Stadtschnellbahnen

Stadtschnellbahnen

Stadtschnellbahnen.


Inhalt: 1. Allgemeines; 2. Grundsätze für die Netzgestaltung; 3. Bahnhofsformen; 4. Bauweise der Schnellbahntunnel; 5. Betrieb und Verkehr; 6. Fahrpreise; 7. Wirtschaftsformen.


1. Allgemeines.


Die Entwicklung der Großstädte wäre nicht denkbar ohne großzügig angelegte Schienen- und Wasserstraßen, die der Bevölkerung Kraft und Stoff für die vielseitigen Formen ihrer Betätigung zuführen. Die Pflege der persönlichen Beziehungen ist die weitere Aufgabe der Eisenbahnen, die im Innenleben der Großstädte neben den Straßenbahnen vor allem auch berufen sind, der Bevölkerung durch Überwindung der gesteigerten räumlichen Entfernungen volle Freizügigkeit zu verschaffen. So ist die mit selbständigem Bahnkörper ausgerüstete S. wichtigste Trägerin der Massenbewegungen in der Großstadt mit ihren Vorstädten und Vororten. Die Elektrizität hat ihre gemeinnützige Bedeutung weiterhin gesteigert, indem sie das Bahnwesen beweglicher gestaltet, seine Leistungsfähigkeit im Massenverkehr erhöht und vor allem auch die Behinderungen fortgeräumt hat, die der schnellverkehrsmäßigen Erschließung des Stadtinnern noch im Wege standen. Heute vermag der Schnellverkehr je nach der Gestaltung des Stadtbildes mittels Hochbahnen aus Stein oder Eisen oder mit der Tunnelbahn alle Teile des Stadtgebiets bis in seinen innersten Kern zu durchdringen. Im übrigen hält sich die mit elektrischer Zugkraft ausgestattete Schnellbahn im wesentlichen an die aus der Zeit des Dampfbetriebs überkommenen Bahnformen; in den Außengebieten ist auch bei ihr die offene Form der Damm- oder Einschnittbahn die gegebene.

Bei der nachfolgenden Besprechung der Schnellbahnen können nur die wesentlichsten Punkte gestreift werden. Im besonderen wird auf die Einzeldarstellungen über die Berliner Hoch- und Untergrundbahnen, Bostoner, Chicagoer, Liverpooler, Londoner, New-Yorker, Pariser, philadelphischen Schnellbahnen verwiesen.


2. Grundsätze für die Netzgestaltung.


Neuzeitliche Schnellbahnnetze sollten auf der Grundlage eines nach technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgearbeiteten und von Zeit zu Zeit nachzuprüfenden Gesamtplans nach Maßgabe der Bedürfnisse zur Durchführung gebracht werden. Sparsamste Geldwirtschaft bei Auswahl und Ausbau der Linien ist Gebot der Zeitverhältnisse, nach dem sich auch das Tempo der Ausführung bestimmt, das sich neuerdings in der alten Welt stark verlangsamen dürfte. Bei der Verteilung der Linien über das Stadtgebiet ist im Auge zu behalten, daß die Außenbezirke auskömmlich mit Schnellbahnen versorgt, die inneren Gebiete dagegen aus Kostengründen nicht überlastet werden. Die Linien sind ferner so zu wählen, daß sie sich nicht gegenseitig den Verkehr abgraben. Linienverkettungen sind nach Möglichkeit zu vermeiden. Leistungsfähigkeit und Betriebssicherheit werden dadurch gehoben; die Fahrgäste müssen sich dabei freilich mehr als bisher an den Umsteigverkehr gewöhnen, der auch bei angemessener Ausbildung der Übergangstationen leicht in den Kauf genommen wird (Paris, London u.s.w.).

Indessen erscheint es weder notwendig noch zweckmäßig, die fahrplanmäßige Überführung von Zügen von einer Linie auf eine andere grundsätzlich auszuschließen. Mit Rücksicht auf die Entwicklungsverhältnisse oder aus Betriebs- und Verkehrsgründen sind einfache Abgabelungen wie auch der Anstoß von Pendellinien, selbst an Zweige gegabelter Linien, unbedenklich auch fernerhin zuzulassen. Aus wirtschaftlichen Gründen werden bei Auswahl und Führung der Linien häufig Kompromisse geboten sein.

Für die Einzellinie ist die Grundform die Durchdringungsbahn, die meist als Durchmesserlinie, häufig auch in Schleifenform das Stadtinnere aufzuschließen und darin den Wohnverkehr zu verteilen hat. In dieser Durchdringungsform, die gleichzeitig auch einen starken Innenverkehr an sich zieht, wird die Schnellbahn zur Stadt- und Vorortbahn. In den Innenbezirken unterliegt sie besonders scharfem Wettbewerb von Straßenbahn und Omnibus.

Bei der Durchdringungsbahn kann der Stadtbahncharakter durch Vermehrung der Zugaufenthalte im Innengebiet, der Vorortbahncharakter durch Verminderung der Zahl der Zugaufenthalte im Innen- wie Außengebiet gesteigert werden – Maßnahmen, die zum Teil miteinander im Widerspruch stehen. Es ergeben sich Betriebsformen, bei denen

a) Züge oder Zuggruppen insbesondere auf der Fahrt in den Außengebieten Stationen oder Stationsgruppen nach bestimmtem Plan abwechselnd überspringen (Durchfahrzüge);

b) den Schnellbahnlinien noch ein oder mehrere Eilzuggleise mit erweiterten Stationsabständen hinzugefügt werden, auf die Züge oder Zuggruppen im Vorortverkehr abgezweigt werden; die Eilzugstationen werden dabei zweckmäßigerweise mit Ortstationen zu Umsteigstationen vereinigt.

Besondere Eilzuggleise nach b) finden sich in Großstädten mit besonders gesteigerter Innenbebauung und vornehmlich einseitiger Stadtentwicklung vielfach neben den Ortgleisen im Innern; so in den Turmhausstädten New York und Chicago. In den Außengebieten sind die Eilzuggleise auch in Großstädten mit allseitiger Entwicklung vielfach zur Anwendung gekommen, so in London. Der frühere Vorortbetrieb auf den Ferngleisen der Berliner Stadtbahn ist ebenfalls hierher zu rechnen. Die unter a) angeführte Betriebsweise mit Durchfahrzügen (non stop-Zügen) findet sich in London. Weiterhin sind hier die vielfach angewendeten Staffelbetriebe zu nennen, bei denen Züge oder Zuggruppen im Wechsel eine oder mehrere Nahzonen im Vorortverkehr ohne Aufenthalt durchfahren und erst in den ferner liegenden Zonen anhalten. »In den äußeren Gebieten und namentlich zu Aufschließungszwecken ist auch die Straßenbahn in ihrer weiteren Ausbildung als Tramschnellbahn berufen, bei der Fortentwicklung des Schnellbahnwesens mitzuwirken1.« Für die Ausgestaltung der Gemeinschaftsbahnhöfe für Schnell- und Trambahnen liefert insbesondere Boston lehrreiche Vorbilder.

Für die Ausgestaltung des Schnellbahnnetzes ist im besonderen noch folgendes zu beachten.

Innerhalb der einzelnen Linien oder Liniengruppen ist der Zugumlauf abzustaffeln, wo die Verkehrsströme stärker abfallen. Auf unverzweigter Strecke setzt dies die Anlage von Umkehrgleisen voraus. Auf Bahn Verzweigungen ergibt sich die Abstufung des Zugumlaufs ohneweiters durch die Verteilung der Züge auf die Seitenlinien.

Die Verhältnisse des großstädtischen Schnellbahnbetriebs nötigen weiterhin dazu, an geeigneten Bahnpunkten Hilfsgleise vorzusehen, aus denen zur Verdichtung der Zugfolge Einsatzzüge abgelassen oder zur Veränderung der Zugstärken Zugauswechslungen vorgenommen werden können.

Die Betriebsstätten, d.h. die Werkstätten- und Aufstellungsanlagen müssen von allen Zügen eines Schnellbahnnetzes erreicht werden können. Aus diesem Grund sind zwischen den einzelnen Linien Verbindungsgleise herzustellen, die aushilfsweise auch zum Zugaustausch, zur gegenseitigen Unterstützung im Betrieb u. dgl. dienen können.

Wenngleich sich im Schnellverkehrswesen der Großstädte neuerdings auf einer und derselben Linie Stadt-, Vorstadt- und Vorortverkehr im wesentlichen miteinander vermischen2, so kommen im Gesamtzuschnitt der vorhandenen Schnellbahnnetze doch die vielfachen Abweichungen und Zufälligkeiten geschichtlicher Entwicklung stark zum Ausdruck. Sie weisen neben ausgesprochenen Durchdringungslinien in Wirklichkeit zahlreiche Gelegenheitslinien auf, die überwiegend oder ausschließlich dem Stadt- und Vorortverkehr dienen. Eine überaus große Zahl der aus der Entwicklungszeit der Dampfeisenbahn stammenden Schnellbahnen sind ausgesprochene Vorortbahnen, die den Wohnverkehr an den Grenzen der Innenstadt an die Straßenbahnen und Omnibusse zur Weiterverteilung abtreten. Schnellbahnen mit reinem Stadtbahncharakter, die des mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhangs mit Vorortstrecken entbehren, kommen seltener vor (Glasgow City Ry.).

Die ältere Entwicklung des Schnellbahnwesens hat sich im Dampfbetrieb vollzogen. Sie ist im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, daß die Züge nur bis zu den Einführungsbahnhöfen an den Grenzen der Innenstadt vordringen und sich vielfach sogar auch derselben Streckengleise bedienen wie die Hauptbahnen. Auch heute noch sind fast alle Fernbahnhöfe auch Einführungspunkte für den Vorortverkehr, sei es, daß Vorort- und Fernzüge in einer einzigen Bahnhofgruppe abgefertigt oder den Fernbahnhöfen besondere Vorortstationen angegliedert werden. Dagegen finden sich nur wenige selbständige Einführungspunkte, die ausschließlich dem Vorortverkehr dienen. Die Hergabe der Ferngleise für die Ortzüge ist vom Standpunkt der Betriebsführung, Sicherheit und Leistungsfähigkeit zu beanstanden und schon seit Jahrzehnten wird daran gearbeitet, den Ortverkehr von den Fernbahnen mehr und mehr loszulösen. Auch die aus dem Dampfbetrieb überkommenen mannigfachen Verkettungen der Ortgleise untereinander sucht man nach und nach zu vereinfachen und zu verringern. Der Übergang von der Dampfkraft zur elektrischen Betriebsweise bietet hier Gelegenheit zu wesentlichen Vereinfachungen. Einstweilen aber stellen sich die aus der Zeit des Dampfbetriebs stammenden Schnellbahnnetze allenthalben noch dar als ein System der Verkettungen von Gürtelbahnen und Zentrallinien, Bogenstrecken und Rückkehrschleifen, die in mannigfachster Anordnung und unter den verschiedenartigsten Namen und Bezeichnungen das Außengebiet der Städte durchziehen, und von diesen älteren Systemen sind die neuerdings ihnen eingegliederten elektrischen Durchdringungs-Schnellbahnen deutlich unterschieden, bei denen eine größere Selbständigkeit in der Linienführung zum obersten Grundsatz geworden ist.

Die geschichtliche Entwicklung, Verschiedenheiten der örtlichen Verhältnisse, der Auffassungen maßgebender Fachleute und andere Umstände haben zu einer Größenverschiedenheit des Lichtraums der Schnellbahnen geführt, die bei dem heutigen Stand des Schnellbahnwesens durchaus unerwünscht ist, da sie den Austausch von Betriebsmitteln zwischen einzelnen Linien oder Liniengruppen und die Anlage zentraler Betriebsstätten für alle Linien unmöglich macht. Die auf Taf. III zusammengestellten Beispiele zeigen, daß bisher in der Bemessung der Tunnelquerschnitte völlige Willkür gewaltet hat.


3. Bahnhofsformen.


In Tunnelstrecken sind die Bahnhöfe möglichst nahe unter dem Straßenboden anzuordnen, um sie auf kurzen Treppenläufen oder mittelbar über ein Zwischengeschoß erreichen zu können, in das die Fahrkartenhalle einbezogen werden kann. Die Bahnhöfe der Tieftunnel werden mit Aufzügen oder besser mit Fahrtreppen bedient. Letztere vermögen in der auf den Londoner Untergrundbahnen verwendeten mustergültigen Ausführung – zu vgl. Abb. 142 u. 143 – auf einem einzigen Lauf von etwa 1 m Breite 2000 bis 3000 Fahrgäste in der Stunde zu befördern.

Gemeinschaftsbahnhöfe sind nach den örtlichen Verhältnissen so zu gestalten, daß ohne Aufwendung unangemessener Geldmittel der Umsteigverkehr möglichst erleichtert wird. Die vollkommenste Bahnhofsform ist die, welche gestattet, Züge gleicher Fahrrichtungen an den beiden Kanten eines Bahnsteigs abzufertigen (»Richtungsbetrieb« im Gegensatz zum »Linienbetrieb« s. Mehrgleisige Strecken). Auch Kreuzungstationen von »turmförmiger« Anordnung gestatten bequemes Umsteigen. Bei den Pariser und Londoner elektrischen Schnellbahnen sind die Interessen des Umsteigverkehrs denen der Linienführung untergeordnet, ohne daß das reisende Publikum gleichwohl zu Beschwerden Anlaß genommen hätte.

Ferner ist den Ansprüchen der Betriebssicherheit in weitestgehendem Maße Rechnung zu tragen, dabei jedoch größtmöglichste Leistungsfähigkeit der Bahnhofsanlagen zu wahren. Die aus Sicherheitsgründen verschiedentlich erhobene Forderung, von Gleiszusammenführungen an der Einfahrseite der Bahnhöfe abzusehen, erscheint im allgemeinen und zumindest bei Anwendung der im selbsttätigen Sicherungswesen üblichen Grundsätze als zu weitgehend; unter Umständen würde sie die Durchführung einfacher Bahnhofsformen unmöglich machen und den Umsteigverkehr erschweren.

Die Anwendung von Inselbahnsteigen verdient vor der geschichtlich überkommenen Form der Außensteige im allgemeinen den Vorzug. Im übrigen können beide Bahnsteigarten auch an ein und derselben Linie unbedenklich verwendet werden. In Stationen, die zeitweilig ohne Aufenthalt durchfahren werden, sind Seitenbahnsteige anzuordnen.


In den Abb. 144147 sind einige moderne Bahnhofsformen für einander berührende und gabelnde Linien sowie für Kehrstationen dargestellt.

Die in Abb. 144 angegebene Form einer Station mit Richtungsbetrieb für zwei einander berührende Linien findet in engeren Straßenzügen Anwendung. Die Gleispaare 1, 2 und I, II sind so gegeneinander verschoben, daß sie in der Gemeinschaftstation übereinander liegen. Auf dem Gemeinschaftsbahnhof B wird zwischen den Gleisen 1 und I und auf dem darunter befindlichen Gemeinschaftsbahnhof B1 zwischen den beiden anderen Gleisen umgestiegen. Beim Bahnsteigwechsel ist nur ein einziger Treppenlauf zu überwinden.

Abb. 145 stellt eine Abzweigungstation mit Richtungsbetrieb dar, bei der Schienenkreuzungen vermieden sind. Die Gleise 1 und 2 der einen Anschlußlinie befinden sich zwischen den beiden Bahnsteigen, die Gleise 3 und 4 der andern Linie liegen außerhalb. Auf dem Gleis I ankommende Züge fahren an der ihrem Ziel entsprechenden Seite des Bahnsteigs A vor; der Bahnsteig B wird von den auf den Gleisen 2 und 4 einfahrenden Zügen benutzt. Zur Sicherung der Ausfahrt kann für die eine Richtung noch ein Stumpfgleis Anwendung finden. Bei beschränkter Breite können die Bahnsteige auch übereinander angeordnet werden.

In Abb. 146 ist eine einfache Kehrstation veranschaulicht. Die auf Gleis I einlaufenden Züge fahren entweder in der Richtung I weiter oder in eines der jenseits des Bahnhofs angeordneten beiden Umkehrgleise, aus dem sie nach Gleis II zur Abfahrt umsetzen. Züge aus Gleis 2 fahren in der Richtung II ohneweiters durch. Diese Bahnhofsform ist für einen starken Zugumlauf bestimmt. Bei schwächerem Verkehr ist es zulässig, die Umkehr der Züge vor dem Bahnhof über eine Weichenverbindung w stattfinden zu lassen. Ein auf Gleis I einlaufender Zug fährt nach der Abfertigung am Bahnsteig durch diese Weichenverbindung über Gleis II aus. Sollen auf einer Endstation die Züge an den beiden Bahnsteigseiten abwechselnd einfahren, wie es häufig gefordert wird, so ist die Verbindung w zu einem Weichenkreuz zu ergänzen.

Weiter ist in Abb. 147 noch eine Doppelkehrstation dargestellt, die so eingerichtet ist, daß kein einfahrender Zug Weichen zu passieren hat. Die von A kommenden Züge fahren auf Gleis 1 ein und gelangen über eines der Kehrgleise 2 oder 3 in das Abfahrgleis 4. Von B laufen die Züge auf Gleis 5 ein und setzen über das Kehrgleis 6 nach der Abfahrseite in Gleis 7 um. Auf den Abfahrseiten könnten 2 Züge in den Kreuzungen k und k1 einander begegnen. Da es sich dabei aber einerseits um ausfahrende Züge, anderseits um Züge handelt, die nach der Einfahrt in das Umsetzgleis vorziehen, die Bewegungen dieser Züge außerdem unter ständiger Überwachung des Fahrdienstleiters vor sich gehen und das Geben widersprechender Signale durch die Sicherheitseinrichtungen ausgeschlossen ist, so können die in den Bahnhof einfahrenden Züge durch diese Bewegungen nicht gefährdet werden. Wo die Stellung der Weichen und Signale nicht von der Mitwirkung von Gleisströmen abhängig gemacht ist, wird es sich empfehlen, noch 2 Sicherheitsweichen s und s1 vorzusehen, während derartige Weichen für die aus den Kehrgleisen vorziehenden Züge überflüssig sind, da diese beim Vorrücken an den Bahnsteig ohnehin eine nennenswerte Geschwindigkeit nicht entwickeln können. Die geschilderte Betriebsweise gewährt beiden Bahnen auch bei Durchführung dichtester Zugfolge die erforderliche Bewegungsfreiheit für die Aufstellung des Fahrplans.


Vereinigungen der angeführten Bahnhofsformen sind in den verschiedensten Formen möglich. Bei ihrer Durchbildung sollen lediglich Zweckmäßigkeitsgründe und die Forderungen der Betriebssicherheit und Leistungsfähigkeit maßgebend sein. Die äußere Erscheinung und das künstlerische Aussehen der Bahnhöfe müssen vollständig den Zweckmäßigkeitsformen angepaßt werden.

Wegen weiterer Ausführungen über die Bahnhöfe, die Bahnausrüstung, Betriebsmittel und Betriebsstätten ist auf die in diesem Werk enthaltenen Einzelbeschreibungen und auf die neuerdings außerordentlich angewachsene Literatur über die Großstadtschnellbahnen zu verweisen. Zu vergleichen sind auch die Abschnitte dieses Werkes über Bahnhöfe, Mehrgleisige Strecken, Personenwagen u.s.w.


4. Bauweise der Schnellbahntunnel.


Von besonderer Bedeutung ist die Ausführungsweise der Schnellbahn in Tunnelstrecken. Aus Taf. III ist ersichtlich, daß gewölbte, rechteckige und röhrenförmige Querschnitte in den mannigfachsten Größenverhältnissen vorkommen; selbst im Zug einer und derselben Linie wechselt die Form je nach der anzuwendenden Bauweise vielfach ab. Auch nach der Tiefenlage, der Art der zu durchtunnelnden oder zu unterfahrenden Baugründe und baulichen Anlagen (Wasserläufe, Sumpfstrecken, Felsabschnitte, bebaute Grundstücke, Rohrnetze u.s.w.) sind die Querschnittsformen sehr verschieden. Von den bekannten bergmännischen Tunnelbauverfahren ausgehend, sind die Bauweisen in der neuesten Zeit zu einem Grad der Vollkommenheit entwickelt worden, die eine völlig neue Tunnelbauwissenschaft begründet hat. Ausführungen in offenen oder für den Straßenverkehr vorübergehend überdeckten Baugruben sind für alle Querschnittsformen und Baugründe angewendet. Für größere Tiefenlagen der Tunnel tritt zu den überkommenen bergmännischen Verfahren das des Vortriebs mit Schilden oder schildartigen Werkzeugen, die – wie beim Kreisquerschnitt – die ganze Brust des Tunnels einnehmen oder – wie bei gewölbten Querschnitten – als Firsten- oder Sohlstollenschilde für die Ausführung mitbenutzt werden. Die Anwendung der Druckluft in wasserführendem oder schlammigem Boden führt zu besonderen Formen der Vortriebschilde, deren Durchbildung den größten Scharfsinn der Ingenieure herausgefordert hat. Die seit langem für Pfeilerbauten angewendete Druckluftgründung hat eine wichtige Ausbildung auch im Tunnelbau erfahren, namentlich für Fälle, in denen eine Unterschreitung von Wasserläufen erforderlich wurde. In Berlin hat die Art der Wasserhaltung durch Grundwassersenkung zu einem eigenartigen Bauverfahren geführt, das bei der Kreuzung von Flußläufen noch besondere Ausbildungen erfahren mußte. Als Sonderfälle der Bauausführung möge noch die Einbettung fertiger Tunnelabschnitte in eine auf der Flußsohle ausgebaggerte Rinne erwähnt werden. Wegen der sonstigen Bauweisen sei auf die in neuerer Zeit außerordentlich stark angewachsene Literatur hingewiesen (s. auch den Artikel über Tunnelbau). Die Baukosten der Tunnelschnellbahnen gehen über das bei sonstigen Eisenbahnanlagen übliche Maß weit hinaus.


5. Betrieb und Verkehr.


Der Stadtschnellverkehr vollzieht sich in starken Wellenbewegungen, die abgesehen von den Jahres-, Monats- und Wochenschwankungen insbesondere im Laufe eines Tages außerordentliche Ungleichheiten aufweisen. In den Früh- und Vormittagstunden sind die Fahrten hauptsächlich stadteinwärts, in den Nachmittag- und Abendstunden nach außen gerichtet. Die größten Verschiedenheiten treten im Vorortverkehr auf, der sich im wesentlichen auf einige Vormittag-, Nachmittag- und Abendstunden zusammendrängt, in denen sich hauptsächlich die Berufstätigen, abends auch die der Geselligkeit nachgehende Bevölkerung auf den Schnellbahnen einfindet. Bei den Durchdringungslinien zeigen die Kurven des Verkehrs infolge der hinzutretenden innenstädtischen Strömungen im allgemeinen eine etwas gleichmäßigere Gestaltung. Ihren Höhepunkt erreichen die Verkehrswellen an Sonn- und Festtagen oder bei besonderen Gelegenheiten; so rufen das Erholungsbedürfnis, Veranstaltungen im Freien – Regatten, Rennen, Sportfeste –, oft lediglich durch die Witterung bedingt, wahre Sturmfluten im Verkehr hervor, die die stärksten Erhebungen des Normalverkehrs um das 6–7fache überschreiten.

Den geschilderten Verhältnissen gegenüber hat die Betriebsführung mit außerordentlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, die dadurch noch besonders vermehrt werden, daß die zeitlichen und örtlichen Ungleichheiten des Verkehrs an den verschiedenen Stellen des Stadtgebiets auch wieder im einzelnen die wechselvollsten Bilder zeigen. Die Aufgaben, die im Betriebsdienst in bezug auf die Aufstellung des Zugbildungsplans, die Verteilung der Züge und die Bemessung der Zugstärken gestellt werden, gehören zu den schwierigsten des Eisenbahnwesens. Sie werden noch besonders erschwert, wenn bei der Feststellung der Gesamtanlage und der Betriebseinrichtungen neuer Schnellbahnen nicht die nötige Sorgfalt angewendet wird.

Die Mannigfaltigkeit und Massenhaftigkeit der beanspruchten Leistungen kann nur durch gesteigerte Gesetzmäßigkeit im Aufbau der Zugumlaufpläne gewährleistet werden, die ihren Ausdruck in dem sog. »starren Fahrplanschema« findet, das gewissermaßen ein Skelett darstellt, aus dem die ganze Mannigfaltigkeit des Zugumlaufs entwickelt werden muß. Das gilt auch für den reinen Vorortverkehr, wenngleich hier die Zugfolge auf der gesetzmäßigen Grundlage nach freierem Ermessen dem Bedürfnis angepaßt werden kann. Aber auch im Verkehr der Sonn- und Festtage, überhaupt im Ausflugsverkehr, gibt das starre Fahrplanschema das Tempo an für den gesamten Zugumlauf; den Ungewißheiten gegenüber, die durch plötzliche Witterungseinflüsse und andere Umstände herbeigeführt werden, hilft sich die Verwaltung durch Einstellung möglichst vieler Bedarfszüge in den Dienstfahrplan, die, jederzeit verwendungsbereit, je nach den eintretenden Erfordernissen augenblicklich in den Verkehr gebracht werden können. Normale Verkehrsverhältnisse erfordern einen nach innen zu allmählich dichter werdenden Wagenumlauf, d.h. eine Vermehrung der Zugzahl, die nach Möglichkeit zu verbinden ist mit einer Verstärkung der Züge selbst. Bei den älteren Schnellbahnen ergeben sich die inneren Verstärkungen ohneweiters aus der Art ihrer Verkettungen, die eine Verschmelzung der Zugverkehre im Innern des Stadtgebiets zur Voraussetzung hat (Abb. 148). Bei unverketteten Linien wird die Staffelung des Zugumlaufs in der in den Abb. 146 u. 147 angedeuteten Weise durch Kehrstationen herbeigeführt, bei deren Ausgestaltung auch die Verhältnisse des Ausflugsverkehrs gebührend zu berücksichtigen sind. Die Frage, wie der schwankenden Verkehrsstärke durch Änderung der Zuglängen selbst Rechnung getragen werden könne, bietet Schwierigkeiten, für die bisher eine befriedigende Lösung nicht gefunden wurde. Das An- und Abhängen einzelner Wagen oder Wagengruppen im laufenden Betrieb hat sich nur in sehr bescheidenem Umfang als durchführbar erwiesen; dagegen hat das Verfahren des Zugaustausches, d.h. des Ersatzes kürzerer Züge durch längere und umgekehrt weitergehende Anwendung gefunden. Hierher gehört auch eine besondere Ausbildung der Außenstrecken, deren Verkehr die Durchführung längerer Züge wirtschaftlich ungerechtfertigt erscheinen läßt, in der Weise, daß die Außenlinien mittels bequem eingerichteter Umsteigstationen an die inneren Stammstrecken angegliedert, im übrigen nach individuellem Plan betrieben werden. Im Betrieb der Eilzüge, der Durchfahr- (non stop-) Züge und der Staffelzüge ergeben sich wieder besondere Aufgaben, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann. In den Abb. 149 u. 150 sind 2 Beispiele des Durchfahrbetriebs gezeigt, bei dem, wie die Abbildungen erkennen lassen, auch eine Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit angestrebt wird.


6. Fahrpreise3.


Die Schnellbahnen sind nur frei in der Form der Fahrpreisbildung, nicht aber hinsichtlich der Höhe der Fahrpreise, in der sie dem Wettbewerb anderer Verkehrsmittel und den allgemeinen Verhältnissen Rechnung zu tragen haben.

Zur Vereinfachung der Abfertigung im Massenverkehr der Schnellbahnen sind die Tarifformen möglichst einfach zu gestalten; den Grundsätzen gerechter Behandlung der Fahrgäste entspricht eine Abstaffelung der Fahrpreise nach der Entfernung, unter weitestgehend gleichartiger Behandlung der Fahrgäste. Beide Forderungen gleichzeitig werden weder von dem amerikanischen oder Pariser Einheitstarif, noch von der geschichtlich überkommenen Vielfältigkeit des Fahrkartenwesens der Londoner oder staatlichen Berliner Schnellbahnen erfüllt; sie finden ihre volle Verwirklichung in dem auf der Berliner Hochbahn durchgeführten Staffeltarif, der sich auf die Ausgabe von Einzelkarten beschränkt, deren Preise nach Entfernungszonen abgestuft sind. Die den arbeitenden Klassen zu gewährenden Ermäßigungen haben sich der Staffel zwanglos einzugliedern (Frühkarten). Die Ausgabe billigerer Zeitkarten ist mit den wirtschaftlichen Interessen der Schnellbahnen nicht vereinbar.

Von einigen besonderen Unternehmungen abgesehen, sind die Fahrpreise der Schnellbahnen im allgemeinen nicht ausreichend, um außer der Bestreitung des Betriebsaufwandes und der sonstigen notwendigen Ausgaben und Rückstellungen auch das Anlagekapital ausreichend zu verzinsen. Die Ursachen der Unzulänglichkeit wurzeln zum Teil in veralteten wirtschaftlichen Anschauungen und Tarifgrundsätzen, unter denen sich die Politik der Verkehrswerbung durch niedrige Fahrpreise als besonders verhängnisvoll erwiesen hat. Einseitiges Erfassen der sozialen Aufgaben, das namentlich der Bodenspekulation gegenüber oft fehlgreift, die in der Gesamtheit als die »öffentliche Meinung« zu bezeichnenden Kräfte, die fast immer negativ arbeiten, Mitbestimmungsrechte öffentlicher Körperschaften, parteipolitische Einflüsse und nicht in letzter Linie der Wettbewerb der Straßenbahnen und Omnibusse – vielfach auch der Schnellbahnen selbst – sind die Triebfedern, die die Fahrpreise ständig unter Druck halten. »Der Wettbewerb hat auch die außerordentliche Ungleichartigkeit und Vielgestaltigkeit der Tarifformen im Londoner Verkehr verschuldet, die zudem infolge dauernder Änderungen der Tarifsätze selbst das ganze Fahrpreiswesen niemals zur Ruhe kommen läßt« (Berichte des englischen Handelsamtes).

Die durchschnittliche Einnahme aus einer Fahrt bewegt sich auf den selbständig dastehenden elektrischen Schnellbahnen zwischen 11∙5 Pf. auf der Pariser Stadtbahn und 21 Pf. auf den Schnellbahnen der Vereinigten Staaten von Amerika. Im Gesamtbetriebsnetz der Berliner Hoch- und Untergrundbahn beträgt sie 14 Pf., auf ihren Eigentumslinien 13∙2 Pf.; in London liegt sie zwischen 12 und 151/2 Pf. Der personenkilometrische Betrag der Fahrgeldeinnahmen ist nicht nachweisbar. Sind schon die Fahrpreisdurchschnitte bei diesen elektrischen Schnellbahnen unzureichend, so gilt dies noch in weit höherem Grad von den mit Großbahnnetzen zusammenhängenden und noch zum größten Teil mit Dampfkraft betriebenen Schnellbahnen, die geradezu zu Schleudertarifen gelangt sind, von denen sie sich nur schwer zu befreien vermögen; beträgt doch der Einnahmedurchschnitt bei der Berliner Stadt- und Ringbahn nur 71/2 Pf.; zu einer so weitgehenden Tarifverbilligung hat man sich in keiner andern Großstadt auch unter dem schärfsten Druck des Wettbewerbs entschließen können.

Einzelheiten über die Fahrpreise der verschiedenen Schnellbahnen finden sich in den diese behandelnden besonderen Artikel.


7. Wirtschaftsformen.


Die Frage, ob die Schnellbahnen zweckmäßiger auf privatwirtschaftlicher oder gemeinwirtschaftlicher Grundlage zu errichten seien, bleibt unentschieden, da sie auch in der Hand der Privatunternehmung als »gemeinnützige Betriebe« anzusehen sind, wie dies auch im Sinne des New Yorker Schnellverkehrsgesetzes liegt.

Die Regeln, nach denen diese Verkehrsmittel, Volleisenbahnen in denkbar verfeinerter Durchbildung, im öffentlichen Interesse ausgestaltet werden müssen, nach denen die Betriebsführung, der Sicherheitsdienst, die Überwachung gehandhabt werden, weichen bei beiden Wirtschaftsformen auch nicht im kleinsten Punkt voneinander ab. Bezeichnend ist, daß gerade die vollkommensten aller Schnellbahnen von Privatgesellschaften errichtet sind. Aus dem gemeinnützigen Charakter der Unternehmungen folgt aber auch, daß da, wo private Mittel für die Zwecke des großstädtischen Schnellverkehrs mangels ausreichender Wirtschaftlichkeit nicht zu haben sind, die Allgemeinheit in irgend einer Form unterstützend einzuspringen hat, gleichviel, unter welcher Form das Unternehmen bewirtschaftet wird. Die Geldbeschaffung kann den Unternehmungen in den verschiedensten Formen erleichtert werden, sei es, daß Kapitalien zu billigem Zinsfuß beigesteuert, Zinsbürgschaften übernommen oder zweit- oder drittstellige Kapitalanteile übernommen werden. Auch die Bürgschaft für gewisse Mindesteinnahmen, Zahlung von Betriebszuschüssen, unentgeltliche Hergabe von Grund und Boden gehören hierher. Im Falle der Aufschließungsbahnen würden auch die Anlieger zwangsweise mit Zuschüssen belastet werden können. Finanzielle Unterstützung ist Vorbedingung in allen Fällen, in denen Gemeinden Angliederungen an ein Schnellverkehrsnetz und dessen Betrieb mittels Linien suchen, für die ein befriedigendes Ergebnis einstweilen nicht anzunehmen ist. Die Linien haben sich in diesem Fall baulich und betrieblich dem Stammnetz völlig anzugliedern.

Das zuletzt angeführte Beispiel stellt einen Sonderfall der gemischtwirtschaftlichen Form der Schnellbahnunternehmung dar. Die von Lord Avebury gerügten Mängel städtischer Verkehrsbetriebe – hervorgehend aus der Schwerfälligkeit städtischer Verwaltungen, den Gefahren der Überschuldung, den sozialen Rücksichten, mangelnder Sparsamkeit in der Wirtschaftsführung, Mangel an Trieb zur Weiterentwicklung und erfinderischen Vervollkommnung der Betriebseinrichtungen – sind bei der gemischtwirtschaftlichen Unternehmung jedenfalls vermieden. Sie entspringt aus dem Gedanken, daß es demjenigen, dem die Herrschaft über die Straße zusteht, auch unbenommen bleiben müsse, zu den mannigfachen Anlagen, die er sonst im Straßenkörper unterzubringen pflegt, auch die Schnellbahnen wenigstens in eigene Bauausführung zu nehmen, wenn er auch die Betriebsführung durch Dritte pachtweise bewerkstelligen lassen will. Dieser Auffassung ist durch stadtseitige Herstellung des Tunnelkörpers im wesentlichen genügt; nur in Ausnahmefällen haben sich die Städte auch mit der Erstellung von Hochbahnstrecken befaßt. Die Ausrüstung der Schnellbahn und die Beschaffung der Betriebskraft ist bisher in allen Fällen Sache des Pächters geblieben. Die Bemessung der Tunnelpacht oder Bahnpacht hängt von den Umständen ab; vielfach ist sie so bemessen, daß sie für die Verzinsung und Tilgung der städtischen Anleihen ausreicht, aus deren Erlös die Bahnkörper hergestellt sind, wobei für den Betriebsunternehmer immerhin der große Vorteil herausspringt, daß der Zinsfuß in mäßigen Grenzen bleibt. In anderen Fällen hat die Pächterin einen Teil der Fahrpreiseinnahmen an die Stadt abzuführen oder für jeden durch den Tunnel geführten Wagen eine bestimmte Abgabe zu entrichten; auch der Fall, daß die Fahrgäste beim Lösen der Fahrkarten dem Fahrpreis noch einen Zoll für die Stadt zuzulegen haben, kommt vor. Der gemeinnützige Charakter der Schnellbahnen gelangt in den Fällen mit besonderer Deutlichkeit zum Ausdruck, in denen der Betriebsunternehmerin gestattet ist, vorweg aus den Einnahmen ausreichende Mittel für den eigenen Kapitaldienst einzubehalten; in allen anderen Fällen ist es Sache des Betriebspächters, von vornherein zu prüfen, ob das Unternehmen außer dem Pachtschilling noch genügende Überschüsse für seine eigenen Zwecke abwirft.

Tritt in diesen Fällen der kommunale Zuschnitt der Schnellbahnen unmittelbar zu tage, so hat sich die Kommunalpolitik vielfach auch mittelbaren Einfluß auf die Privatschnellbahnen gesichert. Der kommunale Einschlag offenbart sich in den den Städten vielfach ausbedungenen Übernahmerechten, nach denen diesen das Unternehmen nach einer bestimmten Zeit zum Teil oder im ganzen Umfang unentgeltlich anheimfällt, im übrigen von Zeit zu Zeit auf Verlangen käuflich zu überlassen ist.


a) Wirtschaftliche Lage.


Schnellbahnen erfordern, wo nicht besonders günstige Verhältnisse vorliegen, wie in Paris, einen Anlageaufwand, der bei keiner andern Bahngattung auch nur im entferntesten erreicht wird. Schnellbahnen, die als Hochbahnen gebaut werden, erfordern etwa das 10fache, als Untergrundbahnen das 20–30fache der Kosten gleichlanger Straßenbahnen. Anlagekosten bis zu 10 Mill. M. und selbst darüber sind für zweigleisige Tunnelbahnen im Stadtinnern nichts Ungewöhnliches; selbst in Außengebieten, wo die Schnellbahn auf Dämmen und in Einschnitten geführt werden kann, sind die kilometrischen Anlagekosten immer noch bis auf etwa 11/2 Mill. M. zu veranschlagen.

Wenn nun auch die Schnellbahnen eine erheblich größere Zahl von Fahrgästen befördern können als die Straßenbahnen, so haben die Erfahrungen gezeigt, daß es wegen der hohen Anlagekosten selbst mit erheblichen Beihilfen der Wegeunterhaltungspflichtigen und der Anlieger sehr schwierig ist, ein angemessenes Erträgnis zu erwirtschaften. Die kilometrische Beförderungsziffer der einzelnen Unternehmungen bewegt sich in den Gesamtdurchschnitten etwa zwischen 2 und 21/2 Mill. Personen; nur in Ausnahmefällen geht sie über 4 Mill. hinaus, wie in Paris, wo auf den Linien der Stadtbahn auf das Bahnkm etwa 5 Mill. Personen befördert werden, oder in New York, dessen ungeheurer Verkehr sich sogar bis auf 8 Mill. erhebt. Die Berliner Hoch- und Untergrundbahn befördert 31/4 Mill. Fahrgäste auf das Bahnkm.

Der Beförderungsziffer entsprechend halten sich auch die Verkehrseinnahmen in bescheidenen Grenzen. Die Ausgaben dagegen werden durch die festen Lasten, die stetig wachsenden Löhne und Materialpreise, die den Betrieb, die Unterhaltungs- und Erneuerungsarbeiten der Anlagen unaufhaltsam verteuern, immer weiter in die Höhe getrieben. Für Abschreibungen ist nur selten in auskömmlichem Maße gesorgt worden.

Aus den Verkehrsüberschüssen lassen sich daher die in den Schnellbahnen angelegten ungeheuren Kapitalien nur in besonderen Fällen ausreichend verzinsen. Nur wenige Schnellbahnen sind auch – wie etwa die Berliner Hoch- und Untergrundbahn – im stände, das Erträgnis durch Nebeneinnahmen aus Vermietungen und Verpachtungen, dem Reklamewesen, Übernahme der Betriebsführung für andere Linien, Zuschüssen u. dgl. nennenswert aufzubessern. Wird für das Gesamtkapital die bescheidene Forderung einer auch nur 4%igen Verzinsung aufgestellt, so gibt es in England keine einzige unter den unzähligen Stadt- und Vorortbahnen, die eine derartige Rentabilität aufweisen. Von den Schnellbahnen der Vereinigten Staaten stehen nur die bedeutendsten New Yorker Unternehmungen und unter den europäischen nur die Pariser Stadtbahn günstiger da. Die Berliner Hochbahn hat vor dem Krieg mit Hilfe von Nebeneinnahmen und Zuschüssen den Durchschnittsertrag auf 4∙8% des Gesamtkapitals, ohne diese nur auf 3∙5% steigern können, während die Hamburger Hoch- und Untergrundbahn noch nicht 2% des gesamten Anlageaufwandes erwirtschaften konnte, von dem der hamburgische Staat den auf die Bahnanlage entfallenden Teil übernommen hat.

Das Wohlergehen der Gesellschaften berührt aber nicht die Aktionäre allein; »Unternehmungen, die wenig mehr als die Selbstkosten erwirtschaften, können den Interessen der Allgemeinheit nicht in demselben Maße dienen wie Verwaltungen, die mit Überschüssen arbeiten; Erweiterungen und Verbesserungen werden vielfach aus dem Grund unterlassen weil sie ertraglos sind, und diese Zurückhaltung wirkt in weiterem Umfang auch wieder auf Handel und Wandel zurück« (Berichte des englischen Handelsamtes). Ob es sich um selbstständige Unternehmungen oder um solche Schnellbahnen handelt, die den Großbahnen eingegliedert sind, denen es zur Last fällt, die für die örtlichen Verkehrsmittel erforderlichen Zuschüsse aus dem Gesamthaushalt zu bestreiten, macht hierbei keinen Unterschied. Aber auch öffentliche Körperschaften haben ein Anrecht darauf, in Schnellbahnen angelegte Kapitalien ausreichend verzinst zu sehen. Wenn ihnen auch die Steuerquelle zur Deckung von Fehlbeträgen zur Verfügung steht, so würde doch die steuerzahlende Allgemeinheit gegen eine zu freigebige Geldwirtschaft im Schnellverkehr berechtigten Widerspruch erheben können.


b) Bemerkungen zur Wirtschaftspolitik.


Gesunde Wirtschaftspolitik hat auf einer gesunden Tarifpolitik aufzubauen, die auf die Beseitigung ungesunden Wettbewerbs hinarbeitet Sie nötigt zu einem engeren Zusammenschluß der Unternehmungen durch Herstellung von Wirtschaftsverbänden, Anbahnung von Betriebs- und Verwaltungsgemeinschaften oder durch völlige Verschmelzungen, wie sie in den Vereinigten Staaten und England aus der Notlage wirtschaftlicher Depression und ausgearteten Wettbewerbs heraus in größtem Umfang durchgeführt worden sind. Bei diesen Maßnahmen spielt auch die Tariffrage eine wichtige Rolle obwohl der Gedanke, auf den Schnellbahnnetzen verschiedener Verwaltungen in einer Großstadt eine sehr weitgehende Freizügigkeit im Fahrpreiswesen durchzuführen, an inneren Schwierigkeiten scheitern muß. Diese Art der wirtschaftlichen Selbsthilfe auf dem Wege des Zusammenschlusses bedarf aber weiterhin der Ergänzung durch eine amtliche Organisation, deren Augenmerk darauf gerichtet sein muß, bei voller Wahrung der öffentlichen Interessen den Schnellbahnen ihre Aufgaben nach Kräften zu erleichtern. Eine amtliche Zentralstelle, die mit weitreichenden Befugnissen auszustatten wäre, vermöchte hier in höchstem Maße segensreich zu wirken. Ihr läge es ob, die Bedingungen, Lasten und Abgaben, die den Schnellbahnen aufzuerlegen wären, der wirtschaftlichen Lage anzupassen, Beihilfen, Kredite oder Bürgschaften für Bau- und Betriebszwecke auszuwirken, im Falle einer Siedlungspolitik auf unentgeltliche Hergabe von Grund und Boden zu dringen, Vereinfachungen in den Bauformen durchzusetzen, Einfluß zu nehmen auf die Ausgestaltung und Regelung des Fahrpreiswesens, die Hintanhaltung unnützen Wettbewerbs und überflüssiger Doppelleistungen, verständiges Maßhalten in der Bedienung neuer Gebiete u.a.m. Unter den dauernden Lasten nehmen die Abgaben für das Wegerecht, die z.T. sogar eine Beteiligung am Reingewinn einschließen, vielfach die erste Stelle ein, obwohl bei den Schnellbahnen eine Abnutzung der Straßenflächen überhaupt nicht stattfindet. Auch die Staats- und Gemeindesteuern erreichen bei vielen Schnellbahnen eine geradezu unerschwingliche Höhe.


c) Rechtszustand.


Ein »Schnellbahngesetz«, das das Schnellbahnwesen bis in alle Einzelheiten regelt, gibt es einstweilen nur im Staat New York (Rapid Transit Act). Ein zur Durchführung des Gesetzes errichtetes Amt für die gemeinnützigen Betriebe (Public Service Commission) hat die Angelegenheiten des Groß-New Yorker Schnellbahnwesens im Einvernehmen mit der Stadtverwaltung mit großer Selbständigkeit zu ordnen (zu vgl. den Art. New Yorker Schnellbahnen). In keinem andern Land hat die allgemeine Gesetzgebung für das Schnellbahnwesen in gleich durchgreifender Weise vorgesorgt; auch die Machtbefugnisse der mit der Überwachung des Schnellbahnwesens betrauten Organe sind sonst nirgends einheitlich oder auskömmlich geregelt, so daß vielfach der Mitbestimmung berechtigter Dritter, insbesondere der Wegeberechtigten, Tür und Tor geöffnet ist, die aus privaten Unternehmungen größtmöglichen Vorteil zu ziehen suchen.

In England bedarf jedes Schnellbahnunternehmen eines Sondergesetzes (Act), in dem die in einem kontradiktorischen Verfahren sorgfältig ermittelten Interessen der von dem Unternehmen Betroffenen bis ins kleinste geregelt werden. Das preußische Kleinbahngesetz begnügt sich damit, die Schnellbahnen den Straßenbahnen oder den nebenbahnähnlichen Kleinbahnen zuzuzählen, ohne ihrer Eigenart irgendwie besondere Rechnung zu tragen. Der behördlichen Genehmigung hat die Zustimmung der Wegeberechtigten voraufzugehen, während die Interessen der übrigen Beteiligten im sog. »Auslegungsverfahren« ihre Regelung finden. Für Groß-Berlin hat man die Schwierigkeiten, die die Vielköpfigkeit der Gemeinden dem Verkehrswesen bereitete, durch deren Zusammenfassung zu einem Zweckverband zu beseitigen gesucht. Ein stehendes Kapitel in der Schnellbahnliteratur bilden die Widerstände und Schwierigkeiten, die den Schnellbahnen bei Verfolgung ihrer Ausführungspläne von allen mittelbar oder unmittelbar Beteiligten, von Körperschaften, Kirchengemeinden, Vereinen, Grundbesitzern, im Wege der Verhandlungen, in Versammlungen, in der Presse, offen und geheim, und meist mit mehr oder weniger Erfolg in den Weg gelegt zu werden pflegen, um den Unternehmungen ein Übermaß von Lasten aufzubürden. Ist es doch so weit gekommen, daß sich in Preußen die Zustimmungen der Stadtgemeinden, die nach dem Sinne des Kleinbahngesetzes wesentlich das Entgelt für die Straßenbenutzung ordnen sollen, allgemein zu umfangreichen Privatverträgen ausgewachsen haben, in denen sich die Wegeberechtigten in Ausübung der Rechte des Stärkeren den weitestgehenden Einfluß auf die Unternehmungen gesichert und Mitbestimmungsrechte vereinbart haben, die den Rechten der Obrigkeit oft in bewußter Weise vorgreifen und zuwiderlaufen.

Kemmann.

Abb. 142. Betriebsfertige Fahrtreppe.
Abb. 142. Betriebsfertige Fahrtreppe.
Abb. 143. Im Bau befindliche Fahrtreppe.
Abb. 143. Im Bau befindliche Fahrtreppe.
Abb. 144. Berührungsstation.
Abb. 144. Berührungsstation.
Abb. 145. Abzweigungsstation mit Richtungsbetrieb.
Abb. 145. Abzweigungsstation mit Richtungsbetrieb.
Abb. 146. Einfache Kehrstation.
Abb. 146. Einfache Kehrstation.
Abb. 147. Doppelkehrstation.
Abb. 147. Doppelkehrstation.
Abb. 148. Starrer Fahrplan der Londoner Distriktbahn.
Abb. 148. Starrer Fahrplan der Londoner Distriktbahn.
Abb. 149. Durchfahrbetrieb auf der Piccadillybahn in London.
Abb. 149. Durchfahrbetrieb auf der Piccadillybahn in London.
Abb. 150. Durchfahrbetrieb auf der Hampsteadbahn in London.
Abb. 150. Durchfahrbetrieb auf der Hampsteadbahn in London.
Tafel III.
Tafel III.
1

Kemmann, »Das Bahnnetz von Berlin und Vororten« in dem Werk »Das deutsche Eisenbahnwesen der Gegenwart«, Berlin, Reimar Hobbing 191. – S. insbesondere auch Giese, Schnellstraßenbahnen unter besonderer Berücksichtigung von Groß-Berlin. Berlin 1917, W. Mösers Verlag.

2

Kemmann, Der Londoner Verkehr nach dem Bericht des englischen Handelsamtes. Berlin 1909, Springer.

3

Kemmann, Die Fahrpreise der Stadtschnellbahnen in den europäischen und amerikanischen Großstädten. Ztg. d. VDEV. 1912, Nr. 22 u. 23.


http://www.zeno.org/Roell-1912. 1912–1923.

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