Eilgut

Eilgut

Eilgut (despatch-good; marchandise de grande vitesse; merce a grande velocita), dasjenige Gut, das mit den hierfür besonders festgesetzten Frachtbriefen (Eilfrachtbriefen) als Eilfracht zur Beförderung aufgegeben wird. Es unterscheidet sich vom Frachtgut hauptsächlich durch die kürzere Lieferfrist (s.d.) sowie die hierdurch bedingte raschere Abfertigung und Beförderung.

E. wird in der Regel mit Personenzügen oder mit Eilgüterzügen befördert. Unter den in den Tarifen bestimmten Voraussetzungen kann auch die Beförderung mit Schnellzügen eintreten (beschleunigtes Eilgut, Schnellzugsgut). – Gewisse Güter, so einige nur bedingungsweise zur Beförderung zugelassene Gegenstände (einzelne Schieß- und Sprengmittel, leicht explosive Munition, fäulnisfähige Stoffe u. dgl.), dann solche, die sich vermöge ihrer Beschaffenheit zum raschen Verladen nicht eignen, sind durch Reglements oder durch Tarifbestimmungen von der Beförderung als E. ausgeschlossen oder nur in bestimmten Höchstmengen zugelassen. Anderseits dürfen besonders wertvolle Gegenstände (Gold- und Silberbarren, Platina, Geld und Münzen aus edlen Metallen, echte Perlen, Edelsteine u.s.w.) gewöhnlich nur als E. abgefertigt werden.

Die Tarifsätze für E. sind mit Rücksicht auf die raschere Beförderung, die Mehrkosten verursacht, und auf die bei E. im allgemeinen schlechtere Ausnutzung der Wagen höher als für Frachtgut. Doch bestehen auch vielfach ermäßigte Tarifsätze und Spezialtarife, namentlich für leicht verderbliche Lebensmittel, die auf die Beförderung als E. angewiesen sind.

Die Aufnahme und Abgabe von E. erfolgt in Stationen mit lebhaftem Eilgutverkehr in der Regel in besonderen Eilgutanlagen (nächst den Personenbahnhöfen). E. wird auch an Sonn- und Feiertagen (vormittags) aufgenommen und abgeliefert.

Die Verladung geschieht auf Strecken mit starkem Eilgutverkehr vielfach in besonderen Eilgutwagen, die bestimmten Zügen regelmäßig beigegeben werden. Die Begleitpapiere (Frachtkarten) werden gewöhnlich getrennt für die einzelnen Bestimmungsstationen ausgefertigt und unterscheiden sich in der Farbe des Papiers oder sonst von den Mustern für Frachtgut. Um E. von letzterem unterscheiden zu können, wird es mit besonderen Beklebezetteln versehen.

E., das nicht von der Bahn dem Empfänger zugeführt wird, ist in kürzester Frist nach der Ankunft zu avisieren.

Das internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr bestimmt im Art. 6, Abs. 1, lit. g, daß der Frachtbrief die Angabe enthalten muß, ob das Gut in Eilfracht oder in gewöhnlicher Fracht zu befördern sei. Da aber nach § 2, Ausf.-Best. zum I.Ü., bzw. Anlage 2, ein besonderes Formular für Eilfrachtbriefe vorgesehen ist, das bereits den Vordruck »Eilfracht« enthält und außerdem durch rote Streifen am oberen und unteren Rande gekennzeichnet ist, so ist eine handschriftliche Angabe nicht mehr erforderlich. Für das Verfahren bei der Auflieferung und bei der Ablieferung sind gemäß Art. 5 und 19 I.Ü. die für die Versand- bzw. Bestimmungsbahn geltenden gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen (also die inneren verkehrsrechtlichen Vorschriften des betreffenden Landes) maßgebend. Leichen müssen nach § 1, Ausf.-Best. zum I.Ü. immer als E. aufgegeben werden. Gewisse, nur bedingungsweise zur Beförderung zugelassene Gegenstände (Anlage 1 zum I.Ü.) sind von der Beförderung als E. ausgeschlossen.

Die Bestimmungen über E. sind in Deutschland, Österreich und Ungarn, den Niederlanden und der Schweiz im wesentlichen übereinstimmend.

(Vgl. § 55, 63, 67, 75, 79, 80 der deutschen VO. und des BR. für Österreich und Ungarn, Art. 42, 55, 56, 69, 72, 73 des niederländischen Reglements vom 4. Januar 1901 und § 43, 46, 47, 49, 53, 55, 56, 59, 67, 74 des schweizerischen Transportreglements v. 1. Jänner 1894).

Die Eilgutfrachtbriefe sind in Deutschland, Österreich und Ungarn sowie in der Schweiz auf weißem Papier mit roten Streifen, in den Niederlanden auf rotem Papier gedruckt.

In Deutschland kann E. gegen erhöhte Gebühren als »beschleunigtes E.« aufgegeben werden. Dieses wird vorzugsweise vor anderem E. mit den günstigsten, von der Eisenbahn dafür freigegebenen Zügen befördert.

Bei den österreichischen und ungarischen Bahnen unterscheidet man Schnellzugseilgut, ferner gewöhnliches E., ermäßigtes E., zu dem die meisten leicht verderblichen Lebensmittel gehören, und besonders ermäßigtes E. (leere Emballagen).

Die Aufgabe und Abholung von E. ist bei den Bahnen der genannten Länder an Wochentagen in der Regel auch zu späteren als den für Frachtgut festgesetzten Stunden sowie an Sonn- und Feiertagen vormittags zulässig.

Die Beförderung erfolgt in der Schweiz in der Regel mit Personenzügen (mit Güterzügen nur, wenn dabei die Lieferfrist gleichwohl eingehalten werden kann), in Deutschland, Österreich und Ungarn sowie den Niederlanden zum Teil mit Personenzügen, zum Teil mit Güterzügen (Eilgüterzügen).

Die Eisenbahnen haften auch bei Einrichtung beschleunigter Eilgutkurse mit festen Fahrplänen in der Regel nur für die Einhaltung der reglementarischen Lieferfristen.

In Belgien, Frankreich und Italien gelten für die Beförderung von E. zum Teile abweichende Bestimmungen.

Bei den belgischen Staatsbahnen besteht ein besonderer beschleunigter Beförderungsdienst (service accéléré), der im Wesen dem Eilgutdienst entspricht. Für diesen Dienst sind die Bestimmungen des Tarifes II maßgebend. Letzterer findet bei Sendungen bis zum Gewichte von 200 kg Anwendung, wenn der Absender nicht einen anderen Tarif vorschreibt.

Die Aufgabe erfolgt mit Bulletin d'expédition, die Beförderung gewöhnlich mit Personenzügen.

In Frankreich muß E. mit dem ersten, alle Wagenklassen führenden Personenzuge, der Anschluß nach der Bestimmungsstation hat, befördert werden, sofern es mindestens 3 Stunden vor der für die Abfahrt des Zugs festgesetzten Zeit zur Aufgabe gelangt ist; andernfalls wird es mit dem nächsten Zuge befördert. Für die Expreßzüge und bestimmte Postzüge ist diese Vorschrift nicht verbindlich; solche Züge werden in den Fahrplänen besonders bezeichnet. Ferner sind Zuschlagsfristen von 3, bzw. 6 Stunden für Übergänge von einem Bahnnetz auf das andere vorgesehen. Die Auslieferung erfolgt 2 Stunden nach Ankunft des Zuges.

In Italien ist E. mit besonderem Frachtbrief (Nota di spedizione), der auf blauem Papier gedruckt ist, zur Aufgabe zu bringen.

Güter im Einzelgewicht bis zu 50 kg werden mit Personen-, gemischten und Lokalzügen nach den dafür festgesetzten Fahrplänen befördert, wenn die ordnungsmäßige Aufgabe der Güter auf der Abgangsstation wenigstens 2 Stunden vor der fahrplanmäßigen Abfahrt des betreffenden Zuges stattgefunden hat, oder aber mit dem nächsten gleichartigen Zug, wenn die Aufgabe verspätet erfolgt ist. Bei Gütern im Gewicht von nicht über 10 kg genügt gewöhnlich, mit Ausnahme der Fälle eines großen Verkehrsandrangs, die Aufgabe bis 1 Stunde vor Abgang des betreffenden Zuges.

Bei Gütern im Einzelgewicht von mehr als 50 kg findet die Beförderung binnen 18 Stunden nach der ordnungsmäßigen Aufgabe unter Beobachtung der festgesetzten Aufgabszeiten statt.

Bei den englischen Bahnen besteht E. im eigentlichen Sinne nicht, und tritt hier der Paketverkehr (Parcelsverkehr), der sich ebenso schnell wie der festländische Eilgutverkehr abwickelt, an dessen Stelle. Durch das Tarifgesetz von 1891 (Railways Rates and Charges Act of 1891) sind die Bahnen verpflichtet, gewisse Parcels, insbesondere Lebensmittel, mit Personenzügen zu befördern.

In Amerika ist die Beförderung von E. mit Personenzügen meist Sache der Expreßgesellschaften.

Die Beförderung von E. spielt, was die verfrachtete Gesamtmenge und die Einnahme anbelangt, gegenüber dem gewöhnlichen Frachtgutverkehr eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle. So beträgt bei den deutschen Bahnen das beförderte E. und Expreßgut kaum 1% des gesamten gegen Frachtberechnung zur Beförderung gelangenden Guts, die Einnahme hieraus nur 4% der Gesamteinnahme aus dem Frachtenverkehr.

Bei den österreichischen Bahnen belief sich 1910 das beförderte E. auf 1∙1%, bei den ungarischen Staatsbahnen auf 1∙5%, bei den schweizerischen Bahnen auf 1∙1% der gesamten zur Beförderung gelangten Gütermengen. Die Einnahme betrug bei den österreichischen Bahnen 5∙6%, bei den ungarischen Staatsbahnen 5∙2% der Gesamteinnahme aus dem Güterverkehr.

v. Rinaldini.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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