen Leitung die Strecken Moji-Hakata und Tosu-Komamotu entstanden. An die deutsche Industrie wurden große Aufträge vergeben, insbesondere für Oberbaumaterial, eiserne Brücken, Lokomotiven und anderes Betriebsmaterial. Auch im übrigen trägt die Kiuschiubahn vorwiegend das Gepräge deutscher Bahnen im Gegensatz zu den nach englischem Vorbild eingerichteten sonstigen Bahnen Japans.
Die Strecke Moji-Kumamoto nebst einem Teil der Zweigbahn nach Nagasaki konnte Mitte 1891 in Betrieb genommen werden. Ihre Länge betrug etwa 200 km, während Nagasaki selbst erst am 27. November 1898 mit der Stammbahn verbunden wurde (Entfernung bis zum Knotenpunkt 1571/2 km). Die K.-Ges. baute ihren Besitz unermüdlich aus. Zur Verbindung des Industriehafens Wakamatsu mit den Kohlenfeldern hatte sich die Chikudobahngesellschaft gebildet. Ihre 73 km lange Linie kreuzt die Hauptbahn. Im September 1897 ging sie in der großen Konkurrentin auf. Auf ihrer wichtigsten Strecke hatte sie schon damals einen regen Verkehr, nämlich 35 Züge in jeder Richtung täglich, so daß sie als eine der ersten Bahnen doppelgleisig ausgebaut werden mußte. Die wesentlichsten Frachten der K.-Bahn sind Kohle, Reis, Wachs, Porzellan, Kalk, Fischdung, Fische, Muscheln, Matten, Sake, Soya. In der Nähe von Omuda, nördlich des vorläufigen Endpunktes Kumamoto, liegen Kohlenbergwerke, die ein hervorragendes Material in großer Ergiebigkeit liefern. Der wirtschaftlich günstigste Verschiffungshafen ist Misumi, westlich von Kumamoto, und der Bau einer Zweigbahn dorthin war eine der nächsten Aufgaben der Gesellschaft. Vor allem aber galt es, bis zum äußersten Süden, bis Kagoshima vorzudringen. Hier wurde wieder die alte Erfahrung gemacht, daß die Privatbahnunternehmer sich die rentabelsten Strecken heraussuchen unter Vernachlässigung anderer, mindergünstiger Linien. Während die im Eisenbahnbaugesetz vom Jahre 1892 als dringendste Aufgaben bezeichneten Verbindungen mit dem Kriegshafen Sasebo und den Handelshafen Nagasaki und Misumi hergestellt wurden, blieb die Strecke Yatsuhiro (Kumamoto)-Kagoshima lange Projekt, bis der Staat selbst das Werk in die Hand nahm. Zur Ausführung wurde es erst nach der allgemeinen Verstaatlichung gebracht und die ganze Strecke konnte am 21. November 1909 durchfahren werden. Ganz besondere Geländeschwierigkeiten hatte die letzte, rd. 34 km lange Reststrecke – in der Mitte – von Hotojoshi bis Yoshimatsu verursacht, deren Bau 31/2 Jahre gedauert hat. Überhaupt waren die Kosten dieses Baues hoch und betrugen durchschnittlich 219.500 M. für das km.
Weitere Pläne des 1892er Gesetzes harren noch der Ausführung, so vor allem die zur Erschließung des tieferen Innern der Insel bestimmte westöstliche Querbahn Kumamoto-Oita (134 km), ferner die Vollendung der Küstengürtelbahn von Oita nach Myasaki und Kagoshima (193 + 75 km), eine Linie, die die Kagoshimabahn bei Yoshimatsu erreichen soll, und an deren westlichstem Teil die Arbeiten im Gange sind. Der Grund für die Vernachlässigung des Südostens der Insel dürfte vor allem in den hohen Baukosten zu suchen sein, die das gebirgige Gelände mit zahlreichen Tunneln, Dämmen und Brücken erfordert. Die 1907 neu veranschlagten Kosten rechnen mit 185.000 bis 250.000 M. für das km.
Bis zur Verstaatlichung hatte die Kiuschiubahngesellschaft ihr Netz auf eine Länge von 715 km gebracht, das in zahlreichen Verzweigungen besonders dem Kohlentransport zu gute kam und in seiner Dichte an die Rheinischwestfälischen Kohlenrevierbahnen erinnert.
Während bis zur Eröffnung der ersten 200 km die Durchschnittsbaukosten nur 78.000 M. betragen hatten – die der Chikudobahn gleichzeitig rd. 112.000 M. – waren sie bis zur Zeit der Verstaatlichung auf rd. 150.000 M. gestiegen. Die anfänglich 4∙1% betragende Verzinsung erhöhte sich später beträchtlich. Das Kapital betrug zum Schluß, nachdem Ende 1898 noch eine kleinere Bahn (Arita-Bahn) aufgenommen worden war, 50,236.875 Yen.
Heute sind auf Kiuschiu fast alle Bahnen staatlich, den Privatunternehmungen sind nur die Klein- und Straßenbahnen überlassen. Von der Ostküstenlinie ist die Strecke bis Oita fertiggestellt und am 1. November 1911 in Betrieb genommen worden. Während an der Weiterführung dieser Linie nach Saeki nur langsam gearbeitet wird, schreiten die Arbeiten an der Linie von Yoshimatsu rüstig vorwärts und sind streckenweise schon vollendet. Das gleiche gilt trotz erheblicher Störungen und Beschädigungen durch Unwetter von der Bahn, die Kagoshima nordwärts mit Sendai verbinden soll.
Die Bahnen auf Kiuschiu sind heute 912 km lang und stehen an Dichte mit 2∙4 km auf 100 km2 der des Hauptlandes nur wenig nach (2∙5). Sie werden vom eigenen »Kiushiu Divisional Superintendent Office« geleitet und stehen nach Zahl der Züge, der beförderten Personen und Frachten u.s.w. mit an erster Stelle unter den Bahnen des Kaiserreichs. Sie überragen z.B. mit 47 reinen Güterbahnhöfen die aller anderen Bahnen, die zusammen nur 16 haben, in der Gesamtzahl der Stationen kommen auf Kiuschiu auf je 4∙6 km eine (auf das Hauptland auf je 6 km).
3. Die Bahnen auf der Insel Shikoku.
Die Insel Shikoku hat 18.300 km2 und 3 Mill. Einwohner. Ihr Eisenbahnwesen ist das am meisten vernachlässigte. Nur wenige Meilen sind vorhanden, ihr Bau hat spät begonnen. Die Gründe hierfür dürften in der geringeren Bedeutung der Insel in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu suchen sein, ferner in dem gebirgigen Charakter, der dünnen Bevölkerung und der Bedienung des Verkehrs der Küstenorte auf dem Wasserwege.
Der Bau von Eisenbahnen wurde der privaten Initiative überlassen. Im Jahre 1892 finden wir drei Unternehmer am Werke, die 24 km im Betriebe und 19 km im Bau hatten. In dem Eisenbahngesetz vom 20. Juni 1892 sind zwar weittragende Pläne zur Ausbildung eines organischen Netzes niedergelegt, aber es ist nur sehr wenig gebaut worden.
Nach diesen Plänen sollte eine Querbahn von der Nordküste, nämlich von Kotohira (Hafen: Tadotsu) nach der Südküste, nämlich nach Kochi und von dort westwärts entlang der Küste nach Susaki gebaut werden. Von einem Punkte an dieser Querbahn, nämlich von Ikeda, sollte ostwärts eine Verbindung zur Ostküste, nämlich nach Tokushima und Komatsushima gebaut werden und diese Linie ist auch in ihrem östlichen Abschnitt vom Meere bis Funeto hergestellt worden. Von Tadotsu sollte eine Linie an der Nordküste entlang nach Imaharu und weiter nach Matsuyama gehen. Hiervon ist nichts gebaut worden.
Heute bestehen zwei kurze Staatsbahnstrecken. Die eine führt im Tal des Joschino von Tokushima am Meere nach Funeto und mißt rd. 35 km, ihre Verlängerung bis Ikeda in einem Abstände von etwa 50 km ist geplant. Die andere längere Strecke verbindet die beiden Häfen Takamatsu und Tadotsu und führt von diesem noch nach der im Innern unweit der Küste liegenden Stadt Kotohira. Sie ist rd. 45 km lang.
Außer diesen Staatsbahnlinien finden sich einzelne wenig bedeutende Privatbahnen. Im Betriebe sind die Linien der Iyo-Gesellschaft: Takahama-Matsuyama-Yokokawara mit kleinen Seitenbahnen, insgesamt 43 km lang, sodann die Uwajima-Gesellschaft: die Verlängerung der Staatsbahn über Takamatsu hinaus bis Shido, eine Kleinbahn von rd. 16 km Länge. Matsuyama steht durch eine Linie mit Dogo in Verbindung, die das kleinste Eisenbahngesellschaftsunternehmen Japans darstellt, da ihre Betriebslänge nur 4∙95 km beträgt. Während sich die Dogobahn durch außerordentlich niedrigere Anlagekosten auszeichnet – 25.430 M. für das km (im Jahre 1900) – ragt die Iyobahn durch vortreffliche Rentabilität hervor; so stand sie z.B. 1898 mit 13∙1% an dritter Stelle aller japanischen Bahnunternehmen. Die von Privaten und vom Staat geplanten Linien werden mit den vorhandenen eine ungefähr durchgehende Verbindung an der ganzen nördlichen Küstenhälfte der Insel herstellen. Bis zu ihrer Verwirklichung dürfte freilich noch lange Zeit vergehen.
Takamatsu steht durch eine Dampferlinie mit dem Hauptlande in Verbindung, nämlich mit der gegenüberliegenden Eisenbahnendstation Uno, die 12 Meilen von Takamatsu entfernt ist. Im übrigen hat die Insel Shikoku am großen durchgehenden japanischen Verkehr keinen Anteil.
4. Die Bahnen auf der Insel Hokkaido (Jesso).
Hokkaido ist die nördlichste der vier Hauptinseln und trägt im Grunde noch kolonialen Charakter.
Das Land bedeckt 92.340 km2 und hatte insgesamt (am 31. März 1912) 1264 km Eisenbahnen. Die Bevölkerung, die durch dauernde Zuwanderuug aus Alt-Japan wächst, beträgt etwa 1,600.000 Seelen, davon rd. 18.000 Ureinwohner, die sog. Ainus. Seit den Tagen der Restauration hat man sich bemüht, das Land in landwirtschaftlicher und industrieller Hinsicht zu heben. In erster Hinsicht spielt es die Hauptrolle durch Pferde- und Rinderzucht, Obst- und Weinbau, vor allem aber ragt der Waldreichtum hervor. Die Industrie würde besonders in den gewaltigen Kohlenvorräten ihre Grundlage finden. Die erste Eisenbahn wurde zur Verbindung des Schachts von Horonai nach Otaru Anfang der Achtzigerjahre gebaut. Diese Stadt bildet mit Hakodate, Muroran und Nemuro die vier dem Fremdhandel geöffneten Häfen. Zu dem Hafen Muroran kam Ende der Achtzigerjahre von Iwamizawa (auf der Kohlenbahn nach Otaru) die nächste Linie hinzu. Die »Hokkaido Coal Mines Railway Company« wurde zur »Verlängerung der Eisenbahnen und Ausdehnung der Bergwerke« gegründet. Hunderttausende von Einwanderern strömten dem Lande zu, für das der siegreiche Krieg gegen China 1894/95 den Anstoß zu lebhafter Betätigung brachte. Es wurde ein sog. »Post bellum- Programm« oder »Zehn Jahr-Programm« aufgestellt, das besonders Hafenbauten und Eisenbahnbauten umschloß, u.zw. unter ersteren die Häfen von Hakodate, der heutigen Hauptstadt, und Otaru. Nach dem Kriege wurde als erste Bahn die Kanikawalinie in Angriff genommen und die Verbindung von Hakodate mit Otaru hergestellt, ferner Bauten durch die Provinzen Ishikari, Tokachi und Kushiro geplant. Diese Pläne sind heute zum großen Teil verwirklicht. Was an Privatbahnen vorhanden war, ist im Staatsbahnnetz aufgegangen. Die Insel bildet annähernd ein Dreieck und dessen Ecken, Hakodate, Wakkanai und Nemuro, sind bereits vollständig durch Eisenbahnen miteinander verbunden.
Die Längen der wichtigeren im Betriebe befindlichen Linien sind die folgenden:
Hakodate-Asahigawa 256∙36 Meilen od. rd. 412 km Iwamizawa-Muroran 86∙57 Meilen od. rd. 138 km Oiwake-Yubare (Kaede) 27∙12 Meilen od. rd. 46 km Fukugawa-Rumoi 31∙09 Meilen od. rd. 50 km Asahigawa-Kushiro 192∙05 Meilen od. rd. 309 km Asahigawa-Nayoro 47∙19 Meilen od. rd. 75 km Ikeda-Rikumbetsu 48∙08 Meilen od. rd. 77 km
Im letzten Berichtsjahre kamen wieder rd. 105 km hinzu, denen freilich an noch zu erbauenden Bahnen rd. 560 km gegenüberstehen.
Das Land ist im großen und ganzen gebirgig und es waren daher mancherlei technische Aufgaben zu lösen. Die Baukosten betrugen bei der Hokkaido-Bahngesellschaft rund 90.000 M. f. d. km.
Durch eine staatlich betriebene Dampferlinie von Hakodate nach Aomori wird die Verbindung des Bahnnetzes der Insel mit dem auf dem Hauptlande unterhalten.
C. Technische Anlage.
Die Spurweite hat den Bahnen Japans ihr Gepräge gegeben. Die Regelspur ist durch das Gesetz von 1900 auf 1.067 m festgelegt und mit wenigen Ausnahmen kleinerer Privatbahnen (0∙762 m) vorherrschend. Der gebirgige Charakter des Landes hat zur meilenweiten Verwendung der gesetzlich zulässigen – nicht ausnahmslosen – Höchststeigung von 1 : 40 geführt (Ausnahmen bis 1 : 25, Usuipässe 1 : 15). Diese Steigungen sind auch vielfach bei den Krümmungen mit den – gesetzlich höchstzulässigen – Halbmessern von 300 m (Ausnahme bis 160 m) nicht ermäßigt. Die Leistungsfähigkeit wird weiter durch die geringe Tragfähigkeit der Wagen eingeschränkt, deren Breite 3∙810 m Unterbau 2∙64 und 3∙04 m nicht überschreiten darf. Die meisten Linien sind eingleisig, auch für ihre Brücken und Tunnel, der zweigleisige Ausbau der Tokaidobahn ist noch immer nicht ganz fertig, während die – von Baltzer entworfene – Tokioer Hochbahn viergleisig ist. Der Unterbau gilt als sorgfältig ausgeführt (vgl. hierüber Blum u. Giese, Zentralbl. d. Bauverw. 1905). Aber fast alljährlich treten durch die Wassermassen der Gebirgsbäche und Flüsse Dammrutschungen u. dgl. ein. Manches ist anders gebaut, als nach strengen Anforderungen moderner Technik, z.B. statt Überbrückungen vielfach Dämme, u.zw. bis zu der außerordentlichen Höhe von 51 m aufgeschüttet worden. Die Bahnhofsanlagen sind einfach, aber zweckmäßig, ebenso die Einrichtungen für den Güterverkehr, entsprechend seiner früher geringen Dichte, vielfach höchst einfach; den wachsenden Anforderungen entsprechen die Anlagen nicht mehr. So bleiben für den Techniker neben allen Neubauten noch genug Aufgaben inneren Ausbaus zu lösen und die große Frage ist, ob man versuchen soll, diesen Anforderungen durch stückweise Erweiterung und Besserung zu genügen oder ob von Grund auf das ganze Eisenbahnwesen neu gestaltet und durch Einführung europäischer Vollspur von 1∙435 m dem der westlichen Kulturvölker angenähert werden soll.
Die Frage ist leider stark mit politischen Programmen verknüpft (vgl. die Darstellung bei Thieß, s. »Literatur«). Zwei Momente des Antriebes zum Umbau fehlen, die für andere Nationen bestimmend gewesen sind (Thieß): es ist kein internationales Verkehrsproblem, da an ein Überführen ganzer Züge über die Koreastrasse – Fusan-Shimonoseki – doch kaum zu denken sein wird und es gilt auch nicht, verschiedene heimische Systeme unter eine Ordnung zu bringen. Die Umbaufreunde denken ihn in drei Perioden zu vollziehen, in der ersten, 13 Jahre langen, Periode sollen die Tokaido- und Sanyobahn: Tokio-Shimonoseki (1133 km), in der zweiten, 17 Jahre langen, die Nipponbahn Tokio-Aomori (764 km) und in der dritten von 10 Jahren der Rest auf Normalspur gebracht werden. Hierbei ist durchaus nicht an alle Bahnen gedacht, vielmehr soll die Sonderung der kräftigeren Entwicklung der schmalspurigen Nebenbahnen zugute kommen. Gefördert haben den Plan besonders die guten Erfahrungen in Korea und der Mandschurei. Das große Bedenken dagegen ist aber die finanzielle Seite der Frage; eine weitere halbe Milliarde Mark müßte das kapitalarme Land sich an Schulden aufbürden, während Reparatur- und Notumbauarbeiten unter Beibehaltung der bestehenden Spur auf weit geringere Summen veranschlagt werden. Beträchtliche Vorteile würden freilich mit der Umwandlung verbunden sein. Die Betriebskosten würden sinken, weit größere Gütermengen könnten mit derselben Achsenzahl befördert werden. Man hat berechnet, daß man mit zwei Gleisen auskommen könnte, wo jetzt vier geplant sind. Nicht minder würde der Personenverkehr gefördert werden, nicht nur die Menge der mit der gleichen Achsenzahl zu befördernden Reisenden würde sich steigern, sondern ganz besonders die Geschwindigkeit, die heute selten 50 km/Std. übersteigt und wesentlich erhöht werden könnte. Der stärkere Unterbau, den die Vollspur erheischen würde, würde zu soliderer Bauart nötigen, die die Widerstandsfähigkeit der Bauten gegen Wasser erhöhen würde. Es ist wohl anzunehmen, daß der Umbau nicht mehr lange auf sich warten lassen wird, vor allem aus militärischen Gründen. Heute kann kein Wagen und keine Lokomotive des Mutterlandes auf dem nah gelegenen Kolonialbahnnetz Korea und dem der Mandschurei fahren. Die Vereinheitlichung von Spur und Rollmaterial bedeutet für Japan eine fast ebenso große Verstärkung seiner Landbeförderungsmittel und eine unendliche Beschleunigung des Aufmarsches seiner Heeressäulen gegen die Mandschurei.
D. Statistik.
I. Hauptbahnen.
Im folgenden sind die Angaben für das letzte Jahr vorwiegenden Privatbetriebs und jene für das Jahr 1911/12 nebeneinandergestellt
a) Japans Eisenbahnen besaßen eine Streckenlänge von:
Staatsb. Privatb. Insges. 1905/06 2464∙50 km 5231∙32 km 7695∙83 km 1911/12 8115∙95 km 905∙54 km 9021∙50 km
b) Anlagekapital. Die Eisenbahnstaatsschuld belief sich Ende März 1913 nach Tilgung von über 20 Mill. M. auf noch 1.090,265.400 M., denen eine allgemeine Staatsschuld von rd. 2 Milliarden Mark gegenüberstand.
Die Kosten für 1 km der Staatsbahnen betrugen 1905/06 136.263 M. und 1911/12 149.918 M.
In Japan ist die Staatseisenbahnschuld von der allgemeinen Staatsschuld getrennt und wird besonders verwaltet. Man hoffte damit zweierlei zu erreichen, einmal ein Steigen des allgemeinen Staatskredits, der um eine Milliarde Mark entlastet wurde, ein Steigen des Kurses der Staatspapiere und eine Erleichterung bei Unterbringung neuer Staatsanleihen. Weiter hoffte man, daß die – namentlich im Hinblick auf die Spurveränderung zu erwartenden – gewaltigen Kapitalaufnahmen unter dem Namen Eisenbahnanleihen günstiger untergebracht werden könnten als unter dem von Staatsanleihen, da die japanischen Bahnen im allgemeinen sich mit rd. 71/2% gut verzinsen. Es läßt sich noch nicht übersehen, inwieweit diese zweite Hoffnung sich erfüllt hat oder erfüllen wird, die erste ist jedenfalls nicht ausreichend in Erfüllung gegangen, vielmehr stehen die japanischen Papiere nach wie vor recht tief.
Die gesetzliche Grundlage für die Staatsbahnen bildet heute in Japan das Gesetz betreffend die Rechnungslegung der Staatseisenbahnen in der revidierten Fassung vom Jahre 1909. Völlige Selbständigkeit der Bahnen ohne Zuschüsse, aber auch ohne Abgaben an den Staat ist der Gesetzeszweck. Es wird zunächst ein Staatsbahngrundkapital gebildet, u.zw. aus dem bisherigen Kapital, dem bisherigen Materialienfonds und aus etwaigen Beträgen, die der Staat ihm zuweist. Die Erträgnisse dieses Kapitals – das in dem Eisenbahntransportunternehmen festgelegt ist – sollen der Verzinsung, Erneuerung, Kapitalbildung, Reservefondsbildung u.s.w. dienen, unter möglichster Vermeidung der Inanspruchnahme weiterer Staatsmittel für Eisenbahnzwecke.
Das Kapital der Privatbahnen betrug:
Nennbetrag Eingezahlt Reserve M. M. M. 1905/06 567,350.280 469,007.103 16,920.011 1907/08 302,382.780 264,491.776 7,667.144 1911/12 88,155.522 73,519.859 2,058.585
Die Kosten für 1 km der Privatbannen betrugen 1905/06 101.129 M. und 1911/12 85.408 M.
Die Aufwendungen des Staates für das Verkehrswesen betrugen rd. 150 bis 160 Mill. M.
Zahl der beförderten Personen:
Staatsb. Privatb. Insges. 1905/06 31,026.964 82,648.439 113,675.403 1911/12 151,077.779 28,827,996 179,905.775
Die Personenkilometerzahl betrug für die beiden Vergleichszeiträume in den Gesamtziffern: 4.031,254.625 und 5.779,541.901, während die Einnahmen sich auf 71,676.406 und 105,267.119 M. stellten.
Der Güterverkehr ergab folgende Gesamtzahlen:
Staatsb. Privatb. Insges. 1905/06 4,403.494 t 17,126.570 t 21,530.064 t 1911/12 29,337.054 t 2,983.664 t 32,320.718 t
Die Tonnenkilometerzahl betrug für die beiden Vergleichszeiträume in den Gesamtziffern: 2.176.649.681 und 3.845,268.453, während die Frachteinnahmen sich auf 52,921.537 M. und 83,939.440 M. stellten. Jeder Reisende fuhr durchschnittlich 35.568 km und 31,829 km und es wurden für das km durchschnittlich 1∙77 und 1∙81 Pf. erzielt.
Jede t wurde durchschnittlich 100∙8 km und 116∙6 km befördert, während an Fracht f. d. km durchschnittlich 2∙3 und 2∙07 Pf. erzielt wurden.
Die Betriebskosten für je 100 M. Einnahmen betrugen:
Staatsb. Privatb. 1905/06 46∙30 M. 46∙75 M. 1911/12 45∙69 M. 48∙80 M.
Aus dem Ertrag der Staatsbahnen werden vorweg die Anleihezinsen gezahlt, daher erscheint der Reingewinn kleiner; im ganzen bewegt sich das Erträgnis der Staatsbahnen in erfreulich aufsteigender Richtung.
Der Reingewinn belief sich auf:
Staatsb. Privatb. Insges. M. M. M. 1905/06 27,146.670 49,025.191 69,676.215 1911/12 42,529.544 4,703.968 47,233.513
d) An Betriebsmitteln zählte man:
Staatsb. Privatb. Insges. 1905/06 594 1123 1717 1911/12 2305 162 2467
Staatsb. Privatb. Insges. 1905/06 1668 3672 5340 1911/12 5893 765 6658
Staatsb. Privatb. Insges. 1905/06 8236 18.957 27.193 1911/12 37.952 1.797 39.749
II. Klein- und Straßenbahnen.
Das japanische Kleinbahnwesen litt unter dem Übelstand, daß die Kleinbahnen, für die in Japan ein sehr guter Boden ist, unter den gleichen Bestimmungen wie die Hauptbahnen standen. Diese Tatsache erklärt auch die vielen Hauptbahnunternehmungen, die ihrer Größe nach durchaus nicht zu solchen gehören. Zur Förderung des Kleinbahnwesens erging im April 1910 das Kleinbahngesetz, das die Bildung von Kleinbahnen und die Umwandlung von Hauptbahnen in Kleinbahnen begünstigt und den Unternehmern durch die Regierung garantierte Mindesteinnahmen in Aussicht stellt. Ende März 1912 gab es an Privatbahnen und Kleinbahnen, einschließlich der neuerdings konzessionierten 142 Unternehmen, mit einer Schienenlänge von 4047 km und einem Gesamtkapital von 275,248.659 M. Hiervon waren nahezu 1000 km im Betriebe. Befördert wurden 28,827.996 Personen und 2,983.664 t Güter. An Einnahmen wurden 10,298.736 M. erzielt, denen Ausgaben von 5,025.909 M. gegenüberstanden, so daß ein Reingewinn von 5,519.990 M. vorlag. Die Baukosten der im Betriebe befindlichen Linien beliefen sich auf 84,908.190 M. oder f. d. km auf 37.185 M. Hiernach wäre auf eine Durchschnittsverzinsung von etwa 6¼% zu schließen. Elektrische Bahnen gab es Ende des Jahres 1912 44 mit einem Kapital von 186 Mill. M. und 712 km Streckenlänge im Betriebe, weitere 200 km waren im Bau. An 30 Gesellschaften waren Konzessionen erteilt für 500 km Bahnen mit einem Anlagekapital von rd. 60 Mill M. Außer diesen privaten Unternehmungen in Gesellschaftsform betrieben auch die Städte Tokio, Osaka und Kioto elektrische Straßenbahnen, für die sie rd. 250 Mill. M. aufgewendet hatten und deren Betriebslänge rd. 185 km betrug, während weitere rd. 100 km im Bau waren.
E. Tarifwesen.
Die Gütertarife der Staatsbahnen sind aufgebaut auf dem Wertsystem unter Berücksichtigung des Gewichts- und Wagenraums. Dieses System herrscht auf allen Linien gleichmäßig mit Ausnahme der Sanyolinien, die etwas niedrigere Sätze kennen. Differentialtarife bestehen für wichtige Stapelgüter, wie Kokons und bergbauliche Erzeugnisse oder tägliche Bedarfsartikel, wie Fische. Im übrigen werden die Güter in fünf Klassen: 1., 2., 3., »hohe« und »besondere« Klasse eingeteilt. Zur Sonderklasse gehören Güter ungewöhnlicher Art als Explosivstoffe, Leichen, Edelmetalle, lebendes Vieh u.a. Im übrigen werden die Frachten nach dem Staffeltarif berechnet, wobei die Stufen nicht ganz regelmäßig ansteigend einmal 5, einmal 4, einmal 3 und 2 Meilen umfassen.
Es betragen beispielsweise die Frachtkosten auf der Dreimeilenstufe 50–52 und auf der Fünfmeilenstufe 101–105 folgende Summen:
Auf den Privatbahnen herrschen verschiedene Arten von Tarifen. Die meisten haben für den Lokalverkehr ihre eigenen Tarife und für den Durchgangsverkehr denselben wie die Staatsbahnen, einige haben durchwegs die Staatsbahnfrachtsätze und einige auch den gleichen Tarif aber unter besonderer Berechnung der Meilenzahl auf ihren Strecken, gewöhnlich unter Verdopplung derselben, d.h. einer Verteuerung ihrer Frachtkosten gegenüber denen auf den Staatsbahnen. Dieses letztere System hat die Billigung der Eisenbahnaufsichtsbehörde gefunden und wird von vielen Lokalbahnen in Zukunft angenommen werden.
Die Personentarife haben eine ungleich größere Bedeutung als die Gütertarife. Es besteht ein Differentialtarif, der aber einen Entfernungstarif mit mit größeren Längeneinheiten nahekommt. Man kennt drei Klassen. Wenn der Fahrpreis in der III. Klasse als Einheit genommen wird, so beträgt er in der II. Klasse 11/2 und in der I. 21/2. Der Einheitspreis beträgt (III. Klasse):
Für das Kilometer sind demnach zwischen 2∙15 und 0∙91 Pf. (in Preußen unterschiedlos 3 Pf.) für die III., 3∙22 und 1∙36 Pf. (4∙5) für die II. Klasse und 5∙375 und 2∙28 Pf. (7) für die I. Klasse zu zahlen.
Bei den Privatbahnen bildet gewöhnlich auch die III. Klasse den Einheitspreis, dessen eineinhalbfaches den der II. und dessen zweieinhalbfaches den der I. Klasse, die sehr selten vorkommt, ausmacht. Der Grundpreis ist höher als der der Staatsbahnen und beträgt gewöhnlich 21/2 Sen für die Meile (oder 3∙26 Pf./km) und wird in der Mehrzahl der Fälle ohne Rücksicht auf die Entfernung durchgerechnet; hin und wieder findet sich ein Zonensystem oder das der Staatsbahnen.
Die bei dem insularen Charakter des Landes häufig nötigen Seezwischentransporte werden gewöhnlich für Personen wie für Güter besonders berechnet, nur für den Übergang von Hondo nach Kiuschiu wird die Seeentfernung für den Personenverkehr eingerechnet, als würde es sich um eine Landstrecke handeln. Im übrigen bestehen für Güter und Personen feste Tarifsätze von Hafen zu Hafen.
F. Verwaltung und Personal.
Die Verwaltung der Staatsbahnen obliegt seit 1908/09 einer besonderen, vom Verkehrsministerium abgetrennten, selbständigen Behörde, Reichsamt (Board), die dem Gesamtministerium unterstellt ist. An ihrer Spitze steht ein Präsident, der zwar im Ministerium weder Sitz noch Stimme hat, sonst aber in Rang und Befugnissen den Ministern gleichsteht. Die Stelle wechselt wie die Ministerien aus politisch-parlamentarischen Gründen den Inhaber beim Sturz jedes Ministeriums und wird mit einem Haupt der jeweils herrschenden Gruppe besetzt.
Das Staatsbahnnetz ist in 6 Bezirke (Jurisdiktionen) eingeteilt, u.zw.:
Eastern Divisional Superintendent Offices Central Divisional Superintendent Offices Western Divisional Superintendent Offices Kyushu Divisional Superintendent Offices Hokkaido Divisional Superintendent Offices Yonago Branch Office
Die Zahl der Bediensteten betrug 1911/12 bei den Staatsbahnen 103.148 (darunter 3149 weibliche), bei den Privatbahnen 5375, zusammen 108.523.
Literatur: Rathgen, Japans Volkswirtschaft und Staatshaushalt. St. und sozialwissenschaftliche Forschungen, 10. Bd., 4. Heft, 1891. 772 S. – Unser Vaterland Japan, ein Quellenbuch, geschrieben von Japanern, Leipzig 1904. – Okuma, Fifty Years of new Japan, 2 Bd., London 1910 (bes. Kap. 18, Railroads von Viscount Inouyé). – Baltzer, Die Verkehrsverhältnisse und Eisenbahnen von Tokio und der Entwurf zu einer Hochbahn daselbst, Arch. f. Ebw. 1899, S. 1277 ff.; Die japanischen Eisenbahnen, Arch. f. Ebw. 1901, S. 497 ff.; Die Verstaatlichung der wichtigsten Privateisenbahnen in Japan und der koreanischen Eisenbahnen. Arch. f. Ebw. 1907, S. 343 ff. – Die Hochbahn von Tokio, Ztschr. dt. Ing. 1903; S. 1689, 1805 u. 1847. – Brückmann, Eisenbahnen und Lokomotivabart in Japan, Ztschr. dt. Ing., 41. Bd., 1897, S. 469 – Blum und Giese, Die Eisenbahnen Japans in Zentralbl. d. Bauverw. 1905, S. 101 ff., 108 ff. – Martiner, Japans Eisenbahnwesen in Technik und Wirtschaft, 1912, S. 211. – Thieß, Die Weltspur der Eisenbahnen (bes. III., die japanische Gesetzesvorlage über den Umbau der Hauptbahnen) i. Weltwirtsch. Arch. 1913, S. 67 ff., 325 ff. – Finanzielles und wirtschaftliches Jahrbuch für Japan, herausgegeben vom kaiserlichen Finanzministerium, 1913; Jahresberichte des Eisenbahnamtes: »Imperial Government Railways. – Annual Report for the years 1908 (ending march, 31 th), 1909, 1910, 1911, 1912.« Ferner zahlreiche Mitteilungen in fast allen Jahrgängen des Arch. f. Ebw., ferner in der Ztg. d. VDEV., auch in der allgemeinen Presse, besonders der ostasiatischen, Kiautschoupost, Ostasiatischer Lloyd, Japanpost u.s.w.
Preyer.
1 Die eigentlichen Hauptinseln messen rund 355.000 km2.
http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.