Unfallverhütung

Unfallverhütung

Unfallverhütung (prevention of accidents; prévoyance contre les accidents; prevenzioni di accidenti). Die grundlegenden Eisenbahnbetriebs- und Verkehrsvorschriften der einzelnen Länder enthalten durchweg Bestimmungen, die dazu dienen, nicht nur Personen, die mit der Eisenbahn als Reisende, Verfrachter, Benutzer von Wegeübergängen u.s.w. in Beziehungen treten, sondern auch die eigenen Bediensteten vor Unfällen zu schützen (s. Betrieb der Eisenbahnen und Betriebssicherheit). Neben den Vorschriften der Länder enthalten die technischen Vereinbarungen des VDEV. eine Reihe von Bestimmungen, die eine Herabminderung der Gefahren des Eisenbahnbetriebs bezwecken, also der Unfallverhütung dienen. Auf der Grundlage dieser Vorschriften und Bestimmungen sind die Anweisungen aufgebaut, die die Eisenbahnverwaltungen herausgeben, um ihre Bediensteten vor Unfällen im allgemeinen sowie in den Werkstätten, Beleuchtungs- und Dampfkesselanlagen und insbesondere vor Unfällen beim Strecken-, Betriebs- und Abfertigungsdienst zu schützen. Sie tragen die Bezeichnung »U.« In ihrer Form lehnen sie sich an die von den Berufsgenossenschaften in Ausführung des deutschen Reichsgesetzes vom 6. Juli 1884 erlassenen U. an. Ihnen sind insbesondere die allgemeinen Bestimmungen entnommen, die den besonderen Gefahren des Eisenbahnbetriebs entsprechend ergänzt worden sind. Die U. enthalten also nicht nur Bestimmungen, die als Vorschriften im Sinne des Unfallversicherungsgesetzes angesehen werden müssen, sondern auch solche, die ihren Ursprung in sonstigen gesetzlichen und behördlichen Vorschriften haben. Sie sind nicht von den Berufsgenossenschaften erlassen, sondern von den Eisenbahnverwaltungen. Die in Deutschland bestehende Privatbahnberufsgenossenschaft hat ihrerseits Bestimmungen zur Sicherung ihrer Betriebe nur in geringem Umfange getroffen. In der Fülle der behördlichen und gesetzlichen Vorschriften, die zu beachten die Privatbahnen gesetzlich verpflichtet sind, nehmen sie einen verschwindenden Raum ein. In die U. haben die Bestimmungen keine Aufnahme gefunden, die zur Verhütung von Unfällen durch gesetzliche und behördliche Vorschriften für die Einrichtung und den Betrieb getroffen sind, soweit sie schon beim Bau der Eisenbahnen und ihrer Betriebsmittel von den leitenden Beamten zu beachten sind. Soweit nötig, werden diese Vorschriften den Bediensteten durch die Dienstanweisungen bekanntgegeben, die ohnehin für die Ausführung des Dienstes erlassen werden müssen. Im wesentlichen handelt es sich bei den nicht in die U. aufgenommenen Bestimmungen um die Festlegung von Mindestmaßen für die Kronenbreite und für die Gleisabstände, um die Abmessungen der Umgrenzung des lichten Raumes, um Bestimmungen über Bahnkreuzungen, Tragfähigkeit des Oberbaues und der Brücken, Einfriedigungen, Schranken, Beschaffenheit und Umgrenzung der Fahrzeuge, Raddruck, Radstand, Wagenverschlüsse, Untersuchung und Bewachung der Bahn; Beleuchtung der Bahnanlagen, Sicherung stillstehender Fahrzeuge, Kuppeln und Verschließen der Wagen, Schutzwagen, Verhütung von Feuersgefahr und Rauchbelästigung u.s.w.

Die hiernach den eigentlichen Vorschriften über U. verbleibenden Bestimmungen enthalten in ihrem ersten Teil jene für Aufsichtsführende, im zweiten Teil die für Arbeitnehmer. Der zweite Teil, der auch als Aushang an den Arbeitsstellen und in den Aufenthaltsräumen bekanntgegeben wird, zerfällt wiederum in Abschnitte für den Streckendienst, für den Betriebs- und Abfertigungsdienst, für den Dienst in Werkstätten und bei Beleuchtungsanlagen und für den Dienst bei Dampfkesseln. Im ersten Teil und in den einzelnen Abschnitten des zweiten Teils werden die allgemeinen von den besonderen Vorschriften getrennt.

Die allgemeinen Vorschriften für Aufsichtsführende behandeln zunächst die baulichen Anlagen. Alle zum Betriebe gehörigen baulichen Anlagen sind im betriebssicheren Zustande zu erhalten. Die Größe der Arbeitsräume ist reichlich zu bemessen. Die ortspolizeilichen Vorschriften gelten nur als Mindestmaße. Die Höhe der Räume soll, sofern bei der Arbeit Staub, Wasserdampf, außergewöhnliche Wärme, üble Ausdünstungen u. dgl. sich entwickeln, mindestens 4 m betragen. Für größere Werkstätten ist eine entsprechend größere Höhe vorzusehen. Ausreichende Lüftungsanlagen sind herzustellen.


Galerien, Bühnen, feste Übergänge und Treppenöffnungen sind mindestens an einer Seite mit festem Geländer und Fußleiste zu versehen. Feststehende Treppen müssen mindestens an einer Seite Handleisten oder Handseile erhalten. Bewegliche Treppen, Steh- und andere Leitern sind gegen Abgleiten und Ausrutschen zu sichern. Leitern, die zu Luken, Bühnen u.s.w. führen, müssen mindestens 0∙75 m über die Oberkante der zu besteigenden Stellen hinausragen, falls nicht eine andere Vorrichtung Sicherheit für das Hinauf- und Hinabsteigen bietet.

Laufbretter und Laufplanken müssen genügend breit und so stark sein, daß größere Schwankungen beim Betreten oder Befahren nicht eintreten. Vor Ausgängen aus Gebäuden, die unmittelbar auf Gleise führen, sind Schutzgeländer anzubringen. Alle ins Freie führenden und bis zum Fußboden reichenden Luken der oberen Stockwerke sind an beiden Seiten mit Handgriffen oder mit einer Brustwehr zu versehen. Gruben, Kanäle, versenkte Gefäße und andere gefahrbringende Vertiefungen in den Arbeitsräumen und auf den Arbeitsplätzen sind, soweit mit der Arbeitsweise vereinbar, sicher abzudecken oder mit festem Geländer und vorstehendem Rande zu versehen.

Feuerlöschvorrichtungen sind vorzuhalten und ihr Standort durch Aushänge bekanntzugeben. Bei feuergefährlichen Betrieben müssen die Türen nach außen leicht aufgehen. Arbeitsräume, in denen ein feuergefährlicher Betrieb stattfindet, sind von den übrigen Räumen durch Brandmauern abzuschließen. Türen in Brandmauern müssen aus Eisen sein und selbsttätig schließen. Fenster in Brandmauern sind unzulässig.


Die Aufsichtsführenden haben dafür zu sorgen, daß die Schutzvorrichtungen richtig benutzt und instand gehalten werden. Räume, die nur zu bestimmten Arbeiten betreten werden dürfen, sind durch Tafeln zu kennzeichnen. Die Verkehrswege in und außerhalb der Arbeitsräume dürfen nicht durch Material versperrt werden. Führen sie über Gleise, so muß der Raum zwischen den Schienen bis zur Höhe der Schienenoberkante mit Brettern und in sonstiger Weise ausgefüllt sein. Schlüpfrige und glatte Stellen auf Wegen und Arbeitsstellen sind zu beseitigen oder durch Streuen von Sand u.s.w. abzustumpfen. Zwischen Verschubgleisen sind Lichtmaste, Telegraphenstangen sowie niedrige Gegenstände wie Pfähle, Drahtleitungen u.s.w. möglichst nicht aufzustellen.


Drahtanker für Leitungsgestänge sind so anzubringen, daß sie den Verkehr nicht behindern. Nötigenfalls ist ihre Sichtbarkeit durch weißgestrichene Holzleisten zu verbessern. Auch der Anstrich der Überwegschranken soll deren Sichtbarkeit erhöhen. Die Landesfarben sollten hierfür nur gewählt werden, wenn sie dieser Färbung entsprechen. Übergänge ohne Schranken sollten durch weiß angestrichene Prellsteine, seitlich aufgestellte Pfähle oder Einfriedungen in der Dunkelheit kenntlich gemacht werden. Gegenstände, die weniger als 2∙2 m von der Gleismitte entfernt sind, sollen durch einen weißen Farbanstrich gekennzeichnet werden. Die früher auf den preußischen Staatsbahnen übliche Bezeichnung der Stellen, an denen der Funkenflug zu Waldbränden Anlaß geben kann, durch einen weißen Anstrichstreifen an den Telegraphenstangen findet neuerdings nicht mehr statt.


Feuergefährliche Stoffe sind in den Arbeitsräumen in größeren Mengen nicht aufzubewahren. Offenes Feuer ist in Räumen, in denen leicht entzündliche oder explosionsgefährliche Stoffe aufbewahrt oder verarbeitet werden, unzulässig. Solche Räume dürfen bei Dunkelheit nur mit Sicherheitslampen betreten werden. In den Arbeits- und Aufenthaltsräumen sind Tafeln auszuhängen, auf denen die erste Hilfeleistung bei Unfällen allgemein verständlich beschrieben ist. Die Bediensteten sind außerdem durch Ärzte unterweisen zu lassen. Rettungskasten mit Verbandstoffen u.s.w. sind an leicht zugänglichen Stellen aufzustellen. Bei Verletzungen ist der Arzt herbeizurufen oder die Überführung des Verletzten in das Krankenhaus zu veranlassen.

Die besonderen Vorschriften für die Aufsichtsführenden erstrecken sich, soweit der Strecken-, Betriebs- und Abfertigungsdienst in Betracht kommt, auf die Sicherung der Arbeitsstellen. Sind mehrere Personen an einer Arbeit beteiligt, dann bestimmt der Aufsichtsführende einen oder mehrere Bedienstete, die beim Herannahen eines Zuges für die Sicherung der Arbeitenden sorgen müssen. Bei Schneeräumungsarbeiten und wenn der Ausblick auf die Strecke behindert ist – Nebel, Rauch, Gleiskrümmungen, Oberbauten u.s.w. – sind bei dichtem Verkehr zwei Posten nach jeder Seite aufzustellen. Unter besonders ungünstigen Verhältnissen sind außerdem Langsamfahrsignale auszustecken. Die Sicherheitsposten, die in Pausen abzulösen sind, zeigen die Annäherung von Zügen durch Hornsignale an. Bei Arbeiten in Tunneln sind an den Tunnelmündungen Posten aufzustellen, die das Herannahen der Züge durch Hornsignale vorzumelden haben. Die Posten im Tunnel haben die Signale zu erwidern. Bei plötzlich eintretender undurchsichtiger Luft (Nebel u. dgl.) ist die Arbeit einzustellen, bis Sicherheitsmaßregeln getroffen sind. Nötigenfalls ist die Arbeitsstelle durch Haltsignale zu decken. Die Arbeitenden sind vor Beginn der Arbeit über die Verhaltungsmaßnahmen zu unterrichten.

Bei Schneeräumungsarbeiten gelten verschärfte Vorschriften. Die Fahrgeschwindigkeit der Züge ist zu ermäßigen und häufig die Dampfpfeife zu gebrauchen. Bei hohen Schneemassen sind Nischen herzustellen. In jedem Tunnel ist ein Fußweg herzurichten und freizuhalten. Tunnelnischen müssen durch Kalkanstrich kenntlich gehalten und im Bereich der Arbeitsstelle erleuchtet werden. Die Bettung in Tunneln ist eben zu erhalten. Die äußere Steinbettung neben den Schwellen darf nicht höher liegen als Schwellenoberkante, damit man sich im Falle der Not an der Wand des Tunnels niederlegen kann, ohne von den Trittbretten der Fahrzeuge erfaßt zu werden.

Sprengungen sind nur von sachkundigen und zuverlässigen Personen auszuführen, die die Befähigung hierzu nachgewiesen haben. Die Ausgabe, Verwendung und Rückgabe der Sprengmittel ist zu überwachen. Zündschnüre müssen so lang sein, daß den Arbeitenden genügend Zeit verbleibt, einen sicheren Ort aufzusuchen. Die Sprengstelle ist abzusperren.


Vorschriften für Werkstätten, Beleuchtungs- und Dampfkesselanlagen. Kraftmaschinen sind in besonderen Räumen aufzustellen oder durch feste Geländer oder auf andere Weise von den Arbeitsräumen abzuschließen. Schwungräder, Hauptriemen oder Seile, die freiliegenden Teile einer Kraftmaschine sind zu umwehren, soweit Menschen in Gefahr gebracht werden können. Räder, hervorstehende Keile und Schrauben der sich drehenden Teile sind, soweit der Maschinenwärter dadurch gefährdet werden kann, zu verdecken. Gase der Gasmaschinen sind gut abzuführen. Aufstellungsräume für Akkumulatoren sind von anderen Betriebsräumen zu trennen und gut zu lüften. Stehende Wellen sind bis zur Höhe von 1∙80 über Fußboden zu umwehren. Für größere Treibriemen u.s.w., sofern sie mit einer größeren Geschwindigkeit als 10 m/Sek. laufen, sind Riemenaufleger vorzusehen. Riemen über Arbeitsstellen sind zu unterfangen u.s.w. Die Wellenleitung ist so einzurichten, daß sie in jedem Arbeitsraum selbständig stillgelegt werden kann. Abstellen und Anlassen muß signalisiert werden können. Diese Vorrichtungen sind in auffallender Weise zu kennzeichnen.

Für Werkzeugmaschinen gelten ähnliche Vorschriften wie für Kraftmaschinen. Zur Verhütung von Verletzungen sind ausreichende Schutzvorrichtungen anzubringen, namentlich bei Kreissägen sowie bei Eisen- und Holzbearbeitungsmaschinen mit schnellaufendem Schneidezeuge.

Die Einlaufstellen der Zahn- und Reibungsräder von Hebezeugen sind zu verkleiden. Hebezeuge mit Kurbel oder Zugseilantrieb sind mit Sperrvorrichtung und Bremse zu versehen.

Die Zugänge zum Fahrschacht von Aufzügen sind durch Türen abzusperren. Die Förderschale ist so einzufrieden, daß das Herabfallen des Ladegutes verhindert wird. Die Förderschale für Personenförderung ist mit einer 1∙80 m hohen Schutzwand und einem Dache zu versehen. Seile, Ketten oder Gurte, an denen die Förderschale hängt, müssen die größte zulässige Belastung mit fünffacher Sicherheit, bei Personenbeförderung mit zehnfacher Sicherheit tragen können. Außerdem muß eine Fangvorrichtung oder Geschwindigkeitsbremse vorhanden sein.

Für Bahnsteiggepäckaufzüge sind noch besondere Vorschriften gegeben, ebenso gelten besondere Bestimmungen für elektrische Anlagen.

Unter Druck befindliche Bleileitungen und Rohrverbindungen in Gasanstalten sind so anzuordnen, daß sie jederzeit zu besichtigen sind. Gute Entlüftung ist vorzusehen u. dgl. m. Bei Dampfkesselanlagen sind die Dampf- und Heißwasserleitungen zu verkleiden oder zu umfrieden, soweit es zur Verhütung von Verbrennungen erforderlich ist. Abblasevorrichtungen sind so einzurichten, daß Personen beim Abblasen nicht verbrüht werden können.


Die allgemeinen Vorschriften für Arbeitnehmer machen es diesen zur Pflicht, den Aufsichtsführenden davon Kenntnis zu geben, wenn sie an Krämpfen, Fallsucht und sonstigen nicht in die Augen fallenden körperlichen Schwächen oder Gebrechen in dem Maße leiden, daß sie dadurch bei gewissen Arbeiten besonderer Gefahr ausgesetzt sind. Während des Dienstes wird Nüchternheit verlangt. Das Mitbringen von Schnaps oder ähnlichen Getränken in den Dienst ist verboten. Die Kleidung muß tunlichst anschließend sein, da durch lose umgehängte Kleidungsstücke Gefahren entstehen können. Das Tragen von Holzschuhen und Pantoffeln ist verboten. Viehwagenwäscher dürfen jedoch Holzschuhe tragen. Ohrenschützer müssen durchlöchert und von dünnem Stoff sein. Offene Wunden sind durch Verbände vor Staub und Schmutz zu schützen. Die Bahnanlagen dürfen nur für die Dauer dienstlicher Verrichtungen betreten werden. Angehörige, die Essen herantragen, müssen an Wegübergängen oder an solchen Stellen warten, wo sie durch vorüberfahrende Züge oder Fahrzeuge nicht gefährdet werden können, die Gleise dürfen dabei nicht betreten werden. Während des Aufenthalts innerhalb der Bahnanlagen ist Vorsicht zu gebrauchen. Spielereien, Neckereien und mutwillige Handlungen sind verboten. Jugendliche sind besonders zu beaufsichtigen. Die Vorbeifahrt von Zügen ist in genügender Entfernung von den befahrenen Gleisen abzuwarten. Muß zur Prüfung des Gleiszustands in den Gleisen gegangen werden, so dürfen hierzu bei mehrgleisigen Strecken nur die Gleise benutzt werden, in denen ein entgegenkommender Zug erwartet werden kann. Beim Überschreiten von Gleisen, vor oder hinter stehenden Fahrzeugen und an Stellen, wo Weichen, Zwangschienen, Drahtleitungen und Gestänge liegen, ist Vorsicht anzuwenden. Bei Unterhaltung fern bedienter Weichen bedarf es einer Verständigung mit dem Weichensteller, um das Einklemmen von Händen oder Füßen zwischen die Weichenzungen und die Mutterschiene zu verhüten. Bei Glatteis sind Wege und Arbeitsplätze mit Sand oder Asche zu bestreuen. Das Berühren aller blanken Teile elektrischer Anlagen ist verboten. Arbeitsgeräte und Schutzvorrichtungen sind vor jeder Benutzung zu prüfen, ob sie in ordnungsmäßigem Zustande sind. Mängel sind zu beseitigen oder zu melden. Nichtbenutzung vorhandener Schutzmittel ist strafbar. Das Behauen von Metallstücken, das Abhauen von Nietköpfen u.s.w. soll derart stattfinden, daß niemand von den abfliegenden Stücken getroffen werden kann, nötigenfalls sind Schutzwände aufzustellen.

Schwere Gegenstände sind so zu lagern, daß sie nicht abrutschen können. Getragene schwere Lasten müssen behutsam niedergelegt werden; sollen sie ausnahmsweise abgeworfen werden, so darf dies nur auf lauten Befehl der Aufsichtsführenden gleichzeitig von allen Trägern geschehen. Schwere und lange Gegenstände, wie Rohre, Holz- und Eisenstangen dürfen nicht aufrecht gestellt, sondern müssen gelagert werden. Personen, die bei ihrer Beschäftigung der Gefahr einer Augenverletzung ausgesetzt sind, haben sich tunlichst der Schutzbrillen zu bedienen. Zum Schutze gegen die schädlichen Einflüsse bei Anwendung von Druckluft sind Respiratoren anzulegen, ebenso zur Verhütung des Einatmens von Staub beim Zerkleinern von Karbid und beim Zubereiten giftiger Farben. Beim Arbeiten mit giftigen, insbesondere auch bleihaltigen Farben ist das Rauchen, Kauen und Schnupfen von Tabak untersagt. Hände und Kleider sind tunlichst vor Verunreinigung mit den Farben zu hüten. Gründliche Reinigung beim Verlassen der Arbeitsstelle und vor Einnahme von Speisen und Getränken ist vorgeschrieben u.s.w. Bei Arbeiten auf Leitern ist besondere Vorsicht geboten. Bei schwierigen Ausführungen ist ein Befestigungsgürtel zu verwenden. Brunnen, Senkgruben, Kanäle u.s.w.; die längere Zeit verschlossen waren, dürfen nur bestiegen werden, wenn ein herabgelassenes Licht nicht erlischt. Bei der Behandlung der Kesselwagen gelten eingehende Schutzmaßnahmen.

Besondere Vorschriften für den Streckendienst. Arbeitszüge dürfen erst bestiegen oder verlassen werden, wenn sie stillstehen und nachdem der Aufsichtsführende das Zeichen zum Besteigen oder Verlassen gegeben hat. Auf zweigleisigen Strecken darf der Zug nur auf der dem andern Gleis abgekehrten Seite verlassen werden. Die Wagentüren dürfen nach der Seite des andern Gleises nicht geöffnet werden, wenn dieses Gleis für den Zugverkehr freigegeben ist. Bei kurzen Bewegungen des Arbeitszuges müssen die auf den Wagen beschäftigen Personen sich niedersetzen. Die Bordwände hierzu zu benutzen, ist verboten. Im übrigen sind bei den Bewegungen die Sicherheitsvorschriften für den Verschiebedienst zu beachten. Beim Entladen ist mit Rücksicht auf Zugbewegungen besondere Vorsicht zu beachten. Beim Begehen von Tunneln ist eine brennende Laterne od. dgl. mitzuführen. Beim Herannahen eines Zuges ist eine Mauernische aufzusuchen, im Notfalle muß man sich dicht längs der Tunnelwandung niederlegen. Die Nischen dürfen nicht eher verlassen werden, bis man sich überzeugt hat, daß von der entgegengesetzten Richtung sich kein Zug nähert, oder bis das Geräusch eines Zuges nicht mehr wahrgenommen wird. Bei Sprengarbeiten muß auf das verabredete Warnungszeichen jeder den ihm bestimmten schußsicheren Platz einnehmen. Annäherung an den Sprengplatz ist erst nach Aufforderung durch den Aufsichtsführenden zulässig. Beim Arbeiten in Kies-, Lehm- und Sandgruben und bei Erdausschachtungen dürfen die Wände nicht unterhöhlt werden. Kleinwagen (Draisinen u. dgl.) dürfen nicht an Eisenbahnwagen oder Lokomotiven angehängt werden. Ein zur Führung berechtigter Betriebsbeamter ist für die Beachtung der Schutzmaßnahmen verantwortlich. Bei der Unterhaltung der Telegraphen- und Signalanlagen ist besondere Vorsicht beim Besteigen der Signalmaste und bei allen Handleistungen mit und auf der Leiter oder auf Steigeisen geboten. Beim Anstellen der Leiter ist die Umgrenzung des lichten Raumes freizuhalten. Beim Herannahen eines Gewitters sind die Arbeiten an Telegraphenleitungen, -stangen und -apparaten einzustellen. Arbeiten auf steilen Dächern sind stets von 2 Personen auszuführen, von denen die eine von einem gesicherten Standpunkte aus Hilfe leistet. Stark geneigte sowie mit Reif bedeckte Dachflächen dürfen nur mit bloßen Füßen oder in Strümpfen oder in Filzschuhen betreten werden.

Besondere Vorschriften für den Betriebs- und Abfertigungsdienst. Die beim Verschiebedienst (s.d.) beteiligten Mannschaften sollen die nötige Vorsicht nie außer acht lassen, sich daher während des Aufenthaltes auf einem stehenden oder bewegten Fahrzeuge stets mit der Hand festhalten und alles vermeiden, was die mit dem Rangiergeschäft verbundenen Gefahren für sie selbst oder andere vergrößern könnte. Für das An- und Abkuppeln, die Verwendung von Bremsknüppeln und Bremsschuhen u. dgl. sind eingehende Verhaltungsmaßregeln zur Verhütung von Unfällen gegeben. Dasselbe gilt für die Arbeiten im Lokomotivschuppen und das Anheizen der Lokomotiven. Bei Vornahme von Ausbesserungsarbeiten an Wagen muß das Gleis nach beiden Seiten gesperrt werden. Für den Ladedienst ist die Benutzung von Bodenkarren für schwere Lasten, bei der Bewegung eiserner und anderer glatter Gegenstände u.s.w. geregelt. Das Einladen in einen in Bewegung befindlichen Zug oder das Ausladen daraus ist verboten. Beim Öffnen und Schließen von Schiebe- und Klapptüren der Güterwagen ist zu beachten, daß die Türen auch bei Stößen und bei plötzlichem Anhalten der Wagen sich bewegen können. Das Ladegeschäft bei Wagen mit feuergefährlichen Gütern soll in der Regel nur bei Tageslicht vor sich gehen; muß ausnahmsweise die Nachtzeit benutzt werden, so sind Sicherheitslaternen zu verwenden. In der Nähe solcher Arbeitsstellen zu rauchen oder mit Feuer und Licht umzugehen, ist streng untersagt. Zur Verhütung von Feuersgefahr sind für die Bewegung feuergefährlicher Gegenstände bestimmte, ins einzelne gehende Vorschriften erlassen. Zur Löschung eines Brandes bei Chemikalien, Mineralien u.s.w. darf nur Sand, Erde u. dgl., nicht aber Wasser benutzt werden.

Hebezeuge (Kräne, Flaschenzüge u.s.w.) dürfen nur unter Aufsicht benutzt werden. Unter der anhängenden Last darf niemand sich aufhalten, wenn die Last nicht sicher unterfangen ist. Die Schranken des Fahrschachtes von Aufzügen dürfen erst geöffnet werden, nachdem die Förderschale die Höhenlage des Fußbodens erreicht hat. Während der Fahrt darf der Aufzug nur in Notfällen angehalten werden.


Besondere Vorschriften für den Dienst in Werkstätten und bei Beleuchtungsanlagen. Vor dem Anlassen und Anhalten einer Kraftmaschine ist ein Signal zu geben. In Gefahrfällen ist jeder Bedienstete verpflichtet, ohneweiters den sofortigen Stillstand der Maschinen, Wellenleitungen u.s.w. zu veranlassen. Das Schwungrad einer Dampfmaschine darf von Hand nur bei geschlossenem Absperrventil angedreht werden. Verbrennungsmaschinen dürfen niemals durch Andrehen von Hand in Gang gesetzt werden. Hierzu sind stets Andrehvorrichtungen zu benutzen. Für Sauggas- und Druckgasanlagen sind eingehende Verhaltungsmaßregeln zum Schutze der Bediensteten gegeben, ebenso für die Behandlung der Wellenleitungen und für die Arbeiten an Werkzeugmaschinen, Hebezeugen und Aufzügen. Schiebebühnen ohne Antrieb sind nie durch Ziehen von Hand, sondern durch Schieben fortzubewegen; Schiebebühnen mit Rädervorgelegen dürfen ohne vorherige Ausrückung der Kurbelvorrichtung nicht geschoben werden. Bei elektrischen Anlagen dürfen während des Betriebes Lager und Zapfen geölt, neue Bleischlüsse eingesetzt (mit Gummihandschuhen) und Kommutatorbürsten, die an ihrem Holzgriffe beim Verstellen anzufassen sind, eingestellt werden. In feucht gewordenen Akkumulatoren oder Dynamoräumen sind bei Arbeiten an Leitungen u.s.w. Gummischuhe oder Schuhe mit Gummisohlen anzuziehen. Alle übrigen Arbeiten an elektrischen Anlagen sind nur vorzunehmen, wenn sie stromlos sind. Räume in Gasanstalten, in denen Gasbehälter u.s.w. untergebracht sind, dürfen nie mit Feuer oder Licht betreten werden. Schadhafte Stellen bei Gasleitungen sind nicht abzuleuchten, sondern durch Bepinseln der Verschraubungen, Leitungen u.s.w. mit Seifenwasser zu ermitteln.

Landdampfkessel müssen unter Aufsicht stehen, solange sich Feuer auf dem Roste befindet. Für die Inbetriebsetzung, den Betrieb, das Entleeren und Reinigen der Kessel sind ferner eine Reihe von Einzelbestimmungen zur Verhütung von Unfällen getroffen.

Literatur: Bericht über die deutsche allgemeine Ausstellung für Unfallverhütung, Berlin 1889. Herausgegeben vom Vorstand, Berlin 1890/91. – Gesellschaft zur Verhütung von Fabriksunfällen, Mülhausen (Elsaß). Sammlung von Vorrichtungen und Apparaten zur Verhütung von Unfällen an Maschinen, Mülhausen i.E. 1889. – M. Kraft, Fabrikshygiene. Darstellung der neuesten Vorrichtungen und Einrichtungen für Arbeiterschutz und Wohlfahrt. Nach den neuesten Erfahrungen, den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen, der einschlägigen Statistik in Deutschland und Österreich, Wien 1898. – Die Sammlungen des gewerbehygienischen Museums in Wien. Einrichtungen zum Schutze der Arbeiter in gewerblichen Betrieben, Wien 1898. – Unfallverhütungsvorschriften. Systematische Übersicht der von den gewerblichen Berufsgenossenschaften des Deutschen Reiches erlassenen Unfallverhütungsvorschriften. Herausgegeben vom Verbände der deutschen Berufsgenossenschaften, Berlin 1900. – K. Hartmann, Unfallverhütung für Industrie und Landwirtschaft, Stuttgart 1903. – Jahresberichte der gewerblichen Berufsgenossenschaften über Unfallverhütung, Berlin.

Bode.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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